Mittwoch, 13. November 1918

    

Eine Arbeitgeberversammlung, die der Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat einberufen hatte und von seinem Vorsitzenden Kuhnert geleitet wurde, beschäftigte sich gestern abend im Bonner Bürgerverein mit einer der wichtigsten Fragen der Uebergangswirtschaft, der Beschaffung von Arbeit für die zurückkehrenden Krieger. Beigeordneter Dr. v. Gartzen erwähnte in seinem einleitenden Vortrag, daß während der Uebergangszeit mit einer größeren Arbeitslosigkeit unbedingt gerechnet werden müsse, nur über ihre Dauer könne man verschiedener Meinung sein. Auch in Bonn werde die Arbeitslosigkeit umfangreich sein. Für die Arbeitslosen, besonders die heimkehrenden Krieger müsse mit allen Kräften gesorgt werden. [...] Die Arbeitgeber müssen es als ihre Pflicht betrachten, die Arbeiter beim Aufhören der Kriegsindustrie noch einige Zeit zu beschäftigen. Die Kostenfrage darf in der jetzigen Zeit, da es sich um die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung handelt, keine Rolle spielen. Nötigenfalls ist die Arbeitszeit zu verkürzen, wobei die bisherigen Löhne aber beizubehalten sind. Ferner müssen Notstandsarbeiten in Angriff genommen werden. Für Bonn kommen infrage die Inangriffnahme der Kleinwohnungsbauten, die Friedhoferweiterungen, die Baugrubenaushebung von geplanten größeren Bauten und andere Erd- und Straßenarbeiten, so lange es an Baustoffen selbst fehlt. Bei den zuständigen Behörden muß die Freigabe der beschlagnahmten Rohstoffe usw. erwirkt werden. Soweit die Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung nicht ausreichen, muß eine ausreichende Erwerbslosenfürsorge einsetzen. Es muß nicht nur für die unselbständigen Arbeiter, sondern auch für die Handwerker, kleinen Beamten und Privatangestellten gesorgt und im Zusammenarbeiten mit den Handwerksorganisationen usw. eine Mittelstandsfürsorge betrieben werden. [...]

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

    

Der Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat erklärte sich in seiner gestrigen Sitzung damit einverstanden, daß die hiesigen Banken bei der Reichsbank höhere Beträge hinterlegen und in dieser Höhe kurzfristige Schecks von 50, 20, 10 und 5 Mark ausgeben, um dem bis aufs Äußerste gestiegenen Kleingeldmangel entgegenzutreten. Diese Schecks sollen als gültige Zahlungsmittel gelten. [...] Wie Beigeordneter Bottler des weitern ausführte, sei durch das Gerücht, daß von Köln aus Plünderer hierher nach Bonn kommen sollten, große Beunruhigung bei der Bevölkerung hervorgerufen worden. An diesen Gerüchten sei kein wahres Wort; zur Beunruhigung liege kein Grund vor, da der Sicherheitsausschuß in der Lage sei, für Ruhe und Ordnung zu sorgen. [...] Um dem Verschleppen von Militärsachen aus den Kasernen vorzubeugen, sollen fortan Soldaten mit Paketen nicht mehr aus den Kasernen heraus gelassen werden; jetzt schon werden in den einzelnen Kasernen alle Pakete, Rucksäcke usw. durchsucht. Es wurde vorgeschlagen, das Bezirkskommando nach der Hundsgasse in das Gebäude der ehemaligen Bonner Bank zu verlegen. Den Bürgern soll mitgeteilt werden, daß diejenigen, die die Stadt verlassen, dies auf eigene Gefahr für das zurückgelassene Hab und Gut tun. Bezüglich der bevorstehenden Einquartierung wird noch einmal darauf hingewiesen, daß Bürgerquartiere voraussichtlich nicht in Anspruch genommen werden.
  
Der Beschluß von gestern bezügl. Schließung des Hamburger Hofes wurde heute Vormittag aufgehoben.

Taghell ist die Nacht erleuchtet. Wer in der vergangenen Nacht, bewaffnet mit seinem Schein, durch den die Erlaubnis erteilt ist, auch zwischen 9 Uhr abends und 5 Uhr früh die Straßen unserer Stadt zu begehen, einen Rundgang unternahm, um sich als Zeitungsmann einen Eindruck des nächtlichen Bonn zu verschaffen, der wurde angesichts der Fülle von Licht lebhaft an die alte Zeit vor dem Kriege erinnert. Nur die Stille und Leere der Straßen wirkten eigenartig. [...] Die Bürgerwehr machte sich erfreulicherweise überall scharfäugig bemerkbar. Jeder Passant mußte seinen Ausweis vorzeigen. Dem Schreiber dieser Zeilen ist es innerhalb zehn Minuten dreimal begegnet, daß er „auf seinem Schein bestehen“ mußte. Am Hof vor dem Universitätsgebäude, auf dem Marktplatz und auf dem Münsterplatz wurden wir angehalten, und es wäre uns sogar ein viertes Mal in der Remigiusstraße passiert, wenn wir uns nicht in Begleitung der Patrouille vom Markt befunden hätten.
  
Das Rathaus war im zweiten Stockwerk hell erleuchtet, und als wir die Wache nach dem Grunde dieser nächtlichen Erscheinung fragten, erhielten wir die Auskunft, daß der Arbeiter- und Soldatenrat auch nachts sich dort betätige, namentlich um der Hamsterei zu begegnen. Man habe gerade einen Sergeanten mit einem halben Sack Kaffee erwischt, der oben verhört werde. [...] Ueberhaupt hatte man den Eindruck, daß die reiche Beleuchtung in Verbindung mit den patrouillierenden Wachen wohl geeignet ist, allem Diebesgesindel gründlich das Handwerk zu legen, namentlich angesichts des Umstandes, daß die Wachen mit geladenen Gewehren die Straßen durchwandern. Nur beobachteten wir, daß in den von den Mittelpunkten der Stadt abgelegenen Straßen Patrouillen weit weniger oder gar nicht anzutreffen sind. Heute in den Frühstunden bemerkte man Bürschchen von 10 bis 12 Jahren, die sich gruppenweise in der Innenstadt herumtrieben. Auf diesen Schlag unserer Bonner Jugend müssen die Wachen ein besonderes Augenmerk haben. [...]

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

An unsere Mitbürger
richten wir hiermit die dringende und herzliche Bitte, in ihrem eigenen Interesse doch all den tollen, übertriebenen oder vollständig aus der Luft gegriffenen Gerüchten wie sie z. B. gestern nachmittag und abend verbreitet wurden, keinen Glauben zu schenken. So hieß es gestern abend, es seien 50 Zuchthäusler von Köln nach Bonn unterwegs, um hier zu plündern. Wir bitten alle diejenigen, denen derartige Gerüchte zugetragen werden, die Verbreitung der augenblicklichen Behörde, dem Arbeiter-, Bürger- und Soldatenrat, namhaft zu machen. Die Bürgerschaft weiß doch aus Erfahrung, daß wir alle im Kriege genügend unnötig aufgeregt worden sind.
Die Schriftleitung

Räumung des linken Rheinufers. Diese Waffenstillstandsbedingung bedeutet nicht etwa, daß die Zivilbevölkerung ihre Heimat verlassen muß, sondern bezieht sich nur auf Militärpersonen. In der Erläuterung wird sodann auch gefordert, daß die Betriebe auf dem linken Rheinufer ihre Personalstärke nicht vermindern dürfen. Dies zur Beruhigung vieler.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)