Sonntag, 1. September 1918
Die Ortskohlenstelle hat zur ordnungsgemäßen Abwickelung der Kohlenversorgung, ähnlich wie auch beim Lebensmittelamt für bestimmte Lebensmittel seit längerer Zeit der Fall ist, vom 1. Oktober ab die Kundenliste vorgeschrieben. Die Verbraucher haben sich nach den heute veröffentlichten Bekanntmachungen bis zum 14. September bei einem Brennstoffhändler in die Kundenliste eintragen zu lassen. Voraussetzung der Eintragung ist, daß sie sich im Besitze eines Ausweises zum Bezuge von Brennstoffen (Kohlenkarte, Bezugsschein usw.), die von der Ortskohlenstelle auf Antrag ausgestellt werden, befinden. Auf Grund der Zuteilung des Reichskommissars für die Kohlenverteilung wird die Brennstoffversorgung der Stadt Bonn im nächsten Winter äußerst beschränkt sein. Der Zweck der Einführung der Kundenliste ist, die geringen Brennstoffmengen, welche der Stadt Bonn zugeteilt sind, möglichst gleichmäßig auf die Bezugsberechtigten zu verteilen. Nicht bezugsberechtigt und deshalb nicht eintragungsberechtigt in die Kundenlisten sind diejenigen Haushaltungen, welche einen Vorrat an Brennstoffen besitzen, insbesondere diejenigen, welche Briketts im Wege des Landabsatzes bezogen haben. Um in dieser Hinsicht eine genaue Uebersicht zu erhalten, wird vom 9. September ab durch die Angestellten und Beauftragten der Ortkohlenstelle eine Prüfung in allen denjenigen Haushaltungen stattfinden, welche nicht der Ortkohlenstelle das Vorhandensein von Vorräten bereits gemeldet haben oder bis zum 7. September melden.
Zwei russische Kriegsgefangene, darunter ein Offizier, wurden in der Nacht zum gestrigen Samstag auf der Rheinbrücke angehalten und festgenommen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Was Staatssekretär v. Hintze sagt. Lic. Weber in Bonn hatte im Namen der Evang. Arbeitervereine an Staatssekretär v. Hintze ein Schreiben gerichtet und darin die Bitte ausgesprochen, die leitenden Staatsmänner möchten doch mehr als bisher in der Oeffentlichkeit kraftvoll und entschieden gegen unsere Feinde auftreten, weil davon die Stimmung breiter Schichten unseres Volkes abhängig sei. Darauf hat er folgende Antwort bekommen: „Euer Hochwürden bestätige ich dankend den Eingang Ihres gefl. Schreibens vom 19. d. Mts. Sie haben sehr recht: wir müssen alles tun, um die Stimmung unseres Volkes zu heben. Dabei darf uns die Kirche nicht im Stich lassen; von der Kanzel herab müßte die Zuversicht auf eine siegreiche Beendigung des Krieges gestärkt werden. Ich bin glücklich, in diesem großen Ziele auf Ihre Mitarbeit rechnen zu können. Hintze.“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Vom Vorgebirge wird uns geschrieben: Zur Zeit durchziehen Vertreter von Delikatessengeschäften, Hotels usw. unsere Ortschaften und suchen feines Tafelobst aufzukaufen. Sie bieten für auserlesene Ware ganz unsinnige Preise, Preise von 2,50 Mark bis 3 Mark pro Pfund werden gerne von ihnen bezahlt. Daß dieselben infolge solcher Preise nicht leer ausgehen und die Vorgebirgler sich dadurch zur verbotenen Ausfuhr verleiten lassen, ist leicht verständlich.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 2. September 1918
Ein Hindenburgturm. Auf dem Venusberg stand früher ein hölzerner Aussichtsturm, der sogen. Bismarckturm. Er war ein Geschenk des verstorbenen Herrn Kommerzienrats Rolffs und bot einen selten schönen Blick auf unsere Stadt, das Rheintal und die Berge des Westerwaldes und der Eifel. Bei dem Vorsitzenden des Verschönerungs-Vereins für Bonn und Umgebung, Rechtsanwalt Fel. Jos. Klein, ist nun, wie dieser uns mitteilt, angeregt worden, schon jetzt als eine Zukunftsaufgabe den Plan zu erörtern, einen steinernen Aussichtsturm auf dem Venusberg zu schaffen. Da der große Reichskanzler seinen Turm in der Gronau habe, möge man ihn Hindenburg- oder Gedächtnisturm nennen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Neunte deutsche Kriegsanleihe. Das Erzbischöfliche Generalvikariat zu Köln erläßt im Kirchlichen Anzeiger einen Aufruf, dem wir folgendes entnehmen: Im Laufe des Monats September ergeht abermals an das deutsche Volk die Aufforderung, durch Teilnahme an der Kriegsanleihe die Mittel zu bewilligen, um den armseligen Krieg einem baldigen glücklichen Ende und einem ehrenvollen Frieden entgegen zu führen. Das gute Gelingen dieser neuen Kriegsanleihe ist für unser Vaterland von ganz besonderer Bedeutung und Wichtigkeit. Deshalb müssen alle Kräfte im Dienst des Vaterlandes aufgeboten und angespannt werden, um dieses glückliche Gelingen herbeizuführen. Gerade diesmal gilt es, die vielfach verbreiteten falschen Gerüchte und allerlei Vorurteile, welche der guten Sache schädlich sind, mit aller Macht zu zerstreuen. Wir hegen die feste Zuversicht, daß die Herren Geistlichen in ihrem bewährten und allseitig anerkannten Eifer nicht nachlassen, sondern umso rühriger und eifriger arbeiten und wirken werden, je wichtiger gerade das Gelingen dieser Anleihe ist.
Gleichzeitig ersuchen wir die Kirchenvorstände, die etwa noch bereitstehenden Kirchengelder im Interesse des Vaterlandes bereitwillig zur Zeichnung auf die neue Kriegsanleihe zu verwenden.
Der Bonner Fußball-Verein e. V. eröffnete gestern seine Spielzeit mit einem Spiele gegen seinen alten Ligagegner, den Essener Turnerbund e. V. und siegte nach wunderschönem Spiel mit 4:1. Auch die 2. Mannschaft hatte einen schönen Erfolg. Sie gewann gegen eine zusammengesetzte Mannschaft des Bonner Ballspiel-Vereins gleichfalls mit 4:1. Unserem alten, angesehenen Sportverein sind weitere Erfolge zu wünschen. Unter rühriger Leitung ist er stets bestrebt gewesen, idealen Sinn in unserer Jugend wachzuhalten. Besonders in der jetzigen Zeit verdient seine erzieherische Arbeit volle Beachtung. Der Verein verlor bisher 40 Mitglieder durch den Tod vor dem Feinde, sehr viele besitzen hohe Auszeichnungen und erreichten selbst höhere militärische Grade.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Kartoffelausgabe. Die Kartoffelkarten Nr. 10 und 11 müssen bis spätestens 7. September 1918 eingelöst werden, da in der Woche vom 9. bis 15. September 1918 die Kartoffelkarte Nr. 11 nur noch für Militärurlauber und Neuzugezogene Gültigkeit hat.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Dienstag, 3. September 1918
Neue Höchstpreise für Milch treten am 15. September in Kraft. Danach kostet in der Zeit vom 15. September bis 1. Oktober das Liter Milch bei Abgabe an den Verbraucher in der Verkaufsstelle 48 Pfg., bei Zustellung ins Haus 50 Pfg., das Liter Flaschenmilch bei Abgabe an den Verbraucher in der Verkaufsstelle 50 Pfg., bei Zustellung ins Haus 52 Pfg. In der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Januar sind die vorstehenden Höchstpreise um je 4 Pfg. höher, in der Zeit vom 1. Februar bis 31. März sind sie weitere 6 Pfg. höher und in der Zeit vom 1. April bis 15. Mai entsprechen sie den Preisen vom 1. Oktober bis 31. Januar. Am Friedensmaßstab gemessen erscheinen die Höchstpreise natürlich sehr hoch. Sie sind aber trotzdem durch die teueren Milchviehpreise, die außerordentlich hohen Futtermittelpreise und die Erhöhung der gesamten anderen Betriebskosten der Landwirtschaft begründet. Trotz der vielen Schwierigkeiten ist es unserer Stadt möglich gewesen, die Milchversorgung bisher noch einigermaßen gut durchzuführen. Hierzu tragen wesentlich die städtische Abmelkwirtschaft und die bei Milchbauern untergebrachten Leihkühe bei.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Lohnfrage der Städt. Arbeiter. In einer am Sonntag, 1. September, im Lokale Röver, Wilhelmstraße, stark besuchten Versammlung sämtlicher städtischen Arbeiter, wurde nach den Ausführungen von Bezirksleiter Becker-Köln und Gauleiter Heintz-Düsseldorf folgende Entschließung angenommen:
Die heute im Lokale des Herrn Röver versammelten städtischen Arbeiter und Arbeiterinnen beauftragen den Verband der Gemeinde- und Staatsarbeiter und den Zentralverband der Gemeinde-Arbeiter und Straßenbahner gemeinschaftlich mit den Arbeiterausschüssen der Stadtverwaltung eine Eingabe zu unterbreiten, in welcher eine Lohnzulage von 2 Mark pro Tag für alle Arbeiter und Arbeiterinnen gefordert werden. Des weiteren werden die Verbände und Arbeiterausschüsse ersucht, darauf hinzuwirken, daß den städtischen Arbeitern und Arbeiterinnen für den kommenden Winter Schuhe zu angemessenen Preisen verabfolgt werden.
Ein kleines Erlebnis in Bonn. Eine Leserin schreibt uns: Die Szene spielt in der Elektrischen, die das bekannte Bild bietet: bis auf den letzten Platz gefüllt, viele Frauen mit Körben und Taschen, scheinbar auf der Jagd nach Lebensmitteln. Zwei Herren sind in eifriger Unterhaltung über „die Lage“ begriffen. Auf der einen Seite laute Zweifel an dem guten Ausgang der Sache, während von der anderen Partei, einem Herrn mit blitzenden Augen, in markigen Worten der sichere Sieg prophezeit wird. „Wir halten durch und der Sieg ist unser“ – so schließt er laut und überzeugend seine Rede. Ueber das – übrigens recht rundliche – Gesicht des Flaumachers zieht ein spöttisches Lächeln und er meint: „Sehen Sie doch ringsum auch das ungläubige Lächeln der Fahrgäste.“ – Da aber erhebt sich ein einfaches altes Mütterchen und ruft mit lauter Stimme: „Und ich vertraue auf unsere braven Truppen da draußen, mein Junge ist ja auch dabei!“ Großer Beifall, auch von Seiten des Herrn Flaumachers, lohnte die alte Frau für ihr famoses Verhalten. Das war die rechte Antwort am rechten Platz, möchte sie doch allen Miesmachern so zuteil werden. – Hoch klingt das Wort der braven Frau!
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der Gedanke der Schaffung eines neuen Aussichtsturmes auf dem Venusberg, der, wie uns Rechtsanwalt Fel. Jos. Klein als Vorsitzender des Verschönerungsvereins für Bonn und Umgebung mitteilt, bei diesem angeregt worden ist, kann natürlich erst in entferntester Zukunft eine Verwirklichung finden, ist aber doch schon jetzt erörterungsfähig. Wie bekannt, schenkte der verstorbene Herr Kommerzienrat Rolffs der Kommune den hölzernen „Bismarckturm“, der jedoch schließlich dem Zahn der Zeit zum Opfer fiel. Der Wunsch ist naheliegend, einen steinernen Turm mit gleich prachtvoller Aussicht auf Bonn, das Rheintal und die näheren und entfernteren Berge wiederzugewinnen. Bonn-Stadt und Bonn-Land würde gewiß gern zu ihm, einem „Hindenburg“- oder „Gedächtnis“-Turm, beisteuern.
Das ehemalige Kloster der „Grauen Schwestern in Grau-Rheindorf“, welches bei der Säkularisation vor 100 Jahren aufgehoben wurde, wird in Bälde in moderner Gestaltung wieder aufleben. Infolge der Mildtätigkeit des jetzigen Besitzers, des Rentners und Gutsbesitzers J. Birkheuser ist es den Franziskanerinnen aus dem Mutterhaus Olpe, welche in hiesiger Stadt schon mehrere Krankenhäuser bezw. Niederlassungen besitzen, überlassen mit der Bestimmung, in Grau-Rheindorf ambulante Krankenpflege zu üben, die Kinderbewahranstalt zu leiten und eine Haushaltungsschule für schulentlassene Mädchen einzurichten; nach dem Kriege soll noch stattlicher Neubau, der den durch Alter oder den Krieg geschwächten Personen Aufenthalt und in dem zugehörigen Terrain Beschäftigung bezw. Erholung bieten soll, die „Birkheuser Stiftung“ krönen. Durch die Bemühungen des Pfarrer Beyhoff ist die kirchliche und staatliche Genehmigung für die Niederlassung mit den genannten Zwecken bereits erteilt und werden die Schwestern schon in einigen Wochen in dem jetzigen Gebäude, das augenblicklich provisorisch eingerichtet wird, ihren Einzug halten. Es ist erfreulich, daß das, was vor 100 Jahren in den napoleonischen Wirren vernichtet worden, in dem jetzigen Weltkrieg, der sonst so vieles zerstört, auf diese Weise hier wieder aufgerichtet wird. Den Stadtteil Grau-Rheindorf dürfte die Stiftung nach ihrer Vollendung zur Zierde und der dortigen Bevölkerung sicher zum Segen gereichen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Mittwoch, 4. September 1918
Zum Besten des Heimatfronttheaters des 8. Armeekorps findet am morgigen Donnerstag im Rheinhotel Dreesen in Godesberg ein Konzert des Koblenzer städtischen Orchesters unter Leitung des Bonner Musikdirektors Jos. Werth statt.
„Groß-Bonn“ am Markt hat in seinem neuen Programm wieder mehrere ganz vorzügliche Nummern. Den Reiz der Neuheit kann Rolando mit seinem Entfesselungsakt unter Wasser für sich in Anspruch nehmen. Dem Manne werden von Leuten aus dem Zuschauerraum Hände und Beine mit Ketten gefesselt, er wird dann in einen mit Wasser gefüllten Glaskasten gelegt, dessen Deckel abgeschlossen und der Schlüssel durch ein kleines Loch in den Behälter geworfen. Unter Wasser befreit er sich von seinen Fesseln, schließt mit dem hineingeworfenen Schlüssel selbst seine Zelle auf und kann dann nach einem Unterwasseraufenthalt von wenigstens drei Minuten erst wieder Luft schöpfen. Käthe Pohl nennt sich „Deutschlands beste Fangkünstlerin“. Das mag nicht übertrieben sein; sie arbeitet außerordentlich sicher, wirbelt beispielsweise mit acht Bällen auf einer Trommel und fängt jeden zurückschnellenden Ball unfehlbar wieder auf, alles das mit einer durch keine unschönen Körperverrenkungen gestörten Anmut. Recht schöne Schaustücke sind auch die Phantasietänze von Thea Schwarz und Milly Capells „Weidmannsheil“, von zwei Damen und einem Pudel dargestellte sog. Marmorbildgruppen. Ferner treten auf die fesche Wiener Subrette Rosl Loisl, der geschickte humoristische Schnellzeichner und Imitator Ferry Zimmer und der bayerische Komiker Heinz Ehnle mit teils nicht schlechten, teils allerdings recht faulen Witzen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Ein Gemüsedieb wurde auf dem Kasernengelände an der Friedrichstraße gestern Nacht auf frischer Tat erwischt. Er erhielt eine tüchtige Tracht Prügel, worauf man ihn laufen ließ.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Verkauf von Speisefett. Auf die Abschnitte Butter und Fett der Speisefettkarte werden in dieser Woche insgesamt 50 Gramm Butter auf den Kopf der Bevölkerung verausgabt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Donnerstag, 5. September 1918
Die höheren Milchpreise, die wir vorgestern mitgeteilt haben, sind schon am 1. September in Kraft getreten.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die Gaseinschränkung der Verbraucher. Das Oberbürgermeisteramt teilt mit: Infolge ausreichender Kohlen-Belieferung des städtischen Gaswerkes konnte die nächtliche Gassperre bis auf weiteres aufgehoben werden. Um Irrtümer vorzubeugen, wird darauf hingewiesen, daß die Aufhebung der Gassperre nicht auch die Aufhebung der Gaseinschränkung bedeute. Auch weiterhin muß sparsamst mit dem Gasverbrauch umgegangen werden; die von dem Reichs-Kommissar für die Kohlen-Verteilung z. Zt. angeordnete Gaseinschränkung bleibt bestehen. Nach wie vor dürfen also nur die gleichen Gasmengen wie im Kalenderjahr 1916 verbraucht werden. Für Mehrverbrauch tritt das Aufgeld von 50 Pfg. für jeden Kubikmeter ein, das vierteljährlich für 3 Monate zusammengerechnet erhoben wird.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Flaumachen.
Von C. Hauptmann.
Eine ganz ungewöhnliche Menge von Eingesandt ist uns seit Sonntag in Betreff der städtischen Kohlenverordnung zugegangen. Wir veröffentlichen deshalb eine derselben für alle übrigen. Es heißt darin:
„Im vorigen Winter habe ich von der Stadt nicht die mir zustehende Kohlenmenge rechtzeitig erhalten können, so daß ich jämmerlich frieren mußte. Ich war genötigt, meine Speisen auf dem Gasofen zuzubereiten, dafür strafte mich die Stadt mit einer empfindlich hohen Geldstrafe. Das Gas war überdies so schlecht, daß man viel mehr verbrauchen mußte, wie vorher. Wer verdient da Strafe, die Stadt oder ich?
Durch Schaden klug gemacht, suchte ich im Laufe des Sommers an Briketts zu kommen. Davon war Ueberfluß, man konnte sie nur nicht transportieren. Dadurch gelang es mir, nach und nach eine kleinere Quantität Briketts zusammen zu bringen, allerdings mit hohen Kosten, die ich auf mich nahm, um von der Stadt Bonn im Winter nicht wieder bestraft zu werden, wenn sie mir keine Kohlen liefern konnte. Nun las ich heute folgende Verordnung:
„Wer Brennstoffe besitzt, ist verpflichtet, die Art und Menge des eingelagerten Brennstoffes bei der Anmeldung zur Kundenliste anzugeben.
Wer verschweigt, daß er Brennstoffe eingelagert hat oder die Menge unrichtig angibt, wird gemäß § 5 dieser Verordnung in Strafe genommen. Außerdem können die Brennstoffmengen, welche über die nach §§ 4 und 5 der Verordnung vom 26. April 1918 zustehenden Mengen hinausgehen, auf Kosten des Betreffenden weggenommen und der allgemeinen Verwendung zugeführt werden.
Die Angestellten und Beauftragten der Ortskohlenstelle sowie die Polizeiverwaltung sind berechtigt, alle Räume, insbesondere die Keller, jederzeit zu betreten, um den Bestand an Brennstoffen festzustellen. Alle Räume, in welchen Brennstoffe lagern, sind dabei vorzuzeigen und evtl. ist dem Prüfer jede Auskunft über Brennstoffe zu geben. Für ausreichende Beleuchtung der Räume ist Sorge zu tragen.
Die ausreichende Beleuchtung soll wahrscheinlich zur Ueberschreitung der Gasmenge mit darauffolgender Strafe führen.
Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieser Bekanntmachung und gegen die Vorschriften und Anordnungen, welche vom Oberbürgermeister auf Grund dieser Verordnung noch zu erlassen sind, werden mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe bis zu 10.000 Mark oder mit einer dieser Strafen bestraft. Ferner kann auf Einziehung der Brennstoffe erkannt werden, auf die sich die Zuwiderhandlung bezieht, ohne Unterschied, ob sie dem Täter gehören oder nicht.“
Nun wären diese Strafen verständlich, wenn ein Kohlenhamster die Allgemeinheit dadurch schädigte. Aber das ist gar nicht der Fall, die mangelnde Transportgelegenheit ist nur die Ursache, daß wir hier in Bonn nicht mehr Briketts haben. Ich nütze also der Allgemeinheit, wenn ich mir für den Winter Brennstoff beschaffe, ich kann dann besser auf die städtischen warten oder komme auch durch, wenn ich ihre nicht erhalte. Die Konsequenz dieser Verordnung ist doch nur die, daß umgekehrt die Herren Stadtverordneten bestraft werden müssen, wenn sie mir die versprochenen Kohlen nicht liefern. Strafen ist allerdings sehr leicht, dazu gehören gar keine Kenntnisse. Die Stadtverordneten sollten aber einmal darüber nachdenken, welchen Erfolg eine solche Verordnung hat. Der ärgste Flaumacher ist nicht im Stande, eine so unheilvolle Stimmung zu erzeugen, wie eine solche Verordnung.“
Soweit die Zuschrift, die ungefähr denselben Inhalt wie die übrigen besitzt. In allen wird betont, daß es unbegreiflich sei, daß bei den gegenwärtigen Zuständen solche Verordnungen zu Stande kommen, die nur zu sehr dazu geeignet sind, jede patriotische Stimmung zu töten.
„Es ist sehr hübsch, wenn unsere Stadtverordneten,“ heißt es in einem anderen Eingesandt, patriotische Reden an der Arndteiche halten und mit Orden für ihre patriotische Tätigkeit während des Krieges geschmückt werden, aber darauf paßt die Kohlenverordnung wie eine Faust auf ein Auge. Sie waren im vorigen Winter nicht fähig, uns genügend Kohlen zu liefern, sie wollen jetzt ihre Fähigkeit im Strafen zeigen.“
Was hier gesagt wird, ist klar genug und leider richtig. Im ganzen Reich macht sich übrigens die Empörung Luft über das, was der Bureaukratismus bei uns verbricht, den man als unseren Feind im eigenen Land bezeichnet. […]
Vor einigen Wochen war von einem fleißigen Manne – er muß Sinn für Satire haben oder auch ein Bureaukrat sein – festgestellt worden, daß wir seit Kriegsbeginn mit über 38.000 Bestimmungen, Verfügungen und ähnlichem bedacht worden sind. Das spricht tatsächlich Bände! […]
Die Kehrseite bilden aber die Organe, deren Zahl natürlich die Märchenziffer von 38.000 weit überschreitet, die berufen worden sind, oder sich berufen fühlen, die Bestimmungen zur Ausführung zu bringen. Viele tun es, um ihre Existenzberechtigung nachzuweisen. Hier setzen der Bureaukratismus, die Schikane, der Dünkel ein, und zwar auch bei der Ausführung der wenigen tatsächlich notwendigen Kriegsbestimmungen, wie bei der Rationierung der Lebensmittel, bei einem Teil des Bezugsscheinwesens und anderen. Die Kriegsbestimmungen haben es mit sich gebracht, daß eine Unzahl gar nicht dazu geeigneter Menschen sich als Vorgesetzte ihrer Mitbürger betrachten und aufspielen. […]
Unsere Staatsbehörden sollten sich indessen klar darüber sein, daß diese Schikanen, die zur Vergiftung der allgemeinen Stimmung führen, unterbunden werden müssen. Das sind Dinge, die in die Mappe „Eilt“ gehören. Es ist zunächst zweierlei nötig. Einmal die Prüfung, wieviele der 38.000 Kriegsbestimmungen fortfallen können. Sagen wir einmal rund 37.900. Von dem so freiwerdenden Personal könnte die zweite Forderung erfüllt werden, nämlich die ausführenden kleinen Beamten und Beamtinnen bei ihrem Verkehr mit dem Publikum unter schärfste Aufsicht zu stellen und jede Schikane rücksichtslos zu unterdrücken. Dabei käme für die Armee ganz automatisch ein schöner bonus heraus: von dem dann noch freibleibenden Personal könnte eine stattliche Armee aufgestellt werden. Sie könnte ihr Mütchen am Feinde kühlen, die Heimat würde von Plagegeistern befreit, die Stimmung im Lande um 100 Prozent gehoben werden. Das wäre immerhin schon ein Erfolg.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Leitartikel)
Freitag, 6.September 1918
Eine Kuh wurde gestern nacht in der Kaiserstraße von einem Manne getrieben. Als ein Polizeibeamter nach dem Woher und Wohin sich erkundigen wollte, lief der Mann fort und ließ die Kuh im Stich. Das Tier ist vorläufig in einen Stall des städtischen Schlachthofes gebracht worden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Buchenlaub als Tabakersatz zu Wucherpreisen. Die Korrespondenz der rhein. Landwirtschaftskammer bemerkt: Wenn Firmen geschnittenes und getrocknetes Buchenlaub als einen guten Rauchtabak, und zwar zu einem Preise verkaufen, der die Friedenspreise für echten Tabak um ein Mehrfaches übersteigt, und wenn dieser schwunghafte Handel sich ungestört unter den Augen der zur Wucherbekämpfung berufenen Behörden vollzieht, so muß man sich doch fragen, wer am meisten zu bedauern ist, die Käufer, die um ihr Geld betrogen werden, oder die Behörden, die es nicht fertig bringen, einem solchen unerhörten Schwindel Einhalt zu gebieten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Anmeldung von Schweinen, die zur Hausschlachtung bestimmt sind, hat nach der Anordnung des Staatskommissars für Volksernährung, die in unserem heutigen Blatt veröffentlicht ist, bis zum 15. ds. Mts. zu erfolgen. Die Anmeldung hat mündlich auf dem Lebensmittelamt, Abteilung 11, Am Hof Nr. 7, zu geschehen. In ihrem eigensten Interesse werden die Besitzer von Schweinen auf die Notwendigkeit der Anmeldung besonders aufmerksam gemacht, da sonst die erforderliche Genehmigung zur Hausschlachtung späterhin nicht erteilt werden kann.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Samstag, 7. September 1918
Vermehrung des Turnunterrichts. Die Einführung der dritten verbindlichen Turnstunde in den Volksschulen ist jetzt vom Unterrichtsminister für die Mittel- und Oberstufe auch der Volksschulen grundsätzlich angeordnet worden. Die dritte Stunde soll besonders den volkstümlichen Uebungen, Bewegungsspielen, Turnmärschen und anderen Leibesübungen im Freien, Eislauf, Rodeln und dergleichen, zugute kommen. Wo die Schulunterhaltungspflichtigen für Schwimmunterricht sorgen, können dafür auch Turnstunden benutzt werden.
„Ich bin der Dichterfürst und vollständig berechtigt, mir Darlehen zu verschaffen und mir alle Gegenstände anzueignen, wie es mir beliebt, keine Macht der Erde kann mich dafür bestrafen“, erklärte gestern vor der Strafkammer der aus Bonn gebürtige 41 Jahre alte Kellner und „Schriftsteller“ Willy Meurer, der in ganz Deutschland schon unzählige Male wegen Betrügereien und Diebstählen verurteilt worden ist und jetzt eine Gesamtzuchthausstrafe von acht Jahren zu verbüßen hat. Er hatte im Mai 1915 aus der Kleiderablage eines Königswinterer Gasthofes einen Ueberzieher gestohlen und sich im Dezember 1915 im hiesigen Hamburger Hof, wo er als „Dr. Helbig“ abgestiegen war, von der Kellnerin auf einen wertlosen Ring 8 Mark „geliehen“. Beide Straftaten gab er ohne weiteres zu, er blieb aber dabei, ich, dem Dichterfürsten, sei so etwas erlaubt. Er verwahrte sich entschieden gegen die Zumutung, etwas geisteskrank zu sein, seine Dichtungen könnten für seinen gesunden und starken Geist zeugen; als aber dann ein ärztliches Gutachten verlesen wrude, daß er tatsächlich nicht geisteskrank sei, sondern simuliere, und als der Staatsanwalt daraufhin weitere 2½ Jahre Zuchthaus gegen ihn beantragte, behauptete er, es beständen noch drei andere Gutachten, in denen er für geisteskrank gehalten werde, und beantragte, diese Gutachten heranzuziehen. Das Gericht entsprach dem Antrage des Dichterfürsten und vertagte die Verhandlung.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Der Bonner Wochenmarkt war gestern verhältnismäßig schlecht beschickt. […] Wie bisher überhaupt, so war auch gestern wieder auf dem ganzen Markt, außer beim städtischen Verkauf etwas beschlagnahmte blaue Pflaumen, kein Obst, keine Zwiebeln und keine gelbe Salatbohnen zu finden. Im allgemeinen war der Verkauf recht flott. Unser Großmarkt auf dem Stiftsplatz hatte auch gestern wieder fast keine Zufuhren. Der städtische Verkauf auf dem Wochenmarkt hatte recht regen Zuspruch, besonders in grünen Bohnen und Weißkohl, die Auswahl an Waren ließ aber auch hier viel zu wünschen übrig. Von Weißkohl wird bis auf weiteres noch jede gewünschte Menge abgegeben, von Woll- und Stangenbohnen dagegen nur zwei Pfund pro Person gegen Warenkarte. Außerdem waren nur noch Karotten, Dillkraut und ausnahmsweise eine kleine Menge beschlagnahmter blauer Pflaumen zu haben, die selbstverständlich im Augenblick vergriffen waren.
Kaffeemühlen dürfen nicht mehr verkauft werden. Nach einer Verordnung des stellv. Generalkommandos und des Herrn Gouverneurs der Festung Köln dürfen Kaffeemühlen aller Art in den Geschäften nicht mehr feilgehalten werden. Die Kaffeemühlen müssen sofort aus dem Verkehr gezogen werden. Zuwiderhandlungen werden mit Gefängnis bis zu einem Jahre, bei mildernden Umständen mit Haft oder Geldstrafe bis zu 1500 Mark bestraft.
Auf einem Rheindampfer hat dieser Tage ein Feldgrauer mehrere 100 große Stücke wohlriechender Seife den Fahrgästen für 4 Mark das Stück verkauft. Erst nachdem er ausgestiegen war, merkte einer der Fahrgäste, daß er mit einem Holzstückchen in einer dünnen Seifenschicht begaunert worden war.
Bei dem Gewitter, das gestern nachmittag über unsere Gegend zog, sind auf der Landstraße zwischen Mehlem und Rolandswert vier Kinder, die sich unter einen Baum geflüchtet hatten, vom Blitz getroffen worden. Dabei wurden ein Junge und zwei Mädchen getötet. Ein Kind ist schwer verletzt in das Kloster Maria Hilf nach Mehlem gebracht worden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die bargeldlose Zahlung, eine Forderung der Stunde. Die Ortsgruppe Bonn zur Förderung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs schreibt uns: Die Veredelung der Zahlungssitten steht an Bedeutung in nichts nach der Goldsammelbewegung oder der Kriegsanleihepropaganda; denn „der einzige Vorsprung, den England sich vor unserer Geldwirtschaft im Kriege bewahrt hat, liegt auf dem Gebiete des Umlaufs der papierenen Zahlungsmittel“. […]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Fleisch.
Am Samstag dieser Woche werden in den Metzgergeschäften Rindfleisch, Kalbfleisch, Leberwurst und Blutwurst verkauft.
Die Woche vom 9. bis 15. September d. Js. ist fleischlos. Am Samstag der kommenden Woche wird infolgedessen Fleisch nicht ausgegeben.
In Gast-, Schank- und Speisewirtschaften dürfen Fleisch und Fleischwaren, die der Anrechnung auf die Fleischkarte unterliegen, in der fleischlosen Woche nicht abgegeben werden.
Kranke erhalten Fleisch, wie in der letzten fleischlosen Woche, in dem Geschäfte des Metzgermeisters Fendel, Sternstraße Nr. 33, während den Krankenanstalten das Fleisch durch ihre bisherigen Metzger zugewiesen wird.
Fett.
Auf die Abschnitte Butter und Fett der Speisefettkarte werden in der kommenden Woche insgesamt 50 Gramm Butter verteilt. […]
Die Abmeldung der Dienstmädchen
vom Lebensmittelbezuge muß auch dann geschehen, wenn anstelle der ausgetretenen Person sofort wieder eine neue tritt. Die Meinung, die Abmeldung erübrige sich, wenn die in der Lebensmittelkarte eingetragene Personenzahl die gleiche bleibt, ist irrig. Die Umschreibung ist vielmehr unbedingt notwendig, denn das fortziehende Mädchen muß eine Bescheinigung über sein Ausscheiden aus der Lebensmittelversorgung der Stadt Bonn haben, weil es sonst anderwärts nicht versorgt wird. Das eintretende Mädchen muß in der Kartenausgabestelle durch eine Bescheinigung nachweisen, daß es die Lebensmittelkarten in seinem früheren Wohnort abgegeben hat. Ueberhaupt müssen alle Veränderungen im Hausstand in der Kartenausgabestelle unverzüglich angegeben werden.
Schuhwaren.
Wiederholt sind in letzter Zeit berechtigte Klagen über Mißstände im Schuhwarenhandel und über Schuhausbesserungen laut geworden. Schuhwaren, die auf der Ware selbst oder auf einem mit der Ware festverbundenen Begleitschein den Namen oder die Firma sowie den Ort des Herstellers, den Kleinverkaufspreis, den Monat und das Jahr der Anbringung vorgenannter Angaben nicht enthalten, dürfen unter keinen Umständen zum Verkauf gestellt werden. Bedarfsscheinpflichtiges Schuhwerk darf an den Verbraucher nur gegen Abgabe eines Schuhbedarfsscheines überlassen werden. Schuhwarenhändler sind verpflichtet, das auf den Schein bezeichnete Schuhwerk solange sie es in Besitz haben, zu den festgesetzten Kleinverkaufspreisen abzugeben. Ein Tauschhandel, der an die Hergabe von Schuhwaren gegen Lieferung von Speck, Eiern, Butter u. dergl. gebunden ist, ist verboten. Es ist bei Schuhwarenhändlern die Meinung aufgetaucht, daß derartige Dinge als „Geschenke“ entgegengenommen werden dürfen. Dies trifft durchaus nicht zu. Bei solchen Tauschgeschäften setzt sich der Schuhwarenhändler oder die Verkäuferin der Gefahr einer Bestrafung aus. Jeder Schuhwarenhändler ist ferner verpflichtet, vor Ueberlassung bedarfsscheinpflichtigen Schuhwerks von dem Empfänger die Vorlegung eines Ausweises über seine Person zu verlangen und zu prüfen.
(Volksmund, Rubrik „Nachrichten des städtischen Lebensmittelamtes.“)
Sonntag, 8. September 1918
Der Verein Bonner Wandervögel gab am Donnerstag für die Verwundeten des Res.-Laz. II im Leoninum einen Unterhaltungsabend. Instrumentalvorträge wechselten mit Duoszenen und Kuplets. Die Leistungen waren durchschnittlich gut und die Verwundeten spendeten den fidelen Wandermädels und –Buben herzlichen Beifall.
Jugendliche Obstdiebe treiben jetzt allenthalben in der Stadt ihr unverschämtes Wesen. Am hellen Tage übersteigen sie Hecken und Mauern und schleppen das Obst sackweise fort. Sehr beliebt ist der Garten des Kollegium Leoninum. Gestern gelang es, einige Burschen, die dort eingestiegen waren, auf frischer Tat zu erwischen. Sie erhielten unbarmherzige Keile.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Möbelstücke und Metalle aller Art, Papier, Stoffabfälle, Frauenhaar, Korken, Gummi, Hartgummi, Celluloid (alte Kämme), weißes Glas, Wein- und Medizinflaschen, Obstkerne, Roßkastanien, Bucheckern, Eicheln usw. nimmt die Sammelstelle, Am Hof 1, (Universitätsgebäude) sowohl gegen Bezahlung als auch unentgeltlich entgegen. Auf Wunsch werden die Gegenstände abgeholt.
Verwundetenfürsorge. Durch die Freigebigkeit einiger unserer Mitbürger war es am Donnerstag den Insassen der Augenklinik und des angegliederten Lazaretts ermöglicht, in Stärke von etwa 130 Personen einen Ausflug nach der Rheininsel Grafenwerth zu machen. Eine Militärkapelle und Gesangsvorträge sorgten für hübsche Unterhaltung. Angenehm überrascht waren die Teilnehmer über die überaus reiche Fülle der Blumen, die gerade bei diesem Ausflug die Kaffee- und Abendtafel zierten. Der Ausflug löste bei allen Teilnehmern große Freude aus.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 9. September 1918
Neues Operettentheater. Lehars volkstümlichste Operette „Die lustige Witwe“ ist das nächste musikalische Werk, das uns die Direktion bietet. Herr Direktor Steffter hat selbst die Inszenierung übernommen und die Hauptpartien mit den beliebten Kräften besetzt. Da sich die Operette Der Pußtakavalier noch immer größter Zugkraft erweist, wird erstmals am Mittwoch Die lustige Witwe in Szene gehen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Ein Bonner als erfolgreicher Kampfflieger. Im bulgarischen Heeresbericht ist in letzter Zeit der Kampfflieger Fizler öfters genannt worden. Es handelt sich um den deutschen Vizefeldwebel Gerhard Fieseler, Sohn des Besitzers der Buch- und Kunstdruckerei August Fieseler in Bonn. Daß der Name vom Wolffschen Bureau mehrfach nicht richtig wiedergegeben ist, dürfte sich aus der bulgarischen Schreibart erklären. Vizefeldwebel Fieseler steht im 22. Lebensjahr und befindet sich im zweiten Jahr an der mazedonischen Front. An Kriegsauszeichnungen besitzt er das Eiserne Kreuz 1. Klasse, das bulgarische goldene Tapferkeitskreuz 1. Klasse mit Schwertern, ferner drei weitere bulgarische Orden. Vor dem Kriege war er in Köln in der Firma M. Du Mont Schauberg, Verlag der Kölnischen Zeitung, tätig.
Städtisches Victoriabad. Die Männerschwimmhalle ist von heute ab für die Benutzung wieder geöffnet. Dienstags und Freitags steht die Männerschwimmhalle weiblichen Personen zur Verfügung. Der Preis für ein Einzelbad beträgt jetzt 50 Pfg., für Kinder unter 14 Jahren 30 PFg. Dauer- und Zehnerkarten sowie Wäsche und Seife werden nicht verabfolgt. Das städt. Freibad wird geschlossen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Unwahre Gerüchte. Auch in hiesiger Gegend gibt es leider vaterlandslose Gesellen beiderlei Geschlechts, die sich darin zu gefallen scheinen, unwahre Gerüchte zu verbreiten, oder was noch schlimmer ist, feindliche Propaganda zu betreiben.
Es handelt sich dabei entweder um törichte Schwätzer oder um bezahlte feindliche Agenten. Es ist die höchste Zeit, daß diesen Personen gründlich das Handwerk gelegt wird, ehe sie weitern Schaden anrichten: denn leider, es gibt immer noch Leute, die auf alles hereinfallen und alles, was sie irgendwo auf der Straße und in der Elektrischen aufgeschnappt haben, weitererzählen, als sei es verbürgte Wahrheit.
Ein Fall, der aber noch aufgeklärt werden wird, hat sich kürzlich in einem Dorf in der Nähe von Mehlem zugetragen: Kehrt da ein Mensch in eine Wirtshaus ein und scheut sich nicht, neben andern dummen Redensarten auch die Behauptung aufzustellen, es sei gut, wenn die Franzosen hierher kämen, dann hätte alles Leid ein Ende usw. In diesem Falle handelte es sich um einen Mann, der, wie er selbst gesagt hat, für einen kriegswirtschaftlichen Betrieb reklamiert ist. Leider ist es verabsäumt worden, diesem Vaterlandverräter sofort das Maul zu stopfen oder wenigstens seinen Namen festzustellen: hoffentlich gelingt es, durch die gegebenen Anhaltspunkte ihn noch nachträglich der verdienten strengen Bestrafung entgegenzuführen.
So etwas ist auch nur in Deutschland möglich, wo leider immer noch viele feindliche Ausländer unbehelligt ihrem Gewerbe nachgehen können: sie sind naturgemäß vielfach die willkommenen Helfer für den feindlichen Nachrichtendienst und seine Lügenpropaganda, drum Michel, werde hart! Scheue dich nicht, immer und überall dich als Deutschen zu bekennen, der nicht gewillt ist, die deutschen Interessen von jedem beliebigen Schurken gefährden zu lassen. v. G.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Dienstag, 10. September 1918
Festgenommen wurde ein 18jähriger Seemann und ein 28jähriger Kriegsinvalide, die in Bonn und Umgebung mehrere Diebstähle ausgeführt haben. Ferner wurde ein 26jähriger Fabrikarbeiter festgenommen, der in Verdacht steht, in der Nacht zum 5. September das Schaufenster eines Schneidermeisters an der Breite Straße zertrümmert und für 10- bis 15.000 Mark Stoffe gestohlen zu haben. Ein Mittäter ist in Köln festgenommen worden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Im Vergnügungspalast Groß-Bonn tritt gegenwärtig der Entfesselungskünstler Rolando auf. Er läßt sich von Herren aus dem Publikum fesseln und wird dann mit einer Winde hochgezogen und in einen mit Wasser gefüllten Glasbehälter getaucht. Vom Zuschauerraum aus kann man die Anstrengungen Rolandos verfolgen, sich seiner Fesseln zu entledigen. In wenigen Minuten schon entsteigt der Künstler, von den Ketten befreit, seiner Wasserzelle. Großem Interesse begegnen auch die Marmorgruppen von Willy Capell, die prächtige Jagdbilder darstellen. Erstaunlich ist die Dressur des mitwirkenden Hühnerhundes, der in allen sieben Bildern so unbeweglich dasteht, als ob er aus Marmor gehauen wäre. Weitere hübsche Nummern bieten Ferry Zimmer als humoristischer Zeichner und Tierstimmen-Nachahmer, die Fangkünstlerin Käthe Pohl, die Wiener Stimmungs-Soubrette Rosl Loisl und Thea Schwarz als Phantasietänzerin. Der bayrische Komiker Heinz Ehnle ist von früher bestens bekannt.
Die Preise des Viktoriabades. In verschiedenen Zuschriften aus der Bürgerschaft werden die Benutzungsbedingungen der Männerschwimmhalle des Viktoriabades als sehr ungünstig bezeichnet. Man findet die Preise recht wenig volkstümlich. Es wird angeregt, die Stadtverordneten möchten die Preise einer Nachprüfung unterziehen.
Zigarettenschwindel. Wie uns versichert wird, gelangen hier neuerdings Zigaretten zu 15 Pfg. zum Verkauf, die völlig „nikotinfrei“ sind. Die Verbraucher seien auf dieses einheimische Wiesen- und Waldfabrikat besonders aufmerksam gemacht.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Für die kommende Heizperiode 1918/19 muß damit gerechnet werden, daß die für den Hausbrand zur Verfügung stehenden Kohlenmengen nur dann gerade genügen werden, wenn sie mit alleräußerster Sparsamkeit verwendet werden. Eines der wichtigsten Momente zur Erzielung von Kohleersparnissen im Hausbrand ist die sachgemäße Instandsetzung der Feuerungsanlagen vor der Inbetriebnahme. In den verflossenen vier Kriegswintern mußten naturgemäß vielfach Instandsetzungsarbeiten mit Rücksicht auf den Materialmangel und den Mangel an geschulten Fachkräften unterbleiben, so daß in vielen Fällen die Heizungsanlagen sich in einem Zustand befinden, der für den kommenden Winter zu Bedenken Anlaß geben kann. Es empfiehlt sich, mit den dieses Jahr mehr wie früher erforderlichen Instandsetzungsarbeiten an Heizungseinrichtungen möglichst schon jetzt zu beginnen, damit sich diese zu Anfang der Heizperiode wieder in gebrauchsfähigem und betriebssicherem Zustand befinden. In vielen Fällen werden diese Instandsetzungsarbeiten einen verhältnismäßig geringen Aufwand erfordern, solange die Heizungen noch nicht in Betrieb genommen worden sind. Es hat sich schon im letzten Jahr gezeigt, daß die Zahl der Reparaturaufträge an Heizanlagen nach Beginn der kalten Witterung bei den zuständigen Geschäften und Firmen so groß war, daß nur ein kleiner Teil der reparaturbedürftigen Heizungen fachgemäß hat instand gesetzt werden können, ein Zustand, der in diesem Jahr nach Möglichkeit vermieden werden muß.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Mittwoch, 11. September 1918
Kartoffeln und Fleisch
Kartoffel-Versorgung.
[...]
Leider ist die Kopfmenge auch diesmal wieder nur auf sieben Pfund die Woche festgesetzt worden. Das ist in dieser Zeit großer Versorgungsschwierigkeiten zweifellos zu wenig, und überall erheben sich Forderungen, diese Wochenmenge auf mindestens zehn bis zwölf Pfund zu erhöhen. Das wird jedoch voraussichtlich ein frommer Wunsch bleiben. Einmal läßt sich die Ernte noch gar nicht übersehen. Denn die feuchte Witterung der letzten Wochen hat der Herbstkartoffelernte zweifellos geschadet. In einzelnen Bezirken greift die Kartoffelfäule bereits um sich. Dann aber müssen neben den Speisekartoffelmengen große Bestände an Kartoffeln den Kartoffeltrocknereien zugeführt werden, um Kartoffelmehl für die Brotstreckung zu bekommen, und auch den Spiritusbrennereien, um den recht erblichen Heeresbedarf an Spiritus zu decken.
[...]
Die fleischlosen Wochen, von denen wir die zweite erleben und noch zwei weitere vom 30. September bis 6. Oktober und vom 21. bis 27. Oktober durchzumachen haben, werden von der Bevölkerung noch viel unangenehmer empfunden, als es zunächst den Anschein hatte. Die Zulagen der Kranken und der Schwer- und Schwerstarbeiter bleiben auch während der fleischlosen Wochen bestehen, aber das genügt diesen Gruppen der Bevölkerung auch nicht. Hier in Bonn wird die fleischlose Zeit dadurch besonders unangenehm empfunden, daß unserer Bevölkerung in anderen Wochen mit Rücksicht darauf, daß die Einwohnerzahl keine 100.000 erreicht, nur 150 Gramm Fleisch wöchentlich auf den Kopf zustehen. Und diese 150 Gramm werden trotz aller Vorstellungen auch nicht einmal in vollem Umfange geliefert, denn in der letzten Woche konnten wiederum nur 135 Gramm verteilt werden. [...] Die Vorstellungen des Oberbürgermeisters, die Wochenkopfmenge für die Stadt Bonn auch auf 200 Gramm zu erhöhen, sind abgelehnt worden, da nach den Richtlinien des Landesfleischamtes die Stadt Bonn nicht als industrielle Gemeinde angesehen werden kann. Dabei wird vollends übersehen, daß die Stadt Bonn gegenüber Friedenszeiten eine erhebliche Menge von Industriearbeitern beherbergt, die die Zahl 20.000 überschreiten und vornehmlich in den rechtsrheinischen Kriegsindustrien tätig sind.
Das Lebensmittelamt war in der Lage, in dieser fleischlosen Woche ¼ Pfund Mehl aus seinen Rücklagen als Fleischersatz abgeben zu können und ebenfalls die Kartoffelmenge zu erhöhen. Leider erhalten die Kommunalverbände keine Ersatznahrungsmittel, sondern müssen den Fleischersatz lediglich auch ihren Rücklagen geben.
[...]
Die Kleinbeleuchtung wird in diesem Winter außerordentlich schwierig werden, da die Versorgung der bürgerlichen Bevölkerung mit Leuchtöl sich erheblich verschlechtert hat. [...] Die Sache liegt nun so, daß der Stadt Bonn nur der vierte Teil derjenigen Petroleumenge in diesem Jahr überwiesen wird, die im vergangenen Jahr verteilt werden konnte. Das bedeutet natürlich eine außerordentliche Einschränkung, und diese wird umso unangenehmer empfunden, als viele Familien mit Rücksicht auf etwaigen Fliegeralarm gern ein Petroleumlämpchen für den Kelleraufenthalt zur Verfügung haben möchten. Neben dem Petroleum werden in geringem Maße Kerzen zur Verfügung gestellt und außerdem Kalzium Karbid. Für das Karbid werden in den einschlägigen Geschäften, die noch bekannt gemacht werden, besondere Lampen bereit gehalten. Man rechnet, daß etwa 3 Kilogramm Karbid für eine Lampe vier Wochen reichen. Es sei auch darauf hingewiesen, daß unter Umständen nicht genutzte Fahrradlampen zur Aushilfe herangezogen werden können. Das Lebensmittelamt hat auch sog. Sparlämpchen beschafft und wird diese zum Vertrieb bringen. Diese Sparlämpchen bestehen aus einer mit Docht versehenen Glasröhre mit tulpenförmiger Erweiterung am oberen Ende und können auf jede Medizin- oder andere kleine Flasche aufgesetzt werden, sie brennen in der Leuchtstärke des Nachtlichts und sind äußerst sparsam im Verbrauch. [...]
Lichtbildbühnen. In den Lichtspielen im Stern wird das „Tagebuch einer Verlorenen“, das wir vor einigen Tagen besonders erwähnt haben, noch bis Freitag aufgeführt. Ferner steht auf dem Spielplan u.a. das fünfaktige Schauspiel „Mr. Wu“. – Das Metropol-Theater führt auf die für den Film bearbeitete Novelle „Graf Michael“ den vieraktigen Sport- und Liebesroman „Der Sohn des Hannibal“ und das dreiaktige Lustspiel „Die fromme Helene“.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Bellachini, dieser Name bewährt immer wieder seine Zugkraft bei allen, die sich gerne etwas vorzaubern lassen. Und der Träger dieses Namens, der jetzt im Bürgervereinssaal auftritt, soll allerlei los haben auf seinem Gebiet. Vielleicht kann er seinen Besuchern auch Butter und Speck vorzaubern oder die Z. E. G. [Zentral-Einkaufsgesellschaft] verzaubern.
Die Festbesoldeten im städtischen Lebensmittelausschuß unvertreten. Aus dem Kreise der Bonner Beamtenschaft tritt der Wunsch hervor, gleich der Arbeiterschaft im Lebensmittelausschuß unserer Stadt eine Vertretung zu haben. Diesem Lebensmittelausschuß gehören bis jetzt an die fachkundigen Gruppen der Kolonialwarenhändler, Metzgereien, Bäckereien usw. Außerdem gehören diesem Ausschuß Vertreter der Bonner Frauenorganisationen an. Von den Verbrauchern sind dagegen nur die beiden gewerkschaftlichen Gruppen in dem Lebensmittelauschuß vertreten, und zwar Herr Sollmann als Vertreter der christlichen Gewerkschaften und Herr Kuhnert als Vertreter der freien Gewerkschaften. Es mehren sich nun, wie man uns aus Interessentenkreisen mitteilt, die Stimmen, daß die sogenannten festbesoldeten Beamten, die heute noch weit mehr als die vielfach hochgelobten Arbeiter unter wirtschaftlichen Nöten leiden, ebenfalls im Lebensmittelausschuß vertreten sein möchten. Es wäre sicherlich, namentlich für die minderbesoldete Beamtenschaft, und zwar nicht nur für die Post- und Eisenbahnbeamten, sondern auch für die in den Privatbetrieben tätigen Beamten und Angestellten vielfach von Wert, einen Vertreter ihrer Interessen im Lebensmittelausschuß zu haben. [...]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Erhöhung der Versicherungen. Durch den Krieg ist eine erhebliche Werterhöhung bei Gebäuden, beweglichen Sachen, Viehbeständen, landwirtschaftlichem Gerät, Erntevorräten, Maschinen nebst Zubehörteilen, Werkzeugen sowie bei Rohstoffen und fertigen Waren eingetreten. Mit weiterer Steigerung muß gerechnet werden. Infolgedessen wird auch bei Feuerversicherungen eine Prüfung der versicherten Summen erforderlich sein. Im Schadenfall wird der Schadenermittlung bekanntlich der Wert am Tage des Brandes zugrunde gelegt. Der Vorlage eines vollständigen Antrages oder eines Aenderungsantrages bedarf es meistens nicht, wenn eine Erhöhung in Prozenten beantragt wird.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Donnerstag, 12. September 1918
Neun Pfund Kartoffeln werden in der nächsten Woche in Bonn ausgegeben. Die Kartoffeln können schon am Freitag dieser Woche gekauft werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die Allgemeine Ortskrankenkasse Bonn hielt am Sonntag vormittag im Bonner Hof eine Ausschuß-Sitzung ab. Der Geschäftsbericht für das Jahr 1917, welcher von dem Geschäftsführer Herrn Eickhoff erläutert wurde, wurde zur Kenntnis genommen und dem Vorstande Entlastung erteilt. Der Vorsitzende des Vorstandes, Herr Kalt, gab im Anschluß hieran einen kurzen Ueberblick über die augenblickliche finanzielle Lage der Kasse. Durch das Anwachsen der Erkrankungsfälle gerade in diesem Jahre, welche hauptsächlich durch die Grippe-Epidemie verursacht ist, hat die Kasse ganz bedeutende Mehraufwendungen an Krankengeldern, Arzneimitteln usw. gehabt; es mußte deshalb ein Betrag von 100.000 Mark der Rücklage entnommen werden, um diese Mehraufwendungen decken zu können. Von verschiedenen Ausschussmitgliedern wurde eine sofortige Erhöhung der Beiträge gewünscht; nachdem aber der stellvertretende Vorsitzende des Vorstandes, Herr Wellmann, in längeren Ausführungen den Standpunkt des Vorstandes klar gelegt und geraten hatte, die Beitragserhöhung solange hinauszuschieben bis zu übersehen sei, wie sich die Verhältnisse im nächsten Jahre gestalten würden, erklärte sich der Ausschuß damit einverstanden, daß die Beitragserhöhung erst später ins Auge gefaßt werden soll. [...]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Theaterwagen. Warum fahren nach dem Theater nur Elektrische Wagen bis zum Kaiserplatz und zur Coblenzerstraße? Kann nicht zahlreichen Theaterbesuchern, die in anderen Stadtteilen wohnen, auch Fahrgelegenheit gegeben werden? Theaterwagen zur Argelanderstraße und nach Kessenich würden sich wohl lohnen. Für ältere Leute und zahlreiche Verwundete wären solche im Winter bei Schnee und Regen und der schlechten Beleuchtung sicher angebracht. Weshalb wird die Coblenzerstraße bevorzugt? F. D.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Abgefasster Obstdieb. In der Nacht zum Montag überraschte ein Wächter der Bonn Wach- und Schließgesellschaft einen Soldaten in einem Garten an der Koblenzerstraße beim Obstdiebstahl. Der Dieb hatte einen Sack bereits halb mit Birnen gefüllt. Der Wächter brachte den Mann zum Polizeirevier.
Die anhaltenden Regenschauer kommen dem Landmann ungelegen, der jetzt sein Winterkorn säen soll, wofür er gutes Wetter braucht. Je früher der Roggen in den Boden kommt, desto kräftiger wird die junge Saat sich noch im Herbst entwickeln, wie sie dann auch leichter die Winterkälte überstehen kann.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Freitag, 13. September 1918
Zur Beschlagnahme von Vorhängen. Zu der in diesen Tagen erschienenen Bekanntmachung über die Beschlagnahme von Sonnenvorhängen ist noch folgendes zu bemerken. Die Bestimmungen, wonach Vorhänge in Privathaushaltungen befreit sind, ist vielfach so ausgelegt worden, als ob sämtliche Vorhänge in den Privathäusern von der Beschlagnahme befreit seien. Diese Auffassung ist unrichtig. Innerhalb der Privat-Gebäude unterliegen nur die Behänge in den Haushaltungen keiner Beschlagnahme, dagegen sind alle sonstigen Behänge in Privatgebäuden, z. B. Treppenhaus-Vorhänge in Mietshäusern, ferner Behänge in Fabriken, Banken, Bureauräumen, Waren- und Kaufhäusern, Gasthöfen, Geschäften und sonstigen gewerblichen und kaufmännischen Betrieben grundsätzlich von der Beschlagnahme betroffen.
Die Eintragungen in die Kundenlisten der Kohlenhändler sind bisher noch recht unvollständig. Es sei daran erinnert, daß die Listen am 14. September geschlossen werden. Bis dahin muß sich jeder Einwohner, der Anspruch auf Kohlenzuteilung macht, angemeldet haben, damit Verzögerungen in der Lieferung möglichst vermieden werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Der Hofkünstler Ruchay Bellachini gab gestern abend im Bürgerverein seine Eröffnungsvorstellung. Bellachini weiß seine Kniffe in humorvoller Art vorzuführen und versteht es dadurch ausgezeichnet, die Zuschauer dauernd zu fesseln. Außer den üblichen Taschenspieler-Kunststückchen, Herbeizaubern von Eiern, lebendigem Wild und Geflügel, alles ohne Bezugsschein, bringt Bellachini mit seinem weiblichen „Medium“ Darbietungen aus dem Reiche der „vierten Dimension“, den Spuk à la Resau, sowie interessante Vorführungen auf dem Gebiete der Gedankenfernwirkung, Selbsthypnose usw.
Kohlenversorgung. Unserem Bericht der Ortskohlenstelle ist berichtigend nachzutragen, daß der Gesamtbedarf an Brennstoffen für die Stadt durch die Reichszuweisung nur zu 41,7 Prozent gedeckt ist.
„Kein zerrissener Strumpf mehr.“ In verschiedenen Zeitungen war in letzter Zeit folgende Anzeige zu lesen: „Kein zerrissener Strumpf mehr! Anweisung gegen Einsendung von 2.10 Mark erhältlich.“ Einer, der alles versucht, um eine Fußbekleidung zu erhalten, schickte die verlangten 2.10 Mark ein und erhielt eine hektographisch geschriebene Karte mit folgendem Text: „Gehen Sie barfuß!“
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der Vaterländische Frauenverein Bonn-Land hielt seine diesjährige Generalversammlung am 1. August im Bonner Bürgerverein ab. Nach der Begrüßung durch die Vorsitzende, Frau Geheimrat von Nell, gab diese einen Ueberblick über die diesjährige Tätigkeit des Vereins und führte aus, wie die 3 Arbeitsgebiete des Vereins: Mütter-, Kinder- und Soldatenfürsorge auch im verflossenen Jahre in weitestem Maße gepflegt wurden. Die Mütterfürsorge, wozu auch die Säuglingspflege rechnet, betätigte sich zunächst in der Hauspflege, die ausgiebig von den Müttern in Anspruch genommen wurde; sodann regten Stillprämien, in Form von Nährpräparaten, den Eifer der Mütter an, und durch Verteilung von Wäschestücken wurde nach Kräften der gerade auf diesem Gebiete jetzt großen Not, abgeholfen. Die Neueinrichtung von 10 Kindergärten, die geschickten Leiterinnen anvertraut wurden, und die Ausgestaltung des Kindergartens in Walberberg sind als erfreulicher Fortschritt auf dem Gebiete der Kinderfürsorge zu verzeichnen. In Ausübung der Soldatenfürsorge wurden 1700 Paar Socken und 4064 Weihnachtspakete mit großer Opferwilligkeit von den Vorstandsdamen angefertigt und versandt. Die Gefangenenfürsorge wurde vom Vaterländischen Frauenverein durch nachdrückliche Unterstützung der von der städtischen Zentralstelle dem Verein unterbreiteten Anträge, gefördert. Einen ansehnlichen Ertrag wiesen die Soldaten- und Schwesternspende auf. Das Bonner Mutterhaus vom Roten Kreuz hat seinen vierten Jahresbericht im Druck erscheinen lassen. Herr Dr. von Joest erstattete den Kassenbericht.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Samstag, 14. September 1918
Die Stadtverordnetenversammlung erledigte gestern außer der sehr kurzen Tagesordnung noch vier Anfragen: über die Kleinbeleuchtung, die Beschlagnahme des Martinsbrunnens, die ungerechte Fleischversorgung Bonns und über die Brennstoffversorgung. Ueber die Kleinbeleuchtung und die Brennstoffversorgung konnte die Verwaltung keine hoffnungsfreudigen Angaben machen. Gegen die Einziehung der Figuren des Martinsbrunnens und gegen die ungerechte Fleischzuteilung an die Stadt Bonn wurden einstimmige Einsprüche beschlossen. Wir verweisen auf unseren ausführlichen Bericht.
Jugendliche dürfen vom 16. September, dem Beginn der Winterzeit, ab nach 7 Uhr abends nicht mehr zwecklos auf den Straßen sich aufhalten.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Höchstpreise für feuerfeste Materialien. Am 14. September 1918 ist eine Bekanntmachung erschienen, durch die Höchstpreise für feuerfest Materialien (Silika- und Chamottesteine sowie Mörtel) festgesetzt werden. Der Wortlaut der Bekanntmachung ist in der heutigen Ausgabe abgedruckt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die städt. Volksunterhaltungsabende beginnen am Sonntag, den 29. September, mit der Aufführung von Beethovens köstlichem Septett, dem mehrere Gesangsquartette für Sopran, Alt, Tenor und Baß von F. Mendelsohn und K. Kahn, dargeboten von einem doppelt besetzten Soloquartett, vorhergehen und nachfolgen. Dadurch, daß auch die Hauptprobe vorm. 11½ Uhr desselben Tages öffentlich ist, wird weitesten Kreisen Gelegenheit geboten, das Septett, das wegen der Schwierigkeit der Besetzung leider so verhältnismäßig selten dargeboten wird, wieder einmal nach seiner letzten Aufführung auf einem früheren Beethovenfeste anzuhören.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Miesmacher. In einem Zug in Richtung Köln vereinigten drei Miesmacher ihre Ansichten über die Lage im Westen. Da das Geschwätz zu albern war, um der Widerlegung zu bedürfen, schweigen die übrigen Insassen des Abteils. Kurz vor der Einfahrt in Köln erhebt sich indessen ein Herr, der bisher halb belustigt, halb verärgert den Rückzugsmundgefechten der Heimkrieger zugehört hat. Er lüftet den Hut: „Verzeihung, meine Herren, aber ich war seit Samstag nicht mehr in Köln; ist Köln noch Etappe oder schon besetztes Gebiet?“ Spott, Lachen und Verlegenheit waren nunmehr im Abteil gleichmäßig und gerecht verteilt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Köln“)
Sonntag, 15. September 1918
Lazarettzug K.1. Der Ausschuß des Bonner Lazarettzuges sieht sich von neuem genötigt, den Wohltätigkeitssinn der Bonner Bürgerschaft aufzurufen und neue reichliche Spenden zu erbitten. Wie schon im Bericht über den Monat Juli ausgeführt wurde, haben sich die Ausgaben für alle Gegenstände gegenüber denen des vorigen Jahres auf etwa das doppelte erhöht. Und soll nicht der Lazarettzug jetzt nach fast vierjähriger Tätigkeit seine heuet besonders wichtige Tätigkeit einstellen. So müssen ihm neue erhebliche Mittel zufließen. [...] Die Verwundeten wurden von der 113. Fahrt nach Neudietendorf, Rudolfstadt und Jena gebracht.
Zur Milderung der Fettnot. Am meisten leidet unsere Ernährung durch die Fettnot. Sie zu mildern muß von ungeheurer Bedeutung für das ganze Volk sein. Der große Blütenreichtum unserer Laubbäume in diesem Frühjahr ist bekannt. Unsere Eichen und Buchen tragen gegenwärtig eine Befruchtung, wie sie kaum alle 100 Jahre vorkommt, und zwar ohne Unterschied des Alters, 60jährige Buchenstämme wollen unter der Last ihrer Früchte brechen, genau wie Jungholz oder alte Bäume. Die Frucht der Buche (Ecker oder Bucheln) enthält über 28 Prozent Fett, das als gutes Oel bekannt ist und in der Hauptsache aus oleinsaurem Glyzerin besteht, wenig Palmetin und Stearin enthält, also auch schwer ranzig wird. Es gibt Buchen, die gegenwärtig 8 bis 10 Kilo Eckern tragen. Die Oelausbeute hält sich so um 20 Prozent. Man kann also ermessen, was bei unserem Buchenbestand von 650.000 Hektar an Oel gewonnen werden kann.
Die Bucheckernsammlung, die jetzt bald beginnt, wird durch die Kriegswirtschaftsämter mit Hilfe der Schulen, ähnlich wie beim Laubsammeln, durchgeführt. Für die öffentlichen Sammlungen sind die Staats- und Privatwälder freigegeben. [...]
Fleischgerichte in Wirtschaften. Die Provinzialfleischstelle für die Rheinprovinz warnt die Inhaber von Gastwirtschaften und Hotelbetrieben nochmals vor der markenfreien Abgabe von Fleisch und der ungenügenden Entwertung der Fleischmarken und weist gleichzeitig darauf hin, daß Dienstags und Freitags Fleisch, Fleischwaren und Speisen, die ganz oder teilweise aus Fleisch bestehen, nicht an Verbraucher verabfolgt werden dürfen. Nachdem zahlreiche Beschwerden über die Mißstände eingegangen sind, hat die Provinzialfleischstelle Ueberwachungspersonen für die ganze Provinz mit dem Auftrage angestellt, jeden Zuwiderhandlungsfall der Gastwirte und Hoteliers zur Anzeige zu bringen, worauf die Schließung des Betriebes auf längere Zeit oder sogar dauernd unnachsichtlich erfolgen wird. Die scharfen Maßnahmen sind im Interesse der Schonung unserer Viehbestände unbedingt geboten.
Wochenkalender der Bonner Frauenvereine.
Hauswirtschaftliche Kriegshilfe. Anmeldungen zu Schuhkursen werden entgegen genommen in der früheren Flickschusterei (Universität, Am Hof 1). Daselbst bietet die Kleiderberatung (Neues aus Altem) jeden Mittwoch von 3 bis 6 Uhr Gelegenheit, unter sachverständiger Leitung Anfertigungen und Aenderungen an Kleidern vorzunehmen.
In der hauswirtschaftlichen Beratungsstelle (Städt. Sammelstelle, Am Hof) sind außer vielen kriegsgemäßen Kochrezepten und Angaben über Selbstanfertigung von Kochkisten auch neue Merkblätter über bargeldloses Zahlen zu haben. Die Chamottsteine (zum Backen in der Kochkiste) sind bei Frau Vogel Fürstenstraße zu kaufen.
In der städtischen Sammelstelle ist eine Annahme von gebrauchten Möbeln und sonstigem Hausrat eingerichtet worden, um unbemittelten Brautpaaren die Gründung ihres Hausstandes zu erleichtern. Alle wohlhabenden Familien sind herzlich gebeten aus ihren reichen Beständen beizusteuern und diese zeitgemäße Einrichtung wirksam zu unterstützen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Auch eine Kriegserscheinung. In den ersten Sperrsitzreihen des Operettentheaters gabs am Freitag abend eine kleine Sensation. Während der Pause verbreitete sich plötzlich ein Duft, der weder von Patchouly, Moschuß oder Kölnischem Wasser herrühren konnte. Einer sah den anderen an: man schnupperte in der Luft umher, suchte auf der Erde, aber nichts war zu entdecken, was diesen unangenehmen Geruch hervorgerufen haben könnte. Schließlich kam eine ältere Dame der Sache auf den Grund: sie wies auf zwei Arbeiterinnen, die in der ersten Reihe, direkt hinter dem Orchester saßen und herzhaft in ihre Butterbrote mit – Limburger Käse bissen. Allgemeine Entrüstung, über deren Berechtigung man geteilter Meinung sein kann. Worte, wie Rücksichtslosigkeit, mangelndes Taktgefühl, schlechte Kinderstube usw. flogen an die Adresse der beiden Mädchen, die sich aber den Appetit nicht verderben ließen und ruhig weiter aßen. Als der Vorhang hochging, war der „üble Geruch“ so weit verflüchtigt, daß sich auch allgemach die Aufregung wieder legte.
Der Wunsch nach wasserdichtem Schuhwerk drängt sich besonders lebhaft in dieser Zeit auf, wo der Herbst mit seiner Feuchtigkeit herannaht. Jeder möchte gern Leder- statt Ersatzsohlen haben. Aber die harte Kriegsnotwendigkeit zwingt uns zu der Einsicht, daß in erster Linie unsere Soldaten mit bestem Lederzeug ins Feld geschickt werden müssen. Für die Heimat bleibt dann nicht mehr viel übrig. Die emsige Arbeit der deutschen Technik hat einen Ausweg aus der Sohlennot gefunden. Es sind bereits Ersatzsohlen aus Sperrholz und Lederabfällen im Verkehr, die in Wärme und Wasserdichtigkeit den Ledersohlen nichts nachgeben und auf denen man bequem und weich gehen kann. Zum Ausbessern der Schuhe wende man sich am besten an einen Schuhmacher, der geschickt mit Holzsohlen fertig werden kann. Die in den Lehrwerkstätten in Berlin ausgebildeten Schuhmacher haben die Kenntnis der Verarbeitungsweise der Ersatzsohlen auch an ihre Fachgenossen in der Heimat weitergegeben und verarbeiten die Holzsohlen nunmehr ebenso zuverlässig wie die Ledersohlen. Also Vertrauen gefaßt zu den Kriegssohlen! Wer sie trägt, ist vor nassen und kalten Füßen geschützt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Zur Gründung von ländlichen Arbeitsheimen für sittlich gefährdete Mädchen und Frauen.
Der Krieg hat zahlreiche junge Mädchen und Frauen aus der Familie hinaus in die Munitionsarbeit geführt, wo sie vielen unvermeidbaren Gefahren ausgesetzt sind. Es ist zu befürchten, daß bei eintretendem Mangel an gleich hoch gelohnter Beschäftigung, insbesondere die noch jugendlichen Arbeiterinnen den Städten zuströmen und dort körperlich und geistig zugrunde gehen.
In dankenswerter Weise hat der Provinzial-Ausschuß der Rheinprovinz in einer Sitzung vom 25. Juni d. J. es übernommen, weibliche Jugendliche, die noch nicht vorbestraft, der Landespolizei übergeben werden, nicht wie früher lediglich dem Arbeitshause Brauweiler zuzuführen, sondern dieselben, in geeigneten Fällen, mit Hilfe der Fürsorge-Vereine, auch in anderen Erziehungsanstalten unterzubringen.
Vor dem Gerichte werden Mädchen, welche mit bewilligtem Strafaufschub wegen eines Vergehens verurteilt sind, wenn sie in der eigenen Familie gefährdet erscheinen, den Fürsorge-Vereinen zur Unterbringung übergeben.
Durch das langjährige Fehlen des Vaters in der Familie und weil oft die Mutter gezwungen ist, außerhalb des Hauses für den Unterhalt der Familie zu arbeiten und die Kinder sich selbst überlassen bleiben, nimmt die Zügellosigkeit der Jugendlichen in erschreckendem Maße zu.
In all diesen Fällen gilt es einzugreifen, die Zufluchtshäuser und klösterlichen Anstalten der Städte sind aber überfüllt; deshalb müssen diese Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden. Durch Aufenthalt in freier Luft, bei Landarbeit und geregelter Lebensweise, mit ernst erziehlicher Einwirkung sollen die vielfach auch körperlich geschädigten jugendlichen Arbeiterinnen an Leib und Seele wieder gesunden.
Die evang. Rhein.-Westf. Frauenhilfe und die kath. Fürsorge-Vereine vom Rheinlande und Westfalen haben es auf Anregung der Rhein.-Westf. Gefängnis-Gesellschaft übernommen, in beiden Provinzen je ein katholisches und ein evangelisches ländliches Arbeitsheim zu errichten.
Die Spitzen der geistlichen und weltlichen Behörden sind einem Ehrenausschusse für die Gründung beigetreten. Um für dieses Liebeswerk die notwendigen Mittel zu beschaffen, hat der Staatskommissar für Kriegswohlfahrtspflege die Genehmigung zu einer einmaligen Sammlung erteilt. [...] Es handelt sich, deutsches Blut vor dem Verderben zu bewahren zum Besten der Volkskraft. [...]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 16. September 1918
Scheinwerfer-Uebungen. Von amtlicher Seite wird uns mitgeteilt, dass die in der letzten Zeit öfters beobachtete Tätigkeit unserer im Abwehrdienst stehenden Scheinwerfer lediglich Uebungszwecken dient. Solche Uebungen finden nur dann statt, wenn feindliche Fliegerangriffe auf unser Gebiet nicht zu erwarten sind.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Die Brotration wieder in alter Höhe. Der Staatssekretär des Kriegsernährungsamtes hat angeordnet, daß vom 1. Oktober an wieder eine 10prozentige Streckung des Brotes mit Kartoffeln erfolgt. Zu diesem Zweck werden den Kartoffelerzeugern soweit sie gleichzeitig Selbstversorger in Brotgetreide sind, die erforderlichen Kartoffelmengen belassen. Ferner werden denjenigen Kommunalverbänden, denen im Wirtschaftjahr 1917 Frischkartoffeln zur Streckung zugewiesen waren, die zur Streckung benötigten Frischkartoffelmengen mit 750 Gramm wöchentlich auf den Kopf ihrer versorgungsberechtigten Bevölkerung über die Zeit vom 1. Oktober 1918 bis zum 20 Juli 1919 von der Reichskartoffelstelle besonders zugeteilt. Den übrigen Kommunalverbänden sollen durch die Trockenkartoffel-Verwertungsgesellschaft (Teka) von einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt an Trockenkartoffelerzeugnisse zum Zwecke einer 10prozentigen Brotstreckung geliefert werden: bis zu diesem Zeitpunkt wird ihnen als Ersatz für die fehlenden Streckungsmittel eine Menge von 20 Gramm Mehl auf den Kopf und den Tag zugewiesen werden. Demnach erhöht sich die Ration vom 1. Oktober an einschließlich der Streckungsmittel auf 220 Gramm, so daß die Brotration wieder die alte Höhe erreicht.
Gefährlicher Tabakersatz. Man schreibt uns: Alle Ersatztabake mit nur wenigen Ausnahmen haben nicht den echten Tabak ersetzen können: jetzt in Kriegszeiten mögen Ausnahmen gelten, aber der Ersatz bleibt nur ein minderwertiger. Der echte Tabak stammt aus den Blättern einer Giftpflanze aus der Gruppe der Nachtschattengewächse, der Solaneen. Die ärztliche Wissenschaft hat festgestellt, daß der Kräutertabak nicht ohne Gefahren ist, und daß er der Gesundheit des einzelnen mehr schadet als der echte Tabak. Erfahrungsgemäß hat der nicht giftige Tabak stärkere Wirkungen aufzuweisen als der giftige. So löst der Waldmeister, als Tabakersatz benutzt, bei den Waldarbeitern hochgradige Nervosität aus; er wirkt ähnlich wie mehrere Arten von Beifuß, der dem Kräutertabak ein angenehmes und anregendes Aroma verleiht; in stärkerer Beimischung wirkt er betäubend. Einen noch schwereren, opiumähnlichen Einfluß üben die Hanfpräparate aus: ihr übermäßiger Genuß führt nicht selten zu Irrsinn. Der als magenstärkend bekannte Wermut, der das bittere Absinthiin enthält, ist zwar schwächer und in kleineren Mengen unschädlich, besitzt aber immerhin starke Einwirkungen. [...]
Jedenfalls sollte jeder Raucher sich warnen lassen und erst diese Ersatztabake in kleinen Dosen bei sich ausproben, ob sie ihm zusagen oder nicht, ehe er sie ständig in Gebrauch nimmt. Auch sollte es jeder Raucher zurückweisen, sich beim Einkauf von Tabakersatz bewuchern zu lassen, wie das jetzt an der Tagesordnung ist.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Mitarbeit der Frau in der Gemeinde und ihre gesetzliche Vertretung werden 6 öffentliche Vorträge behandeln, die der Verband der Bonner Frauenvereine im Anzeigenteil ankündigt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Dienstag, 17. September 1918
Einen Fliegeralarm gab es gestern abend ¾10 Uhr. Er dauerte bis kurz nach 11 Uhr. Bonn wurde nicht angegriffen. Wenige Minuten darauf wurden von neuem die Alarmzeichen gegeben.
Sammelt Brennesseln! Nesselfaser ist vollwertiger Baumwollersatz. Es gibt genug Nesselbestände in Deutschland, um unseren Faserbedarf zu decken. Die Nesseln brauchen nur geerntet zu werden. Die Nessel muß mindestens 60 Zentimeter lang sein. Beim Schneiden darf der Stengel nicht geknickt und beim Trocknen nicht naß werden. Jede Lieferung muß mit Adresse des Sammlers versehen sein. Die Nesselsammlung ist lohnend: Es werden für 10 Kilogramm trockener Stengel 4 Mark gezahlt, außerdem erhält der Sammler für je 10 Kilogramm einen Wickel Nähgarn umsonst als Prämie. […]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Durchlaßkarten für hoffende und stillende Frauen werden von jetzt ab nur noch für einen Monat ausgestellt. Die Karten müssen mit dem Lichtbild der Inhaberin versehen sein.
Das Kriegsgericht […] Wegen Desertion wurde gegen einen Husaren vom hiesigen Husarenregiment verhandelt, der in der Nähe von Brügge seinen Posten verlassen und bei Sluis über die holländische Grenze gegangen war, angeblich, um Lebensmittel zu holen. Die Grenze war mit einer elektrisch geladenen Leitung abgeschlossen, trotzdem gingen der Angeklagte und ein Mitdeserteur unter der mit Elektrizität geladenen Leitung her und wurden jenseits der Grenze interniert. Nach kurzer Zeit wieder auf freien Fuß gesetzt, trat der Angeklagte mit feindlichen, namentlich mit russischen Spionen in Verbindung, um ihnen angeblich deutsche Militärgeheimnisse zu verraten. Da diese Angelegenheit nicht genügend aufgeklärt war, wurde die Sache vertagt. Der Anklagevertreter hatte eine Zuchthausstrafe von acht Jahren und Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes beantragt und als einzigen mildernden Umstand angeführt, daß der Angeklagte sich freiwillig gestellt hatte. - […]
Der Martinsbrunnen. Der einstimmige Protest unserer Stadtverordneten-Versammlung gegen die Beschlagnahme des Martinsbrunnens, dieses volkstümlichsten und mit dem Volksleben so innig verknüpften Bonner Denkmals, hat bei unserer Einwohnerschaft die lebhafteste Zustimmung erweckt. […]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Godesberg, 16. Sept. In einem längeren Vortrag sprach gestern nachmittag im hiesigen Kurparksaal der sozialdemokratische Landtagsabgeordnete K. Hänisch aus Berlin über die Friedensarbeit der Sozialdemokratie. Er wandte sich vor allem gegen die alldeutsche Partei. In jahrelanger Friedensarbeit habe die Sozialdemokratie angestrebt, eine internationale Vereinigung der Sozialisten herbeizuführen, um diesen Weltkrieg zu verhindern. Leider sei aber die Sozialdemokratie zu schwach gewesen. Seit Beginn des Krieges habe seine Partei auf einen Verständigungsfrieden hingearbeitet, jedoch die Eroberungslust unserer Feinde lasse jedes Friedenswort verstummen. Redner begrüßte die Rote [Burlans?] und wünschte ihr baldigen Erfolg. Zum Schluß der Versammlung wurde eine Entschließung angenommen, die u. a. auch das allgemeine Wahlrecht und die Auflösung des Landtags forderte. Die Versammlung war stark besucht.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)
Trommeln und Pfeifen der Jugendwehr. Im Gemeindehause in der Rathausgasse übt sich seit mehreren Wochen an jedem Mittwoch abend von 8 bis 10 Uhr die Jugendwehr im militärischen Trommeln und Pfeifen. Diese Uebungen erregen wegen des starken Widerhalles, den das Trommeln und Pfeifen im geschlossenen Raume erzeugt, eine unerträgliche Belästigung der Nachbarschaft, die durch das ungebührliche Verhalten der Jungen verstärkt wird. Nach Beendigung der Uebungen abends nach 10 Uhr verüben sie auf der Straße durch Geschrei und Blasen auf den Militärpfeifen einen wüsten Lärm. Solche Trommel- und Pfeifübungen dürfen in engen dicht bewohnten Straßen nicht gehalten werden. Die durch diese Veranstaltung verursachte Belästigung der Anwohner ist so schwer, daß ihre Wiederholung unbedingt verhindert werden muß. Die Anwohner der Rathausgasse.
Pilzverkauf auf dem Markt. In den letzten Tagen werden auf dem Wochenmarkt Pilze in ungeheurer Menge angeboten. Für das Pfund werden 3 Mk. bis 3.50 Mk. verlangt und leider auch von vielen Hausfrauen bezahlt. Da bei der Zubereitung der Pilze durchgängig ein halbes Pfund Abfall ist und die Pilze beim Zubereiten außerordentlich zusammenschrumpfen, so wird der Pilzgenuß teurer als Fleisch. Fernern ist darauf hinzuweisen, daß die Pilzverkäufer meist selbst nicht Pilzkenner sind, sondern sie von Pilzsuchern aufkaufen. Es wäre deshalb empfehlenswert, daß der Pilzverkauf von sachkundiger Seite einer strengen Aufsicht unterzogen würde. Eine Hausfrau.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Pilzwanderungen. Die seitens des örtlichen Kriegsausschusses in dankenswerter Weise unter Führung des Rektor Emons veranstalteten Pilzwanderungen bieten in dieser fleischarmen Zeit günstige Gelegenheit zum Sammeln guter und nahrhafter Pilze. Es wird Anleitung geboten werden zum Sammeln, Reinigen und Aufbewahren der besten eßbaren Pilzarten und im Gegensatz dazu werden die wenigen giftigen Pilze bekannt gegeben werden. Mögen in dieser für die Volksernährung schwierigen Zeit die reichen Gaben unseres Waldes voll ausgenützt werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Mittwoch, 18. September 1918
Godesberg, 16. Sept. Die Sozialdemokratie veranstaltete gestern im hiesigen Kurparksaale eine Volksversammlung, die besonders von vielen Neugierigen besucht war. Der Redner, Landtagsabgeordneter Hänisch aus Berlin, führte in einem Vortrag über die Friedensarbeit der Sozialdemokratie aus, daß seine Partei fortgesetzt bemüht gewesen sei, den Krieg abzukürzen. Er begrüßte die Friedensnote Burians, die sich mit den Bestrebungen der Sozialdemokratie decke. Am Schluß der Versammlung wurde eine Entschließung angenommen, die u. a. das allgemeine Wahlrecht und die Auflösung des Landtages forderte. - […]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Rheinland und Nachbargebiete“)
Sieben Symphonie-Konzerte des Städt. Orchesters der Residenzstadt Coblenz. Man schreibt uns: Zum großen Bedauern vieler Musikfreunde sah sich die Stadt Bonn schon vor dem Kriege genötigt, ihr vorzügliches Orchester aufzulösen. Seit dieser Zeit ist der volle Genuß eines großen Orchesterkörpers bei uns recht selten geworden. Darum ist es doppelt zu begrüßen, daß uns im kommenden Winter das Orchester unserer Nachbarstadt Coblenz, also nicht eine für irgend eine Aufführung jedesmal neu zusammengesetzte Musikergruppe, sondern eine vollwertige, in dauernder Uebung befindliche Vereinigung von Spielern an sieben Abenden mit Symphoniewerken aufwarten wird. Daß diese Konzerte ähnliche Veranstaltungen in unserer Stadt in keiner Weise beeinträchtigen werden, kann man schon daraus erschließen, daß im Vorjahre alle bedeutenderen musikalischen Abende durchweg ausverkauft waren. Der Hauptgrund aber, weshalb die Leitung des Heimatfronttheaters des 8. Armeekorps ihr Orchester zu diesen symphonischen Aufführungen zur Verfügung gestellt hat, liegt darin, daß man es vor allem dem Mittelstand, der ja durch den Krieg in geldlicher Hinsicht am meisten gelitten hat, ermöglichen will, für billiges Geld erstklassige Abende mit großem Orchester besuchen zu können. Zu diesem Zweck sind die Eintrittspreise, namentlich der Dauerkarten, möglichst gering bemessen. […] Nach alledem versprechen die Veranstaltungen bei billigem Eintritt einen hervorragenden Genuß. Näheres wird noch in unserem Blatte bekannt gegeben werden.
Auf dem Bonner Wochenmarkt waren gestern die ersten Brombeeren zu 1.50 Mark und Holunderbeeren zur Geleebereitung zu 60 Pfg. das Pfund zu haben. Der Markt war gut beschickt, vorwiegend mit Endivien- und Kopfsalat, Gemüse und Kleinzeug. […] Der Verkauf war durchweg flott. Unser Großmarkt auf dem Stiftsplatz hatte auch gestern wieder so gut wie keine Zufuhren. Der städtische Verkauf auf dem Wochenmarkt hatte recht regen Zuspruch, aber zu wenig Auswahl. […] Bisher war der städtische Verkauf, von ganz vereinzelten Fällen abgesehen, auch nicht in der Lage, Obst auf den Markt zu bringen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Das „Kaffeeschiff“. Es dürfte nicht allgemein bekannt sein, daß das bekannte sogenannte Kaffeeschiff, das gegen 12 Uhr Köln verläßt und bis Linz fährt, seine Fahrten bis auf weiteres beibehält. Die zahlreichen Freunde des Siebengebirges und von Grafenwerth, das jetzt im schönsten Herbstschmuck prangt, dürfte diese Nachricht sicher mit besonderer Freude begrüßen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Donnerstag, 18. September 1918
Von der Reichsfleischkarte gelten in Bonn die einzelnen Abschnitte nicht mehr auf 25 Gramm, wie darauf gedruckt ist, sondern auf den zehnten Teil der in Bonn ausgegebenen Wochenmenge. Die Metzger müssen daher die Abschnitte für die ganze Woche abnehmen, was sie freilich bisher auch schon allgemein getan haben.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
70. Geburtstag von Friedrich Soennecken. Kommerzienrat Friedrich Soennecken wird morgen 70 Jahre alt. Er ist trotz seines Eintritts in das psalmistische Patriarchenalter noch auf der vollen Höhe seiner Schaffenskraft und es entspricht nicht ganz seiner rastlos wirkenden Wesensart, an diesem Tage seine Lebensarbeit rückschauend zu verfolgen. Betrachtet er doch sein Werk durchaus noch nicht als abgeschlossen. Wir glauben die initiative Natur des Siebzigjährigen dahin bewerten zu sollen, daß er als einer der tätigsten und erfolgreichsten deutschen Industriellen nach dem Kriege sich an Deutschlands wirtschaftlichem Aufschwung noch gerne an seinem Teil beteiligen möchte. […]
Ein besonderes Kapitel der Betätigung Soenneckens, die wiederum seinem Sinn für schöne Schriftformen entsprang, bildet sein Eintreten für die Antiqua-Schrift in unsern deutschen Zeitungen und Zeitschriften. Namentlich in Rücksicht auf das Ausland, dem unsere Frakturschrift nicht geläufig ist, wirbt Soennecken hierfür, und er verspricht sich hierbei besondere Erfolge bei der Verfolgung unserer politischen und wirtschaftlichen Interessen. Obwohl Soennecken mit der Zähigkeit des Westfalen und mit außerordentlicher Gründlichkeit für die Antiqua-Schrift kämpft, hat sich unser Kultusministerium dieser Frage gegenüber bisher zum mindesten abwartend verhalten. […]
Es entspricht dem treudeutschen Sinne Soenneckens, ein glückliches Kriegsende für unser Vaterland zu erleben, und wir können ihm an seinem Jubeltage nichts Besseres wünschen, als daß er nach Einkehr des Friedens mit ungebrochener Schaffenskraft noch viele Jahre als geistesreger Leiter an der Spitze seiner blühenden Unternehmungen stehen möchte.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Beuel: Die geehrte Redaktion möchte ich „zur Gründung von ländlichen Arbeitsheimen für sittlich gefährdete Mädchen und Frauen“ auf Nachstehendes aufmerksam machen. Nicht allein, daß Mädchen und Frauen, die in den Munitionsfabriken arbeiten, sittlich gefährdet sind, sondern auch in den Kontors, Büros usw. Ganz besonders möchte ich auf die Vereine noch aufmerksam machen, die ihre jungen, meist unerfahrenen Mitglieder zu nächtlichen Ausflügen verleiten. Junge Mädchen sind von einem Verein eingeladen, um 8 Uhr abends einen Ausflug zu machen und kamen vom Ausflug nachts um 1 Uhr zurück. Ist das so richtig? Ist es an der Ordnung, daß solche jungen Leute in die Kneipen geführt werden? Hier müßte Behörde und Polizei eingreifen, um solche Ausflüge zu verhindern, oder aber den Einberufern ordentlich auf die Finger sehen. Jetzt im Kriege, wo der Vater im Felde, die Mutter über alle Maßen beschäftigt ist, die Aufsicht daher nicht so gehandhabt werden kann, muß auch in diesem Sinne etwas geschehen. In den meisten Büros, Kontors wird eine Sprache geführt, und zwar von Männern jungen Mädchen gegenüber, die alte Leute erröten lassen. Also nicht halbe, sondern ganze Arbeit machen. Ergebenst Frau E. D.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Freitag, 20. September 1918
Der Handels- und Gewerbeverein hielt gestern abend eine sehr zahlreich besuchte Versammlung ab. Der Vorsitzende, Stadtverordneter Roßberg, eröffnete sie mit einem empfehlenden Hinweis auf die neunte Kriegsanleihe. Nach den hohnvollen Antworten der Ententeführer auf die österreichisch-ungarische Note müsse jeder Deutsche sein Letztes hergeben, um auch diese Kriegsanleihe zu einer machtvollen Kundgebung des deutschen Volkes zu gestalten. Gerade wir im Rheinland hätten alle Ursache, unserm Heere dankbar zu sein dafür, daß es uns vor einem feindlichen Einfall beschützt habe. […]
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Keine Beschlagnahme der Leder-Schulranzen. Seit einiger Zeit geht das Gerücht um, die Schulranzen der Kinder würden beschlagnahmt. Es hieß sogar, daß an der Stiftsschule bereits die Beschlagnahme der Ranzen erfolgt sei. Wie uns von zuverlässiger Seite mitgeteilt wird, ist an dem ganzen Gerücht nichts wahr! Die Polizei fahndet nach dem Urheber des unbegründeten Geredes.
Unsere noch schönbelaubten Kastanien-Alleen werden zur Zeit leider von zerstörungslustigen Kindern arg verwüstet. Um die reif werdenden Kastanien zu sammeln, wird mit Steinen und Stöcken nach den Laubkronen geworfen; die mit Laub und Schalen bedeckten Alleestraßen zeugen von der Rücksichtslosigkeit, mit welcher vorgegangen wird. Hier und da klettert auch ein halbwüchsiger Junge bis in die Baumkrone und schüttelt die Äste, während eine Schar Kinder unten die herabfallenden Kastanien sammelt und der Erdboden mit Zweigen und Blättern bedeckt wird. Namentlich an schulfreien Nachmittagen sind die Kastanien-Alleen der Schauplatz einer unrühmlichen Offensive. Sache der Schulleiter und Lehrer dürfte es sein, ihre Schüler nachdrücklich vor diesen Verwüstungen zu warnen und Schuldige zu bestrafen. Ein Spaziergang durch die Poppelsdorfer Allee wird jedem zeigen, welchen Umfang der Unfug angenommen hat und wie sehr es an der Zeit ist, ihm [entgegen]zu steuern. – Auch das Eindringen in fremde Gärten und das Werfen mit Steinen und Holzstücken nach Obstbäumen gehört in dieses Kapitel.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Brotversorgung.
Es besteht zur Zeit Knappheit an Weizenmehl. Die Reichsgetreidestelle hat daher nur die für die Krankenversorgung erforderliche Weizenmehlmenge überweisen können. Zur Entnahme auf die Brotkarte steht daher Weizenmehl nicht zur Verfügung, dagegen kann Roggenmehl in den Bäckereien auf Brotkarte entnommen werden.
Fleisch.
Am Samstag werden in den Metzgergeschäften Rindfleisch, Kalbfleisch, Leberwurst und Blutwurst verkauft. Für jede Person werden 150 Gramm, an Kinder unter 6 Jahren 75 Gramm Fleisch einschl. Wurst abgegeben.
Fett.
Auf die Abschnitte Butter und Fett der Speisefettkarte werden in der kommenden Woche insgesamt 50 Gramm Butter ausgegeben.
Kartoffeln.
Für die Woche vom 23. bis 29. September werden auf Kartoffelkarte Nr. 13 acht Pfund Kartoffeln ausgegeben. Sie können bereits vom Donnerstag, den 19. September ab in den Verkaufsstellen entnommen werden. Die Kartoffelerzeuger des Stadtkreises Bonn sind grundsätzlich verpflichtet, ihren Ueberschuß an Kartoffeln im Kartoffellager, Schlachthof Immenburgstraße 20, abzuliefern. […]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Nachrichten des Städtischen Lebensmittel-Amtes.“)
„Helft den Nachschub für die Feldgrauen sichern.“ Die Beraubungen der Nachschubsendungen an Lebensmitteln, Bekleidungsstücken usw. für das Feldheer machen es erforderlich, zu ihrem Schutze besondere, militärisch organisierte Ueberwachungsstellen einzurichten. Eine solche befindet sich in Bonn, Vivatsgasse 6 I. Zu ihren Dienstobliegenheiten gehört der Schutz des Nachschubes für eine bestimmte Armee, die Ueberwachung der am Orte befindlichen militärischen Lagerstellen, der Privatsendungen für Heeresangehörige nach und von der Front, der Gefangenensendungen, sowie die Bekämpfung des unerlaubten Handels mit militärischen Bekleidungs- und Ausrüstungsstücken. Durch Unterstützung der Zivilbevölkerung wurden auch im Monat August eine Anzahl von Diebstählen und Unterschlagung von Heeresgut aufgedeckt und dadurch erhebliche Werte gerettet. Jeder, der von strafbaren Handlungen vorerwähnter Fälle Kenntnis erhält und der „polizeilichen Nach- und Abschubüberwachungsstelle Bonn“, Vivatsgasse 6 I schriftlich oder telephonisch unter Nr. 427 mitteilt, erweist dem Vaterlande, dessen Dank ihm gewiß ist, einen großen Dienst.
Speck, Zwiebeln, Theaterkarten sind gleich begehrenswerte Gegenstände; für sie wird tapfer Reihen gestanden. Als dieser Tage die Theater-Dauerkarten am Verkehrsamte in der Poststraße um 9 Uhr ausgegeben werden sollten, begann, wie uns Augenzeugen berichten, das Reihenstehen bereits in dunkler (Mitter-)Nacht.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Samstag, 21. September 1918
Am gestrigen Geburtstage der Kronprinzessin trugen die öffentlichen Gebäude Fahnenschmuck.
Die Kreissparkasse Bonn zeichnete auf die neunte Kriegsanleihe neun Millionen Mark, ihre Zeichnungen auf alle Kriegsanleihen betragen damit zusammen 50 Millionen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Grober Unfug. Aus unserem Leserkreis werden wir gebeten, an die Polizei die Anfrage zu richten, ob ihr von dem Handel mit Niespulver, Stinkbomben und Knallplättchen bekannt sei, durch welchen eine gewisse Bonner Jugend in den Stand gesetzt wird, auf den Straßen, in den Eingängen der Kinos usw. ihren Unfug damit zu treiben.
Drei Diebe hatten in Bonn Hühner und einen Hahn, Weizen und Hafer sowie Kartoffeln gestohlen. An der Strafkammer waren sie größtenteils geständig, nur behaupteten sie sämtlich, geisteskrank zu sein. Nach dem Gutachten des Herrn Oberarztes der hiesigen Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt sind alle drei als vermindert zurechnungsfähig, jedoch nicht als geisteskrank anzusehen. Sie wurden zu Gefängnisstrafen von einem Jahr, einem Jahr und sechs Monaten und sechs Monaten verurteilt. Auch wurden vier und je zwei Monate der erlittenen Untersuchungshaft als verbüßt auf die Strafen angerechnet.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Pilzverkauf auf dem Markt. Dem Wunsch der Hausfrau (im Gen.-Anz. Vom 17.), den Pilzverkauf unter strenge Aufsicht zu stellen, wird seit Einrichtung der Pilzbestimmungsstelle entsprochen. Sowohl der Leiter dieser Stelle als auch der aufsichtführende Polizeibeamte, der mit den marktgängigen Pilzen durchaus vertraut ist, halten scharfe Musterung. Es ist aber ganz unmöglich, den Inhalt jedes einzelnen Korbes mit derselben Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit zu prüfen, wie dies in der Pilzbestimmungsstelle geschieht. Im übrigen liegt die Beratungsstelle nur wenige Minuten vom Markte entfernt: hier kann eine eingehende Prüfung erfolgen. Gegen faule und vermoderte Pilze muß sicher jeder selbst schützen: hierzu bedarf es keiner Pilzkunde.
Die Preise machen nicht die Verkäufer, sondern die Käufer, die sie zahlen. Wer Nahrungsmittel, die uns kostenlos im Walde in reicher Menge zur Verfügung stehen, so hoch wertet, mag jene phantastischen Preise anlegen. P.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
In Beuel hat sich bezüglich der Kartoffelbelieferung ein eigentümlicher Gebrauch eingebürgert. Leider sind wir auf die Kartoffelnahrung so sehr angewiesen, daß auch die regelmäßige Abgabe von 7 Pfund nicht genügt. Recht unangenehm ist es nun, wenn manche Familien auch diese 7 Pfund pro Kopf und Woche nicht einmal erhalten können. Die Kartoffeln werden in Beuel meist in zwei Raten ausgegeben, einige Pfund anfangs und den Rest Ende der Woche. Ist nun gegen diese ratenweise Verteilung an sich nichts einzuwenden, so ist es aber doch recht unangenehm, wenn der Rest, wie das mehrmals vorgekommen ist, überhaupt nicht zu erhalten ist. So mußten am vergangenen Samstag wieder mehrere Familien von einem Geschäft zum anderen laufen und konnten keine Kartoffeln haben. Wenn man nun in der einen Woche nicht in der Lage ist, die zukommenden Kartoffeln zu geben, so müßten diese doch in der nächsten Woche geliefert werden, dies geschieht aber nicht; die Abgabe von Kartoffeln auf Marken der vergangenen Woche wird von den Geschäften gemäß ihrer Instruktion von der Gemeinde stets abgelehnt. Hoffentlich genügt dieser Hinweis, daß solche Schmälerung des Kartoffelquantums nicht wieder vorkommt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Sonntag, 22. September 1918
Ertränken wollte sich gestern nachmittag vor der Ersten Fährgasse eine 26jährige Polin. Sie wurde von den Badeanstaltswärtern aus dem Strom geholt und in die Klinik gebracht.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Was das Obst kosten soll! Nach den Höchstpreisen, wie sie von der Reichsstelle für Gemüse und Obst festgesetzt sind, dürfen kosten: Tafeläpfel beim Erzeuger 35 Pfg. das Pfund, beim Kleinhändler 43 Pfg.; Wirtschaftsäpfel 15 und 20 Pfg.; gute Zwetschen dürfen kosten 20 bezw. 27 Pfg.; Brennzwetschen 10 und 15 Pfg. Die Preise sind also da, machen sich auf dem Papier auch recht schön, sehen in Wirklichkeit aber ganz anders aus. So werden u. a. für den Zentner Aepfel bis zu 200 Mark verlangt und bezahlt; Pflaumen sind unter 2 Mark das Pfund nicht zu haben.
Zur Beschlagnahme von Sonnenvorhängen. In diesen Tagen werden den Behörden, Anstalten und Firmen unserer Stadt durch das städt. Bekleidungsamt Meldebogen zugehen, auf welchen der Bestand an Sonnenvorhängen einzutragen ist. Diese Meldebogen müssen sorgfältig ausgefüllt und nach Erledigung bis spätestens zum 25. September ds. Js. an das städt. Bekleidungsamt Bonn, Gangolfstr. 2, zurückgesandt werden. Die Beschlagnahme mußte erfolgen, um den stets wachsenden Bedarf an Säuglings- und Leibwäsche unserer Bevölkerung zu decken. Gewiß wird diese weitere Beschlagnahme in der heutigen Zeit besonders seitens der betroffenen Privat-Personen schwer empfunden werden, und doch muß erwartet werden, daß von Seiten der betroffenen Kreise unserer Bürgerschaft diese Sache, entsprechend ihrer Wichtigkeit, unterstützt wird, und daß die Meldebogen sorgfältig und rechtzeitig ausgefüllt werden. aber
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Verbindungstreppe der neuen Sternstraße mit dem Florentiusgraben scheint sich allmählich in eine Bedürfnisanstalt umzuwandeln. Das Passieren der Treppe kann man schon eher ein Balancieren zwischen menschlichen Unhöflichkeiten nennen und nur eine geübte Lunge ist imstande, durch langes Atemanhalten all die Krankheitskeime von sich fern zu halten. Es liegt im Interesse der Oeffentlichkeit, diesen vielbenutzten Weg in einem gangbaren Zustand zu erhalten. G. T.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)
Wochenkalender der Bonner Frauenvereine. Hauswirtschaftliche Kriegshilfe. Anmeldungen zu Schuhkursen werden entgegengenommen in der früheren Flickschusterei (Universität Am Hof I). Daselbst bietet die Kleiderberatung (Neues aus Altem) jeden Mittwoch von 9 – 12 und 3 – 6 Uhr Gelegenheit unter sachverständiger Leitung Kleider anzufertigen oder zu ändern. Die Strumpfausbesserungsstelle ist jetzt nur noch jeden Donnerstag von 9 – 12, 3 – 6 Uhr geöffnet. In der hausw. Beratungsstelle (Städt. Sammelstelle Am Hof) sind außer kriegsgemäßen Kochrezepten und Angaben über Selbstanfertigung von Kochkisten auch neue Merkblätter über bargeldloses Zahlen zu haben. Die Chamottesteine (zum Backen in der Kochkiste) sind bei Frau Vogel, Fürstenstraße zu kaufen. In der städt. Sammelstelle ist eine Annahme von gebrauchten Möbeln und sonstigen Hausrat eingerichtet worden, um minderbemittelten Brautpaaren die Gründung ihres Hausstandes zu erleichtern. Alle wohlhabenden Familien sind herzlich gebeten, aus ihren reichen Beständen beizusteuern und diese zeitgemäße Einrichtung wirksam zu unterstützen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 23. September 1918
Keine Zwangseingriffe in den privaten Wäschebestand. Die Reichsbekleidungsstelle schreibt in ihren „Mitteilungen“: Neuerdings wird wieder ein Gerücht verbreitet, daß die Enteignung der Tisch- und Bettwäsche in den Privathaushaltungen bevorstehe. Dies entspricht nicht den Tatsachen. Die Reichsbekleidungsstelle beabsichtigt keinen zwangsweisen Eingriff in die Wäschebestände der Privathaushaltungen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Die öffentlichen Uhren sind vor vier Tagen auf ½3 Uhr stehen geblieben; und diese Zeit zeigen sie auch heute noch. Das wirkt sehr störend. Ist denn niemand mehr da, der die Uhren wieder in Gang bringt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Godesberg, 22. Sept. Zwei Schwindler in feldgrauer Uniform wurden gestern abend hier festgenommen. Es handelt sich um Deserteure, die mit falschen Papieren als Bevollmächtigte der Militärbehörde bei mehreren Familien Lebensmittel und andere Gegenstände beschlagnahmten. Die beiden wurden heute morgen der Militärbehörde in Bonn vorgeführt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)
Gesellschaft für Literatur und Kunst. […] Die Ausstellungen der Gesellschaft finden wieder im Oberniermuseum statt. Die beiden ersten sind der rheinischen Kunst gewidmet. Die Reihe wird eröffnet durch eine August-Macke-Gedächtnisausstellung, womit nicht nur der Pietät gegen den Entschlafenen Genüge getan, sondern auch gezeigt werden soll, wie hell dies junge Licht auch über einen Heldentod hinaus glänzt. Die Ausstellung Altdüsseldorf wird mit ihren Proben aus der rheinischen Kunst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Freunde ruhiger heimischer Ueberlieferung befriedigen. […]
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Dienstag, 24. September 1918
Für die ernährungswirtschaftliche Anerkennung als Schwerstarbeiter hat das Kriegsernährungsamt Richtlinien herausgegeben, nach welchen die Belieferung mit Zusatzlebensmitteln durch die Kommunalverbände zu erfolgen hat. Als Schwerstarbeiter sind in diesen Richtlinien im allgemeinen nur solche Personen aufgeführt, welcher der Einwirkung giftiger Gase und offenem Feuer ausgesetzt sind, und die (im Bergbau) unter Tage arbeitenden Personen. Würden, wie ein Zentrumsabgeordneter in einer Anfrage befürwortet hat, die Waldarbeiter und die landwirtschaftlichen Arbeiter grundsätzlich als Schwerstarbeiter anerkannt, so wären berechtigte Berufungen die Folge. Dies würde, so besagt die Antwort des Reichskanzlers, zu einer Verringerung der für die Allgemeinheit zur Verfügung stehenden Mengen führen und wäre in dem augenblicklichen Zeitpunkt nicht vertretbar.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Letzter Sturm.
Noch einmal brich los, du deutscher Sturm,
Heiliger Zorn werde wach! Werde wach!
Vernichte den gräulichen Lügenwurm,
Schlag nieder den gehässigen Drach!!
Hoch unsere Fahnen, für Freiheit und Recht;
Noch einmal Gewitter von Tod und Verderben.-
Noch einmal hinein in das heilige Sterben. –
Frei zum Gefecht!
Rings stehn sie alle, voll Haß und Wut;
Hol’ aus, stoß zu, du deutscher Zorn!
Schwinge dein Schwert, schlag scharf, schlag gut!
Alldeutschland furchtlos und treu nach vorn.
Unsterblicher Ruhm ist ihre Ehre!
Zum Letzten! Drauf! Fällt die Gewehre!
Marsch! Marsch! Hurra!!
J.Sch.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Vom Rhein. Durch reichliche Niederschläge hatte sich zu Beginn der vergangenen Woche der Wasserstand erheblich gebessert. In den letzten Tagen ist das Wasser allerdings ebenso schnell wieder zurückgegangen. Die meisten großen Kähne können aber immer noch mit voller Belastung aufwärts nach den oberrheinischen Häfen fahren. Durch die wesentlich gestiegene Ladefähigkeit hat sich der Mangel an Schiffsraum etwas gemildert. Der bessere Wasserstand hat die Aufwärtsbewegung der Kahnmieten zu Berg sowie der Schleppkosten zum Stillstand gebracht. Da bisher viele Schiffe noch zu Lagerzwecken benutzt wurden, hat das Generalkommando verfügt, dies in Zukunft zu beschränken, um Knappheit des freien Laderaumes zu verhindern. Der Verkehr der Personendampfer ist infolge des Kohlenmangels stark eingeschränkt worden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Mittwoch, 25. September 1918
Der Flottenverein Jungdeutschland veranstaltet in den nächsten Monaten wieder einige seiner so beliebten Filmvorstellungen. Diesmal ist der Reinertrag für die Weihnachtsspende an die deutsche Marine bestimmt. Die Vorstellungen finden statt an folgenden Sonntagen des Vormittags um 11.30 Uhr: 29. September, 20. Oktober, 10. November, 1. Dezember. Die Vorstellung am kommenden Sonntag spielt in dem Metropoltheater am Markt. Für die anderen sind die Bonner Lichtspiele in Aussicht genommen. Näheres hierüber wird noch in den besonderen Anzeigen bekannt gegeben. Neben verschiedenen hochinteressanten Kriegsfilmen, unter denen sich der berühmte Film „Die Tanks vor Cambrai“ und einige spannende Fliegerfilme befinden, werden diesmal bei jeder Vorstellung einige Lustspiele zur Aufführung gelangen. Nicht nur wegen des guten Programms sollte ein jeder diese Vorstellung besuchen, sondern allein des guten Zweckes wegen. Jeder von uns weiß, wie sich unsere Blaujacken zu Weihnachten über einen Gruß aus der Heimat freuen. Um ihnen diese Freude aber auch verwirklichen zu können, sind ungeheure Mittel notwendig. Und so ist es sehr zu begrüßen, daß der Flottenverein Jungdeutschland den Ertrag dieser vier Vorstellungen dem guten Zwecke zur Verfügung stellt. Hoffentlich werden die Bonner Bürgerschaft und besonders die Bonner Jugend die Veranstaltungen recht zahlreich besuchen und damit zeigen, daß sie auch etwas für unsere Marine übrig haben. Alles nähere wolle man aus den Anzeigen in diesem Blatte entnehmen. Dauerkarten für alle vier Vorstellungen werden nur in beschränktem Umfange ausgegeben.
Nahrung, Wohnung und Licht.
Die Winterversorgung mit Kartoffeln ist durch die Reichskartoffelstelle endgültig geregelt. Die Stadt Bonn erhält ihren über 300.000 Ztr. beantragenden Jahresbedarf zu fast drei Fünfteln aus der Rheinprovinz und zu zwei Fünfteln aus den Provinzen Sachsen und Pommern. Die Kartoffel ist in diesem Jahre gut gereift und eignet sich zum Einkellern. Infolgedessen hat der Lebensmittelausschuß beschlossen, die Einkellerungsmenge, die im vergangenen Jahre nur einen Zentner betrug, auf anderthalb Zentner zu erhöhen. [...]
Die Brotversorgung wird glücklicherweise vom 1. Oktober an etwas besser werden. Der Staatssekretär des Kriegsernährungsamtes wird von diesem Tage ab wieder eine zehnprozentige Streckung des Brotes mit Trockenkartoffelerzeugnissen gewähren. Infolgedessen hat der Oberausschuß für den Regierungsbezirk Köln beschlossen, die Brotmenge auf den Kopf der Bevölkerung auf vier Pfund wöchentlich zu erhöhen, und diese Menge wird in Bonn von der auf den 1. Oktober beginnenden nächsten Brotversorgungswoche, also vom 7. Oktober ab ausgegeben werden.
In der nächsten Woche, also vom 30. September bis 6. Oktober, durchleben wir die dritte fleischlose Woche. Das Lebensmittelamt wird verschiedene Ersatznahrungsmittel ausgeben und zwar:
3 Pfund Kartoffeln auf Warenmarke,
50 Gramm Butter und
125 Gramm Roggenmehl.
[...]
Die außerordentliche Verteuerung aller Lebensmittel und vor allem auch der Arbeitslöhne und Materialien muß es leider auch mit sich bringen, daß eine weitere Heraufsetzung der Preise für das Mittagessen in den Kriegsküchen eintreten wird. Die Preise werden dementsprechend in der nächsten Zeit für die Klassen A und B von 50 auf 60 Pfg. und für die Klasse C von 70 auf 80 Pfg. erhöht werden, jedoch mit der Maßgabe, daß kinderreichen Familien unter Vorsaussetzung der Bedürftigkeit in den Klassen A und B der Preis auf 50 Pfg. und in der Klasse C aus 60 Pfg. gewährt werden kann. [...]
Die Zuweisung von Nährmitteln ist in letzter Zeit ganz außerordentlich gering gewesen, so daß auch von der städtischen Verwaltung aus bei den betreffenden Reichsstellen lebhafte Vorstellungen über diese schlechte Versorgung gemacht sind. Aus diesem bedauerlichen Grunde heraus kann die geplante Verabfolgung einer Morgensuppe für Schulkinder leider vorerst nicht erfolgen. Die Stadtverordnetenversammlung hatte sich seinerzeit mit großer Wärme für diese Einrichtung ausgesprochen, und nun muß sie leider zunächst noch unterbleiben.
Die Beleuchtungskarten werden nächsten Freitag, Samstag und Sonntag morgens von 8 bis 12 und nachmittags von 3 bis 6 Uhr in der Kartenausgabestelle Gangolfstraße 2 ausgegeben. [...] Der Verkauf der Beleuchtungsmittel beginnt in der kommenden Woche. Die zur Ausgabe kommende Menge und die Verkaufsstellen werden noch veröffentlicht werden.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Zum 1. Symphonie-Konzert im Stadttheater am Freitag dieser Woche singt zum ersten Male hier der ausgezeichnete Heldenbariton der Wiesbadener Hofoper Harry de Garmo. Der Künstler, welcher die Lysiart-Arie aus Webers „Euryanthe“ und Lieder von Gustav Mahler vortragen wird, hat eine schöne große Stimme. Er hat kürzlich gelegentlich eines Gastspiels in Berlin außerordentlichen Erfolg gehabt. Das Orchester bringt unter Sauers Leitung Beethovens Ouvertüre „Die Weihe des Hauses“, Mozarts Ballettmusik aus der Pantomime „Les petits riens“ und Brahms C moll-Symphonie zu Gehör.
Fertig geschnittenen Weißkohl zum Einmachen verkauft die Stadt von morgen ab im städtischen Betrieb Coblenzerstraße 10. Der Preis für den Zentner stellt sich auf 15 Mark.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Sammelt Brennesseln! An die Daheimgebliebenen ergeht der Ruf als eine ernste vaterländische Mahnung. Zu denjenigen einheimischen Pflanzen, aus deren Fasern wir schon vor Hunderten von Jahren schöne und weiche Stoffe gewebt haben, gehört die hohe, große Brennessel (Urtica diocia), die auf sumpfigen Wiesen, an den Rändern von Gräben, Teichen und Flüssen und in unseren Wäldern üppig wuchert. Die Konkurrenz der Baumwolle hat die ehemals beliebte Nesselfaser völlig verdrängt; aber unter dem Druck der wirtschaftlichen Notwendigkeit gilt es, sie wieder zu Ehren zu bringen. Solange der Nesselanbau noch nicht genügend fortgeschritten ist – er ist bereits mit vielversprechendem Erfolge in die Wege geleitet – wäre es [sic!], davor zurückzuschrecken, weil etwa die Berührung mit den Härchen der Stengel und Blätter Jucken verursacht. Immer laßt uns daran denken, wie viel unendlich schwerer das ist, was unsere Krieger tagtäglich vollbringen und aushalten müssen. Im Brennesselsammeln gehen uns übrigens unsere Feldgrauen mit gutem Beispiele voran: im besetzten Gebiet sammeln sie Nesseln, und von den Erholungsheimen der Feldgrauen werden „Nesselkommandos“ ausgesandt, die stets mit guter Beute heimkehren. Wer sich gegen das Jucken schützen will, möge sich die Hand lose umwickeln oder behandschuhen. Eifrig ist bereits die Brennessel in unserem Vaterlande gesammelt worden; namentlich unsere Schulkinder auf dem Lande haben unter der Führung ihrer Lehrer in den letzten Jahren tausende von Zentnern zusammengebracht. Die Nessel-Anbau-Gesellschaft hat ein vielmaschiges Netz von Sammler-Organisationen mit Vertrauensleuten und Obmännern geschaffen. Sie zahlt den Sammlern für 160 Kilo trockner Stengel 40 Mark. Für 25 Kilo trockner, ein wertvolles Viehfutter bildender Blätter 5 Mark und für ein halbes Kilo trockenen Samens 10 Mark. [...] Nicht unerwähnt sein, daß die Nesselsammler bei der Nessel-Anbau-Gesellschaft gegen Unfall versichert sind. – Möge keiner zurückstehen, an den der vaterländische Ruf ergeht: Sammelt Brennesseln!
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Donnerstag, 26. September 1918
Zur Beschlagnahme von Sonnenvorhängen. Die den Anstalten und Firmen unserer Stadt zugesandten Meldebogen sind, woran nochmals erinnert sei, bis zum 25. September an das städtische Bekleidungsamt, Gangolfstraße Nr. 2, zurückzusenden.
Zur weiteren Aufklärung sei bemerkt, daß die Eigentümer der beschlagnahmten Vorhänge demnächst durch Beauftragte der Reichsbekleidungsstelle zum Verkauf gegen eine von diesen Beauftragten festzusetzende Geldentschädigung aufgefordert werden. Die Entfernung der beschlagnahmten Behänge erfolgt kostenlos durch Beauftragte der Reichsbekleidungsstelle. Diese wird auch dafür Sorge tragen, daß dem Eigentümer der Vorhänge an Stelle der Geldentschädigung der alsbaldige Erwerb und die Anbringung gleichartiger Gegenstände aus Papiergarngeweben mit den vorhandenen Annahmevorrichtungen (Schnüren, Ringen und dergl.) ohne Zuzahlung möglich ist.
Die Filmherstellung wird begrenzt. Wie die Fachzeitschrift „Die Lichtspielbühne“ erfährt, sind bei der Aktien-Gesellschaft für Anilinfabrikation „Agfa“, die bekanntlich als einzige Firma Rohfilm herstellt (die Kinofilm-Gesellschaft m. b. H. in Düren fabriziert nur für den Eigenbedarf der Eiko), die Rohfilmprodukte beschlagnahmt worden. Es soll nur ein Drittel des bisherigen Kontingents der Privatindustrie zur Verfügung gestellt werden, während der Rest für Werbefilme verwendet werden soll.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Kriegsbeorderungen. Von zuständiger Stelle erhalten wir folgende Zuschrift: In letzter Zeit mehren sich die Fälle, in denen Arbeitgeber usw. ihren reklamierten Leuten, wenn sie zur Einstellung beordert sind, die Gestellungsbefehle abnehmen und mit neuen Reklamationsanträgen dem stellv. Generalkommando oder dem Bezirkskommando vorlegen. Das stellv. Generalkommando hat schon verschiedentlich darauf hingewiesen, daß dieses Verfahren durchaus unstatthaft ist. Das Bezirkskommando macht wiederholt darauf aufmerksam, daß in jedem Falle, auch wenn Zurückstellungsanträge schweben, oder über den Gestellungstag hinausgehende Zustellungsverfügungen bereits vorliegen, die Gestellungsbefehle im Besitz der Beorderten zu belassen sind. Diese haben sich am Tage der Beorderung beim Bezirkskommando zu stellen, es sei denn, daß das Bezirkskommando von der Aufhebung der Beorderung Kenntnis gegeben habe. Bei zukünftigen Zuwiderhandlungen werden die Beorderten zur Verantwortung gezogen, gegen die Veranlasser aber wird strafbar vorgegangen werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Dampfmaschinen-Explosion. In einer Fabrik im Kölner Bezirk ist die Maschine infolge Reißens des Regulatorriemens durchgegangen und vollständig auseinandergeflogen. Die Trümmer haben die Inneneinrichtung der Fabrik, sowie Dach und Umfassungsmauern durchschlagen und teilweise niedergerissen. Um ähnliche Unfälle zu verhüten, muß bei der oft mangelhaften Beschaffenheit der jetzt zur Verfügung stehenden Riemen darauf geachtet werden, daß insbesondere die Regulatoren der Kraftmaschinen in sicherer Weise angetrieben werden.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Freitag, 27. September 1918
Auf die neunte Kriegsanleihe zeichnete die Dynamobürstenfabrik P. Ringsdorff in Mehlem eine Million Mark.
Mit einer Ausdehnung der fleischlosen Wochen auf weitere drei Monate ist, wie die Nordd. Allg. Ztg. schreibt, zu rechnen.
Neues Operettentheater. Als Gast auf Anstellung sang dieser Tage Fräulein Else Grabbert aus Hamburg die Valencienne in der „Lustigen Witwe“. Die junge Dame, die schon äußerlich einen sehr gewinnenden Eindruck macht, verfügt über ein volles, weiches, wenn auch nicht besonders umfangreiches Organ und weiß auch darstellerisch durch Gewandtheit und Anmut zu fesseln. Da die Valencienne bekanntlich einer Künstlerin nicht die volle Entfaltung ihrer Stimmittel wie auch ihrer darstellerischen Begabung gestattet, können wir hier leider kein abschließendes Urteil aussprechen. Das Publikum zeigte sich von den Leistungen der jungen Künstlerin vollauf befriedigt.
Der von Abend zu Abend steigende Erfolg der „Lustigen Witwe“ veranlaßt die Direktion, diese Operette auch in den nächsten Tagen bis Ende dieses Monats auf dem Spielplan zu erhalten. Mit durchweg neuer Besetzung der Partien bereitet die Direktion inzwischen die Operette „Der Zigeunerbaron“ vor.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Städtisches Viktoriabad. Die Schwimmfreunde haben es dankbar begrüßt, daß die Schwimmhalle wieder der Benutzung übergeben worden ist. Das Leben und Treiben, das sich täglich in de Halle abspielt, ist ein deutlicher Beweis für das vorhandene Bedürfnis einer geregelten Körper- und Hautpflege. Von weit über 7000 Personen ist das Schwimmbad in der kurzen Zeit seiner Wiedereröffnung aufgesucht worden. Es ist eine helle Lust, namentlich unsere Jugend in dem feuchten Element zu beobachten, wie Knaben und Mädchen beim Schwimmen ihre Kräfte messen, beim Absturz vom hohen Schwimmbrett Mut und Gewandtheit äußern und in dem fröhlichen Wasserspiel Erholung finden von den Anstrengungen der Schulbank. Nicht weniger wird von den Erwachsenen der Betrieb in der Schwimmhalle begrüßt, wenn sie auch wegen der Fülle der Gesichte, der man nachmittags in dem großen Trog begegnet, lieber die ruhigen Vormittagsstunden benutzen, um des erfrischenden Genusses eines Schwimmbades teilhaftig werden zu können.
In den jüngsten Tagen wurden die Schwimmfreunde leider durch das Gerücht beunruhigt, daß die Freuden des Schwimmbetriebes im Viktoriabad bald wieder zu Ende sein sollen. Es heißt, die Stadtverordneten Kalt und Mathieu Schmitz machten ihren Einfluß geltend, um im Interesse der Kohlenersparnis die Einstellung des Schwimmbetriebes zu bewirken. Angesichts der knappen Kohlenzuweisung, die Bonn durch den Reichskohlenkommissar erfahren hat, erscheint es wohl möglich, daß man sich abermals für die Schließung der Viktoria-Schwimmhallen entscheidet. [...] Ohne die Absicht einer Kritik über die Behandlung, die man in Bonn in den letzten Kriegsjahren gegenüber der Schwimmsache wohl beobachten mußte, sei darauf hingewiesen, daß in vielen anderen rheinischen Städten, die ebenfalls unter dem Druck der Kohlennot gestanden haben, die öffentlichen Schwimmbäder bis heute ohne Unterbrechung im Betrieb geblieben sind. [...] Wenn man berücksichtigt, daß in Bonn trotz der Schwierigkeiten in der Kohlenbeschaffung seit anderthalb Jahren ein neues Operettentheater in Betrieb ist, das Stadttheater weiterspielt, daß sämtliche Bonner Kinos trotz der Kohlennot ihren Betrieb aufrecht erhalten konnten, daß „Groß-Bonn“ immer noch gut beheizt ist, daß eine wahre Sündflut von Konzerten diesen Winter über uns ergeht, die auch nicht ohne Saalheizung stattfinden können, so sollte man meinen, daß an den Stellen, wo der Kohlenbezug für diese Unternehmungen erfolgt, auch für das Viktoriabad die notwendigen Kohlen zu beschaffen wären.
Wir haben als Lazarettstadt mit unseren zahlreichen Verwundeten und genesenden Feldgrauen ein besonderes Interesse daran, daß der Einwohnerschaft eine regelmäßige Schwimmgelegenheit geboten wird, zumal die Badegelegenheit in den Privathäusern durch die immer größer werdende Schwierigkeit der Reparaturmöglichkeiten und der Installationsarbeiten mehr und mehr fragwürdig geworden ist.
Wir besaßen vor dem Kriege in dem Geheimen Baurat Schultze, unserem ersten Beigeordneten und Erbauer des Viktoriabades, und dem Stadtverordneten Prof. F. A. Schmidt, dem Chefarzt im Beethovenlazarett, besonders warmherzige Fürsprecher der Bonner Schwimmsache. An beide Männer ergeht deshalb besonders die herzliche Bitte, ihre Autorität dafür einsetzen zu wollen, daß, wenn irgend angängig, unserer Bürgerschaft auch weiterhin die Benutzung des Viktoriabades und seiner Schwimmhalle gewährleistet bleibt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Zu einer Kundgebung vaterländischer Tat- und Opferfreudigkeit ladet die deutsche Vaterlandspartei ihre Mitglieder auf Montag, den 30. September, abends 8¼ Uhr, in den großen Saal der Lesegesellschaft. Der Landtagsabgeordnete Dr. Bacmeister wird über das Gebot der Stunde sprechen. Auch Gäste sind herzlich willkommen.
Der erfolgreichste Kampfflieger auf dem Kriegsschauplatze in Mazedonien, der Bonner Vizefeldwebel Gerh. Fieseler, errang seinen 17. Luftsieg und wurde er neuerdings mit dem österreichischen silbernen Verdienstkreuz mit der Krone am Bande der Tapferkeitsmedaille sowie mit dem preußischen Militärverdienstkreuz ausgezeichnet.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Samstag, 28. September 1918
Die Universität im vierten Kriegsjahre.
In der soeben erschienenen Chronik der Universität für das am 31. März beendete Rechnungsjahr 1917 berichten einleitend die beiden Rektoren des Jahres, Geheimräte Ribbert und Marx, über „Die Universität im vierten Kriegsjahre“. Nach kurzer Aufzählung der wichtigsten militärischen und politischen Ereignisse, u. a. die Befreiung der Universitär Dorpat, heißt es: Der Betrieb der Universität erfolgte in derselben Weise wie im vergangenen Jahr. Kriegsbeschädigte, Dienstuntaugliche, zeitweise Beurlaubte, 18jährige für die Zeit vor der Einstellung, Frauen und Gasthörer, Weltgeistliche und Ordensgeistliche bildeten die Zuhörerschaft von etwa 1400 Köpfen. Vielen, die im Hilfsdienst beschäftigt waren, wurde ein zeitweiser Besuch der Vorlesungen und Uebungen ermöglicht, ebenso Genesenden aus den Lazaretten und Krankenhäusern. Es wird dann über die akademische Bismarckfeier am Sonnenwendtage und über die Gründung der Gesellschaft von Freunden und Förderern der Friedrich-Wilhelms-Universität berichtet. Die große goldene Schaumünze der Rektorkette wurde verpfändet und durch einen in der Kruppschen Hütte zu Sayn hergestellten eisernen Abguß mit dem Bilde des Stifters der Universität ersetzt. [...] Im Heeresdienst standen im Sommer 1917 4328 von insgesamt 5138 Studierenden, im Winter 1917/18 4803 von insgesamt 5555 Studierenden. Gefallen sind bisher 502 Studierende. Vorlesungen hatten angenommen im Sommer 1482 Studierende, darunter 474 Frauen, im Winter 1488, darunter 465 Frauen; dazu kamen im Sommer 163, im Winter 210 Gasthörer. Der Vereinslazarettzug K. 1 hat im Berichtsjahre 32 Fahrten zurückgelegt und 212 Offiziere und 7587 Unteroffiziere und Mannschaften, ferner 168 Feinde nach Deutschland befördert. Die Beratungs- und Unterstützungsstelle für kriegsbeschädigte Akademiker in der Rheinprovinz hat für 57 Kriegsbeschädigte, 38 mit schweren und 19 mit leichteren Verletzungen, besondere Akten angelegt. Zu den Schwerverletzten gehören sechs Blinde, darunter zwei Berufsoffiziere, die beide zum Studium der Rechtswissenschaften übergingen. Zahlreiche kriegsbeschädigte Akademiker wurden beraten, an 20 Unterstützungen gezahlt, für acht wurden die Kurkosten in den Alpen bewilligt. Die Ausgaben beliefen sich auf 12.000 M. Die Hilfsstelle der Universität zur Versorgung kriegsgefangener Akademiker hat weiter einige hundert Bände für die kriegsgefangenen Kommilitonen gesammelt und an die Hauptstellen überwiesen. [...]
Magen oder Herz? Die Parole ist mit kernigen Worten ausgegeben. Unser Beigeordneter Bottler hat es im Namen der Reichsbank und unserer Vaterstadt getan, deren Wappen unsere Kriegsanleihen-Zeichenscheine tragen, als er Mitbürger und Mitbürgerinnen versammelte, um die Werbearbeit für die „Neunte“ zu beraten: Vertrauen, mehr Vertrauen! Ein voller Heimatsieg soll unsere jetzige Kriegsanleihe werden, ein glänzender Beweis eines Siegeswillens, der weit größer noch als der unleugbare des Franzosen trotz weitgehender Besetzung seines Landes. Und ein treffliches Wort sagte der Bonner „Generalissimus“ bei der Geldschlacht: Bei vielen steht der Magen viel zu sehr im Vordergrund, man sollte meinen, sie hätten nur einen Magen und kein Herz. Der Magen läßt ihre Zunge sich ständig bewegen, vom Herzen hört man kaum ein Wort. Und ich setze hinzu: Gerade solchen, denen der Magen nicht knurrt, hören häufig am wenigsten auf die Stimme ihres Herzens. Die kann keine andere sein als die mahnende Stimme, die Pflicht zu tun. Diese Herzensstimme braucht aber nimmer zu fürchten, daß der Verstand anders sprechen würde. Patriotismus und Egoismus gebieten dasselbe: Zeichnung und Werbung. fik.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Ein Erlebnis in der Rheinuferbahn. Von einer angesehenen hiesigen Dame wird der Schriftleitung mitgeteilt, daß in der Rheinuferbahn gestern auf der Fahrt nach Köln in einem Nachmittagszug ein kriegsgefangener Franzose in Uniform beobachtet wurde, der sich in Begleitung einer Dame befand. Mit einem Abendzug fuhr der Franzose in der gleichen Gesellschaft wieder nach Bonn zurück. Die Mitreisenden beobachteten mit Empörung, daß die Begleiterin des Franzmanns sich mit diesem sehr intim unterhielt. Von der vielgerühmten Höflichkeit des Franzosen gegenüber Damen schien dieser Mosjöh keinerlei Dunst zu haben. Obwohl das Abteil überfüllt war und viele ältere Frauen stehen mußten, blieb der Franzose ruhig auf seinem Platz sitzen. Die Schaffnerin, die gebeten wurde, den Franzmann zum Aufstehen zu veranlassen, mußte leider erklären, zu einem derartigen Eingreifen nicht berechtigt zu sein. Vielleicht setzt sich die Direktion der Rheinuferbahn mit unserer Militärbehörde in Verbindung, damit derartige unliebsame Erscheinungen in der Folge vermeiden bleiben.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Futtermangel. Vom Lande schreibt man uns: Zahlreiche Landleute der nächsten Umgebung der Stadt treiben jetzt ihr Rindvieh auf die jungen Stoppelkleefelder zur Weide. In hiesiger Gegend ist dies etwas ganz Neues und gibt der Landschaft ein ganz anderes, eigenes Gepräge. Die Landleute versuchen auf diese Weise dem augenblicklichen Futtermangel entgegenzuarbeiten. Der junge Klee liefert ja in diesem Jahre sowieso keine Ernte mehr, bringt aber durch die Benutzung als Viehweide großen Nutzen.
Das Soldatenheim wurde am letzten Sonntag von Herrn Berlef trefflich geleitet. Nach herzlicher Begrüßung der zahlreich erschienenen Feldgrauen und eingeladenen Gästen zeigte Frau Zwerschke ihre Kunst als Geigenkünstlerin in bester Weise. Die Klavierbegleitung lag in den Händen von Frl. Herrmann und fanden die vorgetragenen Stücke allseitigen Beifall. Herr Architekt Tasche brachte mit bekannter herrlicher Tenorstimme mehrere Lieder zu Gehör und wurde kräftig applaudiert. Frl. Lenzen erfreute auch heute wieder mit ihren heiteren Vorträgen. Ein humoristisches Terzett „Die drei Auguste“, vorgetragen von den Herren Herbst, Däntler und Ritter fand auch seine Anerkennung. Ein Lustspiel „Die Naturheilmethode“ mit Besetzung der Damen Frl. Lottner, Frl. Völker, der Herren Ritter, Schönenberg, Däntler und Herbst wurde gut gespielt und rauschender Beifall wurde den Spielern zu Teil.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 30. September 1918
Nicht zu dumme Entschuldigungen! Folgende Entschuldigungen wegen Nichtzeichnung von Kriegsanleihen haben sich als unzweckmäßig herausgestellt und werden deshalb besser vermieden:
1. Ich habe gestern bei dem anderen Herrn gezeichnet – wenn man dessen Namen vergessen und seine Bescheinigung darüber verloren hat.
2. Ich muß auf Herrn .... warten, dem ich jedes Mal zeichne – wenn der Werber von ihm einen freundlichen Gruß bestellt und gerade gehört hat, daß der geplagte Zeichner – noch nie gezeichnet hat.
3. Ich muß unbedingt mein weniges bares Geld zu eiligen großen Warenanschaffungen behalten – wenn der Werber eben vorher, im Laden stehend, gehört hat, wie die hohen Preise damit gerechtfertigt wurden, daß keinerlei Waren mehr zu kaufen seien.
4. Ich bin so beschäftigt, daß ich nur mit der Bank mich einlassen kann – wenn der Werber belehrt, daß durch die Zeichnung bei ihm der Gang zur Bank noch erspart wird.
5. Ich muß meinen Neffen und Nichten die Freude der Zeichnung machen – wenn der Werber mit rauher Hand auf den Stammbaum weisen kann, der den Angesprochenen als einen geschwisterlosen hoffnungsvollen Sproß der Familie zeigt.
6. Ich kann noch nicht übersehen, wie viel zu zeichnen ich in der Lage bin – wenn der Werber belehren kann, daß man mehrfach zeichnen und sich dadurch die Uebersicht erleichtern darf.
Gleich ein halbes Dutzend --- fauler Entschuldigungen, ein Gros wäre leicht voll zu machen. Ein Ausweg bleibt dir, wenn dich der Werber erwischt. Erblasse nicht, erröte nicht, stottere nicht, --- raffe dich auf, ehrlich zu sagen: Ich will nicht zeichnen. Es ist ja nicht nötig, daß du dabei grob wirst, weil der unglückliche Werber dich --- zu hoch eingeschätzt hat. fik.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
Zur Eierversorgung. Wie der preußische Staatskommissar für Volksernährung bekannt macht, dürfen Geflügelhalter, die ihre Ablieferungsschuldigkeit an Eiern für das Wirtschaftsjahr 1918 erfüllt haben, Ueberschußeier unmittelbar an Verbraucher zum Kleinhandelshöchstpreis frei absetzen. Diese Ueberschußeier sind bei Ablieferung an die Sammelstellen oder Aufkäufer mit einem Zuschlag von je 10 Pfg. zu vergüten.
Städt. Volksunterhaltungsabend. Im Saale des Bonner Bürgervereins gab gestern Herr Landgerichtsrat E. Bücheler seinen ersten dieswinterlichen Volksunterhaltungsabend, der sehr gut besucht war. Der Anfang war erfreulich. Der Konzertveranstalter hatte mit seinem kleinen gemischten Chor und den fünf Instrumentalsolisten für die Zwecke seiner Konzerte eine gute Wahl getroffen. Die Sängerinnen und die Sänger sangen, wenn sich auch einige musikalische Leistungen musikalisch nicht einwandfrei erwiesen, eine Reihe interessanter Lieder von Mendelsohn und Kahn mit Geist und Geschmack. Der Beifall der Zuhörer nach den Liedern war lebhaft. Den Höhepunkt der Erfolge erzielte das Mozartsche Quintett für zwei Violinen, Viola, Klarinette und Cello, das für das angesetzte und wieder abgesetzte Septett von Beethoven gespielt wurde. Den Ausführenden ist es gelungen, alles was in der Komposition lebt und webt, der Grundidee unterzuordnen und dem anmutigen Werke eine wirkungsvolle Aufführung zu sichern.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Krieg gegen den Griesgram. Wir feierten einmal Fastnacht. Sie, von der wir schon mancher Jugend nur noch erzählen können, machte nicht nur das Narrenkleid aus, das auch heute noch, dem Geist der Zeit zum Hohn, oft genug getragen wird. Zu ihr gehörte ein rheinisches Herz, das auch innerlich keinen Griesgram kannte. Kampf gegen den Griesgram war die Parole, und denkt ihr noch an die Jagd auf die Griesgrämigen? Erinnert ihr euch noch, wie geschickt sie aus der Menge heraus ausfindig gemacht und unter dem sicheren Geleit der Bonner Stadtsoldaten in das Wachlokal unter der Treppe unseres Rathauses gebracht wurden? Dort mochten sie ihren Obolus für die Armen erlegen und erleichtert von dannen gehen.
Das war noch ein harmloser Griesgram. Man freute sich, je mehr seiner verdächtig erschienen. Heute sind es gefährliche Menschen, die zu aller Not und allem Leid uns noch die hässlichste Plage ihres Griesgrams bringen wollen, die da geflissentlich diese Krankheit auf ihre Mitmenschen übertragen. Wer solchen Griesgram zur Strecke bringt, den Seucheverbreiter bestimmt, nicht einmal ein Opfer für die Armen auf sich zu nehmen, sondern dem Vaterland und – sich zuliebe, nur Kriegsanleihe zu zeichnen, der hat wirklich etwas Verdienstliches getan.
Felix Joseph Klein (Bonn).
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)