Dienstag, 1. August 1916
Zehn Pfund Kartoffeln auf jeden Kopf gibt es diese und nächste Woche. Den Verbrauchern wird dringend empfohlen, ihren Bedarf für nächste Woche schon in dieser Woche mit zu beziehen, weil in der kommenden Woche die Zufuhr der Kornernte wegen Schwierigkeiten machen könnte.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Städtisches Lebensmittelamt. In der Pressebesprechung, die gestern mittag mit dem Leiter des Städtischen Lebensmittelamtes, Herrn Beigeordneten Piehl, stattfand, wurde bekannt, daß die Ausgabe der Lebensmittelkarten für den Monat August sich ohne Schwierigkeiten vollzog. Beim Lebensmittelamt sind kaum Rückfragen in der Kartenausgabe-Frage erfolgt.
Die städtische Verwaltung leidet augenblicklich unter Kartoffelüberfluß. Mit Rücksicht auf den Höchstpreis, der vom 1. August an um eine Mark sinkt, wurden in der jüngsten Zeit die Kartoffeln teilweise unreif ausgemacht. Außerdem litten die Kartoffeln unter der Einwirkung der Nässe. Am Samstag und am gestrigen Montag sind 10.000 Zentner Kartoffeln in Bonn angefahren worden. Es mußte Militär zur Abfuhr herangezogen werden. Ein Teil der Kartoffeln zeigt sich trotz der raschen Abfuhr angegriffen. Man hat deshalb diese Kartoffeln verlesen und zu fünf Mark für den Zentner verkauft.
Die städtischen Kriegsküchen zeigen einschließlich der unter Leitung des Herrn Stadtverordneten Butscheidt stehenden neueröffneten Kessenicher Küche, die vorerst von 160 Personen besucht ist, eine Gesamt-Teilnehmerzahl von 3200 Personen auf. An Beiträgen zugunsten der Kriegsküchen sind aus der Bonner Bürgerschaft bisher 51.200 Mk. eingegangen. Um weitere Spenden zugunsten dieser gemeinnützigen Sache wird die begüterte Bürgerschaft herzlichst gebeten. Die städtische Verwaltung ist weiterhin darauf bedacht, die Kriegsküchen zu vervollkommnen. Zur Beruhigung der Bürgerschaft ist beabsichtigt, die Bereitung der Speisen dauernd unter ärztliche und nahrungsmittelchemische Kontrolle zu stellen.
Vor 1. August ab sind verschiedene tief einschneidende Verordnungen in Kraft: Die Verordnungen über die Zulassung des Großhandels in Lebens- und Futtermitteln. Zur Bekämpfung des Kettenhandels müssen den Geschäften besondere Zulassungsscheine gegeben werden. [...] Ferner gelangt die Reichs-Seifenkarte heute zur Einführung, die der einheitlichen Bewirtschaftung der Seife durch Herstellung der K. A.-Erzeugnisse [K. A.: Kriegsausschuss] unter Einschränkung des Seifenverbrauchs dient. Es werden 50 Gramm Fein-Seife und 250 Gramm Seifenpulver verausgabt. Die Abgabe von Schmierseife ist verboten, ebenso der Hausierhandel mit Seife.
Das Bekleidungsamt wird kaufmännisch durch die Herren Gentrup und Kalt geleitet. Eine sachkundige Beratung ist wichtig sowohl für den Käufer wie auch für den Schutz der Geschäftsinteressen.
Ueber den Fettverbrauch tritt am 12. August eine Verordnung in Kraft, durch die eine Reichsregelung erfolgt. Es ist die Bewirtschaftung sämtlicher Speisefette und Speiseöle ebenso der Milch in einheitlicher Weise zugunsten der Kommunalverbände dadurch geregelt. Dabei soll als Hauptgrundsatz gelten, daß, soweit angängig, in die Frischmilch-Lieferung nicht eingegriffen wird. Sämtliche Erzeugnisse in Molkereien sind beschlagnahmt. Als Molkereien gelten jetzt bereits Betriebe, in denen täglich mehr als 50 Liter Milch im Durchschnitt verarbeitet werden. Die Grenze ist sehr tief gesetzt. Es fallen bereits Milchwirtschaften mit sieben bis acht Kühen darunter. Wir werden uns demgemäß noch eine weitere Einschränkung in der Fettversorgung gefallen lassen müssen. Wir haben dagegen die Befriedigung, daß endlich eine gleichmäßige Verteilung des Fettes über das ganze Reich angestrebt wird.
Die Stadt sieht daher in der Belieferung der Bevölkerung mit Speck für die nächsten Monate eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Um dies durchzuführen, vermag man bereits die städtische Schweinezucht in Anspruch zu nehmen. Es sind jetzt 200 Schweine städtischerseits in Mast, von denen die ersten in etwa 14 Tagen schlachtreif sein werden. Man kann dann damit rechnen, daß dann jede Woche rund 20 Stück Schweine zur Speckverarbeitung gelangen werden. Zusammen mit der vom Viehhandels-Verband belieferten Menge ist es dann möglich, auf den Kopf der Bevölkerung für eine Woche 50 Gramm Speck auszugeben.
Der städtische Fischverkauf hat eine weitere Förderung erfahren. Die Verwaltung hat in den letzten Wochen etwas zehn Zentner Schellfisch verkauft, die guten Absatz fanden. Man will in dieser Woche die doppelte Menge verkaufen.
In dieser Woche soll den Bäckereien das Backen des Zwiebacks freigegeben werden. Es geschieht dies vornehmlich mit Rücksicht auf Kinder und Kranke. Die Abgabe soll jedoch nur gegen einen Abschnitt der Brotkarte erfolgen und zwar wird gegen ein viertel Brotabschnitt ein halbes Pfund Zwieback gekauft werden können.
Zum ersten Mal in dieser Woche wird die billige Wurst so ausgegeben, daß sie nur zur Hälfte des frischen Fleisches bewertet wird. Man kann somit für eine 30 Gramm-Fleischkarte 100 Gramm Blutwurst kaufen.
Leider ist es trotz der lebhaftesten Bemühungen der Verwaltung noch nicht möglich geworden, die Preise für das Fleisch niedriger zu setzen, weil seitens des Viehhandels-Verbandes noch immer in erster Linie die Belieferung unserer Stadt mit ausländischem Fleisch erfolgt. In den nächsten Wochen ist aber in dieser Frage eine Besserung zu erwarten.
Der Landkreis Bonn hat das Eierausfuhr-Verbot aufgehoben, sodaß jetzt wieder ein Austausch zwischen Stadt und Land in dieser Richtung erfolgen kann. Infolge der hohen Eierpreise ist der Verbrauch verhältnismäßig gering. Die Stadtverwaltung hat Mühe, die von den Eierhändlern herangeschaffte Zufuhr ganz abzusetzen. Andererseits ist es sehr schwierig, die Eier jetzt zu konservieren, da die Preise derart hoch sind, daß die konservierten Eier im Dezember unerschwinglich im Preise sein würden.
Die Richtpreise für Gemüse, die heute auf Anordnung des Regierungspräsidenten auch auf unseren Märkten wieder eingeführt worden ist, haben die Anfuhr nicht beeinflußt. Alle Gemüsesorten, besonders Weißkappus, Kohlrabien, Bohnen waren stark und in besonders schöner Ware vertreten. Handel und Verkauf gingen flott vonstatten und auch für die Bürger blieb genug gutes Gemüse zu kaufen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Arndt-Eiche in Eisen! Am vergangenen Sonntag fand die feierliche Nagelung der Arndt-Eiche seitens des Beethoven-Chores in Bonn statt. Unter Mitwirkung der Kapelle des hiesigen Landsturm-Bataillons wurde ein reichhaltiges und mit großem Verständnis ausgesuchtes Programm abgewickelt. Nach verschiedenen Musikstücken und Chorvorträgen hielt der Ehrenvorsitzende des Beethoven-Chors, Herr H. Zerkaulen, eine von patriotischem Geiste getragene Ansprache, worauf die Nagelung der gestifteten Eisenplatte stattfand. [...] Eine große Menschenmenge folgte mit sichtlichem Interesse den Vorträgen und Musikstücken der festlichen Veranstaltung, bei welcher auch der Erlös aus dem Verkauf der Programme zum Besten der Arndt-Eiche überwiesen wurde. [...]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 2. August 1916
Der Liberale Bürgerverein hatte schon vor Wochen beschlossen, das Ende des zweiten und den Beginn des dritten Kriegsjahres mit einer schlichten, ernsten, eindringlichen vaterländischen Feier in der Lese zu begehen und zu ihr, wie stets seit Beginn des Krieges, alle Mitbürger und Mitbürgerinnen ohne Unterschied der Partei einzuladen. Daß er richtig gefühlt hat, bewies der große Andrang zu dem Festsaal der Lese gestern abend. Angehörige aller Parteien, aller Stände, aller Altersklassen hatten sich vereint, um an vaterländischen Reden und Liedern den Willen zu weiterem einmütigen, festen, tapferen Widerstand gegen alle Sorgen und Bitternisse dieser großen Zeit zu stählen und mit diesem Bekenntnis unseren Helden da draußen einen, wenn auch noch so bescheidenen Bruchteil unserer unerschütterlichen Dankbarkeit zu bekunden. [...]
Den Mittelpunkt der ganzen Feier bildete die Rede des Geheimrats Landsberg, [...] . Geheimrat Landsberg schloß mit dem Bekenntnis Deutschland, Deutschland über alles. Die ganze Versammlung fiel begeistert ein und spendete dem Festredner herzlichen, stürmischen Beifall. Damit schloß die schlichte, der ernsten Zeit würdige und erhebende Feier.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Versammlung des Deutschen National-Ausschusses. Die Gedenkfeier des Deutschen Nationalausschusses im Bonner Bürgerverein hätte zweifellos eine viel stärkere Besuchsziffer, etwa 450 Personen waren anwesend, aufzuweisen gehabt, wenn nicht zu derselben Zeit in der Lese eine Gedenkfeier stattgefunden hätte, in der Geheimrat Landsberg über Kriegsziele sprach. Die Gedenkfeier des Deutschen Nationalausschusses wurde von Oberlandesgerichtspräsident a. D. Hamm mit einer kurzen Begrüßung der Anwesenden und dem Hinweis auf die in vielen Städten gleichzeitig stattfindenden Versammlungen des Deutschen Nationalausschusses eröffnet.
Professor Dr. Hashagen führte in seiner Rede ungefähr aus: Ueber all dem Trennenden, das neuerdings wieder in Deutschland hervorgetreten ist, müssen die großen Einigungsgedanken zur Geltung gebracht werden. Es ist möglich, eine einige Kriegsstimmung aufrecht zu erhalten, wenn wir den festen Willen haben zu unerschütterlichem Vertrauen auf uns selbst und zu unerschütterlichem Mißtrauen gegen unsere Feinde. Die Gründe des Vertrauens auf uns selbst sind: die deutsche Sieghaftigkeit während des Krieges auf militärischem, technischem, wirtschaftlichem, geistigem Gebiete und der Mut im Ertragen aller Opfer, auch des Hungerkrieges. Der Lohn dieses Vertrauens ist der deutsche Friede als ein Ergebnis des Sieges. Nur der Sieg über die Feinde ist ein der deutschen Größe würdiges Kriegsziel. Nur ein einiges Volk kann dies Kriegsziel erreichen. Gegenüber diesem einen großen Kriegsziel treten die Kriegsziele im einzelnen zurück. Unerschütterliches Selbstvertrauen kann uns einigen und diesem Ziele entgegenführen. Nicht minder unerläßlich ist aber unerschütterliches Mißtrauen gegen die Feinde. Die Gründe dieses Mißtrauens sind: der Wirtschaftskrieg, der Hungerkrieg, der Kolonialkrieg, die Brüche des Völkerrechts, die Verhetzung und Knebelung der Neutralen, die niedrige Gesinnung. Mit dem allen lassen die Feinde keinen Zweifel darüber, daß sie den Deutschland aufgezwungenen Krieg zu einem Existenzkampf für Deutschland verschärft haben. Man darf sich über den tiefen Ernst eines solchen Existenzkampfes keinen Täuschungen hingeben, muß aber auch die einigende Kraft erkennen und ausnützen. Das unerschütterliche Mißtrauen gegen die Feinde ist endlich auch eine notwendige Grundlage des deutschen Friedens. Es ist nicht die Zeit, große Reden zu halten. Es kommt auf das Handeln an auf das stille Handeln des Einzelnen, auch hinter der Front. Nur dann kann die Einigkeit als wichtigste Vorbedingung des Sieges und des deutschen Friedens aufrecht erhalten werden. Pflicht jedes Deutschen ist es, an diesem großen Einigungswerke mitzuarbeiten. Nur dann ist er würdig des gegenwärtigen Krieges und des zukünftigen Friedens.
Die Anwesenden nahmen die Ausführungen mit großer Aufmerksamkeit und lebhafter Zustimmung entgegen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 3. August 1916
Universität. In der Zeit vom 28. August bis 14. Oktober werden an der Universität Bonn praktische Herbstferienkurse zur Förderung kriegsteilnehmender Studierender eingerichtet. Die Kurse sollen vornehmlich denjenigen Studierenden zugute kommen, die infolge von Verwundungen oder aus anderen Ursachen sich im Inlande aufhalten, sowie solchen Kriegsteilnehmern, die zu den Kursen Heimaturlaub erhalten. [...]
Zwieback und Obsttorten zu backen, ist wieder erlaubt. Zwieback darf nur gegen Brotkarte verkauft werden, zwei Pfund Zwieback werden dabei wie ein 3 ½ pfündiges Brot bewertet.
Für Süßwasserfische hat der Oberbürgermeister in einer heute veröffentlichten Bekanntmachung Kleinhandelshöchstpreise festgesetzt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Sammelstelle für Fahrradbereifungen. Für den Stadtkreis Bonn wird auf dem Gelände des städtischen Schlachthofs an der Immenburgstraße eine Sammelstelle für freiwillige Ablieferung von Fahrraddecken und Fahrradschläuchen eingerichtet. Die Sammelstelle ist vom 15. August ab täglich von 9-12 Uhr und nachmittags von 3 ½ -6 Uhr geöffnet. Die Veräußerung der beschlagnahmten Gegenstände darf nur an diese Sammelstelle geschehen. Die bis zum 15. September nicht freiwillig abgelieferten beschlagnahmten Fahrraddecken und Fahrradschläuche werden enteignet und unterliegen vom 15. September ab, sofern sie nicht weiter benutzt werden dürfen, einer Meldepflicht. [...]
Zur Milchversorgung. Wie der Oberbürgermeister in der heutigen Nummer unseres Blattes bekannt macht, haben die im Stadtkreis Bonn wohnenden Viehbesitzer vom 7. August 1916 ab von jedem Stück Milchvieh wöchentlich mindestens je 15 Liter Vollmilch oder mindestens ein Pfund Butter an die städtische Milchanstalt im Schlachthof an der Immenburgstraße abzuliefern. Die Molkerei-Genossen haben sämtliche entbehrliche Milch abzuliefern; Eigenbutterung ist ihnen verboten. Besitzer von nur zwei Kühen sind zur Milch- und Butterlieferung nur insoweit verpflichtet, als die Milch in ihrer Wirtschaft entbehrlich ist. [...]
Ueberlassung von Kriegsgefangenen. Anträge auf sofortige oder spätere Ueberlassung von Kriegsgefangenen zu landwirtschaftlichen Arbeiten können im Verwaltungsgebäude Bonn, Rathausgasse 10-12 gestellt werden.
Neue Gemüseverkaufsstelle. Die Stadt hat auf dem Hof des Feuerwehr-Depots an der Maxstraße eine Gemüse-Verkaufsstelle eingerichtet. Der Verkauf von Gemüsen findet nachmittags von 3-6 Uhr statt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Godesberg, 1. Aug. In der letzten Woche wurde einem Bürger in der Friesdorferstraße sein Gemüsefeld, das dem Wohnhause unmittelbar gegenüber liegt, nächtlicherweise gründlich geplündert. Der Dieb ist ermittelt worden. – Dem Bürger Bl. In der Bonnerstraße wurde sein ganzer Hühnerbestand in seiner vom Wohnhause ziemlich entfernt und einsam liegenden Stallung an Ort und Stelle abgeschlachtet und gestohlen. – Am verflossenen Samstag nachmittag erbrach ein Dieb das Muttergotteshäuschen an der Kapelle in der Kapellenstraße Godesberg-Rüngsdorf und beraubte es aller Wertsachen, wie Kronen, Ketten und dergleichen. In diesem Dieb wird ein fremder Mann vermutet, der sich schon während der Mittagsstunden dort auffallend herumtrieb. Ferner wurden in der dortigen Gegend zur Nachtszeit mehrere Automaten erbrochen.
Röttgen, 1. Aug. In vergangener Nacht wurde aus dem Maschinenhaus der Firma Georg Commans ein 4 Meter langer Treibriemen gestohlen. Der Dieb ist unerkannt entkommen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)
Auch ein Vaterlandsdienst. Ein kleines Opfer, aber eine große Kriegshilfe würde es sein, wenn eben jetzt, da es so sehr an Arbeitskräften für die Ernte fehlt, unsere Dienstmädchen, deren sich ja eine Anzahl aus den umliegenden Ortschaften hier in Bonn befinden – nur auf einige Tage in die Heimat entsandt werden möchten, um den Ihrigen tatkräftige, geübte Hilfe auf den Feldern zu leisten. Ganz gewiß wird jede deutsch gesinnte Hausfrau sich in dieser Hinsicht auch einmal solch geringe Unbequemlichkeit gefallen lassen im Bewußtsein der damit geleisteten guten Tat in großer, schwerer Zeit. Eine treue Patriotin und Hausfrau.
Kriegsküche. Das Gutachten der sachverständigen Hausfrau über die Gerichte der drei letzten Tage der vorigen Woche in der Poppelsdorfer Kriegsküche veranlaßt mich, ein Gutachten über das Essen der Kriegsküche an der Sandkaule an den gleichen Tagen abzugeben: Freitag den 28. Juli: Graupen mit Backobst. Diese Speise war meines Erachtens wohl die am wenigsten zusagende des ganzen Küchenzettels. Die Zubereitung war jedoch in jeder Hinsicht vorzüglich. Auch war das Obst vollkommen weich und aufgequollen. Süßer hätte das Gericht nicht sein dürfen. – Samstag den 29. Juli: Erbsensuppe mit Kartoffeln und Fleischeinlage. Besser hätte das Gericht Erbsbrei geheißen, denn es war viel zu dickflüssig für Suppe und zwar durch die vielen und zu großen Kartoffelstücke. Sonst aber vorzüglich. – Sonntag den 30. Juli: Dicke Bohnen mit Speck und Kartoffeln. Dies war nach meinem Dafürhalten das beste Essen seit Eröffnung der Küche. Es war in jeder Hinsicht ausgezeichnet zubereitet. J. M. Sch.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Kriegswohlfahrtspflege. In der Drammerschen Schule wurde ein Eisernes Kreuz zugunsten der Arndt-Eiche genagelt. Wir bringen das Eiserne Kreuz im Schaufenster unserer Geschäftsstelle zur Ausstellung.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 4. August 1916
Kirchliche Gedenkfeier. Am Sonntag, 6. August, wird nach einer Verfügung des Evangelischen Oberkirchenrats in allen evangelischen Kirchen der Wiederkehr der Tage, in denen vor zwei Jahren der Krieg über uns hereinbrach, gedacht werden. Rückwärts und vorwärts und aufwärts werden die Gedanken in diesen gottesdienstlichen Gemeindefeiern gelenkt werden. Wer lebt unter uns, den die Erinnerung in diesen Tagen nicht rückwärts trägt zu jenen Tagen wunderbarer vaterländischer Begeisterung am Anfange des Krieges, rückwärts zu den vielen wunderbaren Bewahrungen des Vaterlandes während der verflossenen zwei Kriegsjahre! Aber zugleich geht vorwärts und aufwärts der Blick, und die Herzen geloben, fest zu stehen in wankellosem Vertrauen und opferwilliger Bruderliebe bis zum endlichen Siege.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Chronik der Universität, herausgegeben vom zeitigen Herrn Geh.- Rat Rektor Anschütz für das Rechnungsjahr 1915, ist soeben erschienen. Sie sagt, daß der Betrieb der Universität in ungestörtem Gange geblieben sei. In manchen Vorlesungen überwogen die Studentinnen bei weitem und trugen so ihr Teil dazu bei, daß der akademische Unterricht allseitig aufrecht erhalten werden konnte. [...]
Der am Hof gelegene Gebäudeteil der Universität war schon vor Ausbruch des Krieges größtenteils geräumt worden, da dort der kurz vor Kriegsbeginn genehmigte Erweiterungsbau in Angriff genommen werden sollte. Mit Zustimmung des Ministers fanden dort städtische Einrichtungen Unterkunft, die die Versorgung der Bürgerschaft mit Nahrungsmitteln bezwecken.
Die Zahl der in das Heer eingereihten Studenten hat sich bis zum Schluß des Wintersemesters 1915-16 auf 3316=82 Prozent von 4061 hier immatrikulierten Studierenden erhöht. Es waren darunter 86 Prozent evangel. Theologen, 82 Prozent katholische Theologen, 80 Prozent Juristen, 86 Prozent Mediziner und 79 Prozent Philosophen. Außerdem sind im Verlauf der 20 Kriegsmonate über 100 Dozenten, Assistenten und über 23 Beamte der Universität, sowie über 20 Dozenten und Assistenten und über 10 Beamte der Landwirtschaftlichen Akademie dem Heere oder dem Sanitätsdienst eingegliedert worden. Die noch hier verbliebenen Studierenden zeichnete ein rühmlicher, zielbewußter Fleiß aus. Die Zahl der gefallenen Kommilitonen beträgt 257, darunter 34 Studierende der Landwirtschaftlichen Akademie Bonn-Poppelsdorf. [...]
Mit dem Um- und Erweiterungsbau des Universitäts-Hauptgebäudes ist wegen des Krieges noch nicht begonnen worden. [...]
Arndt-Eiche. Das Lyzeum Drammer nagelte gestern zum zweiten Mal an der Arndt-Eiche. Am Anfang dieses Jahres wurde in der Schule damit begonnen, ein „Eisernes Kreuz“ mit Silber und Eisen zu beschlagen. Die Kinder kamen freudig und brachten gern ihre Spargroschen, um silberne und eiserne Nägel einschlagen zu können. So brachten die Schülerinnen in ihrem Gebeeifer bald recht viel zusammen, daß aus einem Teilerlös des Kreuzes die erste feierliche Nagelung an der Arndt-Eiche am 1. April d. Js. erfolgen konnte. Es wurde ein Feld im Flügel des Adlers genagelt. Und gestern sahen wir die Schülerinnen des Lyzeums zum zweiten Mal festlich gekleidet zur Arndt-Eiche gehen. Heute steht das „Eiserne Kreuz“ fertig genagelt, und der Erlös gab noch zwei goldene Nägel, die jetzt in das Holz der Arndt-Eiche eingeschlagen wurden. Für ewige Zeiten ist dies ein neuer Beweis, wie die treudeutschen Kinder nicht nur mit dem Herz, nein, auch mit der Tat dem Vaterlande das gaben, was sie geben konnten. Und so lange das Lyzeum bestehen wird, zeugt vom deutschen Kindersinn das benagelte „Eiserne Kreuz“, welches immer in der Schule bleiben wird: den Kindern stets ein Erinnern an Deutschlands schwere Zeit.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Beuel, 3. Aug. Die Zunahme der Kartoffel- und Gemüseanfuhr hat auch in unserer Gemeinde bewirkt, daß die Volksküchen wenig und zum Teil gar keinen Zuspruch mehr haben. – In Schwarz-Rheindorf wurden einer armen Witwe vor einigen Tagen nachts eine prächtige Henne mit einer Anzahl Küchlein gestohlen und an Ort und Stelle abgeschlachtet. Die Diebe haben nur die Köpfe zurückgelassen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)
Kriegsküche in Kessenich. Der Leiter dieser Küche bittet uns, mitzuteilen: Die Nachfrage nach Mittagessen aus der neureröffneten Kriegsküche zu Kessenich ist so gewachsen, daß nicht annähernd alle Tagesgäste, die erst nach Versorgung der Wochenkarteninhaber, wenn noch Essen übrig ist, an die Reihe kommen, auf ein Essen rechnen können. Diese unständigen Besucher mögen sich doch klar machen, daß nur derjenige sein Mittagessen pünktlich erhält, der sich eine Wochenkarte gelöst hat. Denn nur hierdurch ist es den Kriegsküchen möglich, für eine bestimmte Zahl Personen Mittagessen zu kochen. Immerhin können einige Mittagessen mehr gekocht werden, aber nicht hunderte, die unter Umständen übrig bleiben und dann verderben könnten. Also löse jeder vorher seine Wochenkarte, die schon von Freitag ab, von 11 bis 12 Uhr, für die kommende Woche zu kaufen sind und pünktlich wird er sein Essen erhalten, ohne sich vor- oder nachher drängen zu müssen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 5. August 1916
Prima, feinstes und feines Olivenöl hatte ein hiesiges Drogen- und Lebensmittelgeschäft angekündigt und verkauft. Das „prima“ Oel war wirkliches Olivenöl, das „feinste“ und das „feine“ Oel aber war mit einer Oelsorte vermischt, die zur Herstellung von Salben, Haaröl usw. benutzt zu werden pflegt. Der Geschäftsinhaber hatte sich gestern wegen Betruges, zu hoher Preisforderung und Nahrungsmittelfälschung vor der Strafkammer zu verantworten. Es stellte sich heraus, daß der Verdienst an dem verkauften Oel längst nicht so hoch gewesen ist, wie die Preisprüfungsstelle angenommen hatte, infolgedessen wurde die Anklage wegen zu hoher Preisforderung und Betruges fallen gelassen. Dagegen konnte sich das Gericht der Ansicht eines als Sachverständigen vernommenen Apothekers, jetzt im Kriege könne Salben- oder Haaröl auch als Speiseöl verwendet werden, nicht anschließen, es war vielmehr der Meinung, dieses Oel als Salatöl zu verwenden, sei auf jeden Fall eine Nahrungsmittelfälschung, und verurteilte den angeklagten Geschäftsinhaber zu 30 Mk. Geldstrafe.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Arndt-Eiche in Eisen! Am 2. August erschienen die Beamten des Tiefbauamtes der Stadt Bonn unter Führung des Herrn Beigeordneten Baurat Piehl an der Arndt-Eiche zur Nagelung. Am selben Tage nahm der Bund Deutscher Postschaffner, Ortsgruppe Bonn, die Nagelung vor. Am 3. August erfolgte die Kriegsnagelung zum wiederholten Male durch das Drammer’sche Lyzeum unter Gesängen und Vortrag von Gedichten. Der Stammtisch f. R. aus dem Gangolfhaus verband die Nagelung mit einer photographischen Aufnahme. Am Freitag und Samstag nagelten die Schüler der Bonner Fortbildungsschule. Auch im übrigen ist der Verkehr an der Arndteiche inzwischen ein regerer geworden, was sehr zu begrüßen ist, da die Unterstützung der Witwen und Waisen von Bonner Kriegern erhebliche Mittel in Anspruch nehmen wird.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Gefängnisstrafe für Brotbuchfälschung. Ein Invalide aus Bonn war an der Strafkammer angeklagt, weil er, um mehr Brot zu erhalten, sein Brotbuch gefälscht hatte. Er gab an, aus Not gehandelt zu haben, weil er nicht genug Nahrung für seine Kinder gehabt habe. Das Gericht schenkte seiner Einlassung Glauben und erkannte gegen ihn auf die geringste zulässige Strafe von einem Tage Gefängnis.
Ein teures Kaninchen. Ein Arbeiter aus Bonn hatte in der Nideggerstraße ein Kaninchen gestohlen und geschlachtet und hatte sich deshalb an der Strafkammer zu verantworten. Der Besitzer des Kaninchens gab den Wert des Tieres auf 20 Mark an. Mit Rücksicht auf die vielen Vorstrafen des Angeklagten erkannte das Gericht auf eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 6. August 1916
Die Gummisauger für Säuglinge. Nach einer neuen Bundesratsverordnung müssen die aus dem Auslande eingeführten Gummisauger für Säuglinge an die Handelsgesellschaft deutscher Apotheker in Berlin („Hadega“) geliefert werden. Die Sauger werden in Zukunft zum Preise von 35 Pfg. das Stück bei Inlandsware und einem voraussichtlich nicht höheren Preise bei Auslandsware verkauft. Die Sauger dürfen regelmäßig nur gegen Vorzeigung des Geburtsscheines und nur für solche Kinder, die nicht über ein Jahr als sind, abgegeben werden, und zwar aus Sparsamkeitsrücksichten für ein Kind das erste Mal nicht mehr als zwei Sauger, fernerhin aber nur gegen Rückgabe der früher bezogenen, damit daraus neue gefertigt werden können. Säuglingsheim-, Entbindungsanstalten und ähnliche Betriebe können ihren Bedarf an Saugern auch durch unmittelbaren Bezug von der Hodega decken. Die in einzelnen Verkaufsstätten etwa noch vorhandenen Gummisauger können bis zur Erschöpfung des Vorrats weiter abgegeben werden. Der Verkauf von Saugern aus Ersatzstoffen für Gummi ist nach wie vor freigegeben.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Sammlung von Obstkernen zur Oelgewinnung. Man schreibt uns: Die Bevölkerung Bonns ist in dankenswerter Weise der Aufforderung zur Sammlung von Kirsch-, Pflaumen-, Aprikosen- und Reineclaudenkernen nachgekommen, und täglich werden Kerne in größeren und kleinen Mengen an der Sammelstelle am Hof abgeliefert. Aber leider beachtet ein größerer Teil der fleißigen Sammler es nicht, daß gebeten wurde, die Fruchtsorten nicht zu mischen, sondern jede Sorte gesondert abzuliefern, auch müssen die Kerne sorgfältig in heißem Wasser von jedem, auch dem geringsten Ansatz von Mark gereinigt und ebenso sorgfältig getrocknet werden, sonst hat das ganze Sammeln keinen Wert. Hoffentlich genügt dieser Hinweis, um der Sammelstelle nur brauchbares Material zuzuführen.
Durch einen abgemagerten Ziehhund entstand am Samstag morgen auf dem Markt eine große Menschenansammlung. Das Tier, das in einem vierräderigen Gemüsekarren eingeschirrt war, machte in der Tat einen erbarmungswürdigen Eindruck; die Knochen traten dem Hund aus dem schmutziggelben Fell spitz hervor und es hatte den Anschein, als ob das Tier nur aus Fell und Knochen bestehe. Als mehrere Frauen mit Küchenüberresten herbeikamen, fiel der Hund gierig darüber her und verschlang es in wenigen Minuten. Die Umstehenden machten ihrem Aerger über die aus Grau-Rheindorf stammende Besitzerin des Hundes in aufgeregten Worten Luft, zumal bekannt war, daß die Herrin des Hundes sich in recht guten Verhältnissen befindet. Einige Frauen begaben sich zur Polizei, um Anzeige wegen Tierquälerei zu erstatten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Montag, 7. August 1916
In den Gottesdiensten am gestrigen Sonntag wurde in Gebeten und Predigten des für uns günstigen Verlaufs des Krieges in den beiden Kriegsjahren gedacht. In dem Gottesdienst in der Kirche am Kaiserplatz, der sehr stark besucht war, legte Pastor Lorenz seiner Predigt das Wort Jesajas 27,5 zugrunde: Gott wird mich erhalten bei meiner Kraft und mir Frieden schaffen, Frieden wird er mir dennoch schaffen. Er erwähnte die deutschen Erfolge und die Mißerfolgte unserer Feinde und ermahnte zur Zuversicht und zum Vertrauen. Aus dem „Sie kommen nicht durch“, mit dem die Verwundeten aus der Sommeschlacht die Kriegslage kennzeichneten, spreche noch genau dieselbe Siegesgewißheit wie vor zwei Jahren aus den begeisterten Schilderungen der ersten Verwundeten von Lüttich. Als ganz besondere Lichtblicke bezeichnete Pastor Lorenz die kernigen Worte des Kaisers in seinen Erlassen zum Beginn des dritten Kriegsjahres, das Unterseefrachtboot, den Marschall Hindenburg, die Uboote, Zeppeline und vor allem die gute Ernte dieses Jahres. Endlich ermahnte er zur weiteren Opferwilligkeit für die verschiedenen Zweige der Kriegshilfe.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Kinder-Aufführung für Verwundete. Am Mittwoch nachmittag findet im „Nachmittagsheim für Verwundete“ (Koblenzerstraße 90) eine Kinderaufführung statt. Zöglinge eines Kinderhorts freuen sich darauf, an einem ihrer Feriennachmittage unseren tapferen Kämpfern durch Musik, Tanz und Deklamation eine fröhliche Stunde zu bereiten; denn auch unsere Kinder haben das Bedürfnis mit ihren schwachen Kräften unseren getreuen Vaterlandsverteidigern ihren Dank zu bezeigen. – Auf andere nicht minder erfreuliche Weise wurde kürzlich das Interesse für das Verwundetenheim dadurch bekundet, daß einige Damen auf die gewohnte Namenstagsfeier verzichtend, die früher üblichen Torten in Form von Kuchen und Zigarren den Besuchern des Nachmittagsheims zu Gute kommen ließen.
Web-, Wirk- und Strickwaren. Der Oberbürgermeister warnt in einer Bekanntmachung, die in der vorliegenden Nummer abgedruckt ist, Polsterer, Schneider, Schneiderinnen, Kolonialwaren- und Korbwarenhändler vor der Abgabe von Stoffen ohne Bezugsscheine. Namentlich in diesen Geschäftszweigen werde die Verordnung über die Web-, Wirk- und Strickwaren noch immer nicht genau beachtet. Uebertretungen werden streng bestraft.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Godesberg, 6. Aug. Gestern nachmittag fand im Kurpark ein Konzert des Soldatenchors des hiesigen Reservelazaretts unter Mitwirkung der Kapelle des Landsturmbataillons Bonn statt. Mit dem Konzert war eine Bewirtung der Verwundeten und Kranken des Lazaretts verbunden. Diejenigen von ihnen, die an der Bewirtung nicht teilnehmen konnten, wurden in anderer Weise entschädigt. Die Zahl der zu Bewirtenden betrug etwa 550.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)
Der Bonner Lazaretzug K. 1 hat seine Verwundeten von der 42. Fahrt nach Brühl, Bonn, Godesberg, Remagen, Neuenahr und Ahrweiler und von der 43. nach Bernburg (südlich Magdeburg) gebracht.
Da der Lazarettzug in der letzten Zeit einen beschleunigten Betrieb erfahren hat, sind die Vorräte an Zigarren, Zigaretten, Tabak, Rot- und Weißwein, Schokolade, Marmeladen in Eimern, Kompotts in Büchsen, Himbeer- und Zitronensäften so gut wie ganz aufgezehrt. Wir bitten daher, den Lazerettzug jetzt durch Ueberweisung von derartigen Liebesgaben, besonders Zigarren und Rotwein, zu unterstützen. Die Gegenstände sind alle abzugeben Bahnhofstraße 40. […]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 8. August 1916
Von den Kriegsküchen ist zu sagen, daß die Kessenicher Küche, obwohl sie erst eine Woche in Betrieb ist, am besten arbeitet. Das beweist schon die Teilnehmerzahl: sie ist von 160 bei der Eröffnung auf 900 gestiegen. Auch über die Küche im Fuhrpark wird nicht mehr geklagt. Dagegen kommen immer noch berechtigte Klagen über die Küchen an der Sandkaule und vor allem über die in Poppelsdorf. Solange es noch vorkommt, daß die Speisen in zunächst ungenügender Menge hergestellt werden und die zuletzt kommenden Teilnehmer, deren Zahl doch genau feststeht, halbe oder ganz Stunden auf das in aller Hast nachträglich bereitete Essen warten und dabei unter Umständen kostbare Arbeitszeit versäumen müssen, kann von einem geordneten Betriebe noch nicht die Rede sein. Daß die Speisen anbrennen, wie es vorige Woche am Montag in der Sandkaule der Fall gewesen ist, sollte auch nicht mehr vorkommen. Die Kartoffeln dürften etwas mehr zerkleinert und länger gekocht werden, Hülsenfrüchte, besonders alte Erbsen, müssen nicht nur vorher geweicht, sondern auch noch länger gekocht werden. Eine kleine Zutat von kleingeschnittenen Selleriekraut, Breitlauch und ähnlichem könnte den Geschmack vielleicht noch verbessern . An der Sandkaule schien man am vorigen Sonntag den Speisevorrat dadurch „strecken“ zu wollen, daß man nicht ein Liter für jeden Teilnehmer ausgab, wie es die Stadtverordnetenversammlung bestimmt hat, sondern erheblich weniger. Hoffentlich werden die Leitungen dieser beiden Küchen dafür sorgen, daß auch ihre Betriebe bald untadelig werden. Die Teilnehmerzahl an der Massenspeisung ist weiter gestiegen, sie beträgt diese Woche 4200; davon essen aus der Küche im Fuhrpark 1000. aus der an der Sandkaule 1300. in Poppelsdorf 1000 und in Kessenich 900 Personen. An den Beiträgen für die Kriegsküchen sind bisher 51.800 Mark eingegangen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Wer darf nach dem 12. August noch auf dem Fahrrad fahren? Vom 12. August ab darf keiner mehr auf dem Fahrrad sitzen, der nicht die Genehmigung dazu auf seiner Radfahrkarte vermerkt hat. Also müssen alle diejenigen Firmen, Geschäftsleute, Schüler, Arbeiter, Aerzte, Personen, die sich in staatlichen oder städtischen Behörden befinden, Krankenschwestern usw., die bisher noch das Fahrrad ohne besondere Erlaubnis zur Erfüllung ihrer Pflichten benutzen konnten, dafür sorgen, daß sie nach dem 12. August im Besitz einer Erlaubnisbescheinung sind. Nach dem 12. August muß sich jeder, der auf einem Fahrrad angetroffen wird, mit der Erlaubnisbescheinigung auf der Radfahrkarte ausweisen können, andernfalls macht er sich strafbar. Die Erlaubnis zur Benutzung von Fahrrädern ist bei der Polizeibehörde unter Anschluß der Radfahrkarten zu beantragen, woselbst Vordrucke hierzu abzugeben werden. Alle diejenigen, die nun beruflich das Fahrrad nicht missen können, mögen dafür Sorgen tragen, daß sie bis zum 12. August, also bis zum kommenden Samstag, die Erlaubnis zur Benutzung in Händen haben. Zwecklos ist es für diejenigen, eine Erlaubnis nachzusuchen, die bis jetzt das Fahrrad zum Erreichen ihres Tätigkeitsfeldes benutzt haben, das aber durch andere Verkehrsmittel (z.B. Straßenbahn oder Eisenbahn) zu erreichen ist.
Eine freudige Nachricht erhielt gestern die in der Kirschallee wohnende Bürgermeister-Witwe Hubert Jost. Am 11. Juli wurde Frau Jost gemeldet, daß am 1. Juli ihr Sohn Richard in den Kämpfen an der Somme gefallen sei. Gestern früh traf nun ein Brief von dem als gefallen Betrauerten bei der Mutter ein, in dem ihr Sohn ihr mitteilte, daß er sich in einem Kriegshospital in der Grafschaft Kent befinde und daß es ihm gut gehe. Am 1. Juli morgens sei er durch Granatsplitter leicht verwundet worden und am nächsten Tag in englische Gefangenschaft geraten. Man brauchte sich keine Sorgen um ihn zu machen. Die Freude der Mutter, die noch vier Söhne im Felde hat, kann man sich denken.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Lebensmittelversorgung in Bonn. Die Versorgung der Städte mit Frühkartoffeln ist eine derart reichliche, daß nunmehr eine andere Gefahr eingetreten ist. Die angelieferten Mengen sind so gewaltig, daß die Städte gar nicht in der Lage sind, ihrer rechtzeitig Herr zu werden. Die Frühkartoffel ist, wie schon des öfteren gesagt wurde, eine leicht verderbliche Ware und läßt sich nicht aufspeichern. Andererseits kann die Stadt die angelieferten Kartoffeln nicht in den Waggons liegen lassen. So kommt es, daß die leicht der Verderbnis ausgesetzten Kartoffeln weit unter Einkaufspreis, hier in Bonn zu 5 Pfennigen für das Pfund, abgegeben werden müssen. Der hierdurch der Stadt entstandene Schaden beträgt jetzt schon etwa 10.000 Mark. Die Stadt ist nicht in der Lage, die Annahme zu verweigern. Sie hat dagegen Einspruch erhoben, der aber voraussichtlich auch nicht zum Ziele führen wird. Das einzig richtige wäre die Freigabe der Frühkartoffeln für den Handel gewesen. Dann hätten wir heute nach der übereinstimmenden Ansicht der Fachleute mit einem Kartoffelpreise von vielleicht vier bis fünf Pfennigen zu rechnen. Ein Bild über die Art der Kartoffelanlieferung geben folgende Zahlen. In den 20 Tagen vom 15. Juni bis zum 4. Juli erfolgte überhaupt keine Lieferung von Kartoffeln an die Stadt, vom 4. bis 8. Juli wurden 620 Zentner angeliefert. Das Missverhältnis dieser Lieferung erhellt daraus, daß bei einem Bedarfe von einem Pfund für die Person und den Tag die Stadt täglich 8000 Zentner nötig hat. Vom 9. bis 15. Juli wurden 3700 Zentner geliefert, vom 16. bis 22. Juli 4100 Zentner, vom 23. Juli bis 27 Juli 3000 Zentner, 27. Juli bis 31. Juli 10.500 Zentner. Was die Stadt Anfang Juli hätte haben müssen, wird erst jetzt angeliefert. Durch das Entgegenkommen der Garnisonverwaltung in der Gestellung von Hilfskräften wurde die Stadt überhaupt in die Lage versetzt, die Kartoffeln abfahren zu lassen. [...]
Was die Versorgung der einzelnen Familien angeht, so empfiehlt es sich, die Kartoffeln für den Winterbedarf einzukellern. In der Zeit von 20. bis 26. August wird in den einzelnen Familien eine Ermittlung darüber stattfinden, wer sich seinen Bedarf an Winterkartoffeln eindecken will. Die Einkellerung wird dann im Oktober zu geeigneter Zeit durch die hiesigen Kartoffelgroßhändler erfolgen. Es empfiehlt sich, hiervon recht ausgiebig Gebrauch zu machen. Denn man sichert sich dadurch seinen Kartoffelbedarf und erspart sich das oft lästige Einkaufen im kleinen. Bei der Einkellerung muß aber vorausgesetzt werden, daß geeignete Räume zum Einkellern vorhanden sind und daß die Kartoffeln pfleglich behandelt werden. Nach dieser Richtung hin werden Ermittlungen durch Sachverständige erfolgen. [...]
Die Fleischversorgung ist in den letzten Wochen insofern keine befriedigende, als in der Stadt in der letzten Woche nur Gefrierfleisch zur Verfügung hatte und voraussichtlich auch in der laufenden Woche wieder Gefrierfleisch ausgeben muß. Das Gefrierfleisch ist durchaus einwandfrei, wie durch tierärztliche Kontrolle des Schlachthaustierarztes festgestellt wird. Es muß aber ein für allemal hier darauf aufmerksam gemacht werden, daß sich Gefrierfleisch nicht zum Kochen eignet. Es kann nur gebraten oder geschmort werden. Man bereite daher einen Braten daraus oder verwende es zu Gulasch. [...]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 9. August 1916
Einsammeln von Brennesseln. Der Krieg hat die Einfuhr von Hanf und Baumwolle fast vollständig unterbunden, es müssen daher zur Vermehrung des heimischen Spinnfaservorrates alle im Inlande vorhandenen spinnbaren Pflanzen genutzt werden. Dazu gehört auch die Brennessel, deren Faser nach einem neuen Verfahren verarbeitet wird. Zur Verwertung der Brennesselfaser ist in Berlin eine Gesellschaft gebildet worden, der allein die Verwertung der Brennesselfaser zusteht. Die Städtische Gartenverwaltung, Rathausgasse 16, ist mit der Organisation der Sammlung der im Stadtbezirk wildwachsenden Brennessel beauftragt. In Anzeigenteil dieser Zeitung ist ein Aufruf an die Schüler der hiesigen Schulen erlassen, sich an dieser vaterländischen Sammlung zu beteiligen. Grund- und Gartenbesitzer werden gebeten, den Sammlern entgegenzukommen und das Betreten ihrer Grundstücke zu gestatten. Um die Brennessel im Stadtbezirk restlos einzubringen, dürfte es zweckmäßig sein, die Gartenverwaltung auf das Vorhandensein der Brennessel hinzuweisen.
Soldatenheim. Am letzten Sonntag hatte sich dem Soldatenheim, Kölnstr. 17/19, das Soloquartett Harmonie aus Köln zur Verfügung gestellt. Ferner wurden die Besucher wieder mit Gedichtvorträgen aus Kindermund erfreut. Auch das Ausschussmitglied Herr Falkenroth erntete mit seinen vaterländischen Dichtungen reichen Beifall. Den Schluß bildete die Aufführung des platt-kölnischen Schwanks „Glückliche Flitterwochen“. Das Heim war wieder stark besucht.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Mehl in Brikettform. Bei dem Mangel an Säcken, der sich augenblicklich recht bemerkbar macht, kommt jetzt eine Erfindung zur rechten Zeit, die Dr. Ploetz von der Versuchsanstalt für Getreideverarbeitung in Berlin zu verdanken ist. Die Frage lag nahe, ob es möglich sei, Kleie und Mehl in eine Form zu bringen, welche die Verwendung von Säcken überhaupt erübrigt. Nach dem soeben zum Patent angemeldeten Verfahren können Kleie und Mehl unter hohem Druck in besonderen Pressen zu Steinformen umgestaltet werden. Praktischen Wert hat diese Erfindung zunächst für die Kleieversendung. Die in dem genannten Institut hergestellten Stücke zeigen die Kleie in Brikettform, jedoch hofft man, Mehl sowie Kleie auch in stärkeren und größeren quadratischen Tafeln unter hohem Druck pressen zu können. Einen sehr wirksamen Schutz bietet das gepresste Mehl übrigens gegen Motten und andere Schädlinge. Mehl in kleinen Packungen, für den Haushalt bestimmt. Soll in Papierhüllen oder Schachteln in den Verkehr gelangen und würde von den Hausfrauen bestimmt mit Vorliebe begehrt werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Zur 5. Kriegsanleihe. Die Kreissparkasse Bonn, Bonn, Mozartstraße 8 und Godesberg, Bürgerstraße 2 nimmt schon jetzt Zeichnungen auf die neue Kriegsanleihe entgegen und verzinst die dafür überwiesenen Beiträge bis zum ersten Einzahlungstermin mit 4½ Prozent.
Auf der Casselsruhe findet am Mittwoch, den 9. August ein großes Extra-Militärkonzert statt, ausgeführt von der Kapelle des Ers.-Bat. des Landw.-Inf.-Regt. Nr 68 aus Koblenz unter Leistung des Herrn Vizefeldwebels Kratsch, früheres Mitglied des Bonner Städtischen Orchesters.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 10. August 1916
Bonner Volksspende. Man schreibt uns: Am 6. August 1915 traten die Vaterländischen Vereinigungen in Bonn mit einem Aufruf für die Bonner Volksspende an die Bürgerschaft Bonns heran. Die in diesem Aufruf ausgesprochene Hoffnung über die Gebefreudigkeit und die vaterländische Opferwilligkeit der Bonner Bürger hat sich erfüllt. Ueber 272.000 M. konnten bis zum 1. August d. J. der Bonner Kriegswohlfahrtspflege zugeführt werden. Nebenher brachte die ebenfalls von der Bonner Volksspende geleitete Kriegsgefangenenspende die Summe von 32.000 M. ein. Allen Bürgern, die sich in so uneigennütziger Weise in unserer großen, schweren Zeit durch opferwillige Tat hervorgetan, sei hiermit öffentlicher Dank gesagt. Die Vaterländischen Vereinigungen haben zur Erinnerung an das einjährige Bestehen der Volksspende ein von Künstlerhand geschaffenes Gedenkblatt herausgegeben, das in den nächsten Tagen den Mitgliedern der Volksspende durch die Einnehmer und an die Bonner Bürgerschaft im Dienstzimmer der Bonner Volksspende verkauft wird. [...] Das Gedenkblatt ist ein wirklich schöner Wandschmuck und eine wertvolle Erinnerung für Jung und Alt an den Opfergeist, der die Mitglieder der Volksspende in eiserner Zeit beseelte, und an den schweren Kampf, den unser Vaterland zu durchleben hat. Wir hoffen daher, da alle Bonner Bürger mit Freuden dieses künstlerische Gedenkblatt erwerben und auf diese Weise erneut der Bonner Kriegswohlfahrtspflege gedenken.
Das Gedenkblatt stellt 3 Gruppen dar. In der mittleren Hauptgruppe sieht man den Platz vor der Universität, wo nach der Mobilmachung die Studenten begeistert zu den Fahnen eilen und die Bonner Husaren als Freiwillige in ihren Reihen aufgenommen werden. Die linke Gruppe versinnbildlicht den Abschied des Landsturmmannes von Frau und Kind und die rechte den dröhnenden Kampf. Alle drei Gruppen sind in vollendeter Technik und Auffassung dargestellt. Das Gedenkblatt trägt die Widmung: „Die Bonner Volksspende ihren Mitgliedern 1916“.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Leichenüberführung vom Kriegsschauplatz nach der Heimat. Dem Armeeverordnungsblatt entnehmen wir: 1. Laut Ziffer 8 des Erlasses vom 20. Januar 1915 gelten für die Ueberführung der Leichen der an übertragbaren Krankheiten oder an gemeingefährlichen Krankheiten Verstorbener die gleichen Bestimmungen wie im Frieden. Demnach ist die Beförderung von Leichen solcher Personen, die an Flecktyphus, Pocken, Cholera und Pest gestorben sind, erst zulässig, wenn mindestens ein Jahr nach dem Tode verstrichen ist. Zu den genannten Krankheiten treten noch Typhus und Ruhr hinzu. 2. Die Ausfertigung von Leichenpässen zur Beförderung der in den besetzten Gebieten gefallener oder an Krankheiten verstorbenen Militärpersonen nach Deutschland wird im Einvernehmen mit dem Minister des Inneren den Etappen-Inspektionen, im Bereich es Generalgouvernements Warschau und Belgien den Generalgouvernements übertragen. 3. Sofern die ärztlichen Bescheinigung über die Todesursache bei Leichen solcher Heeresangehörigen, die außerhalb der Lazarette verstorben sind, auf Schwierigkeiten stößt, kann die vom Arzt auszustellende Bescheinigung sich auf das Nichtbestehen gesundheitlicher Bedenken gegen die Rückführung beschränken.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Unser täglich Brot ... In der Ausgabe des Bonner General-Anzeigers vom 8. August beschreibt ein alter Bonner Bürger, wie er zum ersten Male des Mittags in einer Bonner Kriegsküche gegessen hat, wie es ihm und den anderen, die mit ihm aßen, so gut geschmeckt hat, und – was mir besonders gut gefällt – wie er, nachdem er gegessen hatte, im Stillen Gott und den Menschen für das Empfangene gedankt hat.
Als ich dies las, dachte ich daran, daß auch ich, wie die meisten Menschen, erst während dieses Kriegs erkannt habe, daß es unsere Pflicht ist, dem lieben Gott dafür zu danken, daß er uns in diesen bedrängnisvollen Zeiten bis jetzt noch so viel gegeben hat, daß wir bei weiser Einteilung, und wenn in christlicher Art ein Mensch dem anderen hilft, wie es ja auch dem Einsender ergangen ist, alle an jedem Tage genügend Nahrung erhalten können. Und als der Einsender, als er gesättigt war, dem lieben Gott dankte, so tat er etwas, woran viele Menschen gar nicht denken und wovon sie nur sehr selten sprechen – er hat gebetet –wenn es vielleicht auch nicht so geschah, wie es sein soll. Es ist wohl noch in vielen Familien üblich, daß des Mittags vor uns nach dem Essen gebetet wird, aber man sieht es nur noch selten, daß jemand, wenn er in Gesellschaft von anderen, die er nicht kennt, speist, vor und nach dem Essen betet, und zwar so, daß er sich dabei nicht scheut, es so zu tun, daß es die anderen sehen. Und so sei darauf hingewiesen, daß es für uns alle sehr segensreich sein wird, wenn wir diese schöne alte Sitte wieder aufleben lassen. Also scheuen wir uns nicht, auch beim Speisen in der Kriegsküche, vor und nach dem Essen zu beten, indem wir dabei die Hände falten, und eifern wir unsere Angehörigen und Bekannten dazu an, dies auch zu tun. Eifern wir überhaupt unseren Nebenmenschen dazu an, ihre religiösen Pflichten so zu erfüllen, wie man es uns allen in der Jugend gelehrt hat. Das ist dasjenige, das uns einzig und allein am ehesten den Frieden bringen kann. Auch einer von der alten Schule.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Die Ferienspiele für Knaben und Mädchen der Volksschulen haben am Montag begonnen. Unter Führung von Lehrern und Lehrerinnen ziehen die Kinder jeden Morgen auf den Venusberg. Dort erhalten sie Frühstück, Brot mit Mus, dann wird einige Stunden gespielt und gegen Mittag werden die Kinder wieder zur Stadt geleitet.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 11. August 1916
Rheinlands Söhne an der Somme. An den schweren Kämpfen, die seit Wochen an der Somme toben, haben auch rheinische Regimenter ruhmvollen Anteil genommen und ihren alten guten Ruf aufs neue bewährt. Besonders waren es die Reserve-Infanterie-Regimenter 25 und 69, welche in todesmutigem Ringen der feindlichen Uebermacht trotzten und keinen Schritt breit der ihnen anvertrauten Stellung preisgaben. Zwölfmal trug der Feind seine Angriffswellen gegen ihre Gräben vor, doch zwölfmal wurde er blutig zurückgewiesen. Doch die Abwehr allein genügte den Braven nicht; „in scharfem Gegenangriffe“, so heißt es in dem Tagesbefehl des Oberbefehlshabers, worin er den Regimentern seinen Dank und vollste Anerkennung für ihren Heldenmut ausspricht, „haben sie einen Teil der vordersten französischen Gräben genommen, über 300 Gefangene gemacht und 19 Maschinengewehre erbeutet“. Als dann nach sieben heißen, blutigen Tagen die Regimenter aus der vordersten Linie in die wohlverdiente Ruhestellung rückten, wurden sie unterwegs von ihrem Brigadekommandeur, dem General der Infanterie von L..., wie folgt begrüßt: „General von York begrüßte auf diesem französischen Boden vor 100 Jahren eine aus siegreicher Schlacht kommende Heldenschar mit den Worten: „Ich nehme den Hut vor Euch ab!“ Und anders kann auch ich Euch nicht ehren. Ich nehme vor dem Reserve-Infanterie-Regiment 25 und Reserve-Infanterie-Regiment 69 den Hut ab“. Und damit entblößte des alte Herr sein greises Haupt und verneigte sich nach allen Seiten zur Truppe. Fürwahr, so lange solche Führer und solche Truppen die Wacht im Westen behalten, brauchen wir hier in der Heimat nicht zu befürchten, daß je eines Feindes Fuß die rheinische Erde betritt.
Vor Preistreibereien im Handel mit Tabak und Zigarren warnt der Vorsitzende der Preisprüfungsstelle Bonn-Stadt in einer Bekanntmachung im Anzeigenteil dieser Zeitung.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Kleider-Kriegshilfe. Die Beratungsstelle für sparsame Kleidung „Hilf Dir selbst“ ist vom Martinsplatz in die Räume des früheren Marmeladenverkaufs Am Hof verlegt worden. Die Beratungsstelle erfreut sich noch fortgesetzt eines regen Zuspruchs und konnte in zahlreichen Fällen Anleitungen zum Selbstanfertigen und im Nähen erteilen und zwar nicht nur an Bedürftige, sondern auch an alle sparsamen gebildeten Frauen. Niemand sollte sich scheuen, von den wiederhergestellten, soliden Kleidungsstücken Gebrauch zu machen, um dadurch zu sparen.
Kriegstinte in den Schulen. Eine Anregung zur Schaffung von Kriegstinte, die sich zum Beschreiben von leimschwachen Papier eignet, hat nach einer Mitteilung des Unterrichtsministeriums Erfolge gezeitigt. Die Proben dieser Tinten haben sich als verwertbar erwiesen. Wenn auch noch einige Zeit vergeht, bis die Kriegstinte im Handel zu haben ist, so erscheint es doch zweckmäßig, in den Schulen schon jetzt auf die künftige Verwendung hinzuwirken. Ferner sollen die Schüler angewiesen werden, daß sie die harten und spitzen Federn, die das Durchdringen der Tinte durch leimschwaches Papier wesentlich mitbewirken, nach Möglichkeit vermeiden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Vaterländische Kampfspiele. In glücklichen Friedensjahren pflegten unserer Bonner Sport-, Spiel- und Sportvereine in frohem, friedlichen Kampfe alljährlich ihre Kräfte im großen Rahmen der Vaterländischen Festspiele zu messen. Die ernste, Entsagung fordernde Kriegszeit hat zur Genüge erwiesen, wie notwendig es war, daß auf diese Weise in unserer Jugend die Freude am Kampf, an körperlicher Anstrengung und selbstloser Entsagung wachgehalten wurde. Alle Zweige der Leibesübungen, Turnen, Spiel und Sport, sie haben gerade in dieser ernsten Zeit gezeigt, daß ihre Uebungen und Spiele im äußeren Gewande frohen Spieles und kraftvoller Lebensfreude hohe Arbeit bedeuten für das Vaterland: Erhaltung eines kräftigen, kampferprobten Geschlechtes! Während draußen vor dem Feinde die meisten der sonst alljährlich friedlich Kämpfenden der rauhen Wirklichkeit harte Proben ihrer körperlichen und geistigen Kraft abgeben, sollen am Sonntag auf dem Spielplatz an der Kölnstraße auch die noch in der Heimat Weilenden im Kampfe zeigen, daß sie gleich bereit und gewappnet sein wollen, wie die da draußen, auf die wir alle stolz sind. Die leichtathletischen und turnerischen Einzel- und Mehrkämpfe beginnen Sonntag, vormittags 9½ Uhr, die Endkämpfe, Schlagball-, Faustball- und Fußballspiele nachmittags 3½ Uhr.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 12. August 1916
Web-, Wirk- und Strickwaren. Nach einer neuen Verordnung ist es nicht mehr gestattet, Stofflängen bis zu zwei Metern ohne Bezugsschein zu verkaufen. Maße von Woll- und Baumwollstoffen dürfen ohne Bezugsschein nicht mehr abgegeben werden.
Ein Schuhmachermeister hatte seine Schuhmacherwerkstätte „Hans Sachs“ an der Brüdergasse Liebespärchen als Absteigequartier zur Verfügung gestellt. ER war vom Schöffengericht wegen mangelnder Beweise freigesprochen worden, wurde aber gestern von der Strafkammer zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. – Sechs Monate Gefängnis erhielt ein hiesiger Eiskutscher, der ein neunjähriges Mädchen mit auf den Venusberg gelockt und sich dort an ihr vergangen hatte.
Weil sie ihr Brotbuch, um mehr Brot zu bekommen, fünfmal gefälscht hatte, wurde eine Frau gestern von der Strafkammer zu der Geringststrafe von einem Tag Gefängnis verurteilt. Sie soll zur bedingten Begnadigung empfohlen werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Kinderaufführung in den Lazaretten. Am Mittwoch erfreute eine kleine Schar Kinder unter Leitung einer jungen Bonner Dame die verwundeten Soldaten in den hiesigen Lazaretten durch eine Aufführung. Der Anfang wurde im Erholungsheim Koblenzerstraße gemacht, dann fing es zum Friedrich Wilhelm-Stift, zur Beethovenhalle und zum Leoninum. Mit Freude wurden die Kleinen empfangen. Ein echtdeutsches Gedicht mit rheinischem Nixenzauber wurde von einem kleinen Mädchen mit Ausdruck zum Vortrag gebracht. Lieder, Gedichte, feinsinnig und lustig in ihrer Art, wechselten ab. Der Glanzpunkt der Aufführung war ein künstlerisch eingeübter Phantasietanz, dem ein Menuettmotiv zu Grunde lag. Den Schluß bildete eine Liebesgabenverteilung von Zigarren, Blumen und Photographien durch die kleinen Künstler. Die Freude der Verwundeten war groß, und der Dank sprach aus all den leuchtenden Soldatenaugen, denen die kleine Welt geholfen hat, ihre Leiden für ein paar Stunden zu vergessen. Und Dank auch denen, die sich die Mühe nicht verdrießen ließen, die Soldaten durch diese Unterhaltung zu erheitern. Hoffentlich wiederholen sich solche schönen Stunden des öfteren in den Lazaretten.
Einen Fluchtversuch machte gestern morgen ein Mann, der durch einen Kriminalbeamten der Hauptwache in der Rathausgasse zugeführt werden sollte. Kurz vor der Tür nahm er Reißaus und lief über die Stockenstrasse durch den Hofgarten. Eine große Anzahl von Menschen schlossen sich dem nacheilenden Beamten an und rannten über die Hofgartenwiese den Flüchtigen nach. Jenseits der Wiese kam der Ausreißer zu Fall und wurde von den Verfolgern eingeholt. Da es dem Beamten nicht möglich war, den besinnungslos daliegenden wegzubringen, wurde er mit Hülfe mehrerer Umstehender zur Wache getragen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kriegsküche in der Sandkaule. Der vorgestrige Speisezettel brachte Weißkohl mit Kartoffeln und Wurst. Die Beschaffenheit der Speisen ließ an sich nichts zu wünschen übrig. Leider war das Essen wieder einmal angebrannt. Das verriet nicht nur der Geschmack, sondern auch die im Essen befindlichen verbrannten (schwarzen) Teile des Gemüses. Ueber die anderen Küchen ist in der letzten Zeit nicht geklagt worden, was wir umso lieber feststellen, als wie wir auch schon in den letzten Besprechungen über die Kriegsküchen sagten, daß etwaige Klagen über diese Küchen unberechtigt gewesen seien. Das gestrige Essen in der Sandkaule: Graupen mit Kartoffeln und Fleisch war gut zubereitet, man vermisste aber die Sorgfalt bei der Vorbereitung. Die Graupen dürfen nicht direkt aus dem Sack in den Kessel geschüttet werden, sondern müssen vorher sorgfältig verlesen und event. auch gewaschen werden. Geschieht dies, so erhält man reine Graupen ohne andere Körner, wie Unkrautsamen und Körnerhülsen etc., wie es sich im gestrigen Essen vorfand.
Einsammeln der Sonnenblumenstengel. Infolge des Krieges ist die Einfuhr geschnittener Schalbretter, die im Bauwesen als Holzschalung für Decken und Fachwerkwände Verwendung finden, stark beeinträchtigt. Als Ersatz hierfür eignen sich, wie von fachkundiger Seite der Rohmaterialstelle des preußischen Landwirtschaftsministeriums mitgeteilt wird, die Sonnenblumenstengel, die bisher nur als Brennmaterial dienten. Durch Verwendung der Sonnenblumenstengel im Bauwesen würde nach Angabe Sachverständiger eine beträchtliche Mehreinnahme beim Sonnenblumenanbau erzielt werden können.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 13. August 1916
Verbotener Verkehr mit Kriegsgefangenen. Das stellvertretende Generalkommando des 8. Armeekorps weist erneut auf seine Verordnungen hin, nach denen es verboten ist: a) Briefschaften von Kriegsgefangenen oder an Kriegsgefangene in Empfang zu nehmen oder zu besorgen b) mit Gefangenen in Verbindung zu treten, von ihnen Geld oder andere Gegenstände anzunehmen, für sie Besorgungen irgend welcher Art zu machen oder ihnen irgendwelche Gegenstände auszuhändigen, c) ferner jede Förderung oder Unterstützung entwichener Kriegsgefangener, insbesondere die Gewährung von Unterkunft, Nahrung, Kleidung, die Verabfolgung von Geldmitteln, Beschaffung von Arbeitsgelegenheit und die Beschäftigung im eigenen Haushalte oder Betriebe.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Landleute, schützt Euer Getreide! Wie aus zuverlässiger Quelle verlautet, wird ein französisch-englisches Fliegergeschwader gebildet, das, sobald die Ernte reif ist und längere Trockenheit geherrscht hat, eine besondere Art Brandbomben auf die Felder abwerfen soll, um die Erntevorräte zu vernichten. Zudem werden von englischer Seite Leute mit dem Auftrage nach Deutschland gesandt werden, Kornfelder in Brand zu setzen. Für die Ladbevölkerung ist daher besondere Aufmerksamkeit angebracht. Die Löschung der Brandbomben ist nur durch Bewerfen mit Sand, Erde und dergl. zu erreichen. Es empfiehlt sich, die Getreideschober nicht auf einer Stelle, sondern möglichst verteilt anzusetzen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
In dem Bericht über die Volksküche der Sandkaule wird getafelt, daß der Weißkohl angebrannt gewesen sei. Dieses läßt sich bei den städtischen Kesseln nicht immer vermeiden, da dieselben direkt der Feuerung ausgesetzt sind und nicht, wie es sein sollte, im Wasserbad stehen. Ueberall benutzt man letztere Art von Kesseln zur Herstellung von Massengerichten, in allen Hospitälern und Kasernen. In den städtischen Kesseln muß daher andauernd umgerührt werden, eine überaus schwere Arbeit, wenn man den Umfang und die Tiefe eines solchen Kessels bedenkt.
Daß unter den Graupen Unkrautsamen vorhanden gewesen sei, ist möglich, da nicht genügend Personal vorhanden ist, um ganze Säcke von Graupen verlesen zu können. Dieselben waren daher gewaschen worden und wurden nicht, wie es in dem Artikel heißt, aus dem Sack direkt in den Kessel geschüttet.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Montag, 14. August 1916
Hilfsstelle zur Ermittlung deutscher Kriegsgefangener. Am heutigen Montag, abends 8 Uhr, findet im Kronprinzenhof eine Aussprache der Angehörigen von Gefangenen und Vermißten statt.
Eine Bestandsaufnahme der Vorräte an Brotgetreide und Mehl aus früheren Ernten ist für den 16. August angeordnet. Wir verweisen auf die Bekanntmachung der Oberbürgermeisters in dieser Zeitung.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Verkauf von Speisefett. Bis auf weiteres werden 40 Gramm Butter und 40 Gramm Fett an jede bezugsberechtigte Person abgegeben. Margarine rechnet zu den Fetten. Der Preis für Butter ist auf M. 2.75 und für Margarine auf 2.20 festgesetzt.
Eine reiche Brombeerernte wird uns in diesem Sommer beschieden. Bei den Wanderungen durch Feld und Wald und besonders durch die an Beeren aller Art so reichen Gebirgswaldungen am Rhein, in der Eifel, im Bergischen Land, auf dem Westerwald und Taunus kann sich jedermann überzeugen, wie die Brombeerhecken, die allenthalben die Wege an den Berghängen, Rinnen und Schluchten besäumen, einen außergewöhnlich hohen Behang prächtig entwickelter, saftstrotzender Beeren tragen. Die Brombeeren finden wegen ihrer besonderen Verwendbarkeit zur Bereitung eines hocharomatischen und dabei gesundheitlich sehr geschätzten Gelees allenthalben zahlreiche Abnehmer. Gegen Husten und Heiserkeit werden Brombeersaft und Gelee las wirksames Hausmittel von jeher gebraucht.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Freiwillige Ablieferung von Fahrradbereifungen. Der Oberbürgermeister macht erneut darauf aufmerksam, daß die freiwillige Ablieferung der Fahrraddecken und Fahrradschläuche von Dienstag, den 15. August 1916 ab werktäglich bei der Sammelstelle erfolgen kann. Die Sammelstelle befindet sich auf dem Gelände des Städtischen Schlachthofes an der Immenburgstraße. Sie ist geöffnet vormittags von 9 bis 12 Uhr und nachmittags von 3 ½ bis 6 Uhr. Die bis zum 15. September 1916 nicht freiwillig abgelieferten Fahrradbereifungen werden enteignet und sind vom 15. September 1916 ab, sofern sie nicht weiter benutzt werden dürfen, unter Benutzung des vorgeschriebenen Meldescheines anzumelden. Die Meldescheine sind vom 1. September ab bei den hiesigen Polizeikommissariaten zu entnehmen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 15. August 1916
Bonner Lebensmittelfragen.
Während vor acht Tagen noch über zu reichliche Kartoffelzufuhren und dadurch bedingtes Verderben der empfindlichen Frühkartoffeln zu klagen war, sind jetzt die Klagen entgegengesetzt: seit zehn Tagen hat die Stadt Bonn überhaupt keine Kartoffeln mehr bekommen. Bei der auf sieben Pfund für den Kopf herabgesetzten Verbrauchsmenge sind diese Woche genügend Kartoffeln vorhanden, so daß ein Andrang bei den Kartoffelverkaufsstellen unnütz ist, wenn aber die Provinzialkartoffelstelle in Magdeburg der Stadt Bonn auch in dieser Woche keine Kartoffeln sendet, so wird nächste Woche wieder eine Kartoffelnot eintreten, obwohl rings um Bonn Ueberfluß an Kartoffeln herrscht.
Wie schon mitgeteilt, wird nächste Woche eine Umfrage veranstaltet werden, wer sich seinen ganzen Winterbedarf bis 15. April einzukellern wünscht. Dabei kann angegeben werden, ob die Stadt Bonn unmittelbar oder ein hiesiger Kartoffelhändler, zu dem der Verbraucher etwa besonderes Vertrauen hat, die Kartoffeln liefern soll. Der Preis ist in beiden Fällen gleich. Ausgeschlossen ist es aber nach den von der Reichskartoffelstelle getroffenen Anordnungen, daß Bonner Haushaltungen wie in früheren Jahren von Landwirten der Umgegend Kartoffeln erhalten.
Die Kriegsküchen erfreuen sich steigender Beliebtheit, das beweist am schlagendsten die immer stärkere Inanspruchnahme. Es sind jetzt schon über 4100 Teilnehmer vorhanden. Um den bisherigen guten Speisezettel und das Eintopfgericht weiter beibehalten zu können, muß die Stadtverwaltung jedoch ganz erhebliche Zuschüsse zahlen. Es hat sich herausgestellt, daß außer den Unkosten für die Verwaltung, die Miete der Räumlichkeiten und für die Betriebsunterhaltung ein Mittagessendurchschnittlich etwa 55 Pfg. kostet. Das ist zu verstehen, wenn man sich ausrechnet, daß für ein Liter fast zwei Pfund Kartoffeln und bei Fleischgerichten 60 bis 80 Gramm Fleisch verbraucht werden, ohne die notwendigen Fettmengen. Da das Mittagessen nun fast durchweg ur mit 30 Pfg. bezahlt wird, so müssen aus dem Stadtsäckel bei etwa 4000 Teilnehmer und 30 Speisetagen monatlich rund 30.000 M. Zuschüsse gezahlt werden. Der aus der Bürgerschaft für die Kriegsküchen gespendete Betrag von rund 52.000 M. – eine Summe, die für die Stadt Bonn nicht gerade hoch anzusehen ist – soll in erster Linie dafür verwendet werden, um den Betrieb der Küchen und die Bereitung des Essens in einer über das gewöhnliche Maß hinaus besseren Weise auszuführen, andererseits kann die Stadt, die bereits an anderen Stellen der Kriegsfürsorge, namentlich bei der Ausgabe billiger Lebensmittel, schon sehr stark in Anspruch genommen ist, auf die Dauer nicht die Zuschüsse in dieser Höhe zahlen. Es erscheint auch nicht gerecht, daß in der jetzigen teuern Zeit ein so gut zubereitetes und reichliches Mittagessen für den billigen Preis von 30 Pfg. abgegeben wird. Das führt letzten Endes nur zur Verschwendung, und dem muß mit Rücksicht auf die Knappheit der Lebensmittel aufs entschiedenste entgegengetreten werden. Aus diesen Erwägungen hat der Lebensmittelausschuß beschlossen, vom 21. August ab den Preis für das Mittagessen auf 40 Pfg. zu erhöhen, und zwar für die Teilnehmer der Abteilungen A und B der Lebensmittelkarte, und auf 50 Pfg. für die Teilnehmer der Abteilung C. Das schließt natürlich einmal nicht aus, daß in Notfällen die Armenverwaltung eingreift, und außerdem ist darauf hinzuweisen, daß die Küchen in der Maargasse und Engeltalerstraße nach wie vor das Mittagessen für 20 Pfg. ausgeben. [...]
Der Speisezettel für diese Woche lautet:
Montag: Grüne Bohnen mit Kartoffeln und Speck,
Dienstag: Graupen mit Mischobst,
Mittwoch: Erbsensuppe mit Hämmchen,
Donnerstag: „Himmel und Erde“ mit Specktunke,
Freitag: Nudeln mit geriebenem Käse,
Samstag: Kartoffelsuppe mit Einlauf und Mischgemüse,
Sonntag: Schweinepfeffer.
Die Milchversorgung wird in den nächsten Tagen durch eine neue Verordnung geregelt werden. Es soll dadurch vor allem die Versorgung der Säuglinge, der Kinder bis zum sechsten Lebensjahre sowie der hoffenden und stillenden Frauen unbedingt sichergestellt werden. Da in den nächsten Monaten mit einer weiteren Verringerung der Milchzufuhr leider bestimmt zu rechnen ist, wird die Stadtverwaltung selbst etwa 100 Milchkühe beschaffen und sie gegen sog. Abmelkverträge bei hiesigen Landwirten einstellen. Der Bonner Einwohnerschaft werden dadurch täglich etwa 800 Liter Milch zugeführt werden können. Zurzeit beträgt die Milchzufuhr insgesamt etwa 14.500 Liter täglich.
Die Obstpreise sind in Bonn, wie auch in anderen Städten, noch immer ungeheuer hoch. Helfen könnten nur Höchstpreise für das ganze Reich, Verordnungen der Stadtverwaltung würden nur eine Verödung des Marktes zur Folge haben. Die Stadt sucht jedoch durch einen eigenen Obsthandel die Preise so viel wie möglich zu drücken. Sie verkauft jetzt gute belgische Tomaten zu dem verhältnismäßig geringen Preise von 35 Pfg. das Pfund sowie aus Baden bezogene Pflaumen, ebenfalls sehr gute Ware, zu 13 Pfg., während sonst auf dem Markte 70 bis 80 Pfg. für das Pfund gleichwertiger Pflaumen gefordert werden. In den nächsten Tagen wird die Stadt auch eine größere Sendung Aepfel verkaufen.
Eine neue Kriegsmaßregel ist die Beschlagnahme und Zuteilung der Marmelade. Die Marmelade wird ähnlich wie Butter und Fett in Zukunft nur noch in bestimmten Wochenmengen abgegeben werden dürfen. Die in den Haushaltungen vorhandenen selbsteingekochten Vorräte werden aber nicht beschlagnahmt und können verbraucht werden.
In den nächsten Wochen wird mit einer Käseknappheit gerechnet werden müssen. Die Käselieferungen durch die Zentral-Einkaufsgesellschaft stocken seit einiger Zeit vollständig, da mit den verfügbaren Beständen in erster Linie das Heer versorgt werden muß. Das städtische Lebensmittelamt ist freilich bemüht, größere Mengen Käse zu beschaffen, ob es ihm gelingen wird, steht noch nicht fest.
Die neuen Lebensmittelkarten, die zum 27. August ausgegeben werden müssen, werden nicht mehr für vier Wochen, sondern für vier Monate gelten. Grundsätzlich wird dabei an der bisherigen Karteneinteilung nichts geändert, nur erhält jede Person eine ganze Karte für sich allein mit 16 Wochenabschnitten für die Zeit vom 27. August bis 16. Dezember. Wegen der langen Gültigkeitsdauer der Karten müssen die Haushaltungen natürlich noch mehr als bisher darauf bedacht sein, die Karten sorgfältig aufzubewahren.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Vaterländische Kampfspiele. Auf dem Spielplatz an der Cölnstraße mit seinen prächtigen Baumanlagen und seinem weiten, grünen Rasenplan fanden am Sonntag jene turnerischen und sportlichen Wettkämpfe statt, die man früher „Vaterländische Festspiele“ zu nennen pflegte. Der Ernst der Zeit, die unbeschreiblich harten Kämpfe unserer Helden draußen ließen die Bezeichnung „Vaterländische Kampfspiele“ als angebrachter erscheinen. Draußen vor dem Feinde steht schon ein großer Teil der Generation, die in Turnen, Spiel und Sport aufgewachsen ist, die, während sie diese Leibesübungen pflegte, kämpfen gelernt hat. – Lernt kämpfen! So rufen jene Feldgrauen unserer Jugend zu. Sie haben es ja erfahren, welch’ gute Vorbereitung der Wettkampf in den Leibesübungen für den Ernstkampf gegen Haß und Neid unserer Feinde war. Unsere Jugend ist aber auch bereit, ja, sie liebt es zu kämpfen. Sie verlangt nicht nur Vorstellen und Denken, nicht nur Schulung des Verstandes, auch Schulung des Charakters, Wollen und Handeln. Allen Gegnern vernünftiger Leibesübungen zum Trotz bewies dies auch unsere Bonner Jugend am Sonntag auf neue.
Unter der altbewährten Leitung unseres Turninspektors, Herrn Fritz Schröder, nahmen die Kämpfe vormittags und nachmittags in guter Ordnung einen schönen Verlauf. Den zahlreichen Zuschauern, welche ringsum stehend den leichtathletischen und turnerischen Uebungen sowie den Spielen mit großem Verständnis folgten, wurden recht beachtenswerte Leistungen vorgeführt. Man sah, daß unsere Bonner Jugend auch in den Leibesübungen auf der Höhe ist. Nach Beendigung der Wettkämpfe richtete Herr Sanitätsrat Dr. F. A. Schmidt das Wort an die ihn umstehenden Jungmannen. Unsere tapferen Soldaten stellte er ihnen als Vorbild hin. Er forderte sie auf, gleich bereit zu sein, wenn das Vaterland auch ihrer einmal bedürfe. Nach einem kräftigen dreifachen Hurra auf unserer geliebtes deutsches Vaterland verlas dann Herr Turninspektor Schröder die Sieger und überreichte ihnen den schlichten Eichenkranz. [...]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Godesberg, 14. Aug. Gestern nachmittag wurde der am 7. August im Luftkampfe gefallene Leutnant Josef Nonn-Elven aus Godesberg, Leutnant im Feldart.-Regt. Nr. 59, z. Z. Feld-Flieger-Abt. 19, unter militärischen Ehren hier zu letzten Ruhe geleitet. Am Leichenzug beteiligten sich u. a. ein Kompagnie des Bonner Infanterie-Regiments 160, eine Abordnung seines 59er Artillerie-Regiments, Hunderte von Feldgrauen aus unseren Ortslazaretten, die militärischen und anderen Vereine Godesbergs, sowie eine ansehnliche Zahl aus der hiesigen Bürgerschaft. Von der elterlichen Wohnung in der Rüngsdorfer Heerstraße aus bewegte sich der Zug unter den Trauerweisen einer Musikkapelle hin nach dem Burgfriedhofe, wo Herr Pastor Dr. Heyes eine ergreifende Grabrede hielt. Drei Ehrensalven wurden dem Helden als letzter Gruß über die offene Gruft gesandt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)
Ein seltenes frohes Wiedersehen feierte vergangene Woche eine Familie (C. Bayard) in der Kaiserstraße. Drei Söhne trafen unvermutet, einer nachmittags, einer nachts und einer anderen Tages von der Marine und vom Landheer im Elternhause in Urlaub ein, worauf nach erfolgter Benachrichtigung eine Tochter, welche in einem auswärtigen Krankenhause tätig ist, ebenfalls eintraf. Leider mußten sie einen Bruder vermissen, den die Erde des Schlachtfeldes deckt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 16. August 1916
Beschaffung von Milchkühen. Der städtische Lebensmittelausschuß empfiehlt der Stadtverordnetenversammlung, etwa 100 Milchkühe anzuschaffen und sie hiesigen Landwirten gegen sog. Abmelkverträge zu überweisen. Die Kosten für die Anschaffung der Kühe werden etwa 160- bis 170.000 M. betragen und sollen vorläufig auf Vorschüssen des Lebensmittelamtes verrechnet werden.
Zehn weitere Hilfspolizeibeamte vor allem für einen wirksamen Feldschutz anzustellen, wird den Stadtverordneten vorgeschlagen.
Neue Gemüsepreise. Für die Zeit vom heutigen 16. bis 31. August hat der Oberbürgermeister neue, gegen die bisherigen erheblich niedrigere Richtpreise für Gemüse festgesetzt. Die neuen Preise werden im Anzeigenteil dieser Zeitung bekanntgegeben.
Brotzulage für hoffende Frauen. Hoffende Frauen sind in den letzten drei Schwangerschaftsmonaten zum Bezuge einer wöchentlichen Zulage von einem halben Brot oder einem Pfund Mehl berechtigt. Wir verweisen auf die heutige Bekanntmachung des Oberbürgermeisters.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Versuchte Erpressung. Der 39jährige Kaufmann Kurt Be. von hier, hatte sich wegen versuchter Erpressung vor dem Außerordentlichen Kriegsgericht für den Bereich der Festung Köln zu verantworten. Be. hatte die ersten 8 Monate des Krieges mit in der Front gestanden, bis er wegen eines Herzfehlers in hochgradiger Nervosität vom Heeresdienst entlassen werden mußte. Er wurde nun Brennmeister in der Wandplattenfabrik. Mitte April wollte er nun Vorschuß haben auf den erst am Monatsende fälligen Lohn. Da ihm das nicht gewährt wurde, schrieb er an den Firmeninhaber einen Brief, darin er diesem drohte, ihn beim Kriegsministerium und der zuständigen nachgeordneten Stelle einer strafbaren Handlung zum Nachteile des Vaterlandes zu bezichtigen, wenn er ihm nicht sofort den Vorschuß gäbe. Dabei hatte der Briefschreiber noch ein größeres Darlehen von früher bei der Firma ratenweise abzutragen. Der Angeklagte wurde wegen versuchter Erpressung unter Annahme mildernder Umstände zu 2 Wochen Gefängnis verurteilt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Vom Wetter. Ein am Freitag morgen niedergegangener Regen, der gegen 2 Uhr einsetzte und bis 9 Uhr dauerte, hat die Erntearbeiten für einige Tage unterbrochen. Wohl steht nur noch wenig Getreide mehr auf dem Halme und wenn’s der Himmel wohl will, dann ist Ende der Woche nicht sehr viel mehr von Getreide im Felde zu sehen. Obwohl nun der Regen infolge der Erntearbeiten etwas ungelegen kam, sah man ihn bei den Landleuten trotzdem nicht ungern. Denn der Boden war wieder ordentlich ausgetrocknet und alles lechzte nach Regen. Futtergewächse, Zuckerrüben, Spätkartoffeln, sowie die frisch gesäten Stoppelrüben und Kleearten, alle hatten ihn notwendig, alle bedurften dieses Regens als neuer Antrieb zum Wachsen. [...] Unruhige Gemüter, bestimmt durch die Witterung, waren am Sonntag nachmittag beschäftigt, Heu auf Schober zusammenzutragen. Und als gegen Abend der Regen kam, war man froh, die Arbeit nicht gescheut zu haben.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 17. August 1916
Bonner Ferienspiele. Gleich zu Beginn dieser Ferien, am Montag, 7. August, haben die Ferienspiele der Stadt Bonn wieder begonnen, nachdem durch den Krieg eine zweijährige Unterbrechung eintreten mußte. Von herrlicher Witterung begünstigt, erfreuten sich die Spiele eines regen Zuspruchs der Schuljugend. In der ersten Woche nahmen insgesamt 10.705 Kinder an den Spielen teil. Es ist für jeden Kinderfreund ein Vergnügen, zu sehen, wie die Jugend dort oben auf luftiger Höhe sich tummelt und bei munterem Spiele die Ferientage angenehm verkürzt. Zudem wissen die Eltern ihre Kleinen die Morgenstunden hindurch wohl geborgen. Es dürfte darum dem Wunsche Ausdruck gegeben werden, die Eltern möchten noch mehr als bisher ihre Kinder morgens gegen 8 Uhr zu den Sammelplätzen hinausschicken.
In dankenswerter Weise läßt unsere Stadtverwaltung wie auch in den früheren Jahren all den lieben Gästen, die unter Aufsicht der Spielleiter und Spielleiterinnen sich an den Uebungen beteiligen, eine Erfrischung überreichen, die, den veränderten Zeitverhältnissen entsprechend, aus einer Schnitte besten Brotes, belegt mit köstlicher Erdbeermarmelade, besteht. Gegen 11 Uhr wird zum Sammeln geblasen, und unter frohen Gesängen ziehen die Scharen wieder heimwärts. Dieses überaus wohltätige Einrichtung, die die Stadt Bonn zum Besten unserer Jugend getroffen hat, soll den ganzen Monat August hindurch währen zur körperlichen Ertüchtigung und geistigen Erfrischung unserer gesamten Volksschuljugend.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Brotzulage. Der Oberbürgermeister veröffentlicht in der heutigen Nummer unseres Blattes eine Bekanntmachung, wonach hoffende Frauen eine wöchentliche Zulage von einem halben Brot oder 1 Pfund Mehl erhalten. Stillende Frauen sind zur Entnahme der gleichen Zulage während der Stillzeit, jedoch höchstens für ein Jahr, berechtigt.
Verhaftet wurden eine Frau und ihre Tochter wegen Verbrechens gegen § 218 Str.-G.-B.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kriegsküchen der Stadt Bonn. Die Wochenkarten, die zur Entnahme von 7 Mittagessen berechtigen, sind vom 17. ds. Mts. an zum Preise von 2,80 Mark und 3,50 Mark in den Kriegsküchen zwischen 11 und 1 Uhr zu lösen. Die Abgabe des Mittagessens erfolgt nur gegen Wochenkarte. Da die Massenspeisung die gleichmäßige und gerechte Verteilung der vorhandenen und zur Verfügung stehenden Lebensmittel nicht beeinträchtigen darf, sind beim Kauf einer jeden Wochenkarte von den Lebensmittelmarken folgende abzuliefern: 1. die Fleischmarke in Höhe von 200 Gramm für die betr. Woche, 2. die Fett- oder Speckmarke. Letztere nur unter der Voraussetzung, daß in der betreffenden Woche auf Grund der Bekanntmachung des Lebensmittelamtes Speck verabfolgt wird, 3. die Kartoffelmarke für die halbe Wochenmenge.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 17. August 1916
Erlaubnis zum Radfahren. Die Polizeiverwaltung teilt uns mit: Nachdem ein Teil der vorgelegten Gesuche um Weiterbenutzung der Fahrradbereifung von der Militärbehörde genehmigt bei der Polizeibehörde eingegangen ist, können die betreffenden Radfahrkarten bei den zuständigen Polizei-Revieren von Samstag, den 19. d. M., vormittags ab in Empfang genommen werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Zu den beiden Pilgerzügen, die heute nach Kevelaer abfuhren, wurden an der hiesigen Station 1350 Fahrkarten gelöst.
Die Warenkarten für die Zeit vom 27. August bis 16. Dezember und die Seifenkarte für die Monate September 1916 bis Januar 1917, die in allen Orten des Reiches gültig ist, werden in den nächsten Tagen den Hausständen zugestellt. Für die Ausgabe dieser Karten sind die Lebensmittelkarten (Umschlag) bereit zu halten und den Bezirksverwaltern auf Verlangen auszuhändigen.
Aehrendiebstahl. Seit die Ferien begonnen haben, werden an einigen Stellen des Landkreises Klagen darüber laut, daß vielfach an den Fruchtgarben auf dem Felde geräubert wird. Es wurde beobachtet, daß größere Knaben schulpflichtigen Alters mit einer Schere die Aehren von den Garben abschneiden und diese dann im Rucksack heimbringen. Werden sie bei dieser „Arbeit“ auf dem Acker überrascht, so bücken sie sich, als wenn sie eifrig auf der Erde suchen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Enttäuscht war gestern morgen eine große Zahl von Mitbürgern und noch mehr Mitbürgerinnen, als sie kein Sonderblatt angeschlagen fanden, daß der Friede „ausgebrochen“ sei. Im Vertrauen auf eine viel verbreitete „Vorhersagung“ hatten sie nämlich heute das Ende des Krieges erwartet, und man glaubt nicht, wieviel Leute auf einen solchen Unsinn hereinfallen, der auf irgend einer künstlichen und törichten Zahlenspielerei aufgebaut ist. Diesmal sollte ausgerechnet der 17. August den Waffenfrieden bringen. Noch sind wir nicht so weit, und unsere Feinde müssen erst noch mehr zu Boden geschlagen werden, damit wir einen wirklich dauernden Frieden erreichen. Es gilt also noch durchzuhalten und mit Ruhe das Ende abzuwarten, ohne Prophezeiungen aus Zahlen, Karten oder dem in solchen Fällen beliebten Kaffeesatz. Der Friede wird schon eintreten, wenn auch nicht am heutigen Tage.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 19. August 1916
Die gestrige Stadtverordnetensitzung wurde fast ganz mit der Besprechung der Lebensmittelversorgung ausgefüllt. Oberbürgermeister Spiritus besprach in einem fast anderthalbstündigen Vortrage den gegenwärtigen Stand der Lebensmittelversorgung in Bonn und ihrer einzelnen Zweige. Er schloß mit der Versicherung, die Verwaltung werde auch in Zukunft nicht nachlassen, pflichtgemäß und zu jeder Zeit alles das zu tun, was sie zum Besten der Stadt Bonn und ihrer Bevölkerung für notwendig und ersprießlich halte. In der anschließenden Aussprache wurden von verschiedenen Stadtverordneten noch eine Anzahl Anregungen gegeben. Es wurden sodann 160.000 bis 170.000 Mark für etwa 100 Milchkühe bewilligt, die die Stadt anschaffen will, um vor allem die Milchversorgung der Säuglinge, der Kinder bis zum 6. Lebensjahre, der hoffenden und stillenden Frauen sowie der Kranken sicherzustellen. Ferner bewilligten die Stadtverordneten als Beteiligung der Stadt an der Kriegshilfskasse der Rheinprovinz 50.000 M. Endlich wurde beschlossen, zehn weitere Hilfspolizeibeamte anzustellen, und der Stadtverordnete Wellmann und der Rentner Lüps neu in den Lebensmittelausschuß gewählt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Lebensmittelversorgung der Stadt.
Oberbürgermeister Spiritus: [...] Anstelle der bisherigen Brotbücher seien seit dem 1. Juli Karten getreten. Die Lebensmittel würden nur mehr für den Einzelnen, nicht mehr für die Haushaltungen ausgegeben. Irrig sei die Ansicht, daß die Angehörigen der Abteilung C mehr bezahlen müßten, um das, was die Stadt bei den anderen Abteilungen zulege, zu decken. Den Ausfall trage die Stadt.
Oberbürgermeister Spiritus stellte fest, daß die Mehl- und Brotversorgung durchaus gut verlaufe. In der Zeit der Kartoffelnot sei es nötig gewesen, eine Zusatzmenge für jeden zu geben. Die Schwierigkeit der Kartoffelversorgung sei in der letzten Zeit sehr groß gewesen. Man habe zwischen Mangel und Ueberfluß hin- und hergeschwankt. Die Stadt sei schließlich mit Kartoffeln überstürzt worden, sodaß sie der Menge nicht Herr werden konnte. Sie habe die Kartoffeln nicht ablehnen können. Die Ueberstürzung sei dadurch eingetreten, daß vom 1. August an die Höchstpreise herabgesetzt wurden und daß die Erzeuge alles daran setzten, ihre Ware vor diesem Zeitpunkt zu verkaufen. Die Frühkartoffel sei aber leicht verderblich und lasse sich nicht aufbewahren. Die Stadt habe die größte Mühe gehabt, die Kartoffeln los zu werden und einen bedeutenden Verlust dabei erlitte. Ob der Antrag auf Ersatz des Schadens Erfolg haben werde, sei noch nicht sicher.
Es nahe die Zeit, wo die Spätkartoffeln reifen und den Gemeinden überwiesen werden sollen. Sie sollen den Gemeinden bis zum 15. April zugewiesen werden. Bei 1½ Pfund auf den Kopf und Tag ist für Bonn eine Menge von 340.000 Zentner erforderlich. Als Bezugsprovinzen sind Pommern, Sachsen, und für den Rest die Rheinlande in Aussicht genommen. Die Kartoffeln aus Pommern waren durchaus zufriedenstellend. Ebenso waren die Kartoffeln aus Sachsen recht gut. Es sei zu hoffen, daß es der Staatseisenbahn gelingen werde, die Beförderung dieser Unmengen in geregelter Weise zu bewirken. Es sei für die Stadt eine große und schwierige Aufgabe, diese Kartoffeln an der richtigen Stelle aufzubewahren. Ein großer Teil der Kartoffeln wird aber in Mieten untergebracht werden müssen. Geeignete Sachverständige für die Anlage solcher Mieten stehen der Stadt zur Verfügung. Der größere Teil wird aber in den Universitätskellern und im Schlachthause untergebracht werden.
Die Fleischversorgung der Stadt ist augenblicklich nicht erfreulich. So bedauerlich das ist, so ist es doch nicht so wichtig wie die Versorgung mit Brot und Kartoffeln. Aber der Höhepunkt wird überschritten sein. Am 1. Oktober tritt die Reichsfleischkarte ein, die eine Besserung herbeiführen wird. Die Stadt hat auf dem Dottenhof annähernd 300 Schweine in Fütterung. Davon ist eine kleine Anzahl bereits geschlachtet worden, wodurch die Fleischversorgung etwas gebessert worden ist.
Im Ganzen ist sie aber noch mangelhaft. Auch die Fettversorgung ist sehr mangelhaft, was noch mehr zu bedauern ist.
Die Milchversorgung der Stadt ist im Rückgang. Die Stadt ist mit Rücksicht auf die neue Verordnung über die Versorgung von Kindern, hoffenden und stillenden Müttern sowie Kranken dazu übergegangen, den Ankauf von 100 Milchkühen vorzuschlagen und es ist zu hoffen, daß damit ein guter Erfolg erzielt wird.
Der Gemüsemarkt ist durchweg gut beschickt und die Preise sind mäßiger geworden, wozu auch die Beschaffung von Gemüse durch die Stadt beigetragen hat. Weniger erfreulich ist es mit der Obstversorgung. Die Obstpreise sind nahezu unerschwinglich und solange nicht Höchstpreise festgesetzt werden, ist daran nichts zu ändern. Durch die Stadtgärtnerei ist aber Obst gekauft worden, das an die Bevölkerung abgegeben wird. Wenn auch die Ernährung der Bevölkerung nicht in allen Dingen reichlich ist, sondern noch viel zu wünschen übrig läßt, so muß man doch die Verhältnisse berücksichtigen, und kann im allgemeinen sagen, daß die Ernährung in etwa zufrieden stellt. In den Kriegsküchen haben wir ein Sicherheitsventil für alle Notstände. Jeder kann verzehren, was er dort bekommt. Sie werden auch in steigendem Maße benutzt und die Zahl der Benutzer istim Verhältnis zu den Nachbarstädten groß. Jede Einrichtung zeigt ihre Mängel und Kinderkrankheiten, so ist es auch bei den Kriegsküchen. Man ist aber bemüht, die Mißstände zu heben und das ist auch gelungen. An gutem Willen hat es nicht gefehlt. Etwaige Wünsche und Beschwerden möge man nur den Vorständen mitteilen. Sie werden sich bemühen, nach Möglichkeit Abhilfe zu schaffen. Von Neueinrichtungen möchte ich noch das Bekleidungsamt erwähnen, das schon sehr gut läuft, wofür wir den beiden Stadtverordneten Gentrup und Kalt sehr dankbar sind. Neu ist ferner die Versorgung der Kranken mit Zusatzlebensmitteln, wenn dies dringend nötig ist. Der Vorsitzende schloß damit, er glaube dargetan zu haben, daß sowohl die Berufsbeamten als auch die ehrenamtlich tätigen Herren die ungemein schwierige Frage der Lebensmittelversorgung in die richtige Bahn zu lenken sich bemühten. Die Verwaltung werde nicht nachlassen, das zu tun, was sie für das Wohl der Stadt Bonn und ihrer Bürger als nötig und ersprießlich erachtet.
Ueberlistete Obst- und Gemüsediebe. Zwei junge Burschen aus Bonn wurden am Donnerstag nachmittag, als sie mit gefüllten Rucksäcken die Fluren des Vorgebirges durchstreiften, in der Nähe von Roisdorf von einem ca. 40jährigen Radfahrer, der sich als Feldhüter ausgab, angehalten, der sich, ohne viel zu reden, an die Durchsuchung der Rucksäcke gab. Da lagen denn in einem fein säuberlich voneinander getrennt, Bohnen, Gurken, Karotten, Möhren und Zwiebeln, während der andere voll gefüllt war mit Obst und Kartoffeln. Da sie sich über die Herkunft nicht weiter ausweisen konnten, packte de „Flurhüter“ alles zusammen und fuhr gemütlich auf – Bonn zu. Erst später wurden den beiden Burschen klar, daß sie von einem „Klügeren“ um den Erfolg ihres Raubes gebracht worden waren.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Petroleumversorgung. Für Heimarbeiter und landwirtschaftliche Betriebe, welchen weder Gas noch elektrisches Licht zur Verfügung steht, wird von Montag, den 21. August ds. Js. ab Petroleum verabfolgt. Anträge auf Ueberlassung von Petroleumkarten sind beim städtischen Lebensmittelamte (Karten-Ausgabestelle) zu stellen. Der Preis für 1 Liter Petroleum beträgt 32 Pfg.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 20. August 1916
Die „Kriegspfanne“. Manche Hausfrau hat in diesen Zeiten ihr blankes Messing und das rotglänzende Kupfergeschirr, den Stolz ihrer Küche, für das Vaterland hingegeben und dafür eisernes eingetauscht. Zum Andenken an diese Gaben ist jetzt ein Zeichen geschaffen worden. Man hat eiserne Ringe, eiserne Münzen, warum nicht auch eiserne Kriegs-Bratpfannen? Unter dem Ehrenschutz der Frau Prinzessin Friedrich Karl von Hessen hat sich vor kurzem eine Anzahl Frankfurter Damen und Herren vereinigt, um ein solches Erinnerungszeichen, das zur besonderen Ehre der deutschen Hausfrauen dienen soll, hervorzuheben. Das Wahrzeichen besteht in einer gediegenen, schönen, eisernen Pfanne nach dem Entwurf eines bekannten Frankfurter Künstlers, des Bildhauers Karl Stock. Der Stiel der Pfanne zeigt am Ansatz einen sehr hübschen figürlichen Schmuck. Der Griff ist breit und handlich. Das flache eiserne Becken trägt auf seinem schmalen Rand die Inschrift:
Der deutschen Hausfrau Opfersinn
Gab Kupfer für das Eisen hin.
Diese eigenartigen eisernen Kriegspfannen sind ein Schmuck für jede deutsche Küche. Jedermann kann sie zum Preise von 3,75 M. kaufen. Sie werden demnächst in zahlreichen Städten Deutschlands zu haben sein. Der Reinertrag ist zum Besten des Flottenbundes deutscher Frauen und der deutschen Kriegsgefangenen in Feindesland bestimmt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Godesberg, 19. Aug. Ueber den Fleischbezug im Bezirke der Bürgermeistereien Godesberg und Villip ist von der zuständigen Behörde verfügt worden, daß für jede in die Kundenliste eingetragene Person höchstens 150 Gramm Fleisch (für Kinder unter vier Jahren die Hälfte) verabfolgt werden können. Außerdem können von den Lebensmittelgeschäften (ausschließlich der Metzgereien) gegen Eintragung ins Brotbuch für die Person bis 100 Gramm Fleischwaren in der Woche abgegeben werden. Da sich über diese zur Regelung des Verkehrs mit Fleisch und Fleischwaren erlassenen Vorschriften jedoch verschiedene Metzgereien hinwegsetzten, ist vor wenigen Tagen von der Behörde eine Ermittlung ins Werk gesetzt worden mit der Maßnahme, daß allen denjenigen Metzgern, die einer Zuwiderhandlung überführt werden, hinfort kein Fleisch mehr zum Verkaufe überwiesen werden soll.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)
Kriegswohlfahrt. Der „Stammtisch zur Pflege der National-Stenographie Merkuria“ hat an seinem gestrigen Uebungsabend beschlossen, eine Kasse zu eröffnen, deren Inhalt bestehend aus freiwilligen Gaben, verwundeten Kriegern zum Besten kommen soll. Eine bereits abgehaltene Sammlung hat Mk. 3,50 ergeben und wird es in der nächsten Zeit möglich sein, eine größere Summe an die zuständige Stelle abzuführen. Die Kasse steht im Stammlokal „Gasthaus zum Anker, Inh. M. Jansen, Rheinwerft 28“ auf.
Schundliteratur. Der Gouverneur der Festung Cöln hat eine Bekanntmachung erlassen, durch die jede gewerbliche Verbreitung von Schundliteratur unter Androhung schwerer Strafe verboten wird. Der vollständige Inhalt dieser Bekanntmachung ist an den öffentlichen Anschlagstellen und in den amtlichen Zeitungen einzusehen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 21. August 1916
Das Kriegskinderheim auf „Hohen-Eich“ in Bonn trat kurz nach Beginn des dritten Kriegsjahres, am gestrigen Tage, ebenfalls in das dritte Jahr seiner Wirksamkeit. An zwei Jahren unausgesetzter Arbeit fanden 205 Kinder bedürftiger Kriegerfamilien jedes Bekenntnisses an rund 25.700 Kindepflegetagen gegen sehr mäßige Zahlung, volle sachkundige Körperpflege einschließlich Wäsche und Kleidung. Mancherlei Ungelegenheiten, Sorgen und Aergernisse wurden überwunden, dagegen aber auch viele Freude an den sich prächtig entwickelnden Kinderchen erlebt. Gegenwärtig ruhen im Schatten der Bäume 20 Säuglinge zufrieden in ihren Bettchen und 18 muntere Jungen und saubere Mädchen, die zum größten Teil im Heim laufen und schwätzen gelernt haben, tummeln sich auf den Rasenflächen von Hohen-Eich. Die Schwierigkeiten der Verpflegung, sowohl der Kinder wie der Hilfskräfte, sind in letzter Zeit mit der Knappheit der Lebensmittel bedeutend gewachsen. Um besonders den ganz Kleinen regelmäßig geeignete Nahrung zu schaffen, wurden eine gute Milchkuh und einige Ziegen erworben, was die Kasse erheblich in Anspruch nahm. Die wachsende Erkenntnis, daß eine vermehrte und verbesserte Säuglingspflege zu den Hauptaufgaben unserer Zeit gehört, und die erfreulichen Erfolge, die das Heim in den zwei Jahren seiner Wirksamkeit zu verzeichnen hat, gibt allen Beteiligten den Mut und die Kraft, ihr Werk solange fortzusetzen, wie das Vaterland der Hilfe jedes einzelnen, eines jeden in seiner Art, bedarf. Der letzte Bericht des Kriegskinderheims dankt zum Schluß allen, die dem Heim bisher hochherzig zur Seite standen, noch einmal herzlichst. Freunde der guten Sache in Nah und Fern, welche das Heim durch eine Gabe fördern helfen wollen, werden gebeten, sich des Scheckkontos Nr. 2558 Köln der Rheinisch-Westf. Diskonto-Gesellschaft in Bonn zu bedienen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Kevelaer-Pfarrprozession, die gestern morgen von St. Remigius durch die Straßen des Pfarrbezirks zog, erfreute sich einer großen Beteiligung. Sämtliche Straßen, die von der Prozession berührt wurden, waren reich mit Fahnen, Blumen und Waldesgrün geschmückt. – Am Samstag abend trafen die Teilnehmer an der Fahrprozession nach Kevelaer wohlbehalten hier wieder ein.
Ein neuer Rheindampfer. Die Preußisch-Rheinische Dampfschiffahrts-Gesellschaft wird ihre starke Rheinflotte um einen neuen Personendampfer vermehren. Dieser, der Personendampfer Hindenburg, wird am Mittwoch von Düsseldorf aus rheinaufwärts seine Probefahrt unternehmen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Eine Gemüseverkaufsstelle hat die Stadtverwaltung im Hause Sternstraße 48 errichtet. Der Verkauf findet statt vormittags von 8 bis 12 Uhr, nachmittags von 3 bis 6 Uhr.
Große Unehrlichkeiten werden zur Zeit von den Landleuten bei den Aehrensammlern beobachtet. Beim Einfahren des Getreides, besonders beim Weizen, stößt man jetzt auf Garben, die fast zur Hälfte entleert sind. Die Aehrensammler halten sich, wie man sehr häufig beobachten kann, gern zwischen den zum Nachtrocknen aufgestellten Haufen auf und ziehen dann die Aehren aus den Garben; an anderen Stellen sind Garben vollständig verschwunden. Eine weitere Art der Unehrlichkeit, die besonders den Stadtkindern in die Schuhe geschoben wird, besteht darin, daß man die Aehren abschneidet und sie so in Paketen oder Rucksäcken verpackt, unauffällig wegschaffen kann. Diese Aehren dienen meist als Taubenfutter und sogar als Kaninchennahrung. Manche Landleute haben angesichts dieser Spitzbübereien das Aehrenlesen, solange noch Garben auf den Feldern stehen, verboten. Da das Aehrenstehlen meist während der Mittagszeit geschieht, in der das Feld sonst nicht bevölkert ist so gelingt es nur selten, einen solchen Dieb bei seiner Tätigkeit zu überraschen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 22. August 1916
Die Kriegsküchen. Die Zahl der Teilnehmer an den Bonner Kriegsküchen ist infolge der Preiserhöhung von 30 auf 40 Pfg. für das Mittagessen auf über 1000 zurückgegangen; sie betrug am gestrigen ersten Tage der neuen Woche nur noch 2946. Die meisten Teilnehmer hat nach wie vor die Küche in der Sandkaule mit 995, dann folgen die im Fuhrpark mit 781, in Poppelsdorf mit 720 und in Kessenich mit 450. Der Rückgang in der Benutzung der Massenspeisung dürfte aber nur vorübergehen sein. Viele der bisherigen Teilnehmer, die nicht unbedingt auf die Kriegsküchen angewiesen sind, ist die Preiserhöhung sicherlich die äußerliche Veranlassung geworden, zur Abwechselung wieder für eine oder mehrere Wochen im eigenen Haushalt zu kochen, sie werden dann wohl wieder zur Kriegsküche zurückkehren. Die Kriegsküchen selbst scheinen ihre „Kinderkrankheiten“ jetzt wirklich überstanden zu haben. Ueber die Küche an der Sandkaule z. B. war in der letzten Woche in keiner Weise zu klagen, das Essen war an allen Tagen gut und schmackhaft, und auch von den anderen Küchen wird nichts Ungünstiges gesagt.
Die beschlagnahmten Fahrradbereifungen werden vielfach durchgeschnitten, die Schläuche auch ohne Ventile zur Sammelstelle gebracht. Solche Bereifungen werden ohne Rücksicht auf die sonstige Güte als unbrauchbar bewertet und bezahlt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Beteiligung der Rentenempfänger bei den Erntearbeiten. Die Landesversicherungsanstalt „Rheinprovinz“ macht in ihren amtlichen Mitteilungen folgendes bekannt:
Da im Hinblick auf die augenblicklichen Arbeitsverhältnisse die Mitarbeit von Invalidenrentenempfängern bei der Einbringung der Ernte dringend wünschenswert ist, andererseits aber nicht ausgeschlossen erscheint, daß sich diese Personen vor einer Rentenentziehung hiervon abhalten lassen, so wird hiermit ausdrücklich erklärt, daß die Beteiligung an Erntearbeiten grundsätzlich nicht zu Anlaß von Rentenentziehungen genommen und etwaige Anzeigen von dritter Seite unbeachtet gelassen werden.
Die Reichsfleischkarte. Die Beratungen über die Reichsfleischkarte sind, wie wir das vor einiger Zeit schon in Aussicht stellten, nunmehr zum Abschluß gelangt, sodaß mit der Veröffentlichung der einschlägigen Bestimmungen in allernächster Zeit zu rechnen ist. Es wird ebenso, wie es jetzt vielfach bei den örtlichen Fleischkarten der Fall ist, von Monat zu Monat die Fleischmenge bestimmt werden, die sich entsprechend den vorhandenen Fleischvorräten auf ungefähr 300 Gramm pro Kopf und Woche belaufen wird. Um die Mitte jedes Monats soll die Fleischmenge bekannt gegeben werden, die für den nächsten Monat in Betracht kommt. Die Fleischkarte wird das Fleisch aller Haustiere umfassen, auch die Haushühner werden der Fleischkarte unterliegen. Frei dagegen bleiben Gänse und Enten. Lange umstritten war die Frage, wie das Wild behandelt werden sollte. Die Entscheidung ist nunmehr gefallen, daß der Fleischkarte unterliegen Rot- und Damwild, ferner Rehe und Schwarzwild, außerhalb der Karte werden verabfolgt: Hasen, Kaninchen und das jagdbare Geflügel, also Rebhühner, Wildenten und Gänse, Wasserhühner und dergleichen. In der Behandlung des Wildes wird aber voraussichtlich den Einzelstaaten eine gewisse Bewegungsfreiheit gelassen werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Ein Zug Wildenten in Stärke von über 100 Stück kam am Sonntag nachmittag aus der Gegend der unteren Sie und ließ sich in der Nähe des HerselerWerthchens auf dem Rheine nieder. Es war interessant anzusehen, wie die Vögel von den Wogen des Rheines getragen, langsam rheinabwärts schwammen.
Einen ordentlichen Sonntagsbraten gedachten sich Männer aus Bonn zu holen, die in der Nacht vom Samstag auf Sonntag einem Gehöfte in Buschdorf einen Besuch abstatteten und Hühner und Kaninchen sowie außerdem Kleidungsstücke stahlen, nachdem sie einige Tage vorher das Gelände ausgekundschaftet und sich genau befragt hatten, wo Kaninchen zu „kaufen“ seien. Die Spitzbuben machten sich auf ihrer Heimreise jedoch verdächtig, wurden festgenommen und mußten nun natürlich auf den Braten verzichten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 23. August 1916
Kriegsausschuß für Konsumenteninteressen für den Stadt- und Landkreis Bonn. In der letzten Sitzung des geschäftsführenden Ausschusses wurde u. a. folgenden Anträgen zugestimmt: Für die mittellosen und stark kräfteverschleißenden Arbeiter und Berufe sollten die notwendigen Nährwerte und Lebensmittel auf Kosten der vermögenden oder nicht schwer arbeitenden Bevölkerung frei gemacht, insbesondere sollten so die Fettmengen für Schwerarbeiter erhöht und verbilligt werden. Bei der Kartoffellieferung sollte die Stadt den Wenigerbemittelten die möglichen Preisermäßigungen zukommen lassen. Die Klasseneinteilung beim Verkauf der städtischen Lebensmittel sollte so ausgebaut werden, daß die Klasse A (jetzt Unbemittelte und Unterstützte) alle Einkommen bis wenigstens 40 M. die Woche umfaßt. Für Arbeiter, die in den Vororten wohnen, ihre Arbeitsstelle aber in der Stadt haben, wurde die Einführung besonders billiger Straßenbahn-Monatskarten gewünscht. Die Tätigkeit der Bonner Kriegsküchen wurde lobend erwähnt.
Im Soldatenheim in der Kölnstraße lauschten die Besucher letzten Sonntag den Darbietungen der Musikschule von Frl. Remagen. Die Schülerinnen machten ihrer Lehrerin alle Ehre und gaben die Musik- und Gesangsstücke genau und schön wieder. Außerdem trug Frau Käthe Broch allein mehrere Lieder sehr ansprechend vor. Eine würdige Abrundung der übrigen Darbietungen bildeten die Vorträge der Orchesterabteilung des Jugendvereins am Stift unter Leitung des Hrn. Musiklehrers Nolden. Alle diese Darbietungen fanden den Beifall der feldgrauen Besucher.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Wie’s gemacht wird. Gestern morgen erschienen auf dem Wochenmarkt mehrere auswärtige Händler, um Bohnen in großen Mengen aufzukaufen. Da für alle Sorten Bohnen Höchstpreise bestehen, boten die Händler für andere Waren den doppelten Preis, um so die Verkäufer für sich zu gewinnen. So wurden z. B. für Gurken, die für 2,50 Mk. die hundert Stück zu haben waren, 5 Mk. bezahlt. Die Polizei machte dem Treiben ein Ende und beschlagnahmte die ganzen Bohnenvorräte. Am Nachmittag ließ die Stadt die Bohnen sowie verschiedene Zentner Gurken auf dem Wochenmarkt zu den üblichen Preisen verkaufen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Eine Explosion entstand gestern abend in dem Hintergebäude eines Geschäftshauses in der Bonngasse dadurch, daß eine Kiste mit Feuerwerkskörpern in Brand geriet. Die Explosion verursachte einen gewaltigen Knall, der weithin in der Stadt hörbar war. Die Bevölkerung glaubte, es sei eine Bombe explodiert, handelte aber nicht etwa nach dieser Ansicht, sondern eilte auf die Straße, um zu erfahren, was sich zugetragen habe. In der Bonngasse sammelte sich alsbald eine große Menschenmenge an. Die Feuerwehr wurde alarmiert, konnte aber bald wieder abrücken. Es entstand nur ein Sachschaden durch das Zertrümmern von zahlreichen Fensterscheiben. Ein Mann, der Verletzungen am Kopf erlitten hatte, wurde in die Klinik gebracht. Oberbürgermeister Spiritus und Beigeordneter Bottler weilten ebenfalls an der Unfallstelle.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 24. August 1916
Wegen Doppelehe und unberechtigten Tragens des Eisernen Kreuzes hatte sich der 39jährige Maschinenschlosser Peter Br. aus Bonn vor dem außerordentlichen Kriegsgericht in Köln zu verantworten. Wegen der Doppelehe wurde er dem ordentlichen Gericht überwiesen, wegen unberechtigten Tragens des Eisernen Kreuzes zu drei Wochen Gefängnis verurteilt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Vorsicht ist der bessere Teil der Tapferkeit. Als am Dienstag Nachmittag die Anwohner der Bonngasse durch eine Explosion einer Kiste mit Knallkorken erschreckt wurden, dachten viele im ersten Augenblick an einen Ueberfall durch feindliche Flieger. So auch ein Konzerthallenbesitzer, der in einer benachbarten Straße sein Heim hat. Der Gastwirt, das Personal, die Mitglieder einer dort konzertierenden Damenkapelle und eine Anzahl Arbeiter, die im ersten Stockwerk mit der Herstellung künstlicher Därme beschäftigt waren, stürzten Hals über Kopf nach den Kellerräumen, wo sie so lange verblieben, bis sie sicher waren, daß keine weiteren Explosionen erfolgten. Der Schrecken löste sich bald in allgemeine Heiterkeit auf und die Damenkapelle gab ihrer Freude über den „missglückten Fliegerangriff“ dadurch zum Ausdruck, daß sie das schöne Lied „Et hätt att immer noch ens jot jegange“ anstimmte.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Straßenraub. Ein 13jähriger Schüler hatte hier in einer abgelegenen Gegend einem 12jährigen Mädchen, das für seine Mutter Besorgungen machte, aufgelauert, es mit einem spitzen Stein geschlagen und ihm gewaltsam 5 Mark aus dem Marktkorb genommen. Wegen Straßenraubes erhielt der Jungen, dem von seinem Lehrer ein sehr schlechtes Zeugnis ausgestellt wurde, vom Außerordentlichen Kriegsgericht in Köln eine Strafe von 2 Monaten Gefängnis.
Ueberlassung von Milchvieh an Landwirte. Die Stadt Bonn wird eine größere Anzahl guter Milchkühe beschaffen und diese gegen den Abschluß von Abmelkverträgen hiesigen Landwirten überlassen. Im Stadtkreise Bonn wohnenden Landwirte, die bereit sind, Milchkühe zu übernehmen, werden ersucht, dieses dem städtischen Lebensmittelamt, Am Hof Nr. 1, bis spätestens am 1. September ds. Js. anzumelden. Die Abmelkverträge können dort ebenfalls eingesehen werden.
Festgenommen wurden am Mittwoch morgen in Buschdorf abermals drei Kaninchendiebe. Polizeibeamte aus Bonn ließen die Kerle, drei große starke Männer, ruhig in die Wagen der Rheinuferbahn einsteigen und nahmen sie dann fest. In einem Koffer, den sie mit sich führten, waren eine Menge Kaninchen lebendig eingepackt, die auf dem nächtlichen Raubzuge erbeutet worden waren. Man fand eine Menge Einbrecherwerkzeug bei ihnen vor.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Freitag, 25. August 1916
Rohtabak. Der Reichskanzler hat zu der Bekanntmachung vom 7. August noch unterm 18. August bestimmt: Die Rohtabak-Ausfuhr-Prüfungsstelle wird ermächtigt, Ausnahmen von den Vorschriften in §1 der Verordnung auch in den Fällen zuzulassen, in denen nachweislich Kaufverträge über Rohtabak vor dem 8. August abgeschlossen, aber noch nicht erfüllt sind. Die Rohtabak-Ausfuhr-Prüfungsstelle wird weiter ermächtigt, die Lieferung von Rohtabak an Kleinmengenverkäufer zuzulassen, wenn diese sie nachweislich zur Versorgung der Kleinmengenkäufer benötigen. Der Verkehr mit Ansichtsmustern und Arbeitsmustern bis zu 2 Kilogr. von jeder Sorte beleibt frei.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Selbstmord. Auf einem hiesigen landwirtschaftlichen Gute machte der Vorarbeiter einer Arbeiterkolonie aus Russisch-Polen seinem Leben durch Erhängen ein Ende. Ueber die Beweggründe zu dieser Tat fehlt jeder Anhalt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
5¼ Millionen Bücher und Schriften wurden von der Zentrale des Borromäusvereins in Bonn am Rhein in den verflossenen zwei Kriegsjahren unentgeltlich als Lesestoff für die Mannschaften an der Front, in den Lazaretten, Soldatenheimen, S. M. Schiffen, Gefangenenlagern usw. versandt. Wichtig zur gerechten Beurteilung dieser auf kath. Seite einzig dastehenden Leistung ist der Hinweis, daß sich darunter nahezu 1 Million Bücher befinden, und daß von der Gesamtzahl der versandten Schriften 83 Proz. von den Verlegern käuflich erworben werden mußten. Durch die Zahl der versandten Bücher stellt sich der Borromäusverein aber auch in die allererste Reihe sämtlicher, also auch nicht katholischer Sammelstellen für Soldatenlektüre in ganz Deutschland. Diese achtungsgebietende Leistung wurde in der Hauptsache dadurch erreicht, daß sich der Verein in den zwei Kriegsjahren für die Beschaffung von Soldatenlektüre als unerlässlicher Ergänzung der Feldseelsorge fast bis zum Weißbluten aufopferte; er hat z. B., von allem anderen abgesehen, die gesamte Bibliotheksgabenquote – wie alljährlich eine Summe von über 200.000 Mk. – der Sammelstelle für Soldatenlektüre zur Verfügung gestellt, sodaß von Zeit zu Zeit wahre Massensendungen mit Zehntausenden von Büchern nach allen Teilen der Front möglich waren. Ein redlicher Anteil daran gebührt auch dem kath. Volksteil, namentlich aber den deutschen Bischöfen, die das Unternehmen durch ihre tatkräftige Mitwirkung förderten.
Eine wichtige Aufgabe ist also in den zwei Jahren schon erfüllt worden, aber es ist kein Zweifel, daß noch mehr zu tun bleibt. In der letzten Zeit kamen hauptsächlich aus der Front Klagen über Klagen wegen des unglaublichen Ueberhandnehmens von Schund- und Schmutzschriften. Dieser Gefahr zu steuern, liegt in Interesse des ganzen kath. Volksteils. Was der Soldat im Feld liest, kann weder Vater noch Mutter, weder Bruder noch Schwester, weder der Frau noch der Braut gleichgültig sein. Und gerade der Borromäusverein, der bis jetzt den Löwenanteil an der Versorgung der kath. Mannschaften mit gutem Lesestoff getragen, bedarf aus diesem Grunde der allseitigen, dauerhaften Unterstützung mehr wie jede andere Organisation, weil von ihm zunächst Bücher angefordert werden, die große finanzielle Opfer fordern. Ihn zu unterstützen und zu fördern bleibt nach wie vor eine dringende Aufgabe der deutschen Katholiken. (Zentralstelle des Borromäusvereins, Bonn a. Rh., Postscheckamt Köln Nr. 15205).
„Hindenburg“ auf dem Rhein. Genau an dem Tage, an dem vor zwei Jahren Generalfeldmarschall v. Hindenburg den Oberbefehl an der Ostfront übernahm, hat die Preuß. Rhein. Dampfschiffahrtsgesellschaft in Köln einen neuen Dampfer dem Verkehr übergeben, der den Namen des gefeierten Volkshelden trägt. Die Dampfer hat die gleichen Abmessungen und Einrichtungen, die sich auf dem Doppeldeckdampfer „Kronprinzessin Cecilie“ in jeder Hinsicht bewährt haben. [...] Der Dampfer „Hindenburg“ soll nur für den Personenverkehr verwandt werden und dementsprechend ist volle Rücksicht auf Unterbringung und Bequemlichkeit der Fahrgäste genommen worden. Das große Promenadendeck und das darunter liegende Zwischendeck bieten Raum für etwa 2000 Personen. Unter dem Zwischendeck ist ein Salon angeordnet. Den künstlerischen Entwurf und die Ausführung dieses Raumes lieferte die Firma Heinr. Pallenberg in Köln, der auch der Bau und die Einrichtung des luftigen Rauchsalons übertragen wurde. Die Probefahrt, bei der auch des 70. Geburtstages des verdienstvollen Vorstandsmitgliedes der Gesellschaft, Direktor Schaufuß, gedacht wurde, nahm einen in allen Teilen befriedigenden Verlauf. Unsere Rheinflotte hat damit einen Zuwachs erhalten, der sicherlich die volle Anerkennung aller Kreise finden und sich allseitiger Beleibtheit erfreuen wird. An den großen Paten des Schiffes wurde ein Begrüßungstelegramm abgesandt. Gestern nachmittag um 2½ Uhr legte der Dampfer zum ersten Male in Bonn an und nahm eine stattliche Anzahl von Fahrgästen mit. Von der Rheininsel Grafenwerth aus wurde eine photographischen Aufnahme des Dampfers bewirkt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Samstag, 26. August 1916
Arndt-Eiche in Eisen. Zur glücklichen Heimkehr des Unterseefrachtschiffes „Deutschland“ wurde Donnerstag an der Arndt-Eiche eine ebenso sinnige wie eigenartige Adlerfeder genagelt. Man sieht dort auf den Meeresfluten ein Unterseeboot in voller Fahrt, während am Meeresstrande der britische Löwe sitzt und dem Boot bittere Tränen nachweint. Die Adlerfeder bildet einen künstlerischen Schmuck und gleichzeitig eine besondere Erinnerung an die denkwürdige Fahrt und die Heimkehr der „Deutschland“. Es wäre sehr wünschenswert und empfehlenswert, wenn noch viele Bürger unserer Stadt bei ähnlichen bedeutenden Ereignissen diese und ihren Namen auf Adlerfedern oder Schildern an der Arndt-Eiche befestigen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Zur Regelung des Milchverbrauchs werden im Stadtkreis Bonn vom 1. September an Milchkarten ausgegeben und zwar für Kinder bis zum vollendeten 6. Lebensjahr, für hoffende Frauen während der letzten Schwangerschaftsmonate, für stillende Frauen während der Stillzeit, jedoch höchstens für ein Jahr, sowie für Kranke. Säuglinge, d.h. Kinder bis zum vollendeten ersten Lebensjahre, erhalten ¾ Liter täglich, Kinder vom 2. bis zum vollendeten 6. Lebensjahre ½ Liter, hoffende Frauen ebenfalls ½ Liter, stillende Frauen 1 Liter und Kranke je nach deren begründeten ärztlichen Verordnung ½ bis 1 Liter täglich. Die Milchkarten werden nur auf Antrag verabfolgt. Der Name des zur Lieferung Verpflichteten ist auf der Karte verzeichnet. Der Bezug der Milch durch Karten erfolgt nur gegen Barzahlung, jedoch können arme bedürftige Kinder usw. nach Prüfung der Verhältnisse durch die Armenverwaltung, die Fürsorgestelle für Lungenkranke und die Mutterberatungsstelle die Milch wie bisher unentgeltlich erhalten. Betriebsinhaber und Milchhändler, die im Stadtkreise Bonn Milch im Kleinhandel gewerblich absetzen, sind auf Verlangen des Oberbürgermeisters verpflichtet, den ihnen namentlich bezeichneten bezugsberechtigten Personen die auf den Milchkarten angegebene Milchmenge gegen Barzahlung zu liefern. Die Verpflichtung erlischt wenn die Milch nicht bis spätestens 11 Uhr vormittags abgeholt oder entnommen wird. Für die gegen Milchkarten abgegebene Milch darf kein höherer Preis gefordert werden. Die erstmalige Ausgabe der Milchkarten erfolgt bei der Karten-Ausgabestelle des Lebensmittelamtes Am Hof 1, und zwar an die Versorgungsberechtigten mit den Anfangsbuchstaben A – H am Freitag, 1. September, J – Q am Samstag und R – Z am Montag.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Viehbestandserhebung. Am 1. September ds. Js. sind die vorhandenen Rinder, Schafe und Schweine aufzunehmen und anzuzeigen, und zwar nach dem, in der dem 1. September vorhergehenden Nacht, vorhandenen Bestande.
Lebensmittelverkauf. In der Woche vom 27. August bis 3. September 1916 dürfen in denjenigen Geschäften, die als Verkaufsstellen städtischer Lebensmittel bezeichnet sind, abgegeben gegen Warenkarte Nr. 54 Hülsenfrüchte, Bohnen, Nr. 55 Maismehl, Nr. 56 Graupen, Nr. 57 Heringe, außerdem unter Anrechnung auf die Fettkarte gegen Warenkarte Nr. 58 Margarine.
Städtischer Kartoffelverkauf. In den beiden nächsten Wochen werden 10 Pfund Kartoffeln für den Kopf und die Woche verabfolgt. Es ist ratsam, sofort den ganzen Bedarf für die nächsten 14 Tage auf einmal zu nehmen. Der Kartoffelpreis ist 8. 10 und 12 Pfg. das Pfund.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Sonntag, 27. August 1916
Die gemeinnützige Schreibstube des Vereins zur Beschäftigung Arbeitsloser, Münsterstraße 28, bittet wiederholt um Zuweisung von Arbeiten. Die Schreibstube liefert Adressen aller Stände und Berufe, sie fertigt handschriftliche Angebotsbriefe und bei größeren Auflagen Maschinenschrift-Vervielfältigungen an. Auch Abschriften aller Art in Hand- und Maschinenschrift werden geliefert. Aushilfspersonal kann wochen- und stundenweise vermittelt werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Feilhalten von Waren auf den Straßen. Der Oberbürgermeister hat aufgrund der Gewerbeordnung bestimmt, daß Personen, die hier einen Wohnsitz oder eine gewerbliche Niederlassung haben, zum Feilbieten von Waren auf den Straßen im Gemeindebezirk einer Erlaubnis bedürfen. Eine solche besitzt auch Frau M. Als sie am 9. Januar 1916 Waren auf dem Römerplatz feilbot, vertrat ihr Mann sie hierbei während einer halben Stunde. Er besitzt eine derartige Erlaubnis nicht. Deshalb wurde er zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen. Die Strafkammer verurteilte ihn, wogegen er Revision einlegte. Der Ferienstrafsenat des Kammergerichts hat sie zurückgewiesen. Der Senat bezeichnete die Behauptung des Angeklagten, daß er mit seiner Frau in Gütertrennung lebe, als bedeutungslos. Der Angeklagte sei auch dann nicht befugt gewesen, Waren ohne Erlaubnis auf der Straße feilzubieten, wenn dies für seine Frau auf deren Rechnung geschehe.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Räumung der nordafrikanischen Kriegsgefangenenlager. Nach unbestätigten Meldungen soll infolge von Abtransporten die Zahl der in Marokko verbliebenen deutschen Kriegsgefangenen im Laufe dieses Sommers auf 2500 Mann zurückgegangen sein. Die Zahl der in Tunis und Algier verbliebenen Kriegsgefangenen beträgt jetzt angeblich nur noch einige Hundert. Das Lager Tizl Ouwon in Marokko ist bisher noch nicht aufgelöst. Ebenso bestehen noch die Lager Tigziri, Ferryville und Henschir. Von dort wurde angeblich einige Transporte Fieberkranker nach Frankreich gebracht. Leute, die bisher in Algier waren, sind angeblich nach dem Fort Varois bei Dijon verlegt worden. Ein anderer Transport kam in die Gegend von Tours. Die hiesige Städt. Zentralstelle für Auskunfterteilung und Hilfe jeder Art während der Kriegszeit – Abt. Kriegsgefangenen-Fürsorge – Franziskanerstraße 9, Zimmer 25, bittet die Angehörigen von Kriegsgefangenen aus Bonn und Umgebung, die sich in Nordafrika befinden oder befunden haben, um Mitteilung, falls sie Nachricht erhalten, daß der Gefangene sich noch dort befindet oder wohin er verlegt wurde.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 28. August 1916
Der Verband der rheinpreußischen landwirtschaftlichen Genossenschaften hat vorgestern und gestern in der landwirtschaftlichen Akademie einen Vortragslehrgang für die Leiter der angeschlossenen Kreditgenossenschaften abgehalten, um sie mit der Kriegsanleihe-Arbeit und anderen vaterländischen Aufgaben vertraut zu machen. Die Veranstaltung war sehr gut besucht. Der Verbandsdirektor, Geheimrat Havenstein, betonte in seiner Begrüßungsansprache, es bestehe keine Gefahr, daß Deutschland aus Hunger nachgeben müsse; gerade deshalb müsse jetzt aber auch jeder Daheimgebliebene ebenso wie der Soldat an der Front seine Schuldigkeit tun u. demnächst auch wieder dafür sorgen, daß die Reichsregierung das zum Kriegführen notwendige Geld erhalte. Bankdirektor Feldmann von der hiesigen Genossenschaftsbank für Rheinpreußen besprach dann „neue Aufgaben der Kreditgenossenschaften in und nach dem Kriege“. Die Kreditgenossenschaften müßten die Kriegsanleihe mit allen Kräften fördern. Jeder Zeichnungswunsch müßte berücksichtigt, den Sparern in weitestem Maße entgegengekommen werden. Die Genossenschaften sollten nach Maßgabe ihrer Mittel auch für eigene Rechung zeichnen, sie brauchten nicht zu befürchten, daß sie ihre Gelder dadurch über Gebühr festlegen würden. Ueberhaupt müßten alle kleinlichen Bedenken vor dem großen Ziele, dem Vorteil des Vaterlandes zurücktreten. Die Kreditgenossenschaften sollten ferner die Behörden bei der Werbe- und Aufklärungsarbeit für die Kriegsanleihe unterstützen. Eine vaterländische Pflicht sei es auch, den bargeldlosen Zahlungsverkehr zu fördern. Die Rentenempfänger müßten dahin beraten werden, daß sie alle entbehrlichen Beträge zinsbar anlegten. Den zurückkehrenden Kriegsteilnehmern sollten, soweit es die Sicherheit gestatte, Darlehen gegeben werden. Um die Ansiedlung noch mehr als bisher zu fördern, sollten die Kreditgenossenschaften als örtliche Organe der Siedlungsgesellschaft Rheinisches Heim und als Geldgeber auftreten. Geschäftsführer Duffing aus Bonn behandelte dann die Einzelheiten der Kriegsanleihe-Arbeit. Der Redner glaubt, daß der Kurs der Kriegsanleihen nach dem Kriege steigen werde wegen der Nachfrage des Auslandes, sodaß Kursverluste nicht zu erwarten seien. Gleichfalls an der Hand der vom Verband herausgegebenen Formulare erörterte Verbandsrevisor Koch aus Bonn die Abrechnung und Verbuchung der Kriegsanleihen. Im letzten Vortrag über die Aufbewahrung fremder Wertpapiere erläuterte Bankdirektor Feldmann das sog. Depotgesetz. Durch die Kriegsanleihen seien die Spar- und Darlehenskassen dazu gekommen, fremde Wertpapiere aufbewahren und verwalten zu müssen, dadurch seien sie zu wirklichen Dorfbanken geworden. – In einer Aussprache wurden noch Einzelheiten der Kriegsanleihearbeit eingehender besprochen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
In Anbetracht der Lebensmittelteuerung ist die Direktion der Rheinuferbahn jetzt bestrebt, soweit es ihr möglich ist, ihren Unterbeamten und den verheirateten Rottenarbeitern der einzelnen Bahnmeistereien größere oder kleinere an der Strecke gelegene Ackerparzellen vom 11. November d. J. ab als Dienstland zur Verfügung zu stellen. Dadurch macht sie es den Angestellten sowie den Arbeitern und ihren Angehörigen möglich, sich Gärten anzulegen und Gemüse für den eigenen Haushalt kostenlos selber heranzuziehen.
Fußball. Das Retourwettspiel der Fußballmannschaft des Bonner Pfadfinder-Korps gegen den Geislarer Fußball-Verein 1916 kam am gestrigen Sonntag bei prächtigem Wetter auf dem Sportplatz an der Richard-Wagnerstraße zum Austrag. Es endete mit dem abermaligen Sieg der Pfadfinder mit 10:1 Toren. (Halbzeit 3:1 Toren).
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
30 Gramm Butter und 40 Gramm Fett werden diese Woche auf die Speisekarte abgegeben.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Dienstag, 29. August 1916
Verkauf von Zwetschen und Weißkohl. Das Lebensmittelamt, Abteilung Obst und Gemüse, Rathausgasse 16, ersucht durch Bekanntmachung in der heutigen Nummer dieser Zeitung die Bonner Haushaltungen, ihren Bedarf an Zwetschen und Weißkohl anzuzeigen. Die Preise werden voraussichtlich nicht über 25 M. für den Zentner Zwetschen und 6 M. für den Zentner Weißkohl sein. Es werden bis zu fünf Zentner ausgegeben, aber nicht unter 25 Pfund. Der Kleinverkauf findet in der bisherigen Weise an den Verkaufsstellen statt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die gemeinnützige Schreibstube des Vereins zur Beschäftigung Arbeitsloser bittet, das soziale gute Werk der Schreibstube durch Aufträge zu unterstützen. Es werden dort handschriftliche Offertbriefe, Maschinenschrift-Verfielfältigungen, Abschriften aller Art, technische und kaufmännische Arbeiten stenographische und Diktat-Aufnahmen, Doktorarbeiten usw. hergestellt. Ferner wird auch Aushülfspersonal stunden- und wochenweise zur Verfügung gestellt. Die gemeinnützige Schreibstube befindet sich Münsterstraße 28.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Leichtathletik-Meisterschaften, des Bezirks Bonn des Rheinisch-Westfälischen Spielverbandes wurden gestern auf dem Spielplatz an der Kölnstr. ausgetragen. Leider wurden die Leistungen nach dem Einsetzen des Regens durch schlechte Bodenverhältnisse beeinflußt. Die Ergebnisse sind folgende: 100-Meter-Lauf: [...], 200-Meter-Lauf [...], Handgranatenweitwurf [...], Handgranaten-Zielwurf [...].
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Folgen des Höchstpreiserlasses für Gemüse. Am Tage zuvor, ehe noch die Höchstpreise festgesetzt waren, konnte man alle Sorten Gemüse je nach Bedarf, teils zu höheren, teils aber auch zu bedeutend niedrigeren Preisen, in Hülle und Fülle einkaufen, während gleich am Tage darauf der Wochenmarkt nur spärlich damit beschickt war. Zwei Bauersfrauen, welche ich nach der Ursache frug, warum so wenig Bohnen, Erbsen, Salat, Kappus, Rüben, Gurken usw. zum Markt gebracht würden, da doch diese Sorten Gemüse, bei der günstigen Witterung, zur Zeit in Massen heranwüchsen? Antworteten mir: „Die Händler gehen seit den festgelegten Höchstpreisen auf dem Lande von Haus zu Haus, und kaufen alles Gemüse auf, wir kommen heute auch das letzte Mal zum Markt! Gestern waren bei uns auch Aufkäufer da, bevor wir noch Erbsen, Salat, Bohnen und Gurken gepflückt hatten. Wir ernten das nächste Mal frühzeitig das Gemüse ab, übergeben dasselbe den Händlern, erhalten dafür den Höchstpreis, sparen dadurch den Fahrpreis, das Standgeld, und was das Beste ist, noch recht viel Zeit zur Feldarbeit.“ Während nun die Landleute und Händler bei den neuen Richtpreisen recht zufrieden abschneiden, haben wir Bonner Hausfrauen dahingegen den Schaden zu tragen, denn wir können jetzt zusehen, wo wir etwas zum kochen herbekommen. Die Haushaltungsführung wird uns mit jeder Neuverordnung schwieriger gemacht. Bei der vorletzten Höchstpreisfestsetzung wurde der Wochenmarkt sofort von Aufkäufern überschwemmt, die Alles ankauften und uns Bonnern nichts übrig ließen. Jetzt ist es zwar den auswärtigen Händlern verboten zum Markt zu kommen, dafür gehen sie aber direkt an die Quelle, woselbst vielleicht noch größerer Vorteil für dieselben zu erzielen ist. Was sind das überhaupt für Zwischenhändler? Wo bringen diese das uns zukommende Gemüse hin?
Wäre Alles von Kriegsbeginn an seinen natürlichen Weg gegangen. Die Marktverordnungen wie in Friedenszeiten beibehalten worden. Keine Höchstpreise eingeführt und nur der wucherischen Preistreiberei Einhalt getan worden, indem man, wie auch auf der letzten Gartenbauvereinsversammlung angeregt wurde, eine bestimmte Stunde, vielleicht zum 10 Uhr vom Magistrat aus, festgesetzt hätte, welche dem Zwischenhandel von diesem Zeitpunkte an, erst erlaubte, aufzukaufen. – Im Kriegsjahr 1870/71 wurde um 11 Uhr von der Rathaustreppe mit einer Schelle die Zeit zum Aufkauf für den Handel angezeigt – dann könnte man Obst und Gemüse, sowie vieles Andere, wenn auch den Kriegsverhältnissen entsprechend, zu etwas höheren, aber doch normalen Preisen erstehen, und alle Leute, sei es nun der Erzeuger, oder der Händler, sowie der Verbraucher wären samt und sonders auf ihre Rechnung gekommen und zufriedengestellt worden. Namentlich hätte man dem Wucher und der Habgier keine Gelegenheit gegeben, so üppig in die Blüte zu schießen.
(Anmerkung der Redaktion: Die städtische Verwaltung in Bonn hat sich mit allen Mitteln gegen Festsetzung von Höchstpreisen für Gemüse gewehrt. Sie wurden trotzdem durch den Regierungspräsidenten eingeführt.)
In einer Bonner Zeitung war dieser Tage unter andern großen Anzeigen von Kinos eine Anzeige enthalten, in welcher verschiedene Stücke aufgeführt werden, und in welcher es offenbar zur Empfehlung heißt: „Man jubelt nicht allein! Man schreit vor Lachen!“
Jeder normal denkende Mensch muß sich mit Abscheu von einer solchen Anzeige wenden. Es ist geradezu ein Skandal, daß derartige Anzeigen verfaßt und in einer Zeitung aufgenommen werden.
Es wird gewiß niemand etwas dagegen haben, daß in den schweren Zeiten, die man jetzt durchzumachen hat, jemand zur Ausspannung oder Ablenkung sich ein erlaubtes und bescheidenes Vergnügen gestattet, zumal wenn dies in einem solchen Rahmen geschieht, daß dadurch andere Personen nicht unangenehm berührt werden müssen.
Wenn aber ein Unternehmen für seine Possen es notwendig hat, mit solchen Reklameausdrücken das Publikum auf seine Leistungen aufmerksam zu machen, dann muß, das die Oeffentlichkeit und Allgemeinheit durch solche widerwärtigen und ekelhaften Anzeigen belästigt wird, dagegen öffentlich Front gemacht werden.
Zu einer Zeit, wo täglich und stündlich an der Front Hunderte von braven Bürgern ihr Leben dahingeben und Verwundungen erleiden, die vielfach für immer Siechtum oder Arbeitsunfähigkeit herbeiführen, wo im Lande der Ernst der Zeit herrscht und die Sorge in viele Familien eingekehrt ist, da ist es geradezu schmählich, wenn öffentlich aufgefordert wird, ein Lokal zu besuchen, wo man „nicht allein jubeln, sondern vor Lachen schreien soll.“
Es dürfte sich tatsächlich nicht nur empfehlen, sondern notwendig sein, daß die Behörde sich ein derartiges Theater etwas genauer ansieht. Wenn sich herausstellt, daß dem betr. Unternehmer das Verständnis für die heutige Zeit abgeht, so muß ihm die entsprechende Belehrung erteilt werden, mit der Maßgabe, daß im Widerholungsfalle das Lokal ohne weiteres geschlossen wird. Ein Verlust für die „Kunst“ würde auch wohl daraus kaum entstehen?
Gleichzeitig dürfte es sich auch empfehlen, daß darauf hingewiesen würde, daß die marktschreierischen Anzeigen der Kinotheater ebenfalls auf ein der Zeit entsprechendes Maß zurückgeführt würden. Einer für Viele.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Mittwoch, 30. August 1916
Im Bonner Stadttheater werden, wie im vorigen Winter, auch in der kommenden Spielzeit die Vereinigten Stadttheater Köln wieder wöchentlich zwei Schauspiel- und alle vierzehn Tage eine Opernvorstellung geben. Dauerkarten, die in zwei Reihen, A und B, ausgegeben werden, verkauft das städtische Verkehrsamt. Wir verweisen auf die Bekanntmachung in dieser Zeitung.
Einheitliche Siegesfeiern. Um die Feier besonderer Kriegsereignisse einheitlich zu gestalten, hat der Kaiser angeordnet, daß in Zukunft das Kriegsministerium im einzelnen Falle Telegramme an die stellvertretenden Generalkommandos richtet, worauf die öffentlichen Gebäude beflaggt werden und Salut zu schießen ist. Diese Telegramme werden von dem Generalkommando sofort an sämtliche Garnisonkommandos weitergegeben. Die kirchlichen Behörden in Preußen sind von dem Kultusminister angewiesen worden, das übliche Siegesläuten nur zu veranstalten, wenn eine Mitteilung jener Art ergangen ist. Sollte bei amtlich gemeldeten Waffenerfolgen von erheblicher Bedeutung keine besondere Anweisung zum Flaggen ergehen, so bleibt es die Bevölkerung unbenommen, ihre Gebäude zu beflaggen, um ihrer vaterländischen Gesinnung Ausdruck zu geben. Die öffentlichen Gebäude sind nur dann zu beflaggen und Siegesgeläute darf nur dann stattfinden, wenn eine entsprechende Anweisung vom Generalkommando an die Garnisonkommandos ergeht.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Schwere Gewitter zogen gestern am späten Abend von allen Seiten auf und tobten fast bis Mitternacht. In ihrer Begleitung entwickelte sich ein furchtbarer Wirbelsturm, der große Verwüstungen an Häusern und Bäumen anrichtete. Auf der oberen Coblenzerstraße und Schedestraße stürzten Bäume auf die Leitung der Godesberger Elektrischen. Ihre Wagen mußten auf offener Strecke liegen bleiben. Unsere Feuerwehr beseitigte nach 2½stündiger Arbeit die Hindernisse. Im westlichen Teil des Hofgartens an der evangelischen Kirche warf der Sturm eine der riesigen alten 140jährigen Ulmen mit der Wurzel um; im Fallen zerschmetterte sie noch teilweise die Nachbarbäume. Im östlichen Hofgarten am Königshof riß der Orkan einer Ulme einen der übermannshohen Aeste ab und schleuderte ihn auf den Rasen. Der ganze Hofgarten ist mit heruntergewehten Aesten und Zweigen bedeckt. Heute früh waren schon fleißige Holzsammlerinnen bei lohnender Arbeit. Wie im Hofgarten, so sieht es mehr oder weniger in allen Anlagen und Alleen der Stadt aus. Die Obstbäume sind gründlich geschüttelt worden; Fallobst wird wohl im Preise sinken.
Neben den Zerstörungen an den Bäumen hat der Sturm auch die Dächer der Häuser arg mitgenommen, Fenster zertrümmert und Zelte und Sonnentücher in die Luft entführt.
Neben dem Sturm stürzte ein wolkenbruchartiger Regen vom Himmel, der in vielen Teilen der Stadt die bekannten Erscheinungen, verstopfte Kanäle und überschwemmte Keller hervorrief.
Bonner Lichtspiele. Der erste Teil des Riesenwerkes der Filmkunst, des Romanes „Homunculus“ von Robert Reinert zeigt, daß auch auf dem Gebiete der lebenden Photographie deutsches Können das Ausland überflügelt hat. Bis zum Kriegsausbruch und darüber hinaus hat der Film fremdländischer Herkunft fast ausschließlich den Spielplan unserer deutschen Kinotheater beherrscht. Die Deutsche Bioscop-Gesellschaft zu Berlin hat mit der Verfilmung des Homunculus-Romans nunmehr den überzeugenden Nachweis geführt, daß auch unsere deutsche Lichtspielkunst sich zu einem hohen Können entwickelt hat. Die Bilder dieses Films sind in der äußeren Anordnung der Geschehnisse, in der Verfolgung feinsinnigster Lichtwirkungen mit künstlerisch geschultem Auge durchgeführt. Es handelt sich um einen großen Fortschritt in der Kino-Regie, die hier mit feinem Geschmack für künstlerische Geschlossenheit der Szenen und mit großem Gedankenreichtum in den Einzelanordnungen gearbeitet hat. Daß der Darsteller des Retorten-Menschen Homunculus kein Deutscher ist, darf uns nicht hindern, anzuerkennen, daß Olaf Fönß seine Aufgabe mit den an ihm geschätzten starken mimischen Ausdrucksmitteln im Stile unserer größten zeitgenössischen Schauspieler löst. Seine Darstellung ist von packender Wirkung.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Polizeiverordnung. Für den Umfang des Regierungsbezirks Köln ist folgendes verordnet worden: Das Betreten der bestellten und noch nicht abgeernteten Felder ist von 9 Uhr abends bis 5 Uhr morgens verboten. Ausgenommen sind Flächen, die als Hausgarten dienen und mit dem Wohnhausbesitz unmittelbar verbunden sind. Maßnahmen, die zur Verhütung von Wildschaden von Behörden angeordnet sind, sollen nicht unter diese Verordnung. Zuwiderhandlungen werden mit Geldstrafe bis zu 60 Mark oder entsprechender Haft bestraft.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 31. August 1916
„Schnaps oder Brot in diesen Kriegszeiten?“ Man schreibt uns: Die jetzt wohl nicht mehr anzuzweifelnde Nachricht, daß fortan das Brotgetreide nicht weiter zur Herstellung von Trinkbranntwein verwendet werden soll, bringt in Erinnerung, daß die hierauf gerichteten Bestrebungen und ein planmäßiges Vorgehen in unserer Stadt schon sehr früh, vielleicht zuerst in Deutschland, hervorgetreten sind. Im ersten Kriegsmonate wurde, wie manchem Leser noch erinnerlich sein wird, vom hiesigen Bezirksverein gegen den Mißbrauch geistiger Getränke, dem sich die Bonner Soziale Wohlfahrts-Vereinigung angeschlossen hatte, eine Flugschrift „Schnaps oder Brot in Kriegszeiten?“ in vielen Tausend Stück in Bonn verbreitet. Auf einem Anfang August 1914 von Professor Kamp veröffentlichten Aufsatz fußend, hat jenes Flugblatt die überaus wichtige Frage nach der Verwendung des Brotkorns gestellt, auch nach auswärts hin; denn das im Verlage von Carl Georgi erschienene Flugblatt nahm, dank dem Eintreten vor allem von Behörden und großindustriellen Arbeitgebern, den Weg auch in die Ferne, wo es dann mit zweckverwandten Kundgebungen anderen Ursprungs zusammenwirkte und heute jene freudigst zu begrüßende Entscheidung mit herbeigeführt hat. Wie einleuchtend und selbstverständlich diese Entscheidung in Kriegszeiten und sogar im Frieden auch erscheinen mag, so war sie doch keineswegs leicht zu erwirken und hatte starke Widerstände zu überwinden. Einer ihrer wirksamsten Fürsprecher ist wohl der Umstand gewesen, daß dem Schnaps im öffentlichen Ausschank in der auch wärmenden, nie aber schädigenden, nie Körper und Geist vergiftenden Milch unter normalen Verhältnissen ein vollgütiger Ersatz geboten werden konnte gemäß der Kampschen, bereits zum geflügelten Wort gewordenen Losung „Trank gegen Trunk!“, dessen sprechendsten überzeugenden Beweis unsere Bonner Milchhäuschen, die „Milchbüdchen“ im Volksmund, erbracht haben. Im gleichen Sinne besserer Volksernährung und erstarkender Körperkraft zu der Friedensarbeit, aber auch zum tiefernsten, schicksalentscheidenden Waffenkampf wirkt, wiederum von Bonn ausgehend, die „Zeitschrift für Volksernährung“ (Verlag Georgi), zu deren Herausgabe sich als zweiter Mitstreiter Dr. Heinz Neu, zurzeit als Feldarzt tätig, gesellt hat und die aus gemeinsamer Arbeit ihren Freundeskreis seit dem Kriegsausbruch mehr als verzehnfachen konnte.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Mastfutter für Schweine. Die Stadt Bonn gibt an die in Bonn wohnenden Landwirte und Schweinezüchter Mastfutter ab, wenn sie sich verpflichten, der Stadt Bonn Schweine im Lebendgewicht von 223 Pfund in den Monaten September bis einschließlich Dezember d. J. gegen Zahlung der Höchstpreise zu liefern. Mäster, die sich zur Abgabe von einem Schwein verpflichten, können in einem Jahre für je vier Personen ein Schwein zum eigenen Verbrauch schlachten. Näheres ist aus einer Bekanntmachung in der heutigen Nummer unseres Blattes zu ersehen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Einbruch. Am Münsterhause an der Sürst wurde in der vergangenen Nacht eine Spiegelscheibe zertrümmert und aus dem Schaufenster eine Anzahl Toilettenartikel entwendet.
Ohne Bezugsschein. Wie so oft, bekundeten Einbrecher in der vergangenen Nacht bei einem Einbruch in ein Herren-Konfektionsgeschäft am Münsterplatz einen gewissen Humor. Sie suchten sich das Schaufenster aus, in dem das Schild angebracht war: „Ohne Bezugsschein zu haben“, schlugen die Spiegelscheibe ein und entwendeten einige Anzüge. Das Schild: „Ohne Bezugsschein zu haben“ befestigten sie dann an dem leeren Ständer.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)