Mittwoch, 2. Juni 1915

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 2. Juni 1915Die Schuhmacher zu den Lederpreisen. Der Verein selbständiger Schuhmacher Kölns befaßte sich in einer Mitgliederversammlung mit den Mitteilungen in einem Teil der Presse, wonach Leder im Preise sehr gesunken sei. Der Vorsitzende Arend führte hierzu aus, daß jene Angaben auf falscher Information beruhen. Dem Schuhmacher seien leider dadurch in den letzten Tagen unberechtigte Vorwürfe gemacht worden. Wenn mehr oder weniger Häute im Schlachthof auf ihr Abholen warten, so könne man doch hieraus nicht folgern, daß Rohmaterial im Ueberfluß vorhanden sei. Das Nichtabholen habe vielleicht einen anderen Grund. Die Militärverwaltung habe für ihren Bedarf für fertige Leder Höchstpreise festgesetzt. Weiter verteile die Militärverwaltung die beschlagnahmten Häute zu angemessenen Preisen an Gerbereien, die ihrerseits die fertigen Leder wieder an die Militärverwaltung zu festgesetztem Preise zurückverkaufen müssen. Lederfabrikanten haben eine Eingabe an das Ministerium des Innern gemacht, mit der Begründung, sie würden durch diese Methode nicht genügend verdienen. Vielleicht liege hier der Grund. Tatsächlich seien Eichenrinde, also deutsche Gerbstoffe, diesjährige Schälung, in den letzten Wochen im Preise von über 300 Prozent gestiegen. Die kürzlich durch das Ministerium des Innern vorgenommene Lederbestandsaufnahme habe unzweifelhaft ergeben, daß wir noch über große Schätze Leder und Rohmaterial verfügen. Da nun anzunehmen sei, daß die Lederpreise ihren Höhepunkt erreicht hätten, so habe auch die Spekulation losgeschlagen, was vielleicht hier oder da einen nicht nennenswerten Rückschlag verursachte, der aber für die Schuhmacher gar nicht in Betracht käme. Und da durch das Eingreifen Italiens in den Krieg unsere Einfuhr weiter begrenzt wurde, so müsse man mit den vorhandenen Vorräten haushälterisch umgehen. Die Lage auf dem Ledermarkt sei so, daß ein größerer Preisrückschlag vorerst nicht zu erwarten sei.

Die Freie Bonner Wirte-Innung hatte die Stadtverwaltung ersucht, für die Dauer des Krieges den Preis des elektrischen Stromes zu ermäßigen. Die Deputation der Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke empfiehlt jetzt den Stadtverordneten, zu beschließen, daß der Durchschnittspreis bei den Stromabnehmern, die im Rechnungsjahr 1914 die Garantie nicht erreicht haben, nicht mehr als 40 Pfg. für die Kilowattstunde betragen soll. Beträge hierüber hinaus sollen nicht zur Einziehung gelangen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 2. Juni 1915Der Bonner Wehrbund veranstaltete am Abend des verflossenen Samstags eine Uebung, die ungemein spannend verlief. Eine Abteilung hatte Grau-Rheindorf besetzt und die Gegnerschaft sollte versuchen, den Einmarsch in den Ort zu erzwingen. Nach mannigfach vorgenommenen Versuchen gelang es den Angreifern, die Verteidiger zu überlisten und in Rheindorf siegreich einzuziehen. In der Kritik wurde der Plan der Uebung und die Bewegungen der Parteien genau erläutert, als eigentlicher Zweck des Spieles die Vorbereitung auf den Ernst hervorgehoben und die Teilnehmer aufgefordert, im Kreise ihrer Genossen für den Wehrbund zu werben.

Einen militärischen Ausflug mit Uebungsmarsch unternehmen am morgigen Fronleichnamstag die Soldaten des Rekruten-Depots Ers.-Batl. Res.-Inf.-Regt. 53 aus Köln nach Honnef. Die jungen Krieger, etwa 550 Mann, treffen morgen früh kurz vor 8 Uhr mit der Rheinuferbahn hier in Bonn ein und begeben sich in Begleitung ihrer Offiziere mit Musik zur Casselsruhe, wo sie sich bis Mittag aufhalten und verpflegt werden. Gegen ½ 1 Uhr geht’s weiter über die Höhe bis Godesberg und von dort nach Mehlem, wo übergesetzt wird. In Honnef werden die jungen Vaterlandsverteidiger, die in der Mehrzahl aus dem östlichen Teil unseres Vaterlandes und Schlesien stammen, im Kurgarten bewirtet. Von Honnef marschieren die Rekruten wieder zurück bis Bonn und von hier geht’s wieder mit Extrazügen der Rheinuferbahn nach Köln zur Garnison zurück. Die Bewirtung der 53er, deren Chef bekanntlich Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe ist, wird hier in Bonn sowohl, als auch in Honnef durch freiwillige Spenden bestritten. Das Landsturmbatl. Bonn hat ebenfalls in kameradschaftlicher Weise sein Musikkorps zur Verfügung gestellt. Hoffentlich wird den jungen Kriegern, die soweit ausgebildet sind, um demnächst unser schönes Rheinland mit verteidigen zu helfen, ein schöner Sommertag und allseitig ein recht herzlicher Empfang zuteil.

Wegen Vergehens gegen die Bäckereiverordnung des Bundesrats verurteilte das Schöffengericht gestern 13 Bäcker aus der Umgegend zu Geldstrafen von 3 bis zu 20 Mark. Sie hatten zum Teil Brot ohne Brotbuch verkauft, Brote in anderen Gewichtsmengen gebacken als vorgeschrieben war und mehr Brote gebacken, als ihnen zustand. Die Frauen, deren Männer sich im Felde befanden, kamen mit niedrigen Strafen davon.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 2. Juni 1915Röggelchen gibt es von heute ab. In der Vorabend-Ausgabe der Deutschen Reichs-Zeitung haben wir die neue Back-Verordnung des Oberbürgermeisters veröffentlicht, nach der es den Bäckern seit gestern gestattet ist, neben Schwarzbrot, Feinbrot, Zwieback und Kuchen auch Keks, Waffeln, Printen, Honigkuchen und die vielbegehrten Röggelchen herzustellen. Und zwar werden die Letzteren aus Weizenmehl bereitet, das mit 30 Prozent Roggenmehl gemischt ist. Zum Backen darf nur Wasser benutzt werden. Die Röggelchen müssen ausgebacken ein Gewicht von 100 Gramm haben. Sie werden auf das Brotbuch abgegeben. Für ein Schwarz- oder Feinbrot erhält man 1750 Gramm gleich 17½ Röggelchen. Während Schwarz- und Feinbrot erst am zweiten Tag nach Beendigung des Backens abgegeben werden darf, sind die Röggelchen schon am Tage der Herstellung zu haben. Zusätze, wie Korinthen, Mandeln, Zuckerüberguß und dergleichen sind bei den Röggelchen sowohl, als auch bei Zwieback, Feinbrot und Schwarzbrot verboten.

Die Elektrifizierung der Vorgebirgsbahn. Die Erlaubnis des Kaisers zum Umbau der Vorgebirgsbahn in eine elektrische Vollspurbahn ist am Pfingstsonntag eingetroffen. Wir konnten schon vor einiger Zeit mitteilen, daß die Genehmigung zur Elektrifizierung des Dampfbähnchens nahe bevor stehe.
   Bevor die Umbauarbeiten in Angriff genommen werden, sind noch mancherlei Vorarbeiten zu erledigen. Zunächst müssen die ausführlichen Pläne dem zuständigen Ministerium vorgelegt werden. Dann folgt die landespolizeiliche Prüfung an Ort und Stelle, dann die Regelung der Grunderwerbsfragen usw. Alles das wird infolge des Krieges voraussichtlich eine Zeit von mehreren Jahren in Anspruch nehmen, sodaß etwas ums Jahr 1920 mit der Fertigstellung der neuen elektrischen Bahn gerechnet werden.

Anzeige im General-Anzeiger vom 2. Juni 1915Die armen Wirte! Kaum daß sie mit großer Mühe ihre Speisekarten und Schaufensteraufschriften dem veränderten vaterländischen Gefühl angepaßt haben und von den mancherlei Aufregungen der letzten Zeit auszuruhen gedachten, kommt ihnen ein neuer Feind: die italienischen Ausdrücke und Aufschriften. Da war z.B. das „Cinzano di Torino“, meist überragt von einer italienischen Fahne. Auch in der Form „Vino di Vermouth“ war es vorhanden. Es brauchte aber keiner besonderen Abmachung, um diese Tafeln und Inschriften verschwinden zu lassen. Ueber Nacht sind sie größtenteils verschwunden, und unter den Anhängern des Vermouthweines scheint ein stilles Abkommen getroffen worden zu sein, nichts mehr von dem italienischen Nationalgetränk zu genießen. Auch in den Branntweinauslagen sind die Vermouthflaschen meist verschwunden. Auch mit dem „italienischen Salat“ ist aufgeräumt. Er heißt jetzt in der Regel „Fleischsalat“, was allerdings einfacher, aber auch deutlicher klingt und auf den Wohlgeschmack der Speise bisher keinen Einfluß ausgeübt hat. Blieben nur noch die „Makkaroni“ und „Spaghetti“. Aber auch sie wird man vergebens auf dne Speisekarten suchen. Jene, die nur dem Namen nach italienisch waren, da sie meist aus deutschen Fabriken stammten, sollen nun „Rohrnudeln“ heißen, für diese, die sowieso weniger gebräuchlich waren, wird eben noch ein Name gesucht. Vorläufig sind sie aus den Küchenzetteln gestrichen. Wir wollen aber hoffen, daß auch sie bald in deutschem Gewande eine Auferstehung feiern können. Uebrigens taucht auch die Tomate in einer neuen Form auf, in sehr poetischer Gestalt, als „Liebesapfel“. Leider wissen nur wenige Gäste, worum es sich handelt, und so müssen die Kellner stets die Lehrmeister spielen. Bald werden auch die „Orangen“ und „Zitronen“ dran glauben müssen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)