Freitag, 9. Oktober 1914

Am Vortag hatten britische Kampfflugzeuge eine Luftschiffhalle in Düsseldorf bombardiert.

 

Die Kriegsnot der Lehrerinnen. Über die Beschäftigung weiblicher Lehrkräfte während des Krieges im Schuldienst hat der Unterrichtsminister soeben eine Verfügung erlassen, in der es heißt: „An öffentlichen Schulen und Lehranstalten sind weibliche Lehrkräfte ohne Vergütung angenommen worden, die sich freiwillig und unter Verzicht auf Entschädigung zur Verfügung gestellt haben. So warm die vaterländische Gesinnung anzuerkennen ist, die sich aus dem selbstlosen Eintreten für das Wohl der Schule ergibt, so bedenklich erscheint es andererseits, daß dadurch mittellosen Lehrerinnen, die auf ihren Lebensunterhalt angewiesen sind, die Erlangung einer bezahlten Beschäftigung erschwert wird. (...) [Es] ist in geeigneter Weise darauf hinzuwirken, daß an öffentlichen Schulen nur bezahlte Lehrkräfte zur Vertretung der einberufenen Lehrer angestellt und dabei vorzugsweise und in erster Linie solche jungen Mädchen und Frauen berücksichtigt werden, die durch Arbeit ihren Lebensunterhalt gewinnen müssen.“ (...)

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")

 

Englische Spionenfurcht. Die Spionenfurcht treibt in London derartige Blüten, daß selbst die englischen Zeitungen darüber zu spotten beginnen. Der Evening Standard veröffentlicht folgenden Dialog: „Was machen Sie hier? Sie wollen doch sicher spionieren!“ fragt ein Schutzmann ein verdächtiges Individuum. „Nein, ich wollte nur einbrechen!“ – „Dann entschuldigen Sie bitte!“

(Bonner Zeitung, Rubrik „Vermischtes")

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 9. Oktober 1914Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe besuchte am Mittwoch nachmittag die verwundeten Krieger, die sich in der Augenklinik in der Wilhelmstraße befinden. Die Prinzessin unterhielt sich in liebenswürdigster Weise mit den Soldaten, fragte nach der Art ihrer Verletzung und überbrachte Liebesgaben, die von den Soldaten mit freudigem Dank entgegengenommen wurden. Nach anderthalb Stunden verabschiedete sich die hohe Frau von den Verwundeten.

 Keinen Alkohol an Verwundete. Der stellvertretende kommandierende General v. Pfötz macht folgendes bekannt: Bei fortschreitender Genesung erkrankter und verwundeter Soldaten habe ich genehmigt, sie auf einige Stunden des Tages aus den Lazaretten zu beurlauben. Streng verboten ist ihnen jedoch der Besuch von Wirtschaften und der Genuß alkoholischer Getränke jeder Art. Ich spreche daher die dringende Bitte aus, im eigenen Interesse dieser Verwundeten, sie nicht zu beeinflussen und zu verführen, dieses Verbot in irgendeiner Form zu umgehen. Abgesehen davon, daß diese Soldaten, die auf dem Schlachtfeld ihre Schuldigkeit getan und ihre Pflicht erfüllt haben, alsdann hier in der Heimat wegen Ungehorsam bestraft werden müßten, werden auch ihre Heilung und Wiederherstellung durch den Genuß alkoholischer Getränke erfahrungsgemäß nachteilig beeinflußt werden. Die dem Genesenden zugedachte Wohltat würde ins direkte Gegenteil, in eine Schädigung derselben, umschlagen.

Einstellung von Kriegsfreiwilligen. Das Infanterie-Regiment Nr. 143 in Straßburg i. Els. stellt wieder Kriegsfreiwillige ein. Junge Leute, die gewillt sind, dem Vaterlande in dieser erhebenden und schweren Zeit zu dienen, wollen sich baldmöglichst bei dem zuständigen Bezirkskommando melden, wo sie nähere Anweisung erhalten.

Anzeige im General-Anzeiger vom 9. Oktober 1914Dank der 29er. Drei Bonner Landwehrleute des 3. Bat., Inf.-Reg. 29, sprechen den Bonner Damen für den ihnen gesandten Tabak mit Begleitschreiben den herzlichsten Dank aus. Die Sendung habe ihnen große Freude bereitet. – Auf einer zweiten Karte teilt die „Küche 11/29“ einiges über den „Arbeitstag“ des Bonner Reserve-Bataillons Nr. 29 mit und schildert mit Begeisterung die Freude der Soldaten, als die Liebesgaben dort anlangten.
Die Maschinengewehr-Kompagnie Inf.-Regt. Nr. 160 dankt ebenfalls den Stiftern von Liebesgaben.
Ein Landwehrmann der Armeegruppe Falkenhausen, 8. Division, Brigade-Ersatz-Bat. Nr. 80, ein Bonner, schreibt, daß er zu seiner größten Freude lese, daß in Bonn so tüchtig Liebesgaben gesammelt würden. Er finde es ja für richtig, daß die Bonner zuerst für ihre Husaren und 160er sorgten. Da aber das Ersatz-Bataillon Nr. 80 auch in Bonn zusammengestellt sei und meist aus älteren verheirateten Männern aus Bonn und Umgebung bestehe, so möchten die „alten Bonner“ bitten, daß auch sie bei nächster Gelegenheit berücksichtigt würden.

Zerstörungswut. Auf dem Spielplatz an der Theaterstraße wurden in den letzten Tagen verschiedene junge Bäumchen abgeknickt und mehrere Sträucher ausgerissen. An einem Zugangstor, das von der Polizei wegen dieser Roheiten abgeschlossen wurde, zertrümmerte ein unbekannter Täter das schwere Vorhangschloß.

In Kriegsgefangenschaft gekommen ist ein Sohn des hiesigen Reisenden B. Bachmann. Sein Sohn befand sich auf dem Transportdampfer „Czar Nicolai II.“, der Anfang August von feindlichen Torpedobooten angehalten und nach der tunesischen Küste (Afrika) geschleppt wurde. Die Besatzung wurde in Gafsa (Tunis) als kriegsgefangen zurückbehalten. Der Sohn teilt seinen Eltern brieflich mit, daß er am 4. August abends 8 Uhr mit der gesamten Besatzung das Schiff verlassen mußte. Sie wurden nach Biserta [Bizerta] geschafft und von Zuaven eingesperrt. Später seien noch Besatzungen von zwei anderen deutschen Schiffen, zusammen 90 Mann hinzugekommen. Kurze Zeit darauf seien sie mit der Bahn nach Sfaks [Sfax] und von da nach Gafsa in eine Festung gebracht worden. Der Briefschreiber teilt ferner mit, daß sich sein Freund Michael Hecker aus Bonn ebenfalls in Gefangenschaft befinde. Am Tage sei es sehr heiß und in der Nacht empfindlich kalt. Im ganzen sei es sehr langweilig dort. Vom Kriege werde man nicht gewahr.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 9. Oktober 1914Unsere Brüder in Amerika. Einem Briefe aus Omaha, 13.September, den ein Unkeler an seine Eltern schreibt, entnehmen wir folgendes: Was ist eigentlich mit Euch los drüben in Unkel. Ich habe am 2. August eine Karte und am 9. August einen Brief an Euch abgeschickt. Euer letztes Schreiben erhielt ich am 17. Juli. (…) Ich habe in dem Briefe geschrieben, daß ich nach Deutschland kommen will, sobald sich eine Gelegenheit bietet. Habe meinen Militärpaß gleich nach dem deutschen Konsul in Chicago geschickt und teilte ihm mit, daß ich bereit bin, nach Deutschland zu gehen, um in der Marine zu kämpfen. Er sandte meinen Paß zurück mit der Antwort, daß es jetzt unmöglich sei uns Reservisten nach Deutschland zu schicken, da die Engländer und Franzosen die Schiffe durchsuchen und die Reservisten als Gefangene wegschleppen. Er würde mich benachrichtigen, sobald sich eine Gelegenheit bieten würde zum Hinüberfahren. So bin ich dann hier in Omaha, während alle meine Kameraden im Kriege stehen. Ich denke Tag und Nacht an den Krieg und die schwere Aufgabe Deutschlands. Lese die Zeitungen bis Mitternacht. Wir bekommen die Nachrichten fast ebenso schnell wie ihr in Unkel. Die hiesigen Zeitungen bringen jeden Tag die großen Niederlagen der Deutschen Armee. Nach den hiesigen Berichten sind die Deutschen andauernd am Verlieren. Ich begreife das gar nicht. Die deutsche Armee und verlieren – gegen solche Drecksäcke wie die Franzosen. Ist die deutsche Armee vielleicht nicht zahlreich genug? (…) Ich weiß doch ganz bestimmt, daß die Deutschen gewinnen würden, falls sie in der Zahl dem Feinde ebenbürtig wären. 10 Minuten zurück las ich in der Zeitung, daß der Kronprinz, Prinz Eitel und Prinz Adalbert in Belgien gefallen sind. Ist das wahr? Wie kommt der Adalbert  denn da hin? Er ist doch Seeoffizier. Aber ich denke, dies ist alles gelogen. Der Kronprinz stirbt nun schon das achte Mal. Die Leute hier fangen nun halb an zu lachen über diese schauderhaften Nachrichten. (…) Die englische Flotte hat die deutsche schon 3 Mal geschlagen. (…) Die ganze österreichische Armee wurde von den Russen geschlagen. Ganze böhmische Regimenter sind zu den Russen übergetreten. (…) Die hiesigen deutschen Zeitungen schreiben allerdings nicht solchen Humbug, geben aber zu, daß die Deutschen, nachdem sie so schnell bis nach Paris rasten, zum Stillstand kamen und nun nach Nordosten auf dem Rückzuge, besser gesagt, Flucht begriffen sind. Wenn dies nun wahr ist und die Deutschen sich nach ihrer eigenen Grenze zurückziehen müssen, dann sehe ich nicht ein, weshalb der Kaiser nicht der ganzen Geschichte ein schnelles Ende bereitet. Er hat doch die Luftschiffe, diese herrlichen Zeppeline. Oder sind sie nichts wert? Wenn sie aber das sind, für was ich sie halte, weshalb wird Paris und London nicht in ein und derselben Nacht zerstört? Will der Kaiser vielleicht noch Nachsicht üben? Pah, es ist Krieg, der Feind wird allerdings kein Mittel unversucht lassen Deutschland zu vernichten. 

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)