Samstag, 2. Dezember 1916

      

Anzeige im General-Anzeiger vom 2. Dezember 1916Unsinnige Gerüchte. Es wird die Behauptung verbreitet, die Verkäufe in den städtischen Verkaufsstellen und die Wochenmärkte würden wegen Gemüsemangels einstweilen eingestellt. Die Stadtverwaltung bezeichnet diese Gerüchte als durchaus unsinnig. Mithin ist es unnötig, Gemüse zu hamstern, wie es in der jüngsten Zeit geschehen ist.

Ueber die gegenwärtige Kartoffelversorgung sendet uns ein bekümmerter Bürger folgende „Schmerzensäußerung“: In der Stadt wird sehr geklagt über die schlechte Beschaffenheit der in den letzten zwei Wochen verkauften Kartoffeln. Fast alle sind erfroren, mindestens die Hälfte des Gewichts ist Abfall, geeignet für Schweinefutter, wandert in Bonn aber leider in den Ascheneimer. Kochen mit der Schale ist gar nicht möglich, weil alle Kartoffeln ohne Ausnahme angefault sind. Einsender dieser Zeilen hat in den letzten neun Tagen in sechs verschiedenen Geschäften gekauft, aber überall war die schlechte Beschaffenheit dieselbe. Es ist sehr zu bedauern, daß der ursprüngliche Plan nicht durchgeführt wurde, wonach jeder Bürger den ganzen Winterbedarf bis Mitte April von seinem bisherigen Händler kaufen konnte.
  
Dazu teilt uns der Leiter des städtischen Lebensmittelamts, Herr Beigeordneter Piehl, mit: Die Stadt hätte der Einwohnerschaft gerne den ganzen Winterbedarf auf einmal zur Verfügung gestellt, wenn sie dazu in der Lage gewesen wäre. Es muß immer wieder betont werden, daß die Stadt auf die Menge und die Güte der ihr gelieferten Kartoffeln ganz ohne Einfluß ist, sie muß nehmen, was ihr von der Reichskartoffelstelle überwiesen wird. Im übrigen handelt es sich bei Frostschäden nur um vereinzelte Fälle und um wenige Tage. Die den Verkaufsstellen gelieferten Kartoffeln sind durchweg mit großer Mühe und sorgfältig verlesen worden, und wenn trotzdem hier und da eine angefrorene Kartoffeln mit verkauft wird, so ist das nur ein unglücklicher Zufall.

Deutscher Turnlehrer-Verein. Man schreibt uns: Wichtige Zukunftsaufgaben, deren Inangriffnahme nicht bis nach dem Krieg hinausgeschoben werden sollen, werden augenblicklich im geschäftsführenden Ausschuß und im Turnlehrer-Verband der Lösung entgegen geführt. Darüber, daß die Nichtberücksichtigung der körperlichen Ausbildung im Einjährigenzeugnis widersinnig ist, ist man sich allenthalben klar, deshalb beabsichtigt man die Feststellung des Turnstoffes für die im Zeugnis zum Einjährigen-Freiwilligendienst auszustellende Turnzensur. Bei Schülerversetzung soll die Turnzensur in Berücksichtigung gezogen und dem Ansehen des Turnunterrichts überhaupt eine neue Grundlage gegeben werden. Weiterhin ist in Eingaben an Staats- und Gemeindebehörden zu erwirken, daß zur Erhaltung und Erhöhung der Volkskraft die Vermehrung und zweckmäßige Einrichtung von Spiel- und Turnplätzen nicht länger hinausgeschoben werde. Diese Forderung ist umsomehr begründet, als der Krieg ganz besonders gezeigt hat, daß die körperliche Ausbildung der Jugend eine ausgezeichnete Vorschulung für den militärischen Dienst ist. Unter allen Umständen hat der Krieg aber offenbart, daß die Bereitstellung freier sachgemäß eingerichteter Plätze zu den allerdringendsten Forderungen gehört und mit allem Nachdruck zu erstreben ist. Unter der Devise: Getrennt marschieren, vereint schlagen! Erstrebt man ein planmäßiges Zusammenwirken aller Verbände, die es sich zur Aufgabe machen, die körperliche und sittliche Volkskraft und Volksgesundheit zu heben. Gemeinsame Stoßkraft und Zusammenwirken muß auch in der Erreichung von Turn- und Spielplätzen zum Ziele führen!

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

     

Die Bonner Wirte, die warmes Essen an Gäste ausgeben, müssen bis zum 8. Dezember dem Lebensmittelamt Angaben über die Zahl ihrer Gäste machen, da eine Neuregelung der Kartoffelversorgung der Wirtschaften beabsichtigt ist. Wirte, die falsche Angaben machen oder den Meldeschein nicht rechtzeitig einreichen, erhalten keine Kartoffeln zugewiesen.

Die Zündholzpreise bleiben unverändert; es hat also keinen Zweck, zu hamstern

Hausschlachtung von Schweinen. Der Vorsitzende des Kreisausschusses Bonn-Land richtet an die Selbstversorger einen Aufruf, in dem er die Hoffnung ausspricht, daß sie den Bedürftigen und den Schwerarbeitern freiwillig einen Teil des aus den Hausschlachtungen gewonnenen Fleisches schenkweise oder gegen Entgelt abgeben. Zu diesem Zwecke sind in den Gemeinden besondere Fleischsammelstellen eingerichtet worden. Herr Landrat von Nell hat zum Gemeinsinn der Reichseingesessenen das zuversichtliche Vertrauen, daß sie in dieser ernsten Zeit, die jedem die Pflicht auferlegt, für den anderen einzustehen, freudig bereit sein werden, seiner Bitte zu entsprechen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

      

Sprachverein. Nächsten Dienstag, 5. Dezember, wir im Bonner Deutschen Sprachverein (im Kronprinzenhof, Bahnhofstraße) Justizrat Dr. Friedrichs, Düsseldorf, einen Vortrag halten über Ernst und Humor in der Juristensprache. Der zeitgemäße Vortrag dürfte für weite Kreise anregend und lehrreich sein. Der begabte Redner hat über einen ähnlichen Stoff schon in Köln unter großem Beifall gesprochen, hoffentlich findet er auch in Bonn zahlreiche Zuhörerschaft.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)