Freitag, 15. November 1918

  

Liberaler Bürgerverein. Die gestern abend im großen Saal der Lese abgehaltene Versammlung des Liberalen Bürgervereins war recht gut besucht, allerdings nicht so zahlreich, wie man hätte erwarten müssen. Ein großer Teil des liberalen Bürgertums steht den sich überstürzenden politischen Ereignissen noch zu teilnahmslos gegenüber, zieht, wie hervorgehoben wurde, die Unterhaltung am Stammtisch der berufenen Aufklärung und Belehrung vor, schenkt dabei selbst den grundlosesten Gerüchten Glauben und bringt selbst noch neue Unruhen schon aufgeregte Bevölkerung. Der Vorsitzende, Dr. Krantz, schilderte nach kurzen Ausführungen über die allgemeine Lage und über die Aufgaben des Liberalen Bürgervereins die Ereignisse in Bonn während der letzten acht Tage. Schon Donnerstag voriger Woche war ein Bürgerausschuß aus je vier Vertretern der Liberalen, des Zentrums und der Sozialdemokratie im Rathause zusammengetreten, der von der Stadtverordnetenversammlung bevollmächtigt war, in allen dringenden Fällen selbständig zu handeln. Nachdem es noch Freitag in Bonn ruhig gewesen war, kamen in der Nacht zum Samstag 15 bewaffnete Matrosen nach Bonn, befreiten die Gefangenen, erbrachen das Proviantmagazin an der Endenicher Straße, erzwangen die Uebergabe des Garnisonskommandos und veranlassten die Wahl eines Soldatenrates. Darauf kam als Vertreter des Kölner Arbeiter- und Soldatenrates der Gefreite Mandel mit 50 Mann nach Bonn, um die Unordnung zu beseitigen, was auch einigermaßen gelang. Es wurde dann der Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat gebildet, dem außer den Vertretern der Soldaten acht Vertreter der Sozialdemokratie und der freien Gewerkschaften sowie je vier Vertreter der Liberalen und des Zentrums angehören. Der Oberbürgermeister und die Beigeordneten haben sich sofort zur Weiterarbeit bereit erklärt. Für die wichtigste Aufgabe, die Sicherheit zu gewährleisten, erwies sich das Militär als zu schwach, es wurde daher die Bildung einer Bürgerwehr beschlossen und ihre Organisation und Führung dem Amtsgerichtsrat Arimond übertragen. In kurzer Zeit werden wir eine genügend starke und wohldisziplinierte Bürerwehr haben, um Leben und Eigentum unserer Einwohner schützen zu können. Dr. Krantz bat alle Beamten, auf ihrem Posten zu bleiben, durch den Rücktritt würden die Verhältnisse nicht verbessert, vielmehr verschlechtert. Er berichtete weiter über die sehr schwierigen, aber auch zum Teil schon gelösten Aufgaben des Transport- und Verpflegungsausschusses. Auch die gewaltige Aufgabe, den heimkehrenden Kriegern Arbeit und Verdienst, auf die sie ein Recht haben, zu beschaffen, werde gelöst werden können, da die Arbeitgeber dieser Aufgabe einmütig den besten Willen entgegenbringen. [...] Die größten Schwierigkeiten werde noch der Durchzug der Truppen mit sich bringen, es sei aber auch hierfür so gut wie möglich vorgesorgt. Die Furcht vieler Einwohner vor der kommenden feindlichen Besatzung sei unnötig. Die Besatzungstruppen kommen nicht als Feinde hierher, sondern nötigenfalls sogar zu unserem Schutze. [...] Sodann ist im Hinblick auf die kommenden Wahlen zur Nationalversammlung, an der alle Männer und Frauen über 20 Jahre teilnehmen werden, jeder kleinliche Parteihader abzustreifen. [...]
    In der Aussprache sicherten Professor Pflüger und Geheimrat Schultze für die nationalliberale Partei, Dr. Brüggemann für den fortschrittlichen Verein das Zusammenarbeiten im Sinne der von Dr. Krantz gemachten Ausführungen zu. Es wurde auf die Gefahr hingewiesen, die unserem Volkstum durch die feindliche Besatzung nicht dadurch drohe, daß sie hart mit der Bevölkerung verfahre, sondern daß sie durch größte Rücksichtsnahme und absichtliche Liebenswürdigkeit die Stimmung für Frankreich geneigt mache. Dieser Gefahr müsse durch Aufklärung, vor allem in den Schulen, begegnet werden. [...] Nachdem ein Redner noch einmal die Zusammengehörigkeit aller liberalen Parteien unterstrichen und Frau Schumm im Namen des Verbandes der Bonner Frauenvereine die Bereitwilligkeit der Frauen, an dem Wiederaufbau des Vaterlandes mitzuarbeiten, versichert hatte, schloß Dr. Krantz die Versammlung mit einem warmen Appell, für die Erhaltung des Liberalismus und des Deutschtums zu wirken.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

   

Wie sollen wir unsere heimkehrenden Truppen empfangen?
Es gelangen fortgesetzt Zuschriften an uns, in welchen angeregt wird, unseren unbesiegt heimkehrenden Feldgrauen einen würdigen Empfang zu bereiten. Wir geben diese Anregung unserer Stadtverwaltung und dem Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat weiter. Eine Zuschrift lautet:
   Sind unsere Soldaten keine Sieger??? Weshalb werden sie nicht als solche begrüßt? Wenn auch der Sieg nicht ganz unser ist, so sind wir ihnen dennoch zu großem Dank verpflichtet, sie verteidigten treu unser geliebtes Heimatland.
   
Wäre es nicht angebracht, unsere tapferen Helden mit Flaggenschmuck zu begrüßen? Mit trauriger Miene sahen wir gestern die ersten Feldgrauen durch unsere Stadt ziehen.
   Sollen wir nicht unseren Dank zum Ausdruck bringen, dadurch, indem wir bitten: Bürger, Fahnen heraus!!!
In einer anderen Darstellung heißt es:
  
In wenigen Tagen kehrt das in tausend Schlachten siegreiche, ungeschlagene Deutsche Heer, auf Anordnung der Deutschen Regierung, nach Deutschland zurück.
   Das Deutsche Volk muß den tapferen Beschützern der heimatlichen Erde, denen wir alles zu verdanken haben, Willkommen bieten. Der beste Ort dafür sind sämtliche Rheinbrücken, welche die Deutschen Heere überschreiten müssen. Auf diesen Brücken müßten Ehrenpforten mit ehrenden Willkommensprüchen errichtet werden, damit unsere Tapferen sehen, die Heimat hat ihre Taten nicht vergessen.
Ein weiterer Aufruf lautet:
An Alle!
    
Erfreue, wer kann, die unbesiegt Heimkehrenden mit einer kleinen Gabe als Zeichen der Dankbarkeit; denkt derer, die unser Vaterland verteidigt haben.

Der Verkehr in den Straßen unserer Stadt ist von heute ab bis 10 Uhr abends gestattet. Die Wirtschaften, Theater, Kinos usw. dürfen bis 9 Uhr offen halten. Die Straßenbahnen werden ebenfalls wieder eine Stunde länger verkehren, also bis 10 Uhr. Der Ausschank von Branntwein und Liqueuren ist bis auf weiteres vollständig untersagt.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Ueber den Rücktransport unseres Front- und Besatzungsheeres nach der Heimat scheinen in den maßgebenden Stellen endgültige Bestimmungen noch nicht getroffen zu sein. Während man noch gestern amtlich die Ansicht vertrat, von heute an müßten stündlich sieben bis acht Militärzüge verkehren, um die Heimbeförderung in Angriff zu nehmen und innerhalb der vertragsmäßigen Frist zu bewältigen, ist jetzt in Aussicht genommen, daß das Heer zu Fuß bis an die Landesgrenze oder wenigstens bis weit nach Belgien hinein ziehen soll, wo dann die größeren Zugtransporte zusammengestellt werden. Soviel scheint jedenfalls festzustehen, daß von Freitag den 15. d. M. an eine ganz erhebliche Einschränkung des Zivilpersonenverkehrs in Aussicht genommen ist, und daß namentlich beabsichtigt ist, daß Zivilreisende nur mit besonderer Genehmigung zum Zugverkehr zugelassen werden.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)