Samstag, 22. Januar 1916

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 22. Januar 1916In der gestrigen Stadtverordneten-Sitzung wurden die im November wieder- und neugewählten Stadtverordneten mit Ausnahme des Professors Brinkmann, der im Felde steht, vom Oberbürgermeister in ihr Amt eingeführt und durch Handschlag an Eidesstatt verpflichtet. In seienr Ansprache an die Stadtverordneten kündigte Herr Oberbürgermeister Spiritus an, daß für das kommende Haushaltsjahr eine Steuererhöhung nicht zu vermeiden sein werde. (...)

Stadtverordneten-Sitzung
(...) Oberbürgermeister Spiritus: (...) Meine Herren! Die schwere Zeit, in der wir leben, eine Zeit, die schon seit anderthalb Jahren den Erdball erschüttert, kann auch im öffentlichen Leben einer Stadt nicht spurlos vorübergehen. Wohl stehen unsere Heere siegreich weit in Feindesland, ihre Tapferkeit hat es vermocht, daß unsere heimatlichen Fluren und unseren heimatlichen Städten die Greuel des Krieges erspart blieben. Aber dennoch treten an unsere Kommunen in dieser Zeit große Fragen heran, die der Erledigung harren. Große Aufgaben sind uns gestellt, die zu lösen wir berufen sind. Und das alles muß geschehen in einer Zeit, wo die meisten Männer in der Vollkraft der Jahre nicht mitarbeiten können, sondern höhere vaterländische Aufgaben draußen an der Front zu erfüllen haben. Um so mehr gilt es für uns Daheimgebliebenen, in dieser Zeit unsere ganze Kraft einzusetzen zum Wohl der Allgemeinheit. Ich will die großen Aufgaben, die uns obliegen, nur kurz streifen. Es ist die schwierige Frage der Lebensmittelversorgung, die den Kommunen vorwiegend überlassen ist und die zu lösen mit vielen Schwierigkeiten verbunden ist. Ich will nur hinweisen auf das große Gebiet der Kriegswohlfahrtspflege, die wir ausüben, teils in der Unterstützung der Kriegerfrauen und Kriegerkinder, teils in den mannigfachen Aufgaben des Roten Kreuzes und der sonstigen Kriegswohlfahrtspflege.
   Meine Herren! Daß diese erweiterten Aufgaben auch auf die Finanzen der Stadt nicht ohne Einfluß sein können, ist selbstverständlich. Die Ausgaben für Dinge, die wir früher nicht zu erledigen hatten, mehren sich naturgemäß von Monat zu Monat, und ebenso erklärlich ist es, daß manche Einnahmequellen stocken oder doch die Einnahmen sich vermindern. Und da wird es sich darum handeln, daß die Stadtverordnetenversammlung dazu Stellung nimmt, wie im Jahre 1916 unsere Ausgaben mit den Einnahmen in Einklang zu bringen sind. Im vorigen Jahre war es uns freilich möglich, ohne vermehrte Steuern den Stadthaushaltsplan ins Gleichgewicht zu bringen und zu erhalten. Im kommenden Jahre 1916 wird dies, wie Sie sich wohl alle denken können und die meisten von Ihnen wissen, nicht möglich sein. Daß dies in angemessenen Grenzen und nach guter Ueberlegung geschieht, wird eine der wesentlichsten Aufgaben der neugebildeten Stadtverordnetenversammlung sein. (...)

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)      

    

Anzeige im General-Anzeiger vom 22. Januar 1916Der Krieg und die Zeitung. In der am 15. d. J. in der Bürgergesellschaft zu Köln stattgehabten Hauptversammlung des Vereins Rheinischer Zeitungsverleger wurde u. a. folgende Entschließung angenommen:
   In der Oeffentlichkeit, selbst bei einer großen Anzahl von Behörden, ist die irrige Auffassung verbreitet, daß die Zeitungsverleger durch die bei einzelnen Blättern während des Krieges eingetretene Steigerung der Auflage mehr oder weniger hohe Geschäftsgewinne erzielt hätten. Es wird dabei ganz übersehen, daß die Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft, die das finanzielle Rückgrat jeder deutschen Zeitung bilden, ausnahmslos stark, ja in vielen Fällen um mehr als die Hälfte zurückgegangen sind. Dabei sind die Ausgaben für die Herstellung der Zeitungen, insbesondere des redaktionellen Teiles, außerordentlich gestiegen, sodaß sich das Zeitungsgewerbe durchweg in einer Notlage befindet. Eine ganze Anzahl von Zeitungen ist daher seit Ausbruch des Krieges zum Erliegen gekommen und hat das Erscheinen eingestellt.
   Die Versammlung glaubt, diese Aufklärung der Oeffentlichkeit unter voller Verantwortung unterbreiten zu müssen.

Wegen Diebstahls und Unterschlagung verurteilte die Strafkammer gestern einen in Beuel wohnenden Gärtner zu fünf Monaten Gefängnis. Er war in einer Gärtnerei in Honnef beschäftigt und hatte dort den Erlös für verkauftes Frühobst zum Teil unterschlagen. Ferner hatte er, entgegen dem Willen der Besitzerin, Spätobst verkauft und den Erlös für sich behalten.

Wegen Beleidigung eines Mannes aus Godesberg hatte das Schöffengericht vor einiger Zeit zwei junge Burschen aus Godesberg zu je 50 Mark und einen dritten zu 25 Mark Geldstrafe verurteilt. Gegen das Urteil hatten sie Berufung eingelegt und zogen sie auch nicht zurück, trotzdem der Strafkammer-Vorsitzende ihnen gestern vorhielt, daß keine Sache klarer zutage liegen könne. Sie hatten vom Godesberger Bahnhof aus dem Manne telephoniert, daß sein Sohn schwer verletzt im Bahnhof liege. Als der Vater zum Bahnhof geeilt kam, lachten die drei Burschen ihn aus. Es gelang, festzustellen, daß das Gespräch vom Bahnhof aus geführt worden war. Die Angeklagten gaben zu, telephoniert zu haben, jedoch an eine andere Adresse. Auch diese Behauptung konnte durch die Beweisaufnahme widerlegt werden. Die Berufung der Angeklagten wurde verworfen. Die Strafkammer bedauerte nur, daß die Staatsanwaltschaft keine Berufung eingelegt habe, da sonst eine höhere Strafe eingetreten sein würde.

Gegen die Bäckerei-Verordnung hatte ein Bäcker aus Godesberg dadurch verstoßen, daß er nicht den genügenden Zusatz von Kartoffeln dem Schwarzbrot beigesetzt hatte. Die Strafkammer verurteilte ihn gestern zu 50 Mark Geldstrafe.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Städtischer Kartoffelverkauf. Um zu verhüten, daß Kartoffeln aus dem Stadtbezirk Bonn ausgeführt werden, werden von Montag den 24. Januar 1916 ab beim städtischen Gemüseverkauf auf dem Wochenmarkte, ferner bei der Gemüseverkaufsstelle im Hause Sternstraße 48 und bei der Kartoffelverkaufsstelle im städtischen Verwaltungsgebäude Bonn-West Kartoffeln nur noch gegen Vorzeigung des Brotbuches abgegeben werden.

Bevölkerungsbewegung im Stadtbezirke Bonn. Bevölkerungszahl am Anfang des Monats Oktober: männlich 44.594, weiblich 50.188, zusammen 94.782, Zuzug 1413, Wegzug 935, Mehrzugang 477, Eheschließungen 38, Lebendgeborene 129, Gestorbene 130, Bevölkerungszunahme in Prozent der Anfangsbevölkerung 0,50, Bevölkerungszahl am Ende des Monats 95.258; Bevölkerungszahl am Anfang des Monats November: männlich 44.739, weiblich 50.519, zusammen 95.258, Zuzug 1139, Wegzug 853; Mehrzugang 286, Eheschließungen 41, Lebendgeborene 133, Gestorbene 158, Bevölkerungs-Zunahme in Prozent der Anfangsbevölkerung 0,27, Bevölkerungszahl am Ende des Monats 95.519; Bevölkerungszahl am Anfang des Monats Dezember: männlich 44.765, weiblich 50.754, zusammen 95.519, Zuzug 844, Wegzug 736, Mehrzugang 88, Eheschließungen 32, Lebendgeborene 125, Gestorbene 150, Bevölkerungs-Zunahme in Prozent der Anfangsbevölkerung 0,06, Bevölkerungszahl am Ende des Monats 95.582. Die Bevölkerungs-Zunahme betrug demnach in den Monaten Oktober, November, Dezember 1915: 800 oder 0,83 Prozent der Anfangsbevölkerung.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)