Sonntag, 1. Dezember 1918
Erwerbslosenfürsorge. Den Stadtverordneten wird empfohlen, für die Stadt Bonn eine Erwerbslosenfürsorge einzurichten und sie nach den vom Demobilisierungsausschuß aufgestellten „Grundsätzen“ zu regeln. Der Finanzausschuß empfiehlt dazu, für die Zwecke von Erwerbslosenfürsorge zunächst 500.000 M. zu bewilligen. [...]
Einführung des Achtstundentages in den städtischen Betrieben. Der Verfassungsausschuß empfiehlt der Stadtverordnetenversammlung, vom 1. Dezember ab in allen städtischen Betrieben den achtstündigen Arbeitstag einzuführen. Trotz der Verkürzung der Arbeitszeit soll der einzelne Arbeiter künftig den gleichen Schichtlohn erhalten wie bisher. Für nicht planmäßige Ueberstunden an Wochen- und Sonntagen soll eine Sondervergütung von 50 v. H. des Stundenlohnes gewährt werden. Planmäßige Ueberstunden, Sonntags- und Nachtarbeit sollen nicht besonders vergütet werden.
Für Notstandsarbeiten sollen nach dem Vorschlage des Finanzausschusses von den Stadtverordneten zunächst 50.000 M. bewilligt werden.
Ein Ausschuß für Volksunterhaltungsabende, bestehend aus neun Mitgliedern, soll in der kommenden Stadtverordnetenversammlung gewählt werden.
Drei Ochsen hat ein Soldat seinem Truppenteil entführt und in der Nacht zum gestrigen Samstag an einen hiesigen Metzger verkauft. Der Soldat wurde gestern von der hiesigen Polizei festgenommen. Gegen den Metzger, R., wird ein Verfahren wegen Hehlerei eingeleitet.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)
In der Samstagssitzung des Arbeiter- und Bürgerrats teilte Baurat Piehl mit, daß der Presseausschuß eingehend darüber beraten habe, wie sich die Bevölkerung der Besatzung gegenüber zu verhalten habe. Näheres wird noch bekannt gegeben. Herr Kuhnert führte Klage über Planlosigkeit bei den Einquartierungen. Kleinere Wohnungen seien des öfteren mit mehr Einquartierungen bedacht worden als große. Es komme immer noch vor, daß Soldaten überhaupt nicht aufgenommen würden. So habe der Diener eines fürstlichen Haushalts erklärt, er nehme keine Einquartierungen an. Dieser Mann sei militärpflichtig, aber reklamiert gewesen und habe daher das Vergnügen gehabt, die vier Kriegsjahre über das Heimatpflaster zu treten. Trotzdem habe sich der Mann geweigert, ein solch kleines Opfer auf sich zu nehmen. Herr Kalt teilte mit, daß in den hiesigen Lazaretten noch größere Bestände an Watte vorhanden seien, die bei der Räumung zum Teil an Soldaten verteilt worden sei. Diese hätten die Watte verkauft. Er regte an, daß die überflüssige Watte zurückgegeben werden soll. Der Vertreter der Militärverwaltung will das nötige veranlassen. Vorsitzender M. Schmitz machte bekannt, daß Beigeordneter Lühl versucht habe, mit dem Bahnhofsvorsteher die Frage der Reiseausweise zu besprechen. Der Bahnhofsvorsteher habe sich jedoch derart ablehnend, ja geradezu unhöflich (!) verhalten, daß Verhandlungen nicht möglich gewesen seien. Die heutige Zeit sei nicht dazu angetan, daß sich Beamte derart unhöflich verhalten dürften. Oberbürgermeister Spiritus habe nun selbst mit dem Vorsteher verhandelt, und zwar mit dem Ergebnis, daß die Reiseerlaubnis von den Polizeikommissaren ausgestellt werden wird. [...] Der Vorsitzende verlas ein Schreiben des Verbandes Bonner Frauenvereine zum Schutze der weiblichen Jugend, in dem verlangt wurde, daß es den jungen Mädchen verboten werden soll, sich bis 11 Uhr abends auf der Straße aufzuhalten. Der Vorsitzende erklärte hierzu, daß ein solches Verbot schon bestehe und daß eine weitere Einschränkung nicht am Platze sei. In erster Linie se es Sache der Eltern, dafür zu sorgen, daß ihre Kinder rechtzeitig zu Hause seien. [...]
Ein Frontsoldat hatte sich schriftlich an den Arbeiter- und Bürgerrat gewandt, damit dieser dafür eintrete, daß die Arbeitgeber die aus dem Felde zurückkehrenden Soldaten wieder in Stellung nehmen. Seine Stelle sei durch eine weibliche Hilfskraft besetzt und der Prinzipal weigere sich, ihn wieder anzunehmen. Ein anderer Feldgrauer beschwerte sich über eine Möbelfirma, bei der er auf Abzahlung Möbel gekauft habe. Er habe von der Firma noch 500 M. für zurückerstattete Möbel zu bekommen, die er aber nicht erhalten habe. Der dem Schreiben beigefügte Vertrag zwischen dem Soldaten und dem Möbelhändler wurde als gegen die guten Sitten verstoßend und daher für ungültig erklärt. Die Sache wurde der Preisprüfungsstelle zur weiteren Untersuchung übergeben. [...]
Herr Meyer rügt einige Bestimmungen auf dem vom Generalkommando verfaßten Plakate. So sei darin die Grußpflicht der Soldaten betont, obwohl außerhalb des Dienstes keine Grußpflicht bestehe. Wenn ein Soldat auf der Straße seinem Vorgesetzten begegne, sei dagegen nichts einzuwenden; zur Pflicht könne man das namentlich in der jetzigen Zeit nicht machen, wo viele Zivilisten, die vom Militär entlassen sind, noch die Uniform tragen. Auf der Rheinbrücke sei es vorgekommen, daß ein Soldat, der den Gruß verweigert habe, verhaftet wurde. Weiter wendet sich Herr Weber dagegen, daß in Flugblättern usw., die das AOK. [Armeeoberkommando] unter die Truppen verteilen lasse, gesagt wurde, daß in der Heimat ein Chaos und revolutionäre Diktatur herrsche. Es werde darin ferner der Rat gegeben, die Landes- und Reichsfahnen zu führen, aber keine roten Fahnen. Wir sind tolerant genug, nichts gegen andere Farben zu sagen, aber die rote Fahne sollte auch nicht ausdrücklich verboten werden. [...] Herr Niedermayr sprach sich dahinaus, daß es sittliche Pflicht der Armeeführer sei, darauf zu achten, jeden Zusammenstoß mit dem Volke zu verhindern. Es müsse alles vermieden werde, was aufreizend wirke. Die Grußpflicht hätte nicht besonders betont zu werden brauchen. Auch sei es nicht angebracht, daß die Posten noch immer mit dem Stahlhelm aufzögen, die den Soldaten selbst unnötige Schmerzen bereiten.
Die nächste Sitzung findet am Montag statt.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Von der 18. Armee zog heute die 18. Infanterie-Division über den Rhein. Der Kommandeur, General von Massenbach ritt an der Spitze bis zur Rheinbrücke. Dort nahm er den Vorbeimarsch der Truppen ab, die in tadelloser Haltung den Parademarsch ausführten.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 2. Dezember 1918
Eine sozialdemokratische Frauenversammlung, die stark besucht war, fand Sonntag abend im Bonner Bürgerverein statt. [...] Frau Röhl aus Köln sagte in ihrem Vortrag über „Menschenrechte der Frau“, die gegenwärtige Umwälzung wäre zur Anarchie geworden, wenn nicht die Sozialdemokratische Partei die Führung übernommen hätte. Nachdem das Bürgertum sich erholt habe, übe es Kritik an Dingen, die die Sozialdemokratie nicht verschuldet habe. Auch die Sozialdemokratie habe den Umsturz in dieser Form nicht erwartet. Das deutsche Volk stehe jetzt vor sehr schwierigen Aufgaben, aber die Arbeiterschaft werde ihrer Herr werden. Damit das deutsche Volk innerlich erstarke, müsse die Nationalversammlung so schnell wie möglich einberufen werden. Die Rednerin besprach dann die Einzelheiten des Wahlrechts zur Nationalversammlung und belehrte die anwesenden Frauen über die Wichtigkeit der politischen Frauenarbeit. Die sich an den Vortrag anschließende Aussprache mußte der Polizeistunde wegen schließlich abgebrochen werden.
Unglaublicher Unfug ist gestern nachmittag am Rheinwerft betrieben worden. Es war dort eine größere Menge Gewehre und Munition abgeladen worden. Schulpflichtige und ältere Jungen haben wie uns Augenzeugen berichten, Gewehre geladen und über den Rhein hinweg abgeschossen, auch einen Kahn durch Schüsse leck gemacht. Einige Jungen sollen auch Gewehre weggeschleppt haben. Das hat sich zwischen 2 und 3 Uhr zugetragen. Um ½ 4 war dann zu sehen, wie Gewehre von kleinen und kleinsten Kindern auf ein Grundstück an der Theaterstraße gebracht wurden, wobei, da die Knirpse die Waffen nicht tragen konnten, die ungeschützte Mündung über das Pflaster geschleift wurde.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Wie wollen wir uns beim Einzug der fremden Besatzung verhalten?
Der dunkelste Tag der Geschichte unserer Vaterstadt rückt näher: in wenigen Tagen wird die fremde Besatzung ihren Einzug halten. Wie wollen wir uns bei diesem Einzug verhalten? Wollen wir gaffend an Weg und Fenster stehen, damit die Einziehenden sich an unserer Demütigung weiden und ihr Triumph desto größer ist? Schmach über jeden Bonner Bürger, der an diesem Unglückstage nicht mit Frau und Kindern innerhalb seiner vier Wände bleibt und bei unvermeidlichem Ausgang nicht unbeirrt seines Weges geht, ohne rechts und links zu schauen! Schmach über jedes Mädchen, das bei späteren Aufzügen und ähnlichen Veranstaltungen seiner Neugierde nicht zu gebieten und seine Würde gegenüber der Besatzung gegenüber nicht zu wahren weiß! Höflich, aber durchaus kühl und zurückhaltend sei unser Wesen. Eine große Verantwortung ruht gegenwärtig auf uns Rheinländern; die Augen des ganzen Reiches schauen auf unsere Haltung. Bedenkt das, ihr Bonner und Bonnerinnen. M. B. F.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt“)
Die Stadtverordneten werden morgen zum ersten Mal nach dem Umsturz wieder zusammentreten. Inwieweit der Arbeiter- und Bürgerrat auch weiterhin tätig ist, erscheint unsicher. In Saarbrücken und Aachen, wo die feindliche Besatzung bereits eingerückt ist, hat diese als Vertreter der Lokalverwaltung nur den Oberbürgermeister anerkennt. Man muß vermuten, daß auch in Bonn dies der Fall sein wird, sodaß Oberbürgermeister Spiritus in Gemeinschaft mit der Stadtverordnetenversammlung, wenigstens für die Dauer der Besetzung der linksrheinischen Gebiete, alle kommunalen Fragen zu regeln hat.
Sollte der Arbeiter- und Bürgerrat jedoch weiter bestehen bleiben, so müßte ein klares Verhältnis über die Frage geschaffen werden, wer für die Bewilligung der Gelder aus dem Stadtsäckel die Verantwortung trägt. Unsere Stadt Bonn, deren Haushalt bis zur Revolution in überaus sorgsamer Weise geleitet wurde, hat infolge der Kriegseinwirkung derartige hohe Finanzlasten auf sich nehmen müssen, daß eine klare zielsichere Leitung unseres Finanzwesens im Interesse aller Schichten unserer Bürgerschaft jetzt mehr denn je ein zwingendes Gebot ist.
Zeitweilige Sperrung des Bahn- und Postverkehrs? Wie wir erfahren, ist es nicht ausgeschlossen, daß in den ersten Tagen der Besetzung des linksrheinischen Gebietes der Bahn- und Postverkehr gesperrt bleibt. Es empfiehlt sich jedenfalls für die Bewohner des linksrheinischen Gebietes, notwendige Geschäftsangelegenheiten und wichtige private Dinge schleunigst zu erledigen.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die Zentrumspartei hielt gestern im Bürgerverein unter dem Vorsitz des Herrn Kaplan Rembold eine gutbesuchte öffentliche Vollversammlung ab, in der Lehrer Schultheiß und Arbeitersekretär Klüber zum Thema „Was uns nottut“ sprachen. In beiden Reden sowohl als auch in der lebhaft geführten Diskussion, kam der von allen bürgerlichen Parteien und den Mehrheitssozialisten einstimmig und immer dringlicher betonte Wunsch nach schleunigster Einberufung der Nationalversammlung zum Ausdruck. Die Mißwirtschaft der jetzigen Berliner Regierung wurde an den Pranger gestellt und unter lautem Beifall der ganzen Versammlung hervorgehoben, daß das Volk es ablehne, von Berlin Maßregeln sich vorschreiben zu lassen, die dem Volksempfinden Hohn sprechen. Wenn nicht bald Aenderung dieser unerträglichen Dinge eintrete – so betonte der Vorsitzende - sagen auch wir: „Los von Berlin!“ Das solle aber nicht heißen: „Los von Deutschland!“; denn das Zentrum sei stets eine deutsche Partei gewesen und werde (nach den Worten des Arbeitersekretärs Klüber) auch fernerhin nur deutsch sein oder nicht sein. Lehrer Schultheiß hob aus den beiden vorliegenden Entwürfen zu einem neuen Zentrumsprogramm einige Punkte hervor, um über die neuen großen Aufgaben der Zukunft zu sprechen: Das Frauenwahlrecht, das demokratische Wahlrecht für die Kommunen, die Schulfrage, die Frage der Trennung von Staat und Kirche, Fragen der Bodenpolitik und der Steuerpolitik. Alle Redner der Versammlung wiesen auf die Tatsache hin, daß in fast allen diesen Fragen, insbesondere aber in der Außenpolitik (Völkerbund und Kolonialbesitz) das Zentrum mit sämtlichen bürgerlichen Parteien, selbst mit den Mehrheitssozialisten ein gut Stück Weg Hand in Hand gehen könne. Es komme heute nur auf eines an, nämlich dem Terror und der Diktatur der Spartakus-Leute eine geeinte Front aller Ordnungs-Elemente entgegenzustellen. [...]
Stadtverordneter Schmitz teilte mit, daß die feindliche Besatzung aus 50 Divisionen bestehen und Bonn 9- bis 10.000 Mann erhalten werde, die teils in den Kasernen teils in städtischen öffentlichen Gebäuden untergebracht würden. Ein kleiner Teil der Besatzung müsse vielleicht Bürgerquartier beziehen. Redner mahnte zu ruhiger Besonnenheit, zu würdevollem, deutschen Verhalten den fremden Truppen gegenüber. [...]
Truppendurchzug. Auch gestern zogen wieder stärkere Teile der 18. Armee durch Bonn über die Rheinbrücke und bei Mondorf und Mehlem über die Notbrücken nach der rechten Rheinseite. Der Rest der Truppen muß nunmehr heute und morgen ihren Abzug vollenden, da am Mittwoch morgen um sechs Uhr das linke Rheinufer geräumt sein muß. Wie an den ersten Tagen wurden auch gestern die wackeren Krieger allseitig von der Bürgerschaft auf das herzlichste begrüßt und mit Liebesgaben beschenkt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Ist das der Dank? In der Samstag-Ausgabe der D.-R.-Z. will ein Feldgrauer und mehr als energisch unsern Platz hinterm Kochtopf anweisen. Er ist erregt, daß die Behörden und Firmen die Frauen, die als Kriegs-Aushilfe bei ihnen tätig waren, noch nicht alle entlassen haben. Ist das der Dank für unsere Arbeit? Weiß der Feldgraue, wie viel Opfer, wie viel Selbstlosigkeit, wie viel Fleiß und Ueberwindung es uns Frauen gekostet hat, in den Beruf der Männer einzutreten? Weiß der Feldgraue, daß es viele Kriegswitwen gibt, die gezwungen sind, an Stelle des Mannes jetzt mit eigener Hände Arbeit Brot für sich und die Kinder zu verdienen? Man kann nicht Frauen, die auf sich selbst angewiesen sind, einfach vor die Türe setzen. Außerdem sind die Männer noch längst nicht alle zurückgekehrt. Der Uebergang aus dem Erwerbs- und Wirtschaftsleben der Kriegszeit in die geordneten Verhältnisse des Friedens kann sich nicht im Handumdrehen vollziehen. Wir räumen, so weit das möglich ist, den Männern gerne den Platz an ihrer alten Arbeitsstätte. Aber es muß uns verletzen, wenn man uns nach getaner Pflichterfüllung im Tone des Feldgrauen die Türe weist. Eine Kriegerfrau im Namen vieler.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)
Dienstag, 3. Dezember 1918
Die Verkaufsausstellung von Verwundeten-Arbeiten aus hiesigen Lazaretten wies bereits gestern, dem Tage der Eröffnung, einen überaus lebhaften Besuch auf. Große Kauflust herrschte in den Räumen der Buchhandlung Cohen (1. Stock) und erstreckte sich gleichmäßig auf die hübschen Gegenstände aller Art, die in langen Genesungswochen angefertigt wurden. Es ist staunenswert, was die gewiß doch ungeübten Männerfinger alles zustande brachten. […] Die Ausstellung soll nur drei Tage dauern; aus der regen Teilnahme zu schließen, wird der immerhin geringe Vorrat in dieser Zeit restlos verkauft sein. Die Bonner Frauen lassen sich eben auch diese Gelegenheit, das Angenehme und Nützliche mit der Wohltätigkeit zu verbinden, nicht entgehen, zumal es wohl das letztemal sein dürfte, unseren verwundeten Feldgrauen in Bonn zu zeigen, daß alles, was aus ihren Händen kam, uns wert erscheint, eine dauernde Erinnerung an ihr Heldentum und Mahnung an unsere nie abzutragende Dankesschuld in unserm durch sie vor der Zerstörung bewahrtem Heim zu sein.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Nationale Würde und Besetzung. Wir erhalten fortgesetzt aus unserm Leserkreis Zuschriften, durch welche die Bürgerschaft darüber belehrt werden soll, wie sie sich während der Besetzung durch die Truppen der Alliierten zu verhalten habe. Es werden uns Ratschläge vorgetragen, die bis in die kleinsten Einzelheiten gehen. Auch wird in guter Absicht darauf hingewiesen, daß es in unseren öffentlichen Konzertlokalen, Kaffeehäusern usw. noch zu lustig zugehe, was der nationalen Trauer nicht entspreche. Der deutsch-evangelische Volksbund übermittelt uns acht Gebote zu der Frage: “Wie verhalte ich mich zu der feindlichen Besatzung“, alleinstehende Frauen ersuchen darum, dafür einzutreten, daß sie keine Einquartierung erhalten usw. usw. Wir möchten auf alle diese Zuschriften bemerken, daß ihre Veröffentlichung uns in den Augen der alliierten Truppen mehr schadet, als das gewiß zu erwartende tadelnswerte Verhalten einzelner Personen gegenüber fremden Offizieren und Mannschaften.
Wenn wir darauf hinweisen, daß man sich in der französischen Presse bereits über die Ermahnungen in der rheinischen Presse etc. lustig zu machen beginnt, so wird man es begreiflich finden, daß der brave deutsche Michel wieder einmal auf dem falschen Wege ist. Man sagt sich in Frankreich sehr richtig, daß wir Rheinländer doch verflucht wenig deutschnationale Gesinnung haben müßten, wenn erst der behördliche Apparat, konfessionelle Verbände, Presse und Schule in Bewegung gesetzt werden müßten, um dahin zu wirken, daß man sich gegenüber den Besatzungstruppen so verhalte, wie es uns Deutschen nach einem für uns ehrenvollen Kriege zustehe. Man möge daher alle gutgemeinten Warnungen und Ermahnungen in der Feder lassen und darauf vertrauen, daß die weit überwiegende Mehrheit unserer rheinischen Bevölkerung in ihrem nationalen Empfinden und Denken so gefestet ist, daß sie sicherlich unsern Gegnern keinen Anlaß bieten wird, über eine etwa hervortretende nationale Gesinnungslumperei verächtlich die Nase zu rümpfen.
In der gestrigen Sitzung des Arbeiter- und Bürgerrates machte Assessor Dr. Pape bekannt, daß wir wahrscheinlich Engländer als Besatzungstruppen hierher nach Bonn bekommen würden. Bestimmtes liege aber noch nicht vor, auch nicht über die Stärke der Besatzung. Man müsse aber damit rechnen, daß ihre Zahl größer sein wird, als die militärische Belegschaft Bonns in Friedenszeiten. In erster Linie werde die Besatzung in Kasernen, Schulen und öffentlichen Gebäuden, studentischen Verbindungshäusern usw. untergebracht, um möglichst Privatquartiere zu vermeiden. Um den Schulbetrieb wenigstens in beschränktem Maße aufrecht zu erhalten, sollen einige Schulgebäude frei gehalten werden. Die Universität habe Schwierigkeiten gemacht, indem sie sich nur zu Hergabe eines Hörsaales bereit erklärte. Man hoffe aber, daß sie noch weitere Räume zur Verfügung stellen werde. Die erzbischöfliche Behörde habe die beiden Konfikte zur Verfügung gestellt. Im ganzen könne man in diesen öffentlichen Gebäuden 6000 Mann unterbringen. Da die Kasernen so schnell wie möglich instand gesetzt würden, könne man schon in den ersten Tagen annähernd 2500 Mann unterbringen. Für die Mannschaften seien genügend Einrichtungsgegenstände vorhanden. Oberbürgermeister Spiritus hofft ebenfalls, daß die Universität, wenn man sie nochmals auf die dringende Not der Bürgerschaft aufmerksam mache, sich doch noch zur Hergabe weiterer Säle herbeilassen würde. Herr Kuhnert glaubt, daß es nicht die Universität als solche, sondern nur einige Professoren seien, die sich den Wünschen der Stadt verschlössen. Das Gros der Professoren sei seiner Ansicht nach mit dem Vorgehen von Rektor und Stadt nicht einverstanden.
Es wurde eine Entschließung der Vereinigung der Kriegsbeschädigten verlesen, die u. a. eine Vertretung im Arbeiter- und Bürgerrat, freie Fahrt für Beinamputierte auf der Straßenbahn usw. wünschen. Der Vorstand wurde beauftragt, mit den Herren mündlich zu verhandeln.
Oberbürgermeister Spiritus verlas einige Schreiben von Kommandeuren, die für die herzliche Aufnahmen danken, die ihnen von Seiten der Stadt und der Bürgerschaft bei ihrem Durchzug zuteil geworden ist. Auch Herr Dr. Krantz dankt im Auftrage des freiwilligen Hilfsausschusses der Bürgerschaft für ihre große Opferwilligkeit, durch die es ermöglicht wurde, den Truppen Zigarren, Zigaretten, Hosenträger, Blumen usw. zu geben. Am meisten hätten gerade die Hosenträger Anklang gefunden. Durch sie sei sogar einmal die Ordnung gestört worden. Eine Militärkapelle habe beim Anblick der Hosenträger mitten im Spiel aufgehört und sei auf die Hostenträger losgestürmt. Daraus lasse sich am besten ersehen, welche Freude man den Soldaten durch diese praktische Geschenke gemacht habe.
Oberbürgermeister Spiritus dankte namens der Stadtverwaltung sowohl als auch im Namen des Arbeiter- und Bürgerrats dem Kommandeur der 216. Inf.-Div. für das gute Zusammenarbeiten und bat Herrn Hauptmann Strüpp, dem Herrn Kommandeur diesen Dank zu übermitteln. Gleichzeitig dankte der Oberbürgermeister auch Herrn Hauptmann Strüpp für seine verständnisvolle Mitarbeit im Arbeiter- und Bürgerrat. Hauptmann Strüpp dankte verbindlichst für die anerkennenden Worte des Oberbürgermeisters.
Herr Sarnes regt an, daß die vom Militär zurückgelassenen Bestände an Tuchen und Lederzeug von der Stadtverwaltung erworben und durch Vermittlung der Frauenvereine zu Kleidungsstücken und Schuhen umgearbeitet werden sollen. Dadurch könne man namentlich der Schuhnot der Kinder und auch der Erwachsenen [entgegen] steuern, und ferner noch, wenn das Umarbeiten Kriegerfrauen übertragen würde, diesen Beschäftigung verschaffen. Der Anregung soll sofern noch Tuche und Lederzeug zu haben ist, Folge gegeben werden. Herr Kalt erklärte, daß noch 10 – 12 Schuhmacher beim Bekleidungsamt eingestellt werden könnten. Leder sei noch genügend vorhanden.
Als Vertreter für die Berliner Versammlung der AS-Räte am 16. ds. wurde Herr Kuhnert gewählt, falls in der morgen in Köln stattfindenden Versammlung Bonn ein Vertreter zugestanden wird. Hauptmann Arimond regte an, man solle die Kinder warnen, die Maueranschläge der Besatzungstruppen abzureißen oder zu beschädigen, da dies der ganzen Bevölkerung Nachteil bringen könne. Es wurde vorgeschlagen, die Kinder durch ihre Lehrer über ihr Verhalten der Besatzung gegenüber aufzuklären. Herr Niedermair wünscht den Beschluß herbeigeführt, daß auch die kleineren Geschäfte um 6 Uhr abends schließen sollen. Es könne dann viel an Licht und Heizung gespart werden. Der Handels- und Gewerbeverein soll sich demnächst mit dieser Angelegenheit beschäftigen.
Die nächste Sitzung findet am Mittwoch statt.
Am Bonner Postamtsgebäude wurde die Aufschrift „Kaiserliches Postamt“ in „Postamt“ abgeändert.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der Schulunterricht für die Kinder der Volks- und höheren Schulen kann, wie die Verhältnisse noch liegen, vorläufig noch nicht aufgenommen werden. Es fehlt auch an geeigneten Ersatzräumen. Da der allzu lange andauernde Ausfall des Schulunterrichts von äußerst nachteiligen Folgen für die Jugend sein muß, bringen wir eine Anregung aus unserm Leserkreis zur Kenntnis, die vorschlägt, die Kapitelsäle der Kirchen, evtl. auch die Kirchen selbst stundenweise, vielleicht nur nachmittags, für Schulzwecke freizugeben.
Die feindliche Besatzung ist in wenigen Stunden in unserer Stadt. Noch einmal mahnen wir zu würdevollem Verhalten den Gegnern gegenüber. Vermeidet alles, was ihnen Anlaß zu Spott, zu Genugtuung und Freude über unsere jetzige Lage dienen kann. Seid stolz auch in dieser Zeit der Demütigung! Was das deutsche Volk in mehr als vier harten Kriegsjahren geleistet hat, gibt ihm das Recht, stolz zu sein. Wir sind nicht Besiegte und brauchen nicht um die Gunst unserer Feinde zu betteln. Mit gemessener Höflichkeit kommen wir ihnen entgegen, nicht mit der kriecherischen Gebärde des Besiegten.
Eltern, haltet eure Kinder von der Straße fern, wenn der Feind einzieht! Steht auch nicht gaffend an den Fenstern. Zeigt, daß ihr deutsche Würde, deutschen Stolz besitzt!
Die Flaggen herein! Man schreibt uns: Meine Mitbürger möchte ich daran erinnern, die Fahnen (und natürlich auch den sonstigen Schmuck an Grün usw.) rechtzeitig hereinzunehmen und nicht, wie man das oft beobachten kann, sie noch tagelang nach der Veranlassung zum Flaggen hängen zu lassen. Wir ließen sie doch wehen, um unsere tapferen, unbesiegten Truppen herzlich zu bewillkommnen. Ist aber der letzte Mann über den Rhein, dann sofort herunter mit ihnen, damit sie nicht etwa auch der feindlichen Besatzung den Willkomm entbieten! A. F. v. S.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Mittwoch, 4. Dezember 1918
Zieht die Fahnen ein. Der Oberbürgermeister macht bekannt: Die Truppendurchzüge sind beendet. Zieht daher die Fahnen ein und entfernt den Straßenschmuck.
Die letzten deutschen Truppen. In fast endlosem Zuge und zu mehreren Kolonnen nebeneinander zogen gestern abend bis in die späte Nacht hinein geschlossene Verbände Fuß- und fahrender Truppen durch Bonn über die Brücke, auf den Straßen, vor allem der Brückenstraße von vielen Tausenden Männern und Frauen noch einmal ganz besonders herzlich begrüßt. Auf beiden Seiten gab es ein unaufhörliches Winken und Tücherschwenken. Die Musikkapellen, die noch in größerer Zahl mit ihren Verbänden durchzogen, spielten häufig die Wacht am Rhein oder Deutschland über alles, und alles Volk stimmte in diese Lieder ein, die öffentlich in den nächsten Monaten wohl nicht mehr gesungen werden können. Unzählige Auf Wiedersehn! begleiteten die deutschen Brüder über den deutschen Strom.
An der gestrigen Stadtverordnetensitzung, der ersten seit der Umsturzbewegung, nahmen auch zwei sozialdemokratische Mitglieder des Arbeiter- und Bürgerrates teil, die sich auch rege an den Verhandlungen beteiligten. Oberbürgermeister Spiritus widmete unseren Truppen herzliche Abschiedsworte, betonte die unauflösliche Zugehörigkeit des Rheinlandes zum großen deutschen Vaterlande und richtete an die Bürgerschaft eine ernste Mahnung, der fremden Besatzung selbstbewußt und stolz zu begegnen, aber alles zu vermeiden, was zu berechtigten Klagen Veranlassung geben könnte. Die Stadtverordneten bewilligten 500.000 M. für die Erwerbslosenfürsorge und 50.000 M. für eine Hilfskasse zugunsten der Nichtkriegsteilnehmer, sie beschlossen die Einführung des Achtstundentages in den städtischen Betrieben und die Ausgabe von weiterem Notgeld, auch die Anwendung des Umlegungsgesetzes, der sog. Lex Adickes, auf Bonn. Eine Beschlußsammlung über weitere Teuerungszulagen an die städtischen Beamten, Angestellten und Arbeiter wurde vertagt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Dringende Bitte an Polizei u. Bürgerwehr. Wir machen Polizei und Bürgerwehr darauf aufmerksam, daß die Straßenjugend sich immer noch damit lustiert, Partronen und Handgeschosse zur Explosion zu bringen. An allen Ecken und Enden der Stadt knallt es, besonders in den Abendstunden. Sollte sich dies nach der Besetzung noch weiter ereignen, dann gerät die Einwohnerschaft Bonns in die Gefahr, von den alliierten Truppen sehr unsanft behandelt zu werden. Die Bürgerwehr hat selbst darauf hingewiesen, daß man keine Waffen mehr im Hause haben darf. Sie würde sich auch ein großes Verdienst erwerben, wenn sie mit allem Nachdruck gegen die Knallerei auftreten und den Straßenbengels das Handwerk mit aller Gründlichkeit legen würde.
Schluß mit der Knallerei. Wie uns ein Anwohner der Coblenzerstraße mitteilt, haben die jetzt abgerückten Truppen massenhaft Feuerwerkskörper, sogenannte Schwärmer, an die Jugend verteilt. Ein Junge wurde erwischt, der noch 15 Stück dieser Schwärmer in der Tasche hatte. Aber nicht nur die Kinder allein sind es, die diesen Unfug treiben; beim Durchzug der letzten Truppen wurde gestern abend in der Nähe der Brückenstraße wiederholt aus Revolvern geschossen. Halbwüchsige Burschen hatten sich in den dunkleren Nebenstraßen aufgestellt und feuerten von dort aus die Schüsse ab.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Betten für die Besatzung. Da zur Unterbringung der Besatzung in Schulen, Kasernen usw. nicht genügend Betten zur Verfügung stehen, wird die Bürgerschaft dringend gebeten, guterhaltene Betten (möglichst aus Eisen) käuflich zur Verfügung zu stellen.
Das linke Rheinufer mußte bis heute morgen 6 Uhr geräumt sein. Gestern kamen noch ziemlich große Truppenmassen auf ihrem Durchzuge über die Rheinbrücke. Das 60. Infanterie-Regiment, das den Ordnungsdienst in Bonn versehen hatte, zog unter klingendem Spiel aus. Auch in der Nacht kamen noch Truppen durch die Stadt. Von der englischen Besatzung ist bis zum Redaktionsschluß noch niemand hier eingetroffen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Donnerstag, 5. Dezember 1918
Der katholische Lehrerinnenverein, Verband Bonn-Stadt und Land, hatte Dienstag nachmittag eine sehr gut besuchte Versammlung. Der Verein erkennt es als eine vom christlichen Standpunkt gebotene Pflicht seiner Mitglieder, sich mehr als bisher für die Fragen des öffentlichen Lebens zu interessieren. Die Mitglieder sehen es als eine ihrer schönsten Pflichten an, sich insbesondere zur Schulung und Aufklärung nahestehender Volkskreise zur Verfügung zu stellen. Den Bestrebungen des jetzigen Kultusministeriums gegenüber lehnen sie jeden Versuch einer Trennung von Kirche und Staat ganz entschieden ab und betonen die Notwendigkeit der konfessionellen Volksschule.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
In der gestrigen Sitzung des Arbeiter- und Bürgerrats erklärte der Vorsitzende Dr. Krantz, daß nach Eintreffen der fremden Besatzung alles vermieden werden müsse, die Feinde zu reizen. Immer wieder müsse auf unsere Jugend eingewirkt werden, die unsinnige Schießerei zu unterlassen, da derartige Dummejungenstreiche dazu angetan seien eine Erhöhung der Kontributionen herbeizuführen. Mehrere Mitglieder machten Vorschläge, wie diesem Unfug zu steuern sei. Es wurde u. a. vorgeschlagen, nach dem Vorbild von Köln Flugblätter an die Kinder zu verteilen, die ihnen das Gefährliche ihres Treibens vor Augen führen. Von anderer Seite wurde angeregt, dafür Sorge zu tragen, daß der Schulunterricht so bald als möglich wieder aufgenommen werde, damit die Kinder wieder an Zucht und Ordnung gewöhnt würden. (Vielleicht lassen sich die Rektoren der Schulen in ihren Bezirken hin und wieder einmal sehen.) Außer den Lehrpersonen und der Polizei seien in erster Linie die Eltern berufen, ihre Kinder über das gefahrdrohende Treiben aufzuklären. Der Vorschlag, eine diesbezügliche Bekanntmachung zu erlassen, wurde von der Versammlung angenommen.
Beigeordneter Bottler stellte den Antrag, die Bürgerwehr aufzulösen, da die städtische Polizei mit Hilfe der zu erwartenden Besatzungstruppen in der Lage sei, den Sicherheitsdienst zu versehen. Zudem sei es sehr wahrscheinlich, daß die Bürgerwehr nach Eintreffen der Besatzung nicht mehr mit Waffen aufziehen dürfe, wodurch ihre Bedeutung für die Aufrechterhaltung der Ordnung sehr gering sei. Ein bestimmter Tag, wann die Auflösung erfolgen soll, brauche noch nicht festgesetzt zu werden, man soll aber schon jetzt die Wehrleute damit vertraut machen, sich um anderweitige Beschäftigung umzusehen. […] Die Versammlung erklärte sich mit der Auflösung der Bürgerwehr einverstanden, wenn die Sicherheit der Stadt gewährleistet ist. […]
Anknüpfend hieran fand Beigeordneter Bottler Worte des Dankes für die Tätigkeit der Bürgerwehr und ihrer Führer, Kommandant Arimond und Hauptmann Köttgen. In den Revolutionstagen vom 9. und 10. November, als alle versagten, habe uns die Bürgerwehr geholfen und durch ihr tatkräftiges Eingreifen bald das Gefühl der Sicherheit wiedergegeben. Die Versammlung schloß sich diesem Dank an.
Auch dem Verpflegungsausschuß und ihrem Leiter, Baurat Piehl, wurden vom Vorsitzenden für die vorzüglich durchgeführte Verpflegung der Truppen Worte der Anerkennung ausgesprochen. Die gute Stimmung der Soldaten sei in erster Linie auf die gute Verpflegung zurückzuführen.
Baurat Piehl berichtete, daß die Küche an der Reuterstraße die 10.000 Portionen Essen an die Truppen geliefert habe, und auch die Verpflegungshalle an der Endenicher Allee, in der 9000 Essen ausgegeben wurden, mit dem heutigen Tage geschlossen worden seien. Diese beiden Küchen würden nunmehr für die zu erwartenden Besatzungstruppen bereit gehalten. Sodann macht Baurat Piehl bekannt, daß die Stadt 15.000 Brote vom Militär übernommen habe. Die Art der Verteilung an die Bürgerschaft wird noch durch die Zeitung bekannt gemacht werden. Es soll ein Zuschuß für kinderreiche Familien zu der bisher bewilligten Brotmenge werden. […]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Ueber das Eintreffen der fremden Besatzung war bis gestern abend bei der Stadtverwaltung noch nichts bekannt. Auch in Köln waren gestern abend noch keine Besatzungstruppen eingetroffen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Freitag, 6. Dezember 1918
Studentische Wohnungsnot. Hunderte von Studenten sind in den letzten Tagen aus dem Felde an unsere Universität zurückgekehrt. Sie finden die Universität offen, aber die früheren Studentenwohnungen infolge der herrschenden Wohnungsnot besetzt. Ihnen durch Bereitstellung möblierter Zimmer zu helfen, ist dankenswerte Kriegsteilnehmerfürsorge, liegt aber zugleich im Interesse der Vermieter, deren Einquartierungslast im Fall der Vermietung an Studierende entsprechend eingeschränkt wird. Alle Vermieter und Vermieterinnen möblierter Zimmer in Bonn und in den Ortschaften der Umgegend, die zur Vermietung an Studierende in der Lage sind, werden daher gebeten, ihre Zimmer mit Angaben über Preis, Art der Vermietung (mit oder ohne Pension, Frühstück, Morgenkaffee oder Abendessen) beim Akademischen Wohnungsamt Universitätssekretariat anzumelden. Das Wohnungsamt wird für eine schnelle, bequeme und kostenfreie Wohnungsvermittlung sorgen.
Die öffentliche Uhr an der Brückenstraße versieht ihren Dienst schon seit mehreren Tagen wieder nicht.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Zur Besetzung von Bonn. Bis heute morgen 9 Uhr waren noch keine Besatzungstruppen hier eingetroffen.
Der Zugverkehr von Bonn aus ist bis jetzt nur auf den Staatsbahnstrecken der linken Rheinseite gesperrt. Seit gestern nachmittag verkehren auf den Strecken Bonn – Koblenz – Ahr, Bonn – Köln und Bonn – Euskirchen keine Züge mehr. Vor wie nach fahren die Züge der Rheinuferbahn, der elektr. Bahnen Bonn – Mehlem, Bonn – Königswinter und Bonn – Siegburg, sowie die elektr. Bahnen Siegburg – Lülsdorf. Auch der Betrieb auf den Staatsbahnen der rechten Rheinseite geht einstweilen noch weiter. Die Rheinbrücke ist noch für jeglichen Verkehr frei.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Der Zigarren-Abschnitt-Sammel-Verein Bonn e. V. ist infolge der eingetretenen Zeitverhältnisse nicht in der Lage, seine diesjährige Weihnachtsbescherung abhalten zu können. Auch stehen ihm keine Mittel und Kleidungsstücke zur Verfügung.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Samstag, 7. Dezember 1918
Erweiterter Geschäftsverkehr ist nach den gesetzlichen Bestimmungen für die nächsten drei Sonntage, die letzten vor Weihnachten, zugelassen. Wenn von der fremden Besatzung keine anderslautenden Bestimmungen erlassen werden, dürfen die Geschäfte bis 7 Uhr abends zum Verkauf offen bleiben.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Fleisch. Am Samstag werden in den Metzgergeschäften Rindfleisch, Kalbfleisch, Leberwurst und Blutwurst verkauft. Für jede Person werden 150 Gramm, an Kinder unter 6 Jahren 75 Gramm einschließlich Wurst abgegeben.
Fett. Auf die Abschnitte Butter und Fett der Speisefettkarte werden in der kommenden Woche insgesamt 50 Gramm Margarine ausgegeben.
Kartoffeln. Die zeitige Lage läßt befürchten, daß die Kartoffelzufuhr unzureichend wird. Es kann daher der Bürgerschaft nicht dringend genug geraten werden, rechtzeitig gelbe Erdkohlrabien zur Streckung der Kartoffeln einzuschlagen. Bis auf weiteres wird jede gewünschte Menge Erdkohlraben in den städtischen Gemüseverkaufsstellen (Wochenmarkt und Moltkestraße 1) abgegeben. […]
Kriegsküchen. Der Speisezettel für die Woche vom 9. bis 15. Dezember lautet:
Montag: Möhren mit Kartoffeln.
Dienstag: Hausmacher-Suppe.
Mittwoch: Nudeln mit Gulasch.
Donnerstag: Weiße Rüben mit Rindfleisch.
Freitag: Wirsing mit Kartoffeln.
Samstag: Sauerkraut mit Schweinefleisch.
Sonntag: Salzkartoffeln mit Schmorfleisch und Beilage
(Bonner Zeitung, Rubrik „Nachrichten des Lebensmittelamts der Stadt Bonn“)
Engländer in Bonn. Heute wird unsere Stadt voraussichtlich von englischen Truppen besetzt. Viel ist geschrieben und noch mehr ist gesagt worden über die Art, wie wir sie empfangen sollen. Nun, wir glauben in einem einzigen deutschen Wort ist alles enthalten und das heißt: Würde. Denn darin liegt sowohl jene angemessene Höflichkeit, welche die englische Heeresleitung ihren Truppen uns gegenüber empfahl, als auch eine ruhige Zurückhaltung, die gerade einem so stolzen und selbstbewußten Volke, wie dem Engländer gegenüber, angezeigt ist. Ein Sichwegwerfen würde nur zu einer verächtlichen und daher schließlich schlechten Behandlung führen.
Die Nachricht, daß unserer Vaterstadt gerade englische Truppen zugedacht sind, wurde von der Bevölkerung mit einer gewissen Befriedigung aufgenommen. Wir glauben mit Recht. Es ist hier nicht die Stelle, Fragen des Krieges aufzuwerfen und zu erörtern. Ueber Entstehung und Dauer, über Hungerkrieg und U-Bootkrieg, über ungezählte andere Fragen, die Schuld und Sühne der Völker bedeuten, kann dereinst nur die Geschichte urteilen. Sie wird uns ein gerechter Richter sein. Was wir zum Ausdruck bringen wollen, ist, daß in der reinpersönlichen Kampfesweise, in dem Ringen von Mann zu Mann, der Engländer der humanste unserer Feinde war, daß ihm ein gewisser infamierender Zug persönlicher Grausamkeit meist gefehlt hat. Das bestätigt wohl jeder Feldgraue. Ebenso die an sich so betrübliche Tatsache, daß fast alle Ueberläufer sich gerade den „Tommy“ aussuchten.
Das Gesagte ist kein Versuch, Wohlwollen zu gewinnen. Das wäre gegen unsere Würde. Doch sei hier auch an Bismarcks Wort erinnert, daß ungeachtet der Rücksichtslosigkeit der britischen Politik der einzelne Engländer ein anständiger Mensch sei, und daß der Fürst sich eines gewissen Hinneigens zum englischen Volke nicht erwehren könne. Und Fürst Bismarck konnte, was Nationalgefühl angeht, es sicherlich mit dem enragiertesten Alldeutschen aufnehmen.
Berücksichtigen wir ferner, daß die gegnerische Besatzung nicht im Kriegszustande erfolgt, sondern in einem Zustande, der formell ein Zwischending, materiell aber sicherer Friede bedeutet, so können wir schließlich der Hoffnung Ausdruck geben, daß die Beziehungen zwischen unserer Bevölkerung und der englischen Besatzung sich zum mindesten erträglich gestalten.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die englische Besatzung ist auch gestern noch nicht in Bonn angekommen. Ueber die Zeit ihres Eintreffens ist noch immer nichts bekannt.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Sonntag, 8. Dezember 1918
Auf das falsche Gerücht, die Engländer seien im Anmarsch, sammelten sich gestern gegen Abend Hunderte von Menschen auf dem Markte an. Die Engländer, wenn sie wirklich gekommen wären, hätte dieser „Kundgebung“ wohl nur berechtigte Verachtung entgegengebracht. Ueber das Eintreffen der Besatzung war auch gestern abend nichts Bestimmtes bekannt.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Zur Besetzung von Bonn. Vor Redaktionsschluß wird uns mitgeteilt, daß der Vortrupp der englischen Besatzungstruppen in Stärke von 150 Mann Kavallerie, die gegenwärtig in Meckenheim in Quartier liegen, voraussichtlich Sonntag früh in Bonn zu erwarten ist. Die uns von anderer Seite zugegangene Nachricht, wonach die Truppen bereits Samstag abend hier zu erwarten seien, scheint sich nicht zu bestätigen. Dem Besatzungsausschuß war nichts Bestimmtes bekannt.
Arbeiter- und Bürgerrat. In der Samstagssitzung des Arbeiter- und Bürgerrats erklärte das Mitglied des Besatzungsausschusses Assessor Dr. Pape, daß über die Stärke der englischen Besatzung sowie über die Zeit ihres Eintreffens noch nichts Bestimmtes bekannt sei. Auf Grund weiterer Unterhandlungen habe die Universität vier Hörsäle und die Turnhalle für Besatzungszwecke zur Verfügung gestellt. Außer den Ställen der Artilleriekaserne sollen auch die Ställe der übrigen Kasernen sowie die militärischen und privaten Reitbahnen zur Unterbringung der Pferde in Anspruch genommen werden. Da die Offiziere der Besatzungstruppen es vorziehen, in Gasthöfen zu wohnen, sind mit verschiedenen größeren Gasthöfen, wie Stern, Rheineck, Rheinischer Hof, Königshof usw. diesbezügliche Verhandlungen gepflogen worden. Der Nordische Hof in der Poppelsdorfer Allee ist als Kommandatur in Aussicht genommen. Die Bonner Bürgerschaft braucht sich wegen Einquartierung keine Sorge zu machen, da man hoffe, mit den Kasernen, den Schulen und den übrigen öffentlichen Gebäuden auszureichen. Die Feststellungen bei der Bürgerschaft seien nur gemacht worden, um Unterlagen zu haben. Alleinstehende Frauen oder Mädchen würden von vornherein von Einquartierung ausgeschlossen. Für 6000 Mann sei jetzt schon Platz geschaffen. Da auch Betten genügend vorhanden sind, braucht auf die von der Bürgeschaft angebotenen Betten nur für den Fall zurückgegriffen zu werden, daß die Besatzung größer wird, als man annimmt. Wenn die zur Verfügung gestellten Betten benötigt werden sollten, dann würden sie auch selbstverständlich bezahlt werden. Es wurde erwogen, den Besatzungstruppen ein Soldatenheim mit Lesehalle usw. zur Verfügung zu stellen, das in einem unbewohnten Hause untergebracht werden soll. Die Artilleriekaserne, die Karlschule und das Lyzeum, die bereits zur Aufnahme von Truppen bezw. Offizieren hergerichtet sind, wurden am Samstag nachmittag von Mitgliedern des Arbeiter- und Bürgerrates besichtigt.
Wie Polizeikommissar Burckardt erklärte, hat der Unfug des Schießens auf den Straßen schon bedeutend nachgelassen. Die Polizei habe Haussuchungen vorgenommen, wobei eine Menge Patronen usw. beschlagnahmt werden konnten.
Es wurde angeregt, die noch hier beschäftigten Polen sobald als möglich zu entlassen, damit sie durch deutsche Arbeiter ersetzt werden könnten. Die Polen machten dadurch, daß sie sich zu billigeren Löhnen anböten, unsern Arbeitern Konkurrenz. Diejenigen Arbeitgeber, die heute noch Polen beschäftigenm, werden ersucht, sich in dieser Angelegenheit mit der Stadtverwaltung in Verbindung zu setzen.
Nach einer längeren Aussprache über die von Köln ausgehende Bestrebung auf Errichtung einer Republik Rheinland-Westfalen brachte Herr Kolak folgende Entschließung zur Annahme ein:
„Die vom Kölner Zentrum ausgehenden Bestrebungen auf Gründung einer rheinisch-westfälischen Republik verurteilt der Arbeiter- und Bürgerrat auf das entschiedenste. Die Absplitterung des Rheinlandes und Westfalens von Preußen bedeutet wirtschaftlich eine nicht absehbare Schädigung der Interessen Preußens bezw. Deutschlands, außenpolitisch haben diese Absplitterungsbestrebungen unabsehbare Folgen. Der Arbeiter- und Bürgerrat erneuert seinen Beschluß, der die baldige Einberufung der Nationalversammlung verlangt.“
In einer auf Sonntag vormittag 13 Uhr im Rathaus einberaumten Sitzung soll über diese Entschließung abgestimmt werden.
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die englische Besatzung war bis Samstag mittag noch nicht hier eingetroffen; wohl durchfuhr ein Kraftwagen mit englischen Offizieren heute mittag unsere Stadt, ohne Aufenthalt zu nehmen.
(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)
Montag, 9. Dezember 1918
Die Engländer in Bonn. Die erste Staffel der englischen Besatzungstruppen, etwa 150 Mann Kavallerie, kam gestern mittag kurz nach 12 Uhr in Bonn an. Sie besetzte die Rheinbrücke und wurde in der Nähe untergebracht. Sie wird nicht in Bonn bleiben. Ein Teil der Kavallerie nahm auf dem Markt Aufstellung, worauf sich die englischen Offiziere zum Rathause begaben. Einige Minuten später traf ein englischer General ein, der eine Besprechung mit Oberbürgermeister Spiritus hatte. Störend und verkehrshindernd wirkte auf dem Markt die trotz aller Ermahnungen zahlreich versammelte Volksmenge. Am Nachmittag sah man schon mehrfach englische Offiziere in Kraftwagen durch die Stadt fahren.
In Bonn wird das Hauptquartier einer kanadischen Division untergebracht werden. Die Offiziere werden in Gasthöfen Quartiere beziehen. Ein Teil der Vororte wird mit kanadischen Truppen belegt werden, die Altstadt wird, wie mit Bestimmtheit zu erwarten ist, keine Einquartierung erhalten. Im ganzen werden etwa 1500 bis 1600 Mann kanadischer Truppen nach Bonn kommen.
(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)
Der Arbeiter- und Bürgerrat nahm in seiner gestrigen Sitzung die bereits in der Sonntagsnummer mitgeteilte Entschließung des Herrn Kolaß mit 11 gegen 3 Stimmen an. Zu dieser Entschließung brachte Stadtverordneter M. Schmitz folgende Erklärung für die Zentrumsfraktion ein:
„Unsere Stellungnahme hängt ab von dem Beschluß der Arbeiter-, Bürger- und Soldatenräte in Berlin am 16. ds. Mts., sowie davon, ob die augenblicklichen Machthaber gewillt und imstande sind, anstelle des jetzigen Wirrwarrs schleunigst geordneter Zustände zu schaffen, die den drohenden Zerfall des Reiches verhindern und dem Feinde die Möglichkeit nehmen, den Friedensschluß mit der Behauptung zu verzögern, es fehle an einer als zuständige Vertretung des ganzen deutschen Volkes anzusehenden Regierung.“ […]
(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)
Die englische Besatzung.
Von C. Hauptmann.
Am 8. Dezember 1918 zogen die englischen Truppen in Bonn ein, sie kamen dieselbe Straße, welche wenige Tage vorher unsere siegreiche Armee gekommen war, welcher die sozialdemokratischen Tollhäusler in den Rücken gefallen waren. […] Die Engländer sind als Sieger eingerückt, in ein jetzt vollständig machtloses Deutschland, welches weder Widerstand leisten will, noch kann. Diese Ueberzeugung wird sich ihnen in einigen Tagen aufdrängen, so daß wahrscheinlich die Bedingungen für die Bevölkerung erleichtert werden und um so eher, je taktvoller und höflicher sich diese benimmt.
Man muß nämlich bedenken, daß diese Leute nicht zu ihrem Vergnügen hierhin gekommen sind. Weitaus die meisten möchten ebenso gerne wie die unseren wieder zu ihrer Beschäftigung zurückkehren, die der Krieg nun schon länger als vier Jahre unterbrochen hat. Dieselben tragen ebenso wenig am Kriege die Schuld wie unser Volk […].
(Deutsche Reichs-Zeitung, Leitartikel)
Mit der Ankunft der ersten kanadischen Soldaten am Mittag des 8. Dezembers 1918 endet für Bonn die Zeit des Ersten Weltkrieges und es beginnt eine mehr als sieben Jahre dauernde Besatzungszeit. Wir nehmen diesen Tag zum Anlass, nach nunmehr fast viereinhalb Jahren unseren Blog zu beenden.
Bonner Geschichtswerkstatt e.V.