Montag, 19. Juni 1916

     

Die Gemüserichtpreise sind wieder aufgehoben. Die Bauern können wieder unbeschränkte Wucherpreise fordern und werden nun wohl auch wieder ihre Erzeugnisse in die Stadt bringen.
   Der Kriegsausschuß für Konsumenten-Interessen für den Stadt- und Landkreis Bonn hat den stellvertretenden kommandierenden General des 8. Armeekorps in einer Eingabe gebeten, Richtpreise für den ganzen Korpsbezirk festzusetzen und denjenigen Gemüsezüchtern, die ihre Erzeugnisse zurückhalten, die Aecker für die Dauer des Krieges zu enteignen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

     

Die Gemüseleere auf unseren Märkten hält an. Heute früh war auf beiden Plätzen nicht so viel angefahren, daß man ein großes Gasthaus damit versorgen könnte. Die Händler standen mit leeren Körben umher, und sahen verdutzt die wenigen Bürger an, die wohl mehr der Neugierde als des Kaufes wegen erschienen waren. Zu sagen ist nun aber auch, daß wir jetzt in der Zeit der allerschlimmsten Gemüseknappheit leben. Zudem ist bei den hohen Preisen fast alles wachsende Gemüse als Schnittgemüse verkauft worden. Unsere Gemüsefelder stehen fast kahl und leer da. Ferner lassen die Züchter wegen der hohen Preise gerade dasjenige Gemüse, Erbsen, Möhren, welches früher über die jährlich wiederkehrende gemüsearme Zeit mehr oder weniger leicht hinweghalf, in besseren und gewinnbringenderen Stand hineinwachsen.
   Also die Richtpreise allein haben nicht das Gemüse von unsern Märkten vertrieben. Leider kamen sie zu der allerkritischsten Zeit. Wären sie in angemessener Höhe früher erschienen, hätten sie Segen gestiftet.

Anzeige im General-Anzeiger vom 19. Juni 1916Operettengastspiel im Palasttheater. „Wie einst im Mai“ beherrscht jetzt allabendlich den Spielplan und die rasch und zahlreich gewonnenen Freunde des Operettengastspiels. Es hat sich sowohl draußen an der Front, wie daheim gezeigt, daß die durch den Krieg stark belasteten Nerven zeitweilig einer Entspannung bedürfen. Man hat in dieser Erkenntnis die besten Humoristen und Komiker, die besten Kinemas und Unterhaltungsbühnen an die Front kommen lassen, man hat sich aus talentierten Mannschaften für Mannschaften und Vorgesetzte draußen Liebhaberbühnen usw. geschaffen. Zieh- und Mundharmonika Rudersport usw. lenken die gepeitschten Nerven ab, um sie im Sinne Hindenburgs, daß der den Krieg gewinnt, der die besten Nerven habe, wieder mit neuer Spannkraft zu beleben. Ganz so zu Hause, wo der Aerger über Fleisch- und Eiermangel, über den Unfug der Z.-E-G. usw. manchen sehnsüchtig nach einer Stätte verlangen läßt, wo er in einigen Stunden der Kurzweil, der in Heiterkeit getauchten Kurzweil, sich innerlich erfrischen kann, um dann blitzenden Auges wieder all dem Kampf gegenübertreten zu können, der uns mehr und mehr auch hinter der Front nicht erspart bleibt. Dies mag die tiefere Erklärung dafür sein, daß auch die Operettengesellschaft des Palasttheaters mit ihren musikalischen Possenschlagern aus fern herüberklingender Friedenszeit so anziehend wirkt. Daher erübrigt es sich auch, heute noch einmal das kritische Richtschwert über den musikalischen Wert oder Unwert der übermütigen Gesangsposse „Wie einst im Mai“ zu schwingen. Man läßt sich noch einmal packen von den längst Gemeingut gewordenen gangbaren Schlagern der Operette, freut sich darüber, einen so zwerchfellerschütternden Komiker wie Hans Lichten zu begegnen, beobachtet mit stiller Freude die musikalisch-gesangliche und darstellerische Befähigung des Possenliebhabers Hans Gehmeier, genießt ein Stück Altberlin aus der Biedermeier- und Krinolinenzeit, läßt sich auch mit Harmoniumbegleitung in Sentimentalität wiegen (obwohl’s der Reichskanzler verboten hat) und pilgert schließlich nach Haus und summt noch am nächsten Tage zur zweifelhaften Freude aller die ihn hören und nicht wieder los werden können, nämlich den Vers:
   Das war zu Schöneberg im Monat Mai,
   Ein kleines Mädchen war auch dabei.
   Sie hat die Buben oft und gern geküßt.
   Wie das zu Schöneberg so üblich ist.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Godesberg, 19. Juni. Die Festsetzung von Richtpreisen für Gemüse hat auch hier den Ankauf von Gemüsen fast unmöglich gemacht. Wie man die landrätliche Verordnung zu umgehen versucht, kann man daraus ersehen, daß heute dicke Bohnen mit der Schale, für die der Höchstpreis von 13 Pfg. für das Pfund festgesetzt ist, nicht mehr zu haben sind; sie werdne jetzt nur noch entschält und zwar das Liter für 2 Mark angeboten.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)

     

Die Brotmenge im Stadtkreis Bonn ist von heute ab von 1 Brot auf 1½ Brot für die Person und Woche erhöht worden. Schwerarbeitende Personen erhalten ihre Zusatzmenge von ¾ Brot wöchentlich weiter.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)