Mittwoch, 6. Juni 1917

    

Anzeige im General-Anzeiger vom 6. Juni 1917Aus dem städtischen Lebensmittelamt.
Am übermorgigen Freitag wird das städtische Bekleidungsamt nach dem Hause Gangolfstraße 2 (früher Kunsthaus Zirkel) verlegt. Es geschieht das, um für die Bezugsscheinausgabe mehr Platz zu haben und gleichzeitig mit der Bezugsscheinausgabe den Verkauf von alten Kleidern, Wäsche und Schuhwaren zu verbinden. Die Stadt richtet also gewissermaßen ein städtisches Warenhaus ein. In diesem Warenhause sind auch die umfangreichen Werkstätten für das Instandsetzen der alten Kleider, der Schuhe und der Wäsche untergebracht, dagegen bleibt die Annahmestelle für alte Kleidungsstücke und Schuhwaren im Hause Stockenstraße 3. Es wird bei dieser Gelegenheit besonders die bessergestellte Bürgerschaft noch einmal dringend gebeten, alle alten Sachen herzugeben, die doch nur überflüssig im Haushalt herumhängen. Die Sachen brauchen nicht umsonst abgeliefert zu werden, das Bekleidungsamt zahlt gern angemessene und den heutigen Verhältnissen entsprechend sogar hohe Preise dafür. […]
   Frühkartoffeln aus Holland können bereits Ende dieses Monats erwartet werden. Die Grenze wird voraussichtlich schon am 10. Juni geöffnet, und zwar sind zunächst für die ganze Rheinprovinz etwa eine Million Zentner Frühkartoffeln zur Ausfuhr bestimmt worden. Sobald Bonn die angeforderten Mengen davon erhält, wird voraussichtlich die Kartoffelversorgung auch besser werden; die Ernährungsschwierigkeiten, die schon durch die bessere Gemüseversorgung geringer geworden sind, werden damit dann hoffentlich weiter zurückgehen.
   Kartoffelversorgung. Aengstliche Gemüter drängten sich gestern und vorgestern um die Kartoffelverkaufsstellen in der Besorgnis, sie könnten die ihnen zugewiesenen Mengen Kartoffeln nicht erhalten. Zur Beruhigung wird von zuständiger Seite mitgeteilt, daß jeder die ihm zustehende Menge erhält, da genügende Vorräte vorhanden sind. Wer einen Teil der Kartoffeln hat, hole den Rest Ende dieser Woche, da die Verkaufsstellen täglich beliefert werden. […]
   Eine neue städtische Gemüse- und Obstverkaufsstelle ist im Hause Moltkestraße [heute Weberstraße]1 (Ecke Bonner Talweg) eröffnet worden.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

      

Zur Milchfrage in Bonn.
Die Milchversorgung beschäftigt z. Zt. wieder lebhaft die Gemüter, nicht weil die Zufuhr eine sehr sparsame ist, sondern nunmehr, weil die Preise in den letzten Tagen fast durchweg in die Höhe gegangen sind. Die Sachlage ist folgende: Im Januar d. J. wurden Höchstpreise für die Milchlieferung in der Weise festgesetzt, daß die Milchbauern vom 24. Januar ab keinen höheren Preis nehmen durften, als dies beim Inkrafttreten der Höchstpreisverordnung der Fall war. Nun hatte sich diese scharfe Verordnung immer mehr zum Nachteil der Milcherzeuger gewendet und es war ein starkes Absinken der Milchergiebigkeit eingetreten. Man nimmt an, daß eine Stadt im allgemeinen mit Milch gut versehen ist, wenn auf den Kopf der Einwohner zwei Zehntel Liter Milch durchschnittlich täglich eingeführt werden. Das würde für Bonn rund 16.000 Liter ausmachen, und wirft man die vielen Krankenanstalten noch ins Gewicht, so könnte man bei uns eine normale Versorgung von rund 17.000 Liter täglich annehmen. Zu Friedenszeiten wurden nach Bonn etwa 25.000 Liter täglich geliefert. Unsere Stadt war demnach zu Friedenszeiten in gewissem Sinne bereits überbeliefert. Das muß erwähnt werden, weil es in den Industriebezirken zu Friedenszeiten sehr viele Städte gab, die durchaus nicht einmal die 0,2 Liter durchschnittlich erreichten.
   Während des Krieges ist die Milchzufuhr nach Bonn nun dauernd gesunken. Sie betrug im Dezember 1916 nur noch rund 10.000 Liter und war im April d. J. bereits auf 8.000 Liter täglich gesunken. Die Folge davon war, daß eine ganze Zeit lang die Vorzugsberechtigten nicht mehr im vollem Umfange versorgt werden konnten, d. h. die Kinder von 6 bis 14 Jahren und die Kranken, denn für die Versorgung der Versorgungsberechtigten und der Vorzugsberechtigten werden in Bonn mindestens 13.000 Liter täglich gebraucht. Da dieser schwere Rückgang auch an anderen Orten bemerkbar wurde, so hat die Landesfettstelle bestimmt, daß die Höchstpreise überall aufgehoben wurden. Dadurch ist allerdings der Preistreiberei der Weg offen gemacht; aber es wird seitens des Lebensmittelamtes mit scharfen Maßnahmen gegen übermäßige Forderungen eingeschritten werden. Man möge bedenken, daß durch das Festhalten der Preise vom Januar bis jetzt auf der alten Höhe eine gewisse Spannung eingetreten war, die sich nun in einer Aufwärtsbewegung der Milchpreise Luft macht. Anderseits leiden tatsächlich die Milchwirtschaften unter sehr hohen Erzeugerkosten. Wiederholt ist dieses bereits erwähnt worden. Es ist hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß für Milchvieh keine Höchstpreise bestehen, während sie für Schlachtvieh festgesetzt sind. Das bedingt für den Abmelkwirten, der eine Milchkuh zum Preise von etwa 1800 Mark einkaufen muß, und als Schlachtvieh zum Preise von etwa 1000 bis 1100 Mark verkaufen muß, einen Schaden von rund 7- bis 8000 Mark, den er naturgemäß auf die Milchpreise umlegen muß.
   Die Milchzufuhr im Monat Mai ist erfreulicher Weise eine erheblich bessere geworden. Sie gestattet jetzt, sämtliche Versorgungsberechtigte und Vorzugsberechtigte mit Milch zu versorgen.
   Die Ernährung der Kinder bis zum 2. Lebensjahre und die Grundsätze für die Ernährung hoffender und stillender Frauen wird bald neu geregelt werden. Vor allem ist beabsichtigt, den Säuglingen besondere Lebensmittelkarten zum Bezuge von Kindermehl, Keks, Zwieback und Milch zuzuführen, daneben sollen auch Haferflocken und Weizengrieß verabfolgt werden. Anderseits steht der Lebensmittelausschuß nicht auf dem Standpunkt, durch diese besondere Versorgung eine erhebliche Einschränkung der dem Säugling als neuem Staatsbürger an und für sich schon zustehenden Rationierung eintreten zu lassen, weil er von dem an sich sehr berechtigten Grundsatze ausgeht, daß diese Rationierung des Säuglings eine gute stille Beihilfe für seine Mutter bedeutet.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

     

Militärkonzert. Die Kapelle des in der neuen Artilleriekaserne untergebrachten Infanterie-Regimentes wird heute abend von 6 – 7 Uhr am Rheine gegenüber dem Kollegium Albertinum und am Mittwoch von 12 – 1 Uhr mittags auf dem Kaiserplatz je ein Abschiedskonzert veranstalten.

Jugendliche Taugenichtse. Zwei 16- und 17-jährige Burschen aus Bonn waren vor etwa acht Tagen mit 600 Mark, die der eine seinen Eltern gestohlen hatte, durchgebrannt, hatten das Geld in Köln, Frankfurt und Mainz schnell durchgebracht und waren dann wieder nach Bonn gekommen. Sie erbrachen die Lehrwerkstätte des einen und stahlen einen Mantel, Handwerkszeug usw., ferner schlugen sie nachts in der Wenzelgasse ein Schaufenster ein und nahmen fünf Browning- und eine Mauserpistole sowie einen Revolver mit dem dazu gehörigen Schießbedarf im Gesamtwerte von 350 Mark heraus. Einer der beiden Diebe ist festgenommen worden, der zweite konnte noch nicht erwischt werden.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)