Dienstag, 1. Dezember 1914

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Dezember 1914Eine Schilderung der Kämpfe an der Yser. In einem Feldpostbriefe eines Pioniers, datiert vom 26. Oktober, der uns zur Verfügung gestellt wurde, heißt es: Augenblicklich stehen wir in Nieuport. Bei Antwerpen haben wir mitgestürmt und zwar auf die Forts Wavre, St. Catherine und Dorpoelde [Dorpvelde]. Dann halfen wir den Netheabschnitt überwinden. Wir schossen bei Duffel mit unseren Minenwerfern und überbrückten die Nethe [Nete] mit Schnellbrücken. Dann marschierten wir durch Antwerpen über Dendermont, Gent, Brügge nach Ostende. Vor Ostende kam es noch zu einem Gefecht, das zwei Tage dauerte. Dann zog der Gegner in der Richtung Nieuport ab. Wir waren zwei Tage in Ostende im Quartier, ich im Hotel Schultze. Wir requirierten Sekt und an diesem Abend feierten wir Ostende und waren buchstäblich freudetrunken. Dann marschierten wir weiter gegen Nieuport vor. Nach drei Stunden Marsch gabs den ersten Zünder. Bei Pierre Saint Chapelle feuerte schwere Artillerie und englische Kreuzer auf unsere vorrückende Brigade. Die Belgier hatten eine famose Stellung hinter der Yser. Die Brücke war gesprengt und die feindliche Artillerie streute das andere Ufer mit Schrapnells ab. Die Infanterie ging vor und arbeitete sich nach zwei Tagen bis an das Flussufer heran. Um den Uebergang zu decken, mußten wir mit Minenwerfern vor. Es war eine üble Sache, die Minenwerfer über das freie ungedeckte Feld vor zuziehen. Ein Mann neben mir bekam einen Kopfschuß und plumpste wie ein Sack zusammen Dann buddelten wir uns ein und begannen bei Morgengrauen das Schießen. Bald waren wir eingeschossen und Schlag auf Schlag flogen unsere 50er Minen in die feindliche Stellung. Wir haben täglich geschossen und lagen 5 Tage und Nächte im Schützengraben, aus dem man nicht den Kopf herausstrecken durfte, ohne eine Kugel drin zu haben. Eine Granate schlug in unseren Schützengraben ein und tötete 5 Mann. Die zerrissenen Leichen warfen wir bei Nacht vor die Böschung, da wir sie nicht begraben konnten. Fünf Tage haben wir in dem Loch gesteckt und von Brot, Speck und Wasser aus einem Granatloch gelebt. Was man da gut Zigaretten usw. gebrauchen kann. Am 6. Tag war der Feind derart erschüttert, daß man den Sturm wagen konnte. Mit Pontons und Schnellbrücken wurde vorgegangen unter heftigem Gewehr- und Maschinengewehrfeuer. Dann warfen wir Handgranaten in die Belgier und Franzosen, die furchtbar wirkten. Alsbald hatten wir über eine Kompagnie Belgier und Franzosen gefangen. Da sahen wir auch die Wirkung unserer Minen. Mit Spaten haben wir die einzelnen Gliedmaßen zusammengetragen und begraben. Die beiderseitigen Verluste waren furchtbar. Alle 4 bis 5 Meter lagen Tote. Dann haben wir Ruhe bis heute, wo wir den Befehl bekommen haben, eine Pontonbrücke zu bauen.

(Bonner Zeitung)

 

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 1.Dezember 1914Bonner Wehrbund. Die verschiedenen Abteilungen des Wehrbundes vereinigten sich am Sonntag Nachmittag auf dem Exerzierplatz (...), um Uebungen in verschiedenen größeren Stellungen und in der Bildung und Bewegung langgezogener Schützenketten zu machen. (...) Abends fanden sich die Mitglieder des Wehrbundes mit ihren Führern und Angehörigen und vielen Gästen in dem Gasthof von Vianden in Poppelsdorf zusammen, wo Herr Dr. Ohmann an der Hand aufschlussreicher strategischer Karten einen Vortrag über die Ereignisse auf dem östlichen Kriegsschauplatze hielt. Er stellte besonders die glänzende Kautschukstrategie Hindenburgs in das rechte Licht, der es immer vermied, den Russen in ihr sumpfreiches und wegearmes Land weiter zu folgen, sondern sie selbst nach entscheidenden Siegen immer wieder in die westlichen Gebiete jenes Kriegsschauplatzes vorrücken ließ, die für uns so viel vorteilhafter, als für die Russen seien. Er stellte den Sieg Hindenburgs bei Tannenberg den größten Schlachten der Weltgeschichte bei Cannä, Leuthen und Sedan zur Seite und schilderte die heutige neue Aufstellung als eine der bei Tannenberg zu vergleichenden an strategischer Bedeutung, die zu den größten Hoffnungen berechtigte. Herr Prof. Brinkmann erfreute die Versammlung durch Schilderung von Episoden aus dem Kriege 1870/71, die von der Heldenhaftigkeit deutscher Truppen, ihrer eisernen Manneszucht und dem felsenfesten Vertrauen in ihre Führer ein glänzendes Zeugnis ablegten. (...) Es dürfte sehr im Interesse des Wehrbundes liegen, derartige belehrende Vorträge noch häufiger als bisher zu veranstalten.

Vom stellvertretenden Generalkommando des achten Armeekorps geht uns folgende Bekanntmachung mit dem Ersuchen um Veröffentlichung zu:
    „Es ist zu meiner Kenntnis gelangt, daß trotz der Wiederbelebung des Geschäftslebens namentlich auch dúrch die umfangreichen Aufträge der Heeresverwaltung einzelne Handels- und Unternehmerfirmen sich noch immer nicht dazu haben entschließen können, die gegen ihre Angestellten und Arbeiter nach der Mobilmachung vorgenommenen Gehalts- und Lohnkürzungen zu beseitigen und entlassene Angestellte und Arbeiter wieder anzunehmen. Das frühere Verhalten dieser Firmen war wirtschaftlich bedenklich, ihr jetziges Verhalten ist unbillig, oft ungesetzlich, und macht Gegenmaßnahmen erforderlich. Bevor ich solche Maßnahmen verordne, verwarne ich die gedachten Firmen hiermit nachdrücklichst. Der Kommandierende General. Gez. von Ploetz, General der Infanterie.“

Vaterländische Postkarten. In der Presse ist mehrfach der Wunsch zum Ausdruck gekommen, daß rohe und alberne Kriegskarten, die der ernsten Zeit unwürdig sind, aus den Schaufenstern verschwinden möchten. Es ist für die Postkartenhändler nicht schwer, sich mit einwandfreier Ware zu versehen. Wir weisen nur auf die vaterländischen Postkarten und die Bildnisse der Heerführer aus dem Kunstverlage der Photographischen Gesellschaft, Berlin-Charlottenburg hin (...) Die uns vorliegende Sammlung zeigt die Bildnisse des Kronprinzen, des Generalfeldmarschalls v. Hindenburg und des Generalstabchefs v. Moltke. (...)

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Dezember 1914Feldpostpakete ohne Leinwandumhüllung. Für die bis zum 30. November auszuliefernden Pakete an die Truppen hatte das Kriegsministerium aufgrund der Erfahrungen der ersten Paketwoche gefordert, daß Kartons mit Leinwand umnäht werden müssen. Nachdem von vielen Stellen der Wunsch laut geworden war, Kartons auch ohne solche Umhüllung zuzulassen, und dem Kriegsministerium geeignete Proben von solchen Packungen vorgelegt worden sind, hat es im Einvernehmen mit dem Reichspostamt zugelassen, daß künftig auch Kartons ohne Leinwandumhüllung angenommen werden können, sofern sie genügend widerstandsfähig sind. Die Paketdepots und Postanstalten sind hiernach verständigt worden.

August Macke, der hoffnungsvolle Künstler, ist auf dem Feld der Ehre gefallen, nachdem er für seine hervorragende Tapferkeit mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden war. Mit ihm ist einer der stärksten Vertreter der expressionistischen Bewegung dahingegangen. Macke stammt aus Bonn; hier lebte er auch, nachdem er seine Studien abgeschlossen hatte, bis zum Ausbruch des Krieges. Gewiß, Macke war kein Fertiger, er rang redlich nach einer besonderen Ausdrucksform, und warf sich mit Eifer in die expressionistische Strömung. Von entscheidendem Einfluß für seine künstlerische Entwicklung war Paris. Hier gewann er Fühlung mit gleichgesinnten Künstlern, hier arbeitete er mit Eifer, sensiblen Farbempfinden und sprühender Phantasie, die sich nach gegenständl. Gestaltung sehnte. Löste er auch die Bildfläche in geometrische Formen nach den Lehren des Kubismus auf, so hielt er sich doch von reinen Abstraktionen fern und so hoben sich seine Bilder unter denen seiner Kollegen stets vorteilhaft hervor.
  
Man mag über die Richtung, der sich Macke anschloß, geteilter Meinung sein, das eine steht fest, daß er mit großer Ehrlichkeit und Ueberzeugung arbeitete, im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen, denen der Expressionismus eine bequeme Handhabe ist, um ihr dilettantisches Können zu verschleiern.
    Macke ist in unserer Stadt näher bekannt geworden durch die Sonderbundausstellung der Expressionisten im Cohenschen Kunstsalon. Hier sah man den jungen, liebenswürdigen Künstler als begeisterten Führer und Sprecher der Ausstellung, stets redlich bemüht, zwischen dem großen – teils kopfschüttelnden – Publikum und den Werken der Expressionisten, die sehr oft zum Widerspruch reizten, eine versöhnliche Stellung, ein Begreifen, Verstehen herbeizuführen.
    Nun hat die Kugel diesem hoffnungsvollen Leben ein Ende gemacht; ein Junger, Taster, Sucher ist nicht mehr, dessen Ziel sich noch in Zukunftsdämmer verbarg.

Anzeige im General-Anzeiger vom 1. Dezember 1914Der Alkohol im Kriege. Wie unter den Liebesgaben für im die Felde stehenden Truppen, so nehmen auch unter den Spenden für unsere verwundeten und kranken Krieger Spiri­tuosen und sonstige alkoholische Erzeugnisse neuerdings einen immer größeren Raum ein. Von in der Front stehenden und von Besatzungstruppen wird aber gemeldet, daß sie sich nach Wasser sehnen, nachdem sie sich den Wein „über“ getrunken haben. Es ist dringend zu wünschen, daß für Zufuhr von gutem Wasser und Erbohrung von Brunnen ge­sorgt wird, wo immer es an solchen und an Quellen fehlt, desgleichen für genügende Ver­sorgung mit guten warmen und kalten alkoholfreien Getränken und Erfrischungen ver­schiedener Art: denn je mehr Alkohol getrunken wird, desto schlimmer für das Feldheer. Die Kriegssanitätsordnung sagt: „Der Alkohol wirkt zwar anfangs belebend, beim Genusse größerer Mengen aber bald erschlaffend“. Sie weist insbesondere auch darauf hin, daß die wärmende Wirkung der geistigen Getränke trügerisch und der Alkoholgenuß gegen Kälte deshalb gefährlich ist, und fordert nach alle dem, daß „von allen Dienststellen dem Be­schränken des Alkoholgenusses die ernsteste Aufmerksamkeit zugewendet wird“. Alkoholi­sche Getränke gehören also als Genußmittel, so gut auch jene Gaben gemeint sein mö­gen, nicht ins Feld. Was davon zur Belegung Verwundeter und Kranker nötig ist, zur vor­übergehenden Anregung oder Betäubung, das mag und wird die Heeresverwaltung bezw. der Sanitätsdienst von sich aus bestimmen und entgegennehmen. Der Alkohol ist für diese Fälle eben als Heilmittel anzusehen und als solches zeitweilig und von Fall zu Fall zu ver­wenden. Das gilt insonderheit auch für den Lazarettdienst. In den Speise- bezw. Trinkzet­tel der Lazarette gehören die geistigen Getränke nicht. Die Lazarette werden nicht den all­gemeinen Krankenanstalten hierin nachstehen wollen, die in Berücksichtigung der wissen­schaftlichen Feststellungen der modernen Alkoholforschung unserer bedeutendsten Medi­ziner die Alkoholika von der Kostordnung gestrichen haben. Der Hygieniker v. Gruber, der Kliniker v. Strümpell, der Psychiater Kräpelin, der Chirurg König – sie alle verwerfen die Verabreichung von Wein, Bier und dergl. als „Nähr- und Stärkungsmittel“. Daß im allge­meinen nicht nur Krankheiten ohne Alkoholverabreichung schneller und gleichmäßiger hei­len, sondern auch Verletzungen und Operationen von nüchternen Leuten weit besser ver­tragen werden, ist längst allgemein bekannt und von den Operateuren vielfach bestätigt worden. Der Alkohol ist und bleibt eben – selbst in kleineren Gaben genommen – ein Reiz­mittel einerseits, ein Betäubungsmittel anderseits, dessen Verabreichung an Leidende nur der kundige Arzt zu bestimmen und zu verantworten hat. Diese Verantwortung erscheint mir besonders bedeutungsvoll bei der Versorgung unserer im Felde erkrankten Brüder, de­ren Herzmuskel und deren Nervensystem die geeignesten und verhängnisvollsten An­griffspunkte des Alkohols sind, während sie doch dringend der Genesung und Schonung nach oft übermenschlichen Anstrengungen bedürfen. Hier kann die kann die Verabrei­chung von geistigen Getränken das Uebel nur zu leicht verschlimmern. Man darf der Zu­versicht sein, daß unsere obersten Sanitätsbehörden sich auch hinsichtlich des Alkoholge­brauchs leiten lassen werden nicht nur von den Ergebnissen der Wissenschaft, sondern auch von den Erfahrungen, die aus den letzten Feldzügen, nicht zum wenigsten aus dem Kriege in Südwestafrika gewonnen wurden, und die zu der Forderung geführt haben: Je weniger, desto besser: Dr. med. Fl...

Das Speisehaus für Frauen, das bei Ausbruch des Krieges von der B. S. Wohlfahrts-Vereinigung gegründet wurde, erfreut sich einer lebhaften Benutzung. Täglich speisen ungefähr 100 Frauen in den freundlich durchwärmten Räumen. Außerdem steht noch ein gemütliches Lesezimmer zur Verfügung. Verschiedene junge Damen haben in liebenswürdiger Weise die Bedienung der Gäste übernommen. Dabei wird darauf gesehen, daß niemals Blumen auf dem Tisch fehlen. Das Essen besteht aus einer guten Suppe, Fleisch und Gemüse, und ist schmackhaft zubereitet und kostet für die Person 20 Pfg. Die Unterhaltungskosten werden in der Hauptsache von Beiträgen großherziger Gönner bestritten. Auch sonst erfährt das Speisehaus mancherlei Unterstützung. Vor kurzem wurde den verwundeten Kriegern ein Kaffee gegeben. Wöchentlich findet in dem Hause zweimal ein unentgeltlicher Nähkurs für Frauen statt.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 1.Dezember 1914Im Volksheim (Thomastraße) gab es einen recht gemütlichen Sonntag. Dadurch, daß das Volksheim mit seiner Einrichtung einen guten, dem Volke zu gute kommenden Zweck verfolgt, war das kleine Sälchen bis auf den letzten Platz besetzt. Einige Bonner Damen hatten sich bereitgefunden, in zwangloser Folge Vorträge unmittelbar wie in häuslichen Kreisen zum Besten zu geben. Es waren Lieder zu Laute ganz humorvoller Art in Duett- und Soloform und Rezitationen, wovon die von Herrn Bankdirektor Steinberg verfaßten Gedichte besonderen Anklang fanden. Die gemütliche Seite erreichte ihren Höhepunkt, als ei Verwundeter die improvisierte Bühne bestieg und sein „Mädle ruck ruck“ mit weit tragendem Organ „hinausschmetterte, und sich mit besonders „liebevoller“ Hingebung des Textes annahm, sodaß er direkt die ganze fröhliche Gesellschaft für sich gewann!

Briefe nach der Türkei dürfen von jetzt ab nur noch offen versandt werden. Sie müssen in türkischer, arabischer, französischer, deutscher, englischer, italienischer, israelitischer, armenischer oder griechischer Sprache abgefasst sein.

Zur Aufklärung. Das Postamt bittet um die Veröffentlichung des Folgenden:
  
„In Zuschriften an das Postamt wird häufig Klage darüber geführt, daß seitens der Feldpostanstalten auf unbestellbaren Postsendungen unzutreffende Vermerke wie „vermißt“, „tot“ und dergleichen niedergeschrieben werden. Demgegenüber wird darauf hingewiesen, daß diese Vermerke nicht von den Postanstalten, sondern von den in Betracht kommenden Truppenteilen herrühren. Die Feldpostanstalten haben mit der Zustellung der Postsachen an die einzelnen Empfänger überhaupt keine Befassung.“

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)