Montag, 21. Dezember 1914

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 21. Dezember 1914Der Goldene Sonntag. Der letzte Sonntag vor Weihnachten, von den Geschäftsleuten hoffnungsvoll der Goldene genannt – heuer wohl richtiger der Papierne – hat seinem klangvollen Namen auch in diesem Jahr keine Unehre gemacht. Man kann wohl behaupten, daß der Goldene Sonntag sich bei uns in Bonn in seinem Ergebnis für die Geschäftswelt recht erträglich gestaltet hat und daß trotz der Kriegszeit rege Kauflust vorhanden war. Gewiß, die Erwartungen und Wünsche, die der Geschäftsmann sonst in den Goldenen Sonntag zu setzen pflegte, die mußte man in diesem Jahre heruntersetzen, und einige Geschäftszweige – besonders wohl Luxusgeschäfte – haben sicher einen großen Ausfall gehabt. Einen Vergleich mit den Ergebnissen eines normalen Jahres darf man ja für das Weihnachtsgeschäft im Kriegsjahr nicht ziehen wollen. In den Geschäften mancher Branchen sind schon im November sehr zahlreiche Weihnachtseinkäufe für unsere Krieger im Felde gemacht worden. Sie haben dadurch, wenn auch die Einkäufe im eigentlichen Weihnachtsmonat vielleicht geringer waren, einen zufriedenstellenden Umsatz erzielt. Einige Geschäfte haben trotz der Kriegszeiten sehr gut verkauft. So teilt uns eine angesehene Firma der Spielwarenbranche mit, daß sie noch nie einen so guten Goldenen Sonntag erlebt habe wie heuer. Im allgemeinen hat das kaufende Publikum nach Möglichkeit den ihm seit langem immer wieder vorgetragenen Mahnruf befolgt und sich nicht lediglich von einer falsch angebrachten Sparsamkeit beherrschen lassen. – Der gestrige freundlich-helle Nachmittag brachte auch viel Zuzug von Käufern aus der Umgebung, abends sah man Käufer und Käuferinnen mit Paketen beladen zu den Bahnhöfen und den Abfahrtstellen unserer elektrischen Vorortbahnen eilen. Unsere Geschäftsleute hatten durch geschmackvolle Dekorationen ihrer Läden ihr möglichstes getan, die Kauflust des Publikums anzuregen. In den Nachmittagsstunden waren die Hauptgeschäftsstraßen unserer Stadt von einer tausendköpfigen Menge belebt. Es sind jetzt nur noch wenige Tage bis zum Christfest. Mögen die Bewohner unserer Stadt, soweit sie dazu in der Lage sind, diese Zeit noch recht ausgiebig ausnutzen für Einkäufe aller Art, damit unser Geschäftsleben nicht ins Stocken gerät; auch das gehört zur inneren Kriegsrüstung.

Anzeige im General-Anzeiger vom 21. Dezember 1914Der Bürgerverein „Eintracht“ hielt gestern um 4 Uhr seine Weihnachtsfeier im Vereinshause an der Rathausstraße ab. Der Saal war vollbesetzt. Die Feier begann mit dem Liede: „Wir treten zum Beten“. Dann sprach Herr Professor Dr. Sell. Er führte aus: Ein solches Weihnachtsfest hat noch keiner von uns erlebt. Starke Militärmächte wollten unsere Grenzen überschreiten und uns vernichten. Gott hat es anders gewollt. Unsere Soldaten müssen Schreckliches tun, um das Vaterland zu retten. Der gewaltige Trost in dieser ernsten Zeit ist die Engelsbotschaft: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen, an denen Gott sein Wohlgefallen hat“. Jesus ist gekommen auf die Erde, um den Menschen Frieden zu bringen. Gott wird ein Wohlgefallen an uns haben, wenn wir in uns gehen. „Ehre sei Gott in der Höhe“, heißt es. Wir sind es der Ehre Gottes schuldig, wenn wir den Kampf durchhalten bis zum siegreichen Ende. – Dann wurden abwechselnd Weihnachtsgedichte und Orchesterstücke vorgetragen. Besonders ansprechend wurde deklamiert „Die heilige Nacht“ von Kurz. Dann öffnete sich der Nebensaal und der helle Lichterbaum erstrahlte. Auf langen Tischen standen Teller mit Gebäck. Es war eine Freude zu sehen, wie die Kinder die Gaben einpackten und freudestrahlend den Saal verließen.

Der Wehrbund unternahm nach Besichtigung und Besprechung der von den Rekruten in Kessenich vorschriftsmäßig ausgehobenen Schützengräben am Sonntagnachmittag einen Uebungsmarsch in aufgelösten Schützenketten quer durch den Kottenforst. Die Werbestelle des Wehrbundes bliebt bis zum 27. Dezember geschlossen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 21. Dezember 1914Dritter städtischer Volksunterhaltungsabend. Zu einer leisen, stillen, aber die Saiten der Seele in sanfte Schwingung versetzenden Weihnachtsfeier, zu deren äußeren Vollen­dung leider die Lichtertannen der Vorjahre fehlten, gestaltete sich dieser jüngste Volksun­terhaltungsabend. Er wurde von Kapellmeister Heinrich Sauer trefflich eingeleitet durch Eugen d'Alderts (?) Vorspiel zu dem Musikmärchen „Der Rubin“. Es wagnerianert darin nicht we­nig, inhaltlich wie in der Behandlung des Orchesters; bleibt aber gleichwohl doch leidlich originell und ist stets lieblich anzuhören. Die Wiedergabe war – besonders von dem Alle­gro an --- gut. Das Charakterstück „In der Christnacht“ offenbart zwar nur gerin­gen musi­kalischen Charakter des Autors B. Hanekam. Unser Orchester jedoch machte aus dem Stück, was sich machen ließ, und das erste Horn wirkte daran vorzüglich mit. Die Musik­märchen von Fr. Bendel (vorgestern gab's das „Aschenbrödel“) mit ihrer leicht ein­gänglichen Musik, ihrer rümlichen Situationsmalerei, ihrer klangreichen Instrumentationen, die nie dem Märchenhaften Gewalt antut, verfehlen selten ihre Wirkung.
   Auch am Samstag nicht. Die prächtige Polonaiser war sogar ein Musterbeispiel von schwungvollem, temperamentreichem Spiel. Ueber die Musik zu „Hänsel und Gretel“ von Humperdinck noch ein Wort zu verlieren, ist überflüssig. Ebenso über die samstägige Wie­dergabe der Fantasie; denn sie erfüllte (soweit angängig) jeden berechtigten Wunsch. Zum zweiten trug zum guten Gelingen bei Emmy Krüger vom Bonner Stadttheater. Sie las und zunächst vor die Andersensche liebliche Mär von dem Mädchen mit den großen Pan­toffeln und den brennenden Schwefelhölzchen. Und zwar mit einer sehr sympathischen, anheimelnden, zum Märchenerzählen recht geeigneten Stimme, die Emmy Krüger aber später für einen Saal (wie der „Bürgerverein“ ist) besser einstellen wird. Es folgten nachher der „Kindertraum“ von Robert Reimann und „Das Hellerlein“ von Leo Heller. Vortrag und Betonung wie oben schon bemerkt. Der Gesang aber bedarf noch einiger Nachhilfestun­den.
  Anzeige im General-Anzeiger vom 21. Dezember 1914 Und Henny Wolff spendete einige Lieder moderner Richtung. Von Jakobus Menzen ge­mütsvollem, innigen Gesange „An das Christkind“ angefangen über Phil. Gretscher, der ei­nigermaßen in seiner sonst sehr zu lobenden Musik janusköpfig vorwärts und rückwärts schaut – wir hörten von ihm „Rauhreif vor Weihnachten“ und „Maria am Rocken“ - bis zu dem sehr fortschrittlichen Fritz Fleck, dessen „Heilige Nacht“ allerdings in seiner leitmotivi­schen Arbeit eine ganz außerordentliche Leistung ist. Henny Wolff sang alle diese Lieder, für die wir ihr sehr danken, durchaus sinngemäß und mit dem schon oft erwähnten, wohl­tuenden süßen Klang ihres Organs. Wir erwähnen besonders die „Heilige Nacht“. Sie mußte sich zu einer Zugabe entschließen. H. Sauers Begleitung ist ebenfalls zu loben. Zu Ende der gemeinschaftliche Gesang „Stille Nacht“.

Jüdische Gemeinde Bonn. Gestern beging die jüdische Gemeinde in dem dichtgefüllten Gotteshause die Chanukkafeier. Nach einem Gebet des Herrn Oberkantors Baum wurden von zwei Jungen die Chanukkalichter (Weihelichter) angezündet. Hierauf richtete Herr Rabbiner Dr. Cohn unter Hinweis auf die Kriegswirren eine kernige, siegesfreudige Ansprache an die Gemeinde. Die Knaben und Mädchen boten alsdann Vorträge, die zeigten, daß den Kindern die Literatur ihres Glaubens, ebenso wie die deutsche Vaterlandsliebe tief im Herzen wurzelt. Ein Schlußwort des Herrn Rabbiners Dr. Cohn beendete die schöne Gemeindefestlichkeit.
  
Von der üblichen Bewirtung (Schokolade und Kuchen) der Kinder wurde in diesem Jahre Abstand genommen, jedoch die hierfür bei den Gemeindemitgliedern gesammelte Summe bedürftigen Familien der im Felde stehenden Krieger überwiesen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige in der Deutschen Reichszeitung vom 21. Dezember 1914Die Hauptversammlung der Landwirtschaftskammer für die Rheinprovinz, über die wir in der Samstag Morgenausgabe ausführlich berichtet haben, eröffnete der Vorsitzende, Herr Landrat von Groste, mit folgender Rede:
   Ich eröffne die ordentliche Hauptversammlung der Landwirtschaftskammer. Meine hoch­verehrten Herren! Unsere diesjährige Hauptversammlung fällt in eine Zeit, wie sie ernster un­serem teueren Vaterlande wohl kaum jemals beschieden gewesen ist. Haß- und neider­füllte Nationen haben sich verbündet, um unser Deutsches Reich, das eine friedliche Ent­wicklung der Kultur anstrebte, frevelhaft zu überfallen. Schon fast 5 Monate tobt der Krieg. In schweren und blutigen Kämpfen sind unsere braven Truppen über die Grenze gedrun­gen, um die furchtbaren Verwüstungen des Krieges von den gesegneten heimischen Flu­ten abzuwehren. Unter Gottes gnädigem Beistand haben sie den Sieg an ihre Fahnen ge­knüpft. In der ganzen Welt bewunderte Heldentaten hat unsere Marine auf dem Weltmee­re geleistet; fest geeint gedenkt das deutsche Volk unter der sicheren Führung seines Kai­sers in tiefster Dankbarkeit der großen Anzeige in der Deutschen Reichszeitung vom 21. Dezember 1914Taten und der schweren Opfer unserer Truppen und der in treuer Waffenbrüderschaft mit ihnen kämpfenden österreichisch-ungarischen Armee. In fester Zuversicht erhoffen wir den endgültigen Sieg. Aber wir wissen, daß auch wir, die wir in der Heimat zurückgeblieben sind, alle nach Kräften mitarbeiten müssen, wenn uns der Sieg und nach dem Sieg ein ehrenvoller und dauerhafter Friede gesichert werden soll, daß wir durch alle Dinge, für die wir zu sorgen haben, unserem Vaterlande auch die wirt­schaftliche Kraft und Widerstandsfähigkeit erhalten, und da fällt zumal der Landwirtschaft eine große und wichtige Aufgabe zu.
   Gestärkt durch eine gesunde Wirtschaftspolitik ist die Landwirtschaft Gott sei Dank im Stande, diese Aufgabe zu erfüllen, aber nur dann, meine Herren, wenn jeder einzelne sich ganz in den Dienst dieser Aufgabe, in den Dienst des Vaterlandes stellt und dazu anzu­spornen, dazu beizutragen, ist eine ehrenvolle Pflicht der Organisation des landwirtschaft­lichen Berufsstandes, der Landwirtschaftskammer. Das wollen wir in dieser Zeit mehr denn je betonen, und in diesem Geiste auch heute wiederum unsere Verhandlungen führen. Um dieser Gesinnung Ausdruck zu geben, bitte ich Sie, mit mir unserem erhabenen Kaiser und König das Gelöbnis unwandelbarer Treue und Ergebenheit zu erneuern, indem Sie einstimmen in den Ruf: „Seine Majestät unser Allergnädigster Kaiser und König Wilhelm II, er lebe hoch, hoch und abermals hoch!“

Anzeige in der Deutschen Reichszeitung vom 21. Dezember 1914Winteranfang ist heute; das heißt, die Sonne hat ihren entferntesten Standpunkt von der Erde erreicht und nähert sich ihr langsam wieder. Auf der südlichen Hemisphäre beginnt heute der Winter, welcher sich aber nicht mit Eis und Frost, sondern in den meisten Ländern mit ergiebigen Regengüssen bemerkbar macht. Die Nacht von heute auf morgen ist die längste des ganzen Jahres.

Feldpostsendungen mit unzulässiger Adresse. Neuerdings werden öfters Feldpostbriefe, besonders Zeitungen unter Briefumschlag, mit der Adresse: „An ein beliebiges Regiment im Osten“ oder „An ein Etappenlazarett im Westen“ u. a. ausgeliefert. Derart unbestimmt adressierte Sendungen können von der Post nicht weitergesandt , müssen vielmehr als unzustellbar behandelt werden.

Die Gemäldeausstellung der Gesellschaft für Literatur und Kunst im Oberniermuseum wird nach Weihnachten geschlossen. Sie ist in den letzten Tagen erweitert worden durch einige Gemälde des Bonner Malers Seehaus.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)