Mittwoch, 1. Mai 1918

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Mai 1918Ernährung und Bekleidung
   Der Verkehr des Lebensmittelamtes hat im letzten Vierteljahre weiter erheblich zugenommen. Bis zum 1. April d. J. sind für die Lebensmittelversorgung der Stadt Bonn insgesamt 123.628.00 M. über Ausgabe verbucht worden und davon allein im Monat März 1918 11.552.000 M. Der gesamte Geldumsatz hat rund 107 Millionen Mark betragen, davon allein im Monat März d. J. 8½ Millionen Mark.
   Die Lebensmittelversorgung an sich wickelt sich in diesem Jahre zweifellos besser wie im vergangenen Jahre ab. Der beste Maßstab hierfür ist die Teilnehmerzahl in den Kriegsküchen, die gegen das Vorjahr nachgelassen hat. Aus diesem Grunde ist die neue, mit allen verbesserten Einrichtungen ausgestattete Kriegsküche in der Reuterstraße vorläufig auch noch nicht in Betrieb genommen, sondern auch weiterhin für schwierigere Fälle zur Verfügung gehalten.
   Die Kartoffelversorgung ist in der Stadt Bonn nach wie vor gesichert. Den Haushaltungsvorständen kann nicht dringend genug angeraten werden, die zurzeit auf vier Wochen zur Verfügung gestellte Kartoffelmenge sofort abzunehmen, damit sie sich auf Warenkarte Nr. 54 die über die Wochenverteilung hinausgehende Einlagerungsmenge von sieben Pfund sichern. Die Abnahme liegt nicht nur im Vorteile der Haushaltungsvorstände selbst, sondern erleichtert auch dem Lebensmittelamt die Einlagerung für die nächste Zeit und damit eine gesicherte Versorgung in den Monaten Juni und Juli. […]
   Nicht so gut wie die Kartoffelversorgung läuft zurzeit die Fleisch- und Milchversorgung. Infolge der Futtermittelknappheit ist das angelieferte Vieh in dieser Zeit, kurz bevor es den Weidegang antreten kann, besonders schlecht in der Schlachtausbeute. Das letzte durchschnittliche Schlachtgewicht betrug nur rund 130 Kilogramm für das Stück. Das ist ein Gewicht, welches man zu Friedenszeit nie als Schlachtgewicht bezeichnet und lediglich in Notfällen auf der Freibank verbraucht hätte. Infolge dieser schlechten Zufuhr konnte die Fleischmenge nicht in der wirklichen Höhe von 200 Gramm ausgegeben werden. Es steht jedoch zu erwarten, daß sich dieser Zustand bald bessern wird. Entsprechende Schritte bei der Provinzialfleischstelle und dem Landesfleischamt sind getan. Auch die Stadt Köln ist nicht in der Lage, ihre volle Fleischration verteilen zu können, und wird dazu übergehen, die wöchentliche Brotmenge, die jetzt 3½ Pfund beträgt, vom 5. Mai ab auf vier Pfund zu erhöhen. Infolgedessen sind seitens des Lebensmittelamtes über die Erhöhung der Brotration in Bonn auch Verhandlungen mit dem Herrn Regierungs-Präsidenten eingeleitet und es steht zu erwarten, daß auch in der Stadt Bonn die Brotmenge vom 5. Mai ab auf vier Pfund wöchentlich erhöht wird. Durch diese Erhöhung werden mittelbar natürlich auch die ganzen Zulagen für Schwerstarbeiter, Schwerarbeiter, hoffenden und stillenden Frauen ebenfalls erhöht. Gerade die Erhöhung der Brotmenge wird in der Bürgerschaft freudig begrüßt werden.
Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Mai 1918   Die Milchversorgung ist ebenfalls infolge der Futtermittelknappheit und weil die Stadt Bonn hauptsächlich aus Abmelkwirtschaften ihre Milch empfängt, recht knapp geworden. Sie hat im Monat März 1918 nur rund 8900 Liter täglich betragen. Die Versorgung von Kinder und Kranken mußte daher in letzter Zeit stark eingeschränkt werden und wenn die städtische Abmelkwirtschaft mit ihren eigenen 100 Stück Milchkühen unsere Milchversorgung nicht so gut unterstützte, würde sie noch mehr gelitten haben. Aber mit den zunehmenden Grünfutteranfuhren in der Jetztzeit wird sich auch diese Versorgung schnell bessern, und es steht auch hier zu erwarten, daß die Belieferung der Kinder bald eine bessere werden wird. […]
   Das städtische Bekleidungsamt wird in wenigen Tagen an die Bürger herantreten, um von abgabefähigen Personen die Ablieferung mindestens eines Anzuges zu fordern. Diese Abgabe wird notwendig, um die Arbeiter in den kriegswichtigen Betrieben, der Landwirtschaft und der Eisenbahnverwaltung mit Oberkleidung zu versorgen. Es handelt sich um die Beseitigung eines dringenden Notstandes. Die Ablieferung soll zunächst freiwillig erfolgen. Die abgelieferten Sachen werden gut bezahlt, und zwar erhält derjenige, der die Anzüge innerhalb drei Wochen nach Veröffentlichung der Bekanntmachung abliefert, 10 v. H. Zuschlag zum Schätzungspreise. Sollte der Aufruf zur freiwilligen Abgabe keinen entsprechenden Erfolg haben, so muß zwangsweise vorgegangen werden. Es wird dann bei den männlichen Personen eine Bestandsaufnahme verlangt und eine Nachprüfung der Bestände vorgenommen werden. Zur Vermeidung der damit verbundenen Unbequemlichkeiten empfiehlt es sich sehr, dem Aufruf zur Ablieferung freiwillig Folge zu leisten. Es sei darauf hingewiesen, daß für den abgelieferten Anzug an sich kein neuer Bezugsschein ausgestellt wird.

Weiteres Kriegsnotgeld. Die Stadt Bonn will gemeinsam mit den Kreisen Bonn-Land und Sieg weiteres Kriegsnotgeld herausgeben, und zwar für 50.000 M. 50-Pfg.- und für 25.000 M. 25.-Pfg.-Scheine.

Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Mai 1918Vortrag. 2½ Stunden lang einen dicht gedrängten großen Saal in voller Aufmerksamkeit zu halten, ist eine Leistung, die dem bayrischen Leutnant Kaul Montag abend gelang. Der frische, ganz frei und anschaulich sprechende Redner führte aus eigener dreijähriger Erfahrung die Zuhörer in die Kämpfe und Schrecken, in die gewaltigen Erlebnisse des Weltkrieges. Er schilderte in erschütternden Zügen die Verheerungen an der ganzen Westfront vom Meer bis zu den Alpen, vor denen uns der Heldenmut und das Blut unserer Kameraden bewahrt haben; er führte in das gefährliche und aufreibende Leben und Dulden im Labyrinth der Schützengräben; er erklärte anschaulich die große Zahl neuer gewaltiger Waffen und Kampfarten, die neuen Riesengeschütze, das Trommelfeuer, die Hand- und Sprenggranaten, das verheerende Maschinengewehrfeuer, die gefährlichen und unheimlichen Wirkungen der Vergasung und ihre Bekämpfung und auch die barbarischen Dumdumgeschosse, mit denen unsere Feinde stets vorgegangen sind. Einzelszenen und Bilder aus dem Kampfe im Drahtverhau, aus den zerstörten und verschwundenen Städten und Dörfern, von der weggeführten und flüchtenden Zivilbevölkerung begleiteten das Wort. […] Zum Schluß ermahnte der Redner ernst die Ungeduldigen, die Miesmacher, die Verzagten zur Geduld, zum festen Vertrauen, zum treuen Zusammenstehen. Unsere großen Helden, unser Hindenburg und seine Getreuen, werden alles zum guten Ende, zum vollen Siege und deutschen Frieden hinausführen. Reicher Dank lohnte den jugendlichen Redner für seine genußvolle, inhaltreiche, herzstärkende vaterländische Gabe.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Mai 1918Die Kinderspeisung der Hauswirtschaftlichen Kriegshilfe (Nationaler Frauendienst) feiert heute ihr zweijähriges Bestehen. Das schöne Unternehmen hat in dieser Zeit Hunderten von armen, schlechternährten Kindern die Gesundheit wiedergegeben und den Schulbesuch ermöglicht. Die Speisung begann vor zwei Jahren mit 40 Kindern in dem damaligen Speisehaus an der Bachstraße; sie umfaßt heute 250 Kinder in 5 Speisestellen: Fortbildungsschule, Remigiusschule, Stiftsschule, Poppelsdorf und Kessenich. Sämtliche Kinder erhalten Kriegsküche; die Kinder aus der Altstadt noch Suppe aus der Suppenküche und Brot. Die bedürftigen Kinder werden vom Lehrer und vom Schularzt ausgewählt und erhalten durchschnittlich das Essen für drei Monate. Die Unkosten sind bei dem Mangel an Lebensmitteln groß, aber immer noch ist es gelungen, das schöne Werk fortzuführen. Die treuen Helfer sehen auch weiter vertrauensvoll in die Zukunft und hoffen auch fernerhin auf die tatkräftige Unterstützung der Bürgerschaft. Das kleine Album der „Kriegseinrichtungen der Universität“, das für 1 M. im Buchhandel erhältlich ist, soll mit dazu beitragen, die Zukunft der Kinderspeisung zu sichern. Möchten viel Freunde sich finden, welche einmal der Kinderspeisung einen Besuch abstatten und der Dankbarkeit für das von Kriegsnot verschonte Vaterland durch eine Spende für das Aufblühen unserer Kleinen Ausdruck verleihen.

Mehr Rücksicht auf die schwerverletzten Kriegsbeschädigten. Der starke Andrang zu den Verkehrsmitteln bringt es leider mit sich, daß den in ihren Bewegungen behinderten und den sichtlich schwerverletzten Kriegsbeschädigten nicht immer die wünschenswerte Rücksicht zu teil wird. Namentlich jüngere Leute und Kinder sollten es sich zur Ehrenpflicht machen, einem Kriegsverletzten auf den Straßenbahnen, in den Eisenbahnzügen usw. ihren Platz einzuräumen. Ebenso ist es Pflicht der Leiter der öffentlichen Verkehrseinrichtungen, ihre Angestellten zu möglichster Rücksichtnahme auf hilfsbedürftige Kriegsbeschädigte anzuhalten.

Eine Richthofenstraße in Bonn. Stadtv. Kalt beantragt, die Stadtverordneten möchten zum Andenken an den gefallenen großen Fliegerhelden Rittmeister Frhrn. von Richthofen eine Straße nach dessen Namen benennen. Vielleicht entschließt man sich dann auch zu einer Boelckestraße, denn Boelcke war bekanntlich der große Lehrmeister Richthofens.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)