Mittwoch, 16. Juni 1915

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 16. Juni 1915Wehrbund. In des Waldes tiefsten Gründen, zwischen Annaberg und dem Exerzierplatz, lag Sonntag eine Abteilung des Wehrbundes verborgen, die sich nach den Bestimmungen der Leitung als geschlagen und auf der Flucht befindlich betrachten sollte. Trotz dieser Bestimmung zeigte diese Abteilung keinerlei Merkmale einer geschlagenen Truppe, erwies sich im Gegenteil als kühn, tatkräftig und unternehmungslustig und nahm von der Abteilung, die sie aufsuchen und gefangen nehmen sollte, eine ziemliche Anzahl Leute gefangen. Vom Tatendrang fortgerissen, setzte sie sich schließlich, als das ihr gesetzte Schicksal der Gefangennahme eintreten sollte, über die Bestimmung hinweg, das Lager nicht zu wechseln und bezog einen Lagerort, der sich in dem von ihren Gegnern bereits abgesuchten Teil des Waldes befand. Mit Aufwand aller strategischen Künste suchten diese inzwischen erfolglos weiter den ganzen Wald ab, bis schließlich, wie so oft im Ernstfall, durch Verrat der Lagerort mitgeteilt wurde. Das beabsichtigte Ende der Uebung blieb aber unerreicht; denn als man an der Lagerstelle anlangte, war der Vogel ausgeflogen und befand sich bereits auf dem Heimmarsche. Da die Rücksicht des Wartens geübt wurde, zogen schließlich alle Teilnehmer vereint zur Stadt zurück. Am nächsten Sonntag wird wahrscheinlich nach Köln marschiert zur Besichtigung des Pionier-Uebungsplatzes.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 16. Juni 1915Ein vaterländisches Abzeichen haben die hiesigen vaterländischen Vereinigungen prägen lassen, das in Form von Broschen und Anhängern abgegeben wird und zwar zunächst nur in Silber. Auf dem Abzeichen wird unsere gewaltige Heeresmacht durch einen kräftigen Adler verkörpert, der in seinen Klauen ein Band mit dem Sinnspruch „Gott mit uns“ und den Jahreszahlen 1914/15 hält. Unter diesem Band befindet sich das Wappen der Stadt Bonn, umrankt von Eichen und Lorbeer. Der Adler wird überragt von einer Kaiserkrone und einem W II.
   Es darf wohl angenommen werden, daß das vaterstädtische Interesse jeden unserer Bürger drängt, das wohlgelungene und ausgezeichnet geprägte Abzeichen zu besitzen. Die Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe hat als erste das Abzeichen entgegengenommen und angelegt. Die Abzeichen werden durch die Helferinnen der vaterländischen Vereinigungen und in der Geschäftsstelle der Rheinisch-Westfälischen Discontogesellschaft verkauft.

Anzeige im General-Anzeiger vom 16. Juni 1915Neue Kartoffeln werden seit einigen Tagen auf dem hiesigen Markt zum Verkauf gestellt, jedoch einstweilen nur in geringen Mengen. Auf dem Kölner Markt wurden neue Kartoffeln gestern für 15 – 17 Mark der Zentner verkauft. Es ist aber bald ein Rückgang im Preise zu erwarten, da wir in diesem Jahre eine so reiche Ernte an Frühkartoffeln haben werden, wie in keinem Jahre zuvor. Sehr viel Oedland, das sonst nicht bestellt wurde, ist nämlich mit Kartoffeln bepflanzt worden. Da die neuen Kartoffeln nicht geschält, sondern nur abgekratzt zu werden brauchen, dadurch also kein Abfall vorhanden ist, so wird die Hausfrau lieber zu den neuen Kartoffeln greifen. Während des ganzen Winters wurden in der Hauptmarkthalle von Landwirten und Händlern keine Kartoffeln feilgeboten, wenn schon, dann zu unerschwinglichen Preisen. Jetzt wird das bald erheblich anders. Wenn erst die neuen Kartoffeln in größeren Mengen auf den Markt geworfen werden, und das wird recht bald der Fall sein, dann werden die alten Kartoffeln wenig begehrt werden. Es sind aber noch so ungeheure Mengen Kartoffeln vorhanden, daß voraussichtlich ein nicht unbedeutendes Quantum zugrunde geht, wenn es nicht als Viehfutter oder zu billigen Preisen an den Mann gebracht wird.

Weibliche Schaffner sieht man jetzt auch an der Bahnsteigsperre des Staatsbahnhofes in Köln-Mülheim, nachdem Frauen auf dem Kölner Hauptbahnhof schon einige Zeit als Schaffnerinnen tätig sind. Uebrigens versahen in Bonn schon vor dem Krieg zweitweise Frauen den Posten eines Bahnsteigschaffners.

Weibliche Aushilfs-Briefträger. Dem weiblichen Geschlecht erschließen sich jetzt zur Kriegszeit immer neue Berufszweige. Jetzt will sich ihm auch die Reichspost mehr als früher bedienen. Nach einer neuen Verfügung sollen während des Krieges in denjenigen Orten, wo sich ein Mangel an männlichen Kräften bemerkbar macht, auch weibliche Personen im Bestelldienst verwendet werden.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 16. Juni 1915Wegen Beleidigung des Pfarrers von Lengsdorf ist bekanntlich am 6. Februar d. J. der Student der Volkswirtschaft und stellvertretende Schriftleiter des Bonner „Volksmund“ Josef Kroth zu 100 Mark Geldstrafe verurteilt worden. Der „Volksmund“ hatte einen Artikel veröffentlicht, der Herrn Pfarrer Nolte vorwarf, er behandle seine Pfarreingesessenen schlecht, halte die Arbeiter und Handwerker für heimliche Sozialdemokraten und ihre Kinder für „zukünftige Marats und Robespierres“, drangsalierte die Lehrer, horche an den Schultüren, ob der Unterricht pünktlich beginne, habe zum Boykott eines ihm nicht genehmen Gastwirtes aufgefordert und mache sich auch sonst noch unbeliebt. Der Verurteilte legte gegen die Bestrafung Revision beim Reichsgericht ein mit der Begründung, der Strafantrag richte sich gegen „Verfasser und verantwortlichen Redakteur“. Das Reichsgericht verwarf die Revision als unbegründet. Die Beleidigung sei hinreichend festgestellt und die Behandlung des Strafantrages und der Verantwortlichkeit durch die Bonner Strafkammer entspreche der maßgebenden Rechtssprechung.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

 

Spendet Fahrstühle für die Verwundeten.
Die schöne Jahreszeit erweckt in jedem unserer genesenden und leidenden Krieger die Sehnsucht, ins Freie hinaus zu kommen, um die wohltuende Einwirkung der heilenden Sonne zu genießen. Leider kann nicht allen diese Freude gewährt werden, weil die Anzahl fahrbarer Krankenstühle nicht ausreicht. Da bietet sich nun Gelegenheit für hochherzige Bürger, helfend einzugreifen und Krankenstühle zu stiften. Wir hoffen, daß es nur dieses Hinweises bedarf, um den Opfersinn der Bürger auch nach dieser Seite anzuregen. Etwaige Krankenstühle werden gern in der Sammelstelle der Vaterländischen Vereinigungen – Rheinisch-Westfälische Diskonto-Gesellschaft, hier, Münsterplatz 1–3 – angenommen, um an die Lazarette überwiesen zu werden.

(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)