Donnerstag, 20. September 1917

     

Evangelische Gemeinde Bonn. Das Presbyterium hat in seiner letzten Sitzung beschlossen, um Heizung und Licht zu sparen, die Abendgottesdienste vom 1. Oktober ab in die Kirche am Kaiserplatz und die Kriegsbetstunden aus der Schlosskirche in das Gemeindehaus zu legen.
   
Ferner richtet das Presbyterium schon jetzt an die Eltern der Konfirmanden die herzliche Bitte, von der Beschaffung einer besonderen Konfirmandenkleidung für Knaben und Mädchen zu Ostern 1918 Abstand zu nehmen. Es genügt der Sonntagsanzug oder das Sonntagskleid! Stoffe sind nur schwer und nur zu sehr hohen Preisen zu beschaffen. Wir wissen, so lieb uns auch sonst die einheitliche Kleidung war, Gott sieht nicht das Kleid, sondern das Herz an.

Kein Zwang zur durchgehenden Arbeitszeit. Das stellvertretende Generalkommando des 8. Armeekorps in Koblenz hat dem Verein der Industriellen des Regierungsbezirks Köln auf seine Vorstellung gegen die angeblich beabsichtigte zwangsweise Einführung der ungeteilten Arbeitszeit in allen Geschäftsbetrieben mitgeteilt, daß es zur Zeit nicht beabsichtige, die ungeteilte Arbeitszeit in allen Geschäftsbetrieben einzuführen. [...]

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

       

Schöffengericht Bonn.
[...] Der 33jährige Metzgermeister Leo G. aus Beuel war durch einen richterlichen Strafbefehl in eine Strafe von 6 Wochen Gefängnis genommen worden, weil im April eine unangemeldete Fleischmenge von 70 Pfund Blutwurst, eine 11 Pfund schwere Kalbskeule, eine Schweineleber und ein Schweinekopf in seinem Ladenlokal vorgefunden wurde, über die er sich nicht ausweisen konnte. Der von ihm nachgesuchten Umwandlung der Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe wurde angesichts seines sonstigen guten Leumundes vom Gericht noch mal stattgegeben und sein Strafmaß auf 300 Mk. angesetzt. Das Gericht wies hierbei jedoch ausdrücklich darauf hin, daß gerade bei Metzgereien auf die strengste Befolgung der Verordnungen gesehen werden müsse.
[...]
Viel Heiterkeit erregte die Verhandlung gegen den aus der Haft vorgeführten 56jährigen Invaliden Hermann Haase, der sich bettelnd und landstreichend herumtreibt. Von seinen Vorstrafen ist ihm so gut wie gar nichts in Erinnerung. Die richterliche Unterstützung auf seinen bisherigen Lebenswandel förderte jedoch zutage, daß er bisher 39mal wegen Bettelns, 7mal wegen Landstreicherei und recht oftmals wegen Drohung, Diebstahls und Körperverletzung, ja sogar einmal mit 5 Jahren Zuchthaus vorbestraft ist. Die über ihn eingezogenen amtlichen Auskünfte aus Frankfurt und Wiesbaden lauten höchst ungünstig und bezeichnen ihn als einen arbeitsscheuen Landstreicher. Hiergegen verwahrte sich der Angeklagte: er will in Wiesbaden in einer Arbeitsstellung wenigstens fünfmal den Hof gekehrt haben. Eine Bescheinigung über geleistete Arbeit ließ er sich niemals und nirgends ausstellen, weil es sich nicht lohnte. Zuletzt hat er sich drei Monate hindurch in Godesberg herumgetrieben, tagsüber beständig vor einer Villa am Rhein auf einer Bank am Fußsteig gesessen und die Passanten angebettelt. Seine Verurteilung lautete diesmal wegen Bettelns und Landstreicherei auf je zwei Wochen Gefängnis und Ueberweisung an die Landespolizeibehörde. Mit sittlicher Entrüstung über die letztere Anordnung rief er in den Saal hinein: „Ich erkenne dieses Urteil nicht an!“

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

     

Zur Kartoffelversorgung im Stadtkreise Bonn. Nach der durch die Reichskartoffelstelle erfolgten vorläufigen Zuteilung werden den Kommunalverbänden für die Zeit vom 15. Oktober 1917 bis 3. August 1918 die Kartoffeln zugewiesen. Die Stadt Bonn erhält rund 306.000 Zentner Speisekartoffeln, von denen mindestens 2/3 bis zum 15. Dezember ds. Js. angeliefert sein müssen. Der Lebensmittelausschuß hat beschlossen, bis zur endgültigen Zuteilung durch die Reichskartoffelstelle, die voraussichtlich nach genauer Uebersicht der neuen Ernte anfangs November erfolgen dürfte, vom 1. Oktober ds. Js. ab 7 Pfund Kartoffeln auf den Kopf der Bevölkerung auszugeben und die Zulage an die Schwerarbeiter fortfallen zu lassen, da es sonst nicht möglich ist, die Kopfmenge auf sieben Pfund zu halten. Ebenso sollen vom 1. Oktober ds. Js. ab die Kartoffeln gemäß den ausgegebenen Lebensmittelmarken sofort bis zum 18. November ds. Js. von den Haushaltungen bezogen werden können. Von diesem Zeitpunkte ab werden den Haushaltungen, sofern sie es wünschen, auf den Kopf je 1 Zentner Kartoffeln zum Einkellern durch städt. Fuhrwerk angefahren. Diese Menge hat dann für die Versorgung des betreffenden Haushalts bis zum 23. Februar 1918 auszureichen. Sollte jedoch zwischenzeitlich eine Erhöhung der Kopfmenge auf 10 Pfund eintreten, was angesichts der guten Ernte nicht unwahrscheinlich ist, so würden zum Einkellern auf den Kopf 1½ Zentner angefahren werden und damit wäre dann der Bedarf der Haushaltungen bis zum 3. März 1918 gedeckt. [...]

Witterschlick: Am vergangenen Sonntag, den 16. September, spielte auf dem von der hiesigen Gemeinde zur Verfügung gestellten Spielplatz eine Schlagballmannschaft des Bonner Turnvereins „Nordstern“ gegen eine Schlagballmannschaft des hiesigen Jugendvereins. Der Bonner Verein, der als einer der besten Turnvereine bekann ist und auch schon den Hindenburg-Wanderpreis erworben hat, siegte mit 58 gegen 35 Punkte (Witterschlick). Die ganze Veranstaltung, die von dem schönsten Wetter begünstigt war, fand bei allen Vereinsmitgliedern den besten Anklang.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)