Sonntag, 18. Juni 1916

      

Auf dem Markte herrschte gestern vormittag bei den kauflustigen Bonner Hausfrauen große Erbitterung. Von all den Gemüsesorten, für die der Oberbürgermeister im Einverständnis mit den zuständigen Stellen der Landkreise Bonn und Köln sowie der Stadt Köln Richtpreise festgesetzt hat, war fast nichts auf dem Markte zu haben, und sehr viele Hausfrauen mußten leer wieder heimgehen. Selbstverständlich wurde dabei manches böse Wort gegen die Gemüsebauern gebraucht, die, weil ihre bisherigen Wucherpreise ein klein wenig eingeschränkt worden sind, nun auf die Seite der Engländer treten und die englische Aushungrungspolitik mitmachen. Hoffentlich gelingt es den zuständigen Behörden und landwirtschaftlichen Vertretungen recht bald, die Bauern von ihrer vaterlandsfeindlichen Haltung abzubringen. Gurken und Blumenkohl, für die keine Richtpreise bestehen, waren verhältnismäßig reichlich auf den Markt gebracht worden, es wurden dafür aber so hohe Preise verlangt, daß ein erheblicher Teil der Ware mittags noch unverkauft war.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

      

Zur Versorgung mit Kartoffeln. Während der Bevölkerung in Bonn bis Pfingsten an Kartoffeln noch eine Verbrauchsmenge von 10 Pfund für den Kopf und die Woche verabfolgt werden konnte, muß jetzt auch hier in Bonn eine erhebliche Einschränkung in der Abgabe erfolgen. Gerade in der letzten Zeit ist der Andrang zu den Verkaufsstellen ein geradezu gewaltiger. Jeder versucht sich seinen Kartoffelbedarf, soweit angängig, zu hamstern. Auch ist die Befürchtung, daß die Preise erhöht werden, wohl bestimmend dafür, daß unnötige Ankäufe gemacht werden. Die Stadtverwaltung beabsichtigt jedoch in keiner Weise die Preise bis zur nächsten Ernte zu erhöhen, trotzdem die von ihr getätigten Kartoffelankäufe erheblich teuerer wie früher bezahlt werden müssen. Wenn nun auf der einen Seite der Andrang zum Kartoffelankauf – es werden täglich an den Kleinverkaufsstellen jetzt über 1500 Zentner abgegeben – ein großer ist, so ist auf der anderen Seite die Kartoffelzufuhr in den letzten Tagen völlig ausgeblieben. Die Stadt kann aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen die Kartoffeln nicht kaufen wie sie will und wo sie will, sondern die Kartoffelmengen werden ihr von der Reichs-Kartoffelstelle aus ganz bestimmten Kreisen und in ganz bestimmten Mengen, ohne ihr Zutun und ohne das Recht zu einer Einwirkung zugeteilt. Obgleich ihr seitens dieser Reichskartoffelstelle aufgrund der Ende Mai erfolgten Zusage noch 25.000 Zentner geliefert werden müssen, ist diese Belieferung in den letzten Tagen völlig abgeschnitten. Trotz eifrigster und energischster Bemühung und Vorstellung seitens der Stadtverwaltung, ist es bisher nicht gelungen, weitere Kartoffelmengen flüssig zu machen. Daher muß von Montag, den 19. ds. Mts. ab, - wir verweisen auf die betreffende Anzeige in der heutigen Nummer – die Abgabe eingeschränkt und die Verbrauchsmenge auf 5 Pfund auf den Kopf und die Woche festgesetzt werden. Um der Bevölkerung für die verminderten Kartoffelmengen einen Ersatz zu schaffen, werden Hülsenfrüchte, Reis und Gerstengrütze zu der auf den Kopf verabfolgten Kartoffelmengen zugegeben und zwar ein Fünftel Pfund Hülsenfrüchte (Erbsen oder Bohnen) und ein Fünftel Pfund Reis oder Gerstengrütze, alles zum Preise von 15 Pfg. für ein Fünftel Pfund. Dabei wird die dringende Bitte an alle diejenigen, die noch Kartoffelvorräte haben, gerichtet, keinen Ankauf mehr zu machen. Sollte jemand Kartoffelvorräte besitzen, die für den eigenen Bedarf über die Zeit bis 15. Juli hinausreichen, so möge er das Mehr dem städtischen Lebensmittelamt gegen volle Bezahlung zur Verfügung stellen, auch wenn es nur wenig ist. Das Lebensmittelamt wird die Kartoffeln dann gerne abholen lassen. Erfahrungsgemäß kommen Ende dieses Monats, spätestens anfangs Juli neue Kartoffeln hier zum Markte. Das wird dann sofort die Lieferung der Kartoffeln seitens der Stadt entlasten. Die Ausgabe der Hülsenfrüchte, des Reis und der Gerstengrütze findet bei der städtischen Verkaufsstelle in der Maxstraße statt. Um den Andrang zu vermeiden, ist bestimmt worden, daß die Waren dort abgegeben werden: am Montag, den 19. Juni an die Inhaber der Brotbücher Nr. 1, am Dienstag, den 20. Juni an die Inhaber der Brotbücher Nr. 2, am Mittwoch, den 21. Juni an die Inhaber der Brotbücher Nr. 3, am Freitag, den 23. Juni an die Inhaber der Brotbücher Nr. 4.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Godesberg, 17. Juni. Ein dreister Diebstahl wurde am Pfingstmontag nachmittag während des größten Verkehrs an der hiesigen Dampferlandestelle ausgeführt. Während der Werftverwalter zur Abfertigung des um 3 Uhr bergwärts fahrenden Rheindampfers an der Schiffbrücke sich kurz aufhielt, hatte ein Dieb sich Eingang in sein Büro verschafft und dort den gesamten Bestand an Fahrgeldern im Betrage von 600 Mark nebst der Kassette angeeignet und war damit unerkannt verschwunden. Die Vormittagseinnahme von 800 Mark hatte der Beamte glücklicherweise nicht mehr dort liegen gehabt. Bis jetzt fehlt jeder Anhalt, wer den Diebstahl ausgeführt hat.

Godesberg, 16. Juni. Die von der Zentrale des Roten Kreuzes, des Vaterländischen Frauenvereins und der angegliederten Vereine an den beiden Pfingsttagen hier veranstaltete Büchsensammlung zum Besten der verwundeten heldenhaften Mannschaften der Marine hatte den erfreulichen Betrag bvon 655 Mark erzielt.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)

      

Das Oberbürgermeisteramt Bonn teilt uns mit. Nach einem Erlaß des stellvertretenden Generalkommandos des 8. Armeekorps sollen zur Einbringung der Körnerernte wiederum Beurlaubungen von Mannschaften des Besatzungsheeres im Inlande erfolgen, soweit es die dienstlichen Verhältnisse gestatten. Die Gesamtdauer des Urlaubs darf die Zeit von 3 Wochen nicht überschreiten. Anträge auf Nachurlaub sind nur in Fällen dringendster Notlage zulässig. Unbegründete Urlaubsanträge werden zurückgewiesen. Die Gesuche müssen spätestens am 1. Juli ds. Js. Dem zuständigen Polizeikommissar abgegeben worden sein. Später eingehende Anträge können nicht berücksichtigt werden.
   Urlaubsgesuche für Angehörige des Feldheeres und der Truppen der besetzten Gebiete sind zwecklos. Solche können nur in den allerseltensten Fällen, wo ein äußerster Notstand vorliegt, Aussicht auf Erfolg versprechen. Zweckmäßig ist es, an Stelle der im Felde befindlichen Angehörigen, die doch nicht beurlaubt werden können von vornerein andere beim Besatzungsheere im Inlande befindliche Familienangehörige, und wenn solche nicht vorhanden, andere Angehörigen ihres Verwandten- oder Bekanntenkreises zu beantragen. Wo solche nicht bekannt sind, können beim zuständigen Polizeikommissar oder beim Oberbürgermeisteramt (Militärbüro, Rathausgasse 26) zu den dort einzusehenden Bedingungen landwirtschaftliche Arbeiter beantragt werden.
   Für die Einbringung der Heuernte können Beurlaubungen von Mannschaften des Feldheeres in keinem Falle stattfinden. Für Mannschaften des Besatzungsheeres im Inlande können auch nur Beurlaubungen im Falle wirklichen Notstandes stattfinden. Die Heuernte soll mit den vorhandenen Arbeitskräften in erster Linie erledigt werden.
   Die Gesuche sind stets an das zuständige Polizeikommissariat oder an das Oberbürgermeisteramt einzureichen. Alle Gesuche, die in anderer Form oder auf andere Weise dem Generalkommando vorgelegt oder unmittelbar an den Truppenteil gesandt werden, haben keine Aussicht auf Genehmigung.
   Alle beurlaubten Mannschaften – Eigenbesitzer usw. , sowie landwirtschaftliche Arbeiter – stehen nach Erledigung der eigenen oder derjenigen Arbeiten, zu denen sie beurlaubt sind, der Gemeindebehörde ohne weiteres zur Verfügung. Diese Behörde bestimmt in jedem Falle, wo die Betreffenden für den Rest ihres Urlaubs auszuhelfen haben.
   Es wird erwartet, daß die Landwirte mit allen Kräften bei der Einbringung der Ernte sich gegenseitige Aushilfe leisten, da damit zu rechnen ist, daß in diesem Jahre eine geringere Beurlaubung von Mannschaften wie im Vorjahre stattfinden wird.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)