Montag, 18. September 1916

     

Beschlagnahme von Zwetschen und Aepfel. Eine vorgestern von den zuständigen Militärbehörden erlassene Verordnung bestimmt zur Sicherung des andernfalls gefährdeten Bedarfs des Heeres und der Bevölkerung an Marmelade und Mus: Die gesamten noch nicht im Kleinhandel befindlichen Aepfel, Zwetschen und Pflaumen werden, auch soweit sie noch nicht geerntet sind, beschlagnahmt. Der Absatz darf nur an Personen erfolgen, die einen mit dem Stempel des Kriegsernährungsamtes versehenen Ausweis mit sich führen. Die beschlagnahmten Aepfel, Zwetschen und Pflaumen sind bis zur Ablieferung zu verwahren und pfleglich zu behandeln. Die Verarbeitung und der Verbrauch im eigenen Haushalt bleiben zulässig. Die unteren Verwaltungsbehörden können nach Anweisung der Kriegsernährungsamtes, insbesondere zur Verhinderung des Verderbens der Früchte, Ausnahmen von den Vorschriften zulassen.
   Zu der Beschlagnahme der Aepfel, Zwetschen und Pflaumen wird halbamtlich mitgeteilt: Das Mus zum Brotaufstrich ist angesichts der Fettknappheit von entscheidender Bedeutung. Nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der Haushaltungen kann sich den Bedarf durch Selbsteinkochen sichern, für die Mehrzahl der Bevölkerung, ebenso wie für das Heer, muß der Vorrat durch Fabriken beschafft werden. Bei der Knappheit an Nahrungsmitteln ist der Verbrauch von frischen Pflaumen und Aepfeln außerordentlich gestiegen, sie werden vielfach unreif geerntet und von den Hausfrauen zum Einkochen aufgekauft. So nützlich das vom Standpunkt des Einzelhaushaltes ist, so muß doch die Gefahr vermieden werden, daß von den Fabriken für das Heer und für den Massenverbrauch zu wenig verarbeitet wird und dann Mus und Marmelade nicht bis zum nächsten Sommer, sondern etwa nur bis Januar oder Februar ausreichen. Die bisherigen Ankaufsergebnisse der Marmelade-Industrie, die dem Kriegsernährungsamt Mitte voriger Woche vorgelegen haben, haben ergeben, daß kaum ein Zehntel der für Heer und Bevölkerung unbedingt nötigen Mengen angekauft waren. Der Industrie, wie im vorigen Jahre, den Ankauf zu beliebigen Preisen freizustellen, hätte neue unerträgliche Preistreibereien hervorgerufen. Die Festsetzung von Höchstpreisen für den Groß- und Kleinhandel genügt, wie die Erfahrungen bei den Pflaumen ergeben haben, nicht, um die zur Marmeladenherstellung nötigen Obstmengen zu sichern. Es war Gefahr im Verzuge, wenn nicht ein unheilbarer Schaden geschehen sollte. Deshalb ist die militärische Anordnung ergangen. In solchen Bezirken, deren Gesamterzeugung an Aepfeln und Pflaumen so gering ist, daß der Aufkauf für Fabriken nicht angeht, ist, damit nichts verdirbt, der Handel zu den vorgeschriebenen Höchstpreisen freigegeben. Für feine Obstsorten, die für die Fabriken nicht in Betracht kommen, ergehen besondere Vorschriften. Zu der Beschlagnahme, deren Nachteile für die alsbaldige Versorgung der Haushaltungen klar sind, haben sich die verantwortlichen Stellen nur schwer entschlossen; sie mußte erfolgen, weil die Sicherung einigermaßen ausreichenden Brotaufstrichs für die Zeit bis zum nächsten Sommer allen anderen Interessen weichen muß und weil diese Sicherung ohne Beschlagnahme nicht erreicht werden kann.
   Wie wir erfahren, können die bei der städtischen Gartenverwaltung bestellten Zwetschen den Bestellern trotz dieser Verordnung geliefert werden. Voraussichtlich wird die Stadt Bonn auch weiterhin Aepfel und Zwetschen in den städtischen Gemüseverkaufsstellen verkaufen lassen können.

Der Hafer der neuen Ernte ist wieder für die zuständigen Kommunalverbände beschlagnahmt. Eine Bekanntmachung des Oberbürgermeisters in dieser Zeitung teilt mit, welche Mengen die Haferbesitzer im Stadtkreise Bonn für ihre eigene Wirtschaft behalten dürfen. Im übrigen sind die Hafervorräte an das städtische Lager in der Karlschule abzuliefern.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

     

Verbrauchsregelung für Eier. Vom heutigen Montag ab dürfen auf jede im Stadtkreise Bonn gültige Eierkarte an Verbraucher nicht mehr als ein Ei wöchentlich abgegeben werden. Diese Verordnung gilt auch für Gast-, Schank- und Speisewirtschaften, Vereins- und Erfrischungsräume, Fremdenheime, Konditoreien und ähnliche Betriebe. Wer im Stadtkreis Bonn gewerbsmäßig Eier zur Weiterveräußerung oder gewerblichen Verarbeitung erwerben oder vermitteln will, bedarf dazu der Genehmigung des Oberbürgermeisters. Ebenso müssen diejenigen Handel- und Gewerbetreibenden eine Genehmigung nachsuchen, die für den Handel oder Gewerbebetrieb Eier haltbar machen oder Eierkonserven herstellen wollen. Die Hersteller von Back-, Konditor- und Teigwaren, sowie Wirte gelten als Handels- und Gewerbetreibende. Die Erteilung der Erlaubnis erfolgt durch Ausstellung einer Ausweiskarte, die auf Verlangen den Beamten der Polizei und den mit der Ueberwachung des Verkehrs mit Eiern beauftragten Personen vorzuzeigen ist. Geflügelhalter dürfen Eier nur an die von der Stadt genehmigten Händler und Aufkäufer absetzen, oder sie an die Sammelstelle für den Stadtkreis Bonn im städtischen Lebensmittelamt, Abt. 5, abgeben. Die Einwohner des Stadtkreises Bonn, die Eier von auswärts beziehen, müssen die bezogenen Mengen dem städtischen Lebensmittelamt zur Anrechnung auf ihre Versorgungsmenge anmelden. Alles Nähere ist aus den Bekanntmachungen in der heutigen Nummer unseres Blattes zu ersehen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)