Sonntag, 26. November 1916
Der Bezirksverein Köln des Verbandes mittlerer Reichs-Post- und Telegraphen-Beamten hielt am Sonntag in der Bürgergesellschaft einen Bezirkstag ab, der den Kriegsverhältnissen entsprechend sehr gut besucht war. Der Bezirksvorsitzende, Goergen (Bonn) gedachte in seiner Eröffnungsansprache unseres tapferen Heeres und der Kollegen im Felde und in den besetzten Gebieten. Seine Rede klang in ein Kaiserhoch aus. Das Andenken von 14 seit der letzten Tagung gefallenen und gestorbenen Mitglieder wurde geehrt. Der Vorsitzende hielt alsdann einen Vortrag über „Unsere Lage“. Er betonte, daß die Beamtenschaft ursprünglich den festen Willen hatte, keine Sonderansprüche zu erheben; noch der vorjährige Verbandstag habe in diesem Sinne entschieden. Die durch die lange Kriegsdauer geänderte Lebenslage habe aber diesen guten Willen zum Aushalten durchkreuzt, und heute seien die Verhältnisse in den meisten Beamtenfamilien derart, daß die Gewährung ausreichender Kriegsbeihilfen und Teuerungszulagen, wie sie von Privatbetrieben und städtischen Verwaltungen längst gezahlt würden, dringend notwendig sei. Aus den zahlreichen Einzelbeschlüssen sind zu erwähnen die Anstrebung der vierteljährlichen Gehaltszahlung, mit der zugleich eine Förderung des bargeldlosen Verkehrs bezweckt wird, eine Erklärung für die Beibehaltung der Sommerzeit und ein Antrag auf möglichst weitgehende Einführung der ungeteilten Arbeitszeit. [...]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Zuckerrübenernte konnte bei schönstem Herbstwetter beendigt werden, ohne daß man die Arbeit auch nur einen einzigen Tag hätte unterbrechen müssen. Die Ernte ist sehr verschieden ausgefallen. Die Erträge schwanken zwischen 60 bis 90 Doppelzentner auf dem preußischen Morgen. Ueberall waren die Rüben stark belaubt. Blätter und Köpfe kommen den Landleuten als Winterkraftfutter wohl zustatten. Da die meisten Rübenäcker bereits wieder neubestellt und mit Weizen besät sind, kann man die Saatarbeit vorläufig als abgeschlossen betrachten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Butterabgabe. Wir erhalten folgende Zuschrift: „Eine Bonner Hausfrau“ schreibt einen Artikel über die Butterabgabe in einem Geschäft der Acherstraße, womit wohl unser Geschäft bezeichnet sein soll. Der Artikel muß bei Uneingeweihten den Anschein erwecken, als ob das Geschäft ohne Grund den Verkauf eingestellt habe. Daß dem nicht so ist, weiß jeder, der bei uns Kunde ist und die Mühen kennt, die unsere Firma sich schon während des ganzen Krieges zur Befriedigung ihrer Kundschaft gibt, daß weiß jeder, der das Gedränge mit angesehen hat, welches sich an dem fraglichen Nachmittag in dem Ladenlokal abspielte, wobei die Marmorplatte des Ladentisches herabgestoßen wurde, von anderen Vorkommnissen überhaupt zu schweigen. Will da eine „Hausfrau“ noch einen Weiterverkauf verlangen? Wir nehmen gerne an, daß die Hausfrau nicht im
„größten“ Gedränge war, und die Vorgänge im Laden nicht miterlebt hat. Auch hat ja die „Hausfrau“ die wiederholte Erklärung über die Schließung angeblich nicht gehört, scheint also schon ziemlich im Hintertreffen gestanden zu haben. Es ist aber unverständlich gar traurig, möchte man sagen, daß jeder Kunde sofort nach Eintreffen der Ware, wenigstens aber am gleichen Tage bedient zu werden fordert. Das ist bei unserem großen Kundenkreis wirklich nicht gut möglich, obgleich schon drei Personen ständig bedienen.
Warum finden aber auch die Veröffentlichungen des städtischen Lebensmittelamtes keine Beachtung, in denen immer und immer wieder erneut bekanntgemacht wird, daß reichliche Vorräte vorhanden sind, und daß jedes Gedränge überflüssig ist.
Diese Bekanntmachung sollte sich aber auch die „Hausfrau“ endlich einmal ansehen, anstatt unter Entstellung der Tatsachen den Weg in die Oeffentlichkeit zu nehmen. Firma Johann Krebs.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Das Kammergericht hatte in einem beachtenswerten Rechtsstreit zu entscheiden, welcher gegen den Metzgermeister Z. aus Godesberg schwebte. Z. war angeschuldigt worden,
entgegen den erlassenen Kriegsvorschriften Fleisch ohne Fleischkarten und ohne die vorgeschriebenen Eintragungen verkauft zu haben. Zu seiner Verteidigung macht Z. geltend, es habe sich um Wurstwaren und Kalbfleisch gehandelt, welches aus dem Auslande gestammt habe; die Kriegsvorschriften, welche für Godesberg erlassen seien, kämen daher nicht in Frage. Das Schöffengericht sprach auch den Metzgermeister frei. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft verurteilte die Strafkammer zu Bonn a. Rh. Z. zu einer Geldstrafe, da die in Rede stehenden Kriegsvorschriften sich sowohl auf inländische wie auch auf ausländische Fleischwaren beziehen. In den maßgebenden Vorschriften werde allgemein von Fleisch und Fleischwaren gesprochen. Diese Entscheidung focht Z. durch Revision beim Kammergericht an, welches indessen die Revision als unbegründet zurückwies und u. a. ausführte, aus der Bekanntmachung des Bundesrats vom 27. März 1916 ergebe sich, daß die in Frage kommenden Vorschriften der maßgebenden Verbände inländisches und ausländisches Fleisch treffen können. Die betreffenden Vorschriften für den Stadtkreis Bonn haben sogar ausländisches Fleisch ausdrücklich erwähnt; indem die Vorschriften für den Landkreis Bonn allgemein von Fleisch und Fleischwaren sprechen, sei anzunehmen, daß die fraglichen Vorschriften sich auch auf Fleisch und Fleischwaren beziehen, welche aus dem Auslande stammen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Montag, 27. November 1916
Zwei Schwindler in den Uniformen eines Offizierstellvertreters und eines Unteroffiziers sind am Samstag abend in Beuel festgenommen worden. Sie hatten in Bonn und vor allem in der Umgegend Fleisch und Speck, das sie gar nicht besaßen, angeboten und sich auf den Kaufpreis größere Vorschüsse geben lassen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Kunstausstellung. Samstag mittag 12 Uhr erfolgte im Beisein geladener Gäste die Eröffnung der großen Kunstausstellung im Kunsthaus Zirkel. Der künstlerische Leiter des Unternehmens, der Landschaftsmaler Prof. Lüdke aus München, wies beidem Rundgang auf den Zweck des großzügig angelegten Unternehmens hin, in unserer rheinischen Geistesmetropole einen Mittelpunkt des Kunsthandels für Rheinland und Westfalen zu schaffen.
Die Ausstellung bietet in der Tat außerordentlich viel Interessantes. Die Räume werden an Größe durch kein Kunsthaus, weder im Rheinland, noch in Berlin oder München übertroffen. Aus der „Fülle der Erscheinungen“ sei zunächst auf die zwei große Kojen füllende Kollektivausstellung des formenstrengen, symbolhaften Landschaftsmalers Lüdke hingewiesen. Zum erstenmale stellt Lüdke auch Studien aus, die von der Eindringlichkeit seiner Naturwiedergabe zeugen. Dazu gesellt sich eine Kollektivausstellung des in München lebenden Schweizers Frey-Mook, dessen fantastische Figurenkompositionen auf den ersten Blick einen Schüler Stucks vermuten lassen. Der Künstler hat zwar seine Ausbildung bei Diez in München genossen, ist aber in der Behandlung von Form und Farbe, wie in der Wahl seiner Stoffe, von Stuck beeinflußt.
Mit einer großen Zahl seiner bekannten an Böcklin gemahnenden romantischen Landschaften ist der Schweizer Hermann Rüdifühli vertreten, während Professor Alexander Franz mit mehreren eindrucksvollen figürlichen Darstellungen hervorragt. Professor Gregor von Bochmann – Düsseldof zeigt ein markig und tieftonig vorgetragenes Oelbild „Bauer und Pferd“. Wilhelm Schreuer ein meisterhaftes Raumbild, Professor Max Volkhart den sehr interessanten Entwurf zu dem Vorhang eines Freilicht-Theaters, Professor Fritz von Wille eine ganze Anzahl großer Eifellandschaften und L. C. Wessel, Düsseldorf außerordentlich feine Blumenstücke und Stillleben. Frau E. Küstner, die Gattin des Leiters unserer Bonner Universitäts-Sternwarte, überrascht durch kraftvollen Vortrag und Blühen der Farbe in ihren Landschaften, der Bonner Karl Nonn erweist sich aufs neue als ein feinsinniger Schilderer der Eifel und des Schwarzwaldes, dem auch W. Fischel neue künstlerische Reize abzugewinnen versteht. [...]
Die Ausstellung wurde im Auftrage des Herrn Oberbürgermeisters Spiritus durch Hrn. Beigeordneten Gehlen eröffnet, der sie in seiner Ansprache als einen Markstein der Entwicklung unseres Bonner Kunstlebens bezeichnete.
Wehrbund. Die Abteilung des Kgl. Gymnasiums hatte am Samstag folgende Aufgabe zu lösen. Fort Vaux und Douaumont sind im Sturm und Nahkampf zu erobern bezw. vom Gegner zu halten. Ihre Lage ist auf 2 Hügeln des Kathenberges durch Flagge und Begrenzung kenntlich gemacht. Der Sturmtruppe, die durch Ersteigen von Bäumen (Fesselballons) und Schleichpatrouillen Lage und Stärke der Besatzung ermittelte, gelang es durch gedecktes, lautloses, ineinandergreifendes konzentrisches Vorgehen ihrer Hauptmacht gegen Fort Vaux dieses zu nehmen. Der Sturm hatte jedoch ihre Kräfte derart geschwächt, daß sich Douaumont behaupten konnte.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Dienstag, 28. November 1916
14.800 Weihnachtspakete für rheinische Truppen haben die hiesigen Vaterländischen Vereinigungen als Anteil der Stadt Bonn an den 110.000 Stück, die auf den ganzen Regierungsbezirk entfallen, zu liefern. 14.800 sauber und liebevoll herzurichten, ist gewiß keine Kleinigkeit, und da alles am 1. Dezember schon versandbereit sein muß, herrscht jetzt in den Geschäftsräumen der Vaterländischen Vereinigungen im zweiten Stock des Gebäudes der Diskontogesellschaft, wo der weitaus größte Teil hergerichtet wird, die regste Tätigkeit. 18 Soldaten und 22 Damen sind den ganzen Tag über bis zum späten Abend tätig, den wackeren Kämpfern an der Front eine kleine Weihnachtsfreude zu bereiten. Der Inhalt eines jeden Pakets hat den Wert von etwas über 4 Mark. In jede Pappschachtel kommen eine gefüllte Zigarrentasche mit aufgedruckter Widmung der Vaterländischen Vereinigungen, dazu noch eine Düte mit Zigarren, etwas Keks, Schreibpapier, Liederbuch, ein gedruckter Weihnachtsgruß und eine Karte für etwaige Mitteilungen an die Vaterländischen Vereinigungen, außerdem noch die verschiedensten anderen Sachen, Zigaretten, Zigarettendose, Pfeife mit Tabak und Feuerzeug, elektrische Taschenlampe, Hosenträger, Taschentuch, ein Karten- oder anderes Spiel, Mundharmonika, Kamm, Kleider- oder Zahnbürste, Spiegel, Nähzeug, Brieftasche, Taschenmesser oder dergl. Die Räume, in denen all diese Sachen untergebracht sind, gleichen, obwohl die Hälfte schon verpackt ist, dem Lager eines ansehnlichen Geschäfts. Der größte Teil der Gegenstände ist in Bonn gekauft worden, das Geld dafür, 60.000 Mark, haben zur Hälfte die Stadtverordneten bewilligt, die anderen 30.000 Mark bringen die Vaterländischen Vereinigungen auf. So soll, da auch in anderen Städten in ähnlicher Weise gearbeitet wird, jeder deutsche Land- und Marinesoldat sein Weihnachtspaket aus der Heimat erhalten. Dafür, daß die Gaben rechtzeitig ihren Empfänger erreichen, sorgen die Militärbehörden, die alles tun werden, um Verzögerungen zu vermeiden. Pakete für bestimmte Empfänger nach den Wünschen der Angehörigen können dabei natürlich nicht angefertigt werden. Die 14.800 Weihnachtspakete der Stadt Bonn müssen, wie schon erwähnt, am 1. Dezember fertiggestellt sein. Sie werden dann, in 150 bis 170 große Kisten verpackt, einen besonderen Eisenbahnwaggon füllen. Der Zug, der die Gaben zur Front führt, wird von den Stadtverordneten Kalt und Simon begleitet werden. Unseren tapferen Landsleuten mögen diese Gaben eine herzliche Weihnachtsfreude bereiten, und das Bewusstsein, zu dieser Freude beigetragen zu haben, mag für alle Helfer und Helferinnen der Vaterländischen Vereinigungen der schönste Lohn sein.
Ein Besuch in den Räumen der Vaterländischen Vereinigungen gibt auch einen kleinen Einblick in die sonstige gewaltige Tätigkeit. Da ist die Hauptkasse der Vereinigungen. An sie werden zu Weihnachten besonders große Anforderungen gestellt – auch die Kriegerwitwen und –waisen sollen wieder beschert werden -, deshalb seien alle Vaterlands- und Menschenfreunde an sie erinnert. Eine große Kartothek gibt Auskunft über alle Verwundeten, die in die hiesigen und in die Lazarette der Umgebung aufgenommen worden sind, und über ihren Verbleib. Die Goldankaufstelle ist schon von 2000 Einwohnern besucht worden und hat bereits eine ansehnliche Goldmenge dem Goldschatz der Reichsbank zuführen können, sie möchte dem Vaterland freilich noch viel mehr Gold vermitteln. Dann werden die verschiedensten alten und neuen Gegenstände hier gesammelt, Bücher, Kleidungsstücke, Wollsachen usw. Kurz, überall, wohin man sieht, wird hier für das Vaterland gearbeitet.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Verein Mädchenhort. „Wie heiße ich?“ ruft eine große, schöne Puppe, welche im Schaufenster eines Blumengeschäfts ausgestellt ist, allen Kindern Bonns zu. Der Wunsch, sie zu besitzen, läßt gewiß manches Kinderherz höher schlagen und veranlaßt hoffentlich Scharen von Großen und Kleinen, sich an dem lustigen und gewinnbringenden Rätselraten zu beteiligen. Denn der Verein „Mädchenhort“, der sich mit diesem „Preisrätsel“ an die Gebefreudigkeit seiner Bonner Mitbürger wendet, hat einen klingenden Erfolg seines Unternehmens dringend nötig. Seit Kriegsbeginn gewährt er über 100 Kindern täglich Aufenthalt und einer Anzahl von ihnen auch mittags Beköstigung. Die im Vergleich zur Friedenszeit bedeutend vermehrten Ausgaben haben naturgemäß an seinem bescheidenen Vermögen sehr gezehrt. Deshalb bedarf der „Mädchenhort“ mehr denn je der Hilfe gütiger Gönner. Durch die 50-Pfennig-Scherflein für ein Puppenlos hofft er es u. a. ermöglichen zu können, seinen Kindern eine Weihnachtsfreude zu machen und jedem von ihnen eine nützliche Gabe unter den Christbaum zu legen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Zur Lebensmittelversorgung in Bonn.
Gegenwärtig nimmt wohl die Frage der Milchversorgung in Bonn am meisten die Beachtung der Einwohnerschaft in Anspruch. Wenn auch hier eine Einschränkung erfolgt, so geschieht dies nur zum Wohle der Kinder, Kranken und Altersschwachen. Die neue Regelung der Milchversorgung tritt am 1. Dezember in Kraft. Die einzelnen Bestimmungen werden in einer Bekanntmachung im Anzeigenteil einer der nächsten Nummern unserer Zeitung bekanntgegeben werden. Es dürfte vielleicht angebracht sein, nochmals darauf hinzuweisen, daß vom 1. Dezember d. J. ab Milch nur noch gegen Milchkarten abgegeben werden darf, und daß gegen den Verstoß harte Strafen angedroht werden. Wer versorgungsberechtigt ist und noch nicht im Besitze einer Milchkarte sich befindet, sorge schnell für die Anmeldung in der Milchversorgungsstelle im Gebäude der Universität am Hof neben dem Geschäft von Etscheid. Die Ausgabe der Milchkarten selbst erfolgt am Mittwoch, Donnerstag und Freitag dieser Woche, nach Buchstaben geordnet.
Außer dieser Verordnung wird demnächst eine Verordnung erscheinen über Höchstpreise für Milch. Die Preisfestsetzung konnte noch nicht erfolgen, da die Verhandlungen zwischen den Provinzen Hannover, Westfalen und der Rheinprovinz in dieser Frage noch nicht zu einem Ergebnis gekommen sind. Der Kleinhandelshöchstpreis für Vollmilch in Bonn wird auf 40 Pfg. festgesetzt werden, unter der Voraussetzung, daß die Milch in die Häuser gebracht wird. Der Preis für Milch frei Gehöft des Erzeugers wird auf 32 Pfg., frei Bahnstation des Empfängers auf 34 Pfg. oder für Milch, die durch den Erzeuger frei Verkaufsstelle oder frei Verkaufsstelle des Großhändlers geliefert wird, 36 Pfg.
Für sterilisierte Säuglingsmilch wird ein besonderer Preis festgesetzt werden. Auch für Magermilch wird ein Höchstpreis angeordnet werden und zwar werden 18 Pfg. für das Liter festgesetzt werden. Der Preis ist so gering, weil man darauf hinwirken will, möglichst viel Vollmilch zu erhalten. Buttermilch wird ohne Karte abgegeben werden können.
Die Abgabe von Milch erfolgt nach Kundenlisten. Diese erhält der Milchhändler vom Lebensmittelamte überwiesen, und er hat nur nach dieser Liste zu liefern.
Das Lebensmittelamt hat in der Milchversorgung alles getan, was in seinen Kräften lag, wenn nun, wie es bei einer so umfangreichen und schwierigen Arbeit gar nicht anders ausbleiben kann, sich Fehler herausstellen sollten, so ist von dem guten Verständnis der Einwohnerschaft zu erwarten, daß sie sich in solchen Fällen vertrauensvoll an das Lebensmittelamt wenden, das die nötige Abhilfe schaffen wird. So ist z. B. dafür gesorgt, daß wenn ein Milchmangel für den einen oder den anderen Säugling eintreten sollte, an der städtischen Milchversorgungsstelle Am Hof die erforderliche Milch abgeholt werden kann. Das Verfügungsrecht über kondensierte Milch ist ebenfalls der Stadt vorbehalten.
Eine kleine Einschränkung wird auch die Zuckermenge erfahren. Die von der Reichszuckerstelle der Stadt für die Bevölkerung überwiesene Zuckermenge ist um 20 Prozent herabgesetzt worden. Die Zuckerration wird daher vom 1. Januar von 750 Gramm auf 700 Gramm für die Person und den Monat herabgesetzt werden müssen.
Die Kriegsküchen erfreuen sich einer stets wachsenden Teilnehmerzahl; sie ist weiter gestiegen und zwar auf 3700. Mit 920 Teilnehmern steht die Universitätskriegsküche an zweiter Stelle, nur Poppelsdorf hat mehr, nämlich 930 Teilnehmer. Für den Studentenspeisesaal sind 391 Karten gelöst worden.
Die neuen Lebensmittelkarten werden voraussichtlich am 10. Dezember ausgegeben werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Mittwoch, 29. November 1916
Viehzählung. Außer der Volkszählung findet am 1. Dezember im Deutschen Reich auch eine Viehzählung statt. Sie erstreckt sich auf Pferde, Rindvieh, Schweine, Ziegen und Federvieh. Die Militärpferde werden nicht gezählt. Die Ergebnisse der Viehzählung dienen lediglich der Zwecken der Staats- und Gemeindeverwaltung und der Förderung wissenschaftlicher und gemeinnütziger Aufgaben, wie Hebung der Viehzucht. Insbesondere soll dadurch ein Einblick in die Fleischmenge gewonnen werden, die durch heimische Viehzucht für die Volksernährung verfügbar werden. Zu anderen Zwecken, insbesondere zu Steuerzwecken, dürfen die Angaben nicht genutzt werden.
Die Lichtspiele im Stern bringen diese Woche zwei Neuheiten: den zweiten Teil der Komödie „Engelein“, Engeleins Hochzeit, mit Asta Nielsen in der Hauptrolle, und das Schauspiel „Marias Sonntagsgewand“, in dem die bekannte Tänzerin Olga Desmond auftritt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Über die Ursache der Kartoffelknappheit äußert sich der Geschäftsbericht des Rheinischen Bauernvereins in sehr interessanten Ausführungen. Das Auftreten dieser Kalamität in den Städten und den Industriezentren gab Gelegenheit, den Ursachen auf die Spur zu gehen. Außer der Streckung des Brotes mit Kartoffeln und den vermehrten Verbrauch von Kartoffelfabrikaten wird auch das völlige Fehlen der sonst in Westdeutschland eine Rolle spielenden Einfuhr als Ursache der Kartoffelnot angesehen. Der Verein hat nach gründlicher Untersuchung den zuständigen Stellen Vorschläge unterbreitet, wie für die Folge diese unerfreulichen Zustände zu vermeiden sind. Für die abermalige Kalamität in diesem Herbst sind neben der Verzögerung der Kartoffelernte durch ungünstiges Wetter und ganz besonders infolge Mangels an ausreichenden Hilfskräften, die verfehlten Maßnahmen im Frühjahr bezüglich Saatkartoffeln verantwortlich gemacht worden. Eine schwere Gefährdung auch der nächstjährigen Kartoffelernte erblickt der Verein in dem vor wenigen Wochen abermals ergangenen Verbot der Lieferung von Saatkartoffeln.
Weihnachtsbescherung der Angestellten. Die in Deutschland seit undenklichen Zeiten eingebürgerte Sitte, zum Weihnachtsfest die Angestellten, insbesondere das Hauspersonal, durch Geschenke zu erfreuen, wird in diesem Jahre, wie uns der „Verband Deutscher Waren- und Kaufhäuser“ schreibt, durch die Einführung der Bezugsscheine für Webwaren sehr erschwert werden. Während in den Friedensjahren die beschenkten Personen durch die Gaben überrascht werden sollten, wird es jetzt notwendig, daß man sich, sofern es sich um Bekleidungsgegenstände handelt, mit dem Beschenkenden in Verbindung setzt, um seine Wünsche zu erfahren. Die zu Beschenkenden müssen sich mit Bezugsscheinen versehen und sie alsdann den Geschenkgebern behändigen, damit diese die Waren rechtzeitig besorgen können. Dadurch wird es vermieden, daß anstelle der sonstigen Gebrauchssachen Gegenstände verschenkt werden, die immerhin als entbehrlich gelten können.
Das Ers.-Bataillon Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 25 zu Coblenz bittet im Interesse der Angehörigen im Felde um Zusendung von Weihnachtsliebesgaben. Die Annahme erfolgt von heute ab auf dem Zahlmeistergeschäftszimmer des Bataillons zu Coblenz-Lützel, neue Trainkaserne, Stabsgebäude, bis einschließlich 15. Dezember 1916. Es können nur Liebesgaben mit allgemein bestimmter Adresse, z. B.: „Für 1. Komp. Res.-Inf.-Regt 25. oder: „10 Mann des Res.-Inf.-Regts 25“ angenommen werden. Alle Sendungen mit persönlicher Adresse kann das Bataillon zur Weiterleitung nicht annehmen. Diese Sendungen sind bei den Postämtern oder bei den nächsten Militärpostannahmestelle aufzugeben.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Wissenschaftliche Vorträge. Am Donnerstag Abend findet im Bonner Bürgerverein ein eingeschobener Vortrag über Finnland statt (mit Lichtbildern). Der Redner, Herr Professor Oehquist, ist Professor der deutschen Sprache und Literatur an der Universität Helsingfors. Als Finnländer kennt er seine Heimat, das Land der 1.000 Seen, besser als irgend ein anderer. Auf Finnland lastet die russische Herrschaft ebenso schwer wie auf Polen oder wie die englische auf Irland. Darum verdient dieses ebenso schöne wie unglückliche Land im jetzigen Kriege unsere innigste Anteilnahme. Näheres ergeben die heutigen Anzeigen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)
Donnerstag, 30. November 1916
Volks- und Viehzählung. Am morgigen 1. Dezember findet eine allgemeine Volks- und Viehzählung statt. Die Volkszählung hat den Zweck, die ortsanwesende Bevölkerung – das ist die Gesamtzahl der in der Nacht vom 30. November auf den 1. Dezember innerhalb der Stadt ständig oder vorübergehend anwesenden Personen – zu ermitteln. Dabei gilt als entscheidender Zeitpunkt die Mitternacht, so daß von den in dieser Nacht Geborenen oder Gestorbenen die vor Mitternacht Geborenen und nach Mitternacht Gestorbenen mitzuzählen sind. Die namentliche Aufzeichnung der anwesenden Personen erfolgt in Haushaltungslisten. Zur Eintragung sind die Haushaltungsvorstände oder in deren Abwesenheit ihre Vertreter verpflichtet. Für jede Haushaltung ist eine besondere Haushaltungsliste bestimmt. Als Haushaltung gelten die zu einer wohn- und hauswirtschaftlichen Gemeinschaft vereinigten Personen einschließlich der Zimmermieter ohne eigene Hauswirtschaft und Schlafgänger (gleichgültig, ob sie Beköstigung empfangen oder nicht) und einschließlich der zu Besuch oder aus anderen Gründen in der Haushaltung anwesenden Personen. Einzeln lebende Personen, die eine besondere Wohnung haben und eine eigene Hauswirtschaft führen, haben eine besondere Haushaltungsliste auszufüllen. Die Gäste von Gasthäusern und Herbergen, sowie die Insassen von Anstalten aller Art (Kasernen, Klöster, Erziehungs-, Versorgungs-, Kranken-, Strafanstalten, Gefängnissen usw.) sind besonders zu zählen. Die Bemannung und Fahrgäste eines Schiffes, die Bewohner eines Wagens und dergl. sind ebenso wie die Teilhaber einer regelmäßigen Haushaltung anzusehen. Einzutragen sind alle Personen ohne Ausnahme ob Inländer oder Ausländer, Militär- oder Zivilpersonen oder Kriegsgefangene. Für Personen, die sich in der Nacht vom 30. November auf den 1. Dezember in verschiedenen Wohnungen aufgehalten haben, gilt die eigene Wohnung oder, wenn nur fremde Wohnungen in Frage stehen, diejenige Wohnung, in der sie sich zuletzt aufgehalten hat, als Nachtquartier. Personen, die in der bezeichneten Nacht in keiner Wohnung übernachtet haben, wie Reisende, Wanderer, Posten usw. Eisenbahn- und Postbedienstete, über Nacht beschäftigte Arbeiter, Krankenpersonal, Wächter usw. werden in die Haushaltungsliste derjenigen Haushaltungen eingetragen, bei der sie am Vormittage des 1.12.16 zuerst ankommen. Bei allen vor dem 1.12.1899 geborenen männlichen Reichsdeutschen ist das gegenwärtige Militärverhältnis anzugeben und ob sie Militärpension oder Militärrente aus Anlaß des gegenwärtigen Krieges erhalten. Vor der Ausfüllung der Haushaltungslisten sind die Erläuterungen auf der ersten und der letzten Seite durchzulesen. Besondere Sorgfalt ist der Eintragung der Angaben über den Beruf zu widmen und dabei genau nach der Anleitung zu verfahren. Die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben ist durch Unterschrift zu bescheinigen. Haushaltungslisten ohne Unterschrift gelten als nicht abgegeben. Die erforderlichen Haushaltungslisten werden durch Zähler oder durch Zählerinnen vor dem 30. November zugestellt und am Nachmittage des 1., 2. oder 3. Dezember wieder abgeholt. Die Zählpapiere sind bis zum 4. Dezember durch die Zähler an das Volkszählungsbureau Friedrichsplatz 1 (Sitzungszimmer der Städtischen Sparkasse, 1. Stock), wo auch jede gewünschte Auskunft erteilt wird, wieder abzugeben. Wer bis zum 30, November abends kein Formular erhalten hat, ist verpflichtet, sich ein solches am 1. Dezember auf dem Volkszählungsbureau abzuholen, es unverzüglich auszufüllen und wieder einzusenden. Ebenso hat derjenige, bei dem das zugestellte Formular bis zum 3. Dezember abends nicht abgeholt ist, es unverzüglich dem Volkszählungsbureau einzusenden.
Bei der Volkszählung findet zugleich eine Viehzählung statt. Die Zählung erstreckt sich auf Pferde, (ohne Militärpferde) Rindvieh, Schafe, Schweine, Ziegen und Federvieh. Wer in der Nacht vom 30. November auf den 1. Dezember Vieh dieser Art in Gewahrsam hat, ist verpflichtet, es am 1. Dezember den Zählern anzugeben. Dabei ist es gleichgültig, wer der Eigentümer des Viehes ist. Auf längere Zeit eingestelltes Vieh wird wie eigenes behandelt. Am Zähltage vorübergehend abwesendes Vieh ist bei der Haushaltung zu zählen, zu der es gehört. Am 1. Dezember verkauftes Vieh ist stets beim Verkäufer, nicht beim Käufer zu zählen. Schlächter, Metzger und Händler haben auch das bei ihnen stehende oder im Laufe des Zähltages eintreffende und in der Nacht vom 30. November zum 1. Dezember unterwegs gewesene zum Schlachten oder Verkauf bestimmte Vieh anzugeben, sofern es nicht etwa erst am Zähltage gekauft wird. Das mit Eisenbahn in der Nacht zum 1. Dezember beförderte Vieh ist durch den Begleiter unverzüglich nach Entladung in Bonn auf dem Geschäftszimmer Friedrichsplatz 1 unter Angabe der Unterarten anzugeben. Viehherden sind dort zu zählen, wo sie sich auf Weiden oder in Fütterung, wenn auch vorübergehend, befinden, und zwar bei der Haushaltung desjenigen, in dessen Obhut oder Pflege sie stehen, auch wenn es nicht der Eigentümer ist. Viehbesitzer, die bei der Zählung übergangen sind, haben die Bestände ohne weitere Aufforderung unter Angabe der Zahl und Arten bis zum 3. Dezember auf dem Geschäftszimmer Friedrichsplatz 1, 1. Stock anzuzeigen.
Für falsche Angaben wird bei der Volkszählung Geldstrafe bis zu 1500 Mark, bei der Viehzählung Gefängnisstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 10.000 M. angedroht.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Unsinnige Gerüchte. Auf dem Lande ist zurzeit wieder allenthalben das Gerücht verbreitet, die Hausschlachtungen würden noch vor Weihnachten verboten. Infolgedessen hat ein großes Schweineschlachten eingesetzt und es wird jetzt manches Schwein zu früh abgeschlachtet. Die Gerüchteverbreiter sind anscheinend Händler, die die kleinen Züchter dadurch veranlassen wollen, ihnen die Schweine zu verkaufen. Man lasse sich durch solche Gerüchte nicht beirren; niemand denkt an ein Verbot der Hausschlachtungen.
Der Kleingeldmangel. Trotz der im Umlauf befindlichen großen Mengen an Kleinzahlungsmitteln in Silber-, Nickel-, Eisen- und Kupfermünzen, sowie Darlehenskassenscheinen zeigt sich stellenweise ein auffälliger Mangel an Kleingeld, der nach amtlicher Wahrnehmung seine Ursache in absichtlichen Hemmungen hat. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß verschiedentlich Kleingeld ohne jeden Anlaß mit Absicht zurückgehalten wird. Ein solches Verfahren verdient die schärfste Missbilligung, da es dem Zahlungsverkehr erhebliche Schwierigkeiten bringt. Muß einerseits dafür gesorgt werden, daß bei größeren und kleineren Sammlungen, bei denen viele kleine Beträge eingehen, die Sammler und Sammelstellen das erhaltene Kleingeld alsbald einwechseln und dem Verkehr wieder zuführen, so hat andererseits auch jeder Einzelne die unbedingte Pflicht, die kleinen Zahlungsmittel im vollem Umfange weiterzugeben. Erfahrungsgemäß können Hemmungen im Zahlungsverkehr leicht preissteigernd im Warenhandel wirken. Hiergegen würde allerdings mit allem Nachdruck eingeschritten werden. Um aber auch andere empfindliche Rückwirkungen zu verhindern, muß Jeder im eigensten Interesse den ungestörten Umlauf der kleinen Zahlungsmittel unterstützen und darauf achten, daß Kleingeld nicht gesperrt wird. Ersparnisse gehören zur Verhinderung von Verlusten in die Sparkassen und Banken, dort bringen sie Zinsen und sichern den Besitz.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der Revolver des Wachmannes. Vom Landgericht Bonn ist am 31. Juli der Vorarbeiter Jakob H. und dessen 15jähriger Sohn Matthias wegen fahrlässiger Tötung zu je einem Monat Gefängnis verurteilt worden. Der Vater war als Aushilfsmann für eine Abteilung russischer Kriegsgefangener tätig und führte einen geladenen Revolver bei sich. Als er am Ostersonntag, den 23. April 1916, nachhause kam, legte er den Revolver in einen im Wohnzimmer stehenden Geldschrank und zwar in Manneshöhe in eine Ecke. In diesem Schrank lagen auch Unterhaltungsbücher. Der Revolver war gesichert, der Schrank blieb unverschlossen. Um 2 Uhr, als der Angeklagte H. sen. im Nebenzimmer schlief, war dessen Sohn Matthias nachhause gekommen. Er kam mit einem 18 Jahre alten Freunde B. in das Wohnzimmer, suchte nach einem Buche und fand dabei den Revolver, den er herausnahm. Die Mutter sagte, er solle ihn fortlegen, aber er tat es nicht und spielte sitzend mit der Waffe weiter, wobei er sie unbewusst entsicherte. B. wollte ihm nun den Revolver wegnehmen. Dabei entlud sich dieser und der Schuß traf B. so unglücklich, daß er tot zu Boden sank. Das Gericht hat nicht nur den Sohn, sondern auch den Vater für den Erfolg verantwortlich gemacht, weil der Vater, obwohl er wußte, daß sein Sohn nachhause kam, den Revolver an einer leicht zugänglichen Stelle verwahrte. In der vom Vater eingelegten Revision wurde der Nachweis versucht, daß seine Handlungsweise nicht eine Ursache für den eintretenden Erfolg gesetzt habe. Das Reichsgericht verwarf jedoch heute das Rechtsmittel als unbegründet.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)