Samstag, 3. Oktober 1914

 

Kriegsdienst der gebildeten Frau.

Es ist viel davon die Rede gewesen, daß die Frau der besitzenden und gebildeten Stände durch ihre Liebestätigkeit nicht den Erwerb der notleidenden Frauen beeinträchtigen möge.

Zu der Tätigkeit, welche sie ausüben kann, ohne diese Gefahr, gehört der persönliche Liebesdienst und die Hilfeleistung an den Familien der im Feld Stehenden, wie dies hier auch schon einmal angeregt worden ist.

Wer die Gabe hat (und das ist nötig), mit den Familien der Arbeiterkreise zu verkehren und ihr Vertrauen zu gewinnen, wird (und das wird jede tüchtige Armenpflegerin bestätigen) bald die Beobachtung machen, daß viele der jungen Frauen einen Mangel an häuslichen Kenntnissen haben, der in dieser bedrängten Zeit doppelt fühlbar wird.

Das sind die Frauen, welche in der Fabrik arbeiten und in der Mädchenzeit keine häusliche Tätigkeit ausübten. So wenig gegen die Arbeit in einer gut geführten Fabrik einzuwenden ist – sie nimmt in der Wirtschaft ihren ganz berechtigten Platz ein –, so sehr muß doch immer wieder nach der Schulzeit ein Jahr häuslicher Arbeit betont werden. (...) Bei diesen Frauen nun, welche weder kochen noch nähen können, müsste die persönliche Hilfe der gebildeten Frau (oder des jungen Mädchens) in die freundliche Unterweisung einsetzen, falls die Frauen empfänglich und lernbereit sich zeigen. Es müsste gezeigt werden, wie ein einfaches und preiswertes Mittagessen bereitet wird, und es müsste gezeigt werden, wie aus alten, oft geschenkten Sachen für die Kinder etwas Nützliches hergestellt wird. Das würde freilich so schnell nicht gehen, das würde mehrere Wochen, täglich ein paar Stunden, in Anspruch nehmen. (...) Eine solche Arbeit würde auch in segensreicher Weise eine neue Brücke zu den Familien des Volkes schlagen. Nicht schenken! Zur Arbeit erziehen! Das ist das Richtige. (...)

(Bonner Zeitung)

 

Rheinuferbahn. Im Einverständnis mit der Militärbehörde hat die Direktion der Rheinuferbahn das Fahrpersonal angewiesen, alle Militärpersonen, die sich nicht durch Urlaubspaß oder bei Verwundeten durch eine vom behandelnden Arzt ausgestellte Bescheinigung ausweisen können, von der Fahrt auszuschließen.

Die Söhne des Kaisers und die Barmherzigen Schwestern. Einem vom 12. September datierten Privatbriefe einer Barmherzigen Schwester, die in Frankreich die Verwundeten pflegt, entstammen nachstehende Stellen, die wir nach der „Köln. Volksztg.“ wiedergeben.

Von Bonn aus fuhren wir zunächst nach Lüttich, blieben dort nur einige Tage, dann ging’s weiter. In N. sahen wir die ersten deutschen Verwundeten auf dem Bahnhof. Pflegen dort durften wir nicht, weil wir weiter mussten. Auf offener Straße war für uns der Tisch gedeckt: es gab Regimentssuppe mit Speck. Fürst S. war so liebenswürdig und zerschnitt mit seinem Taschenmesser die größten Stücke. Weiter ging’s nach N., wo wir die Nacht im Eisenbahnwagen verbrachten. Die Soldaten kochten uns auf dem Bahnhof ein schlichtes Abendessen zwischen den Schienen. Am anderen Morgen sahen wir die ersten 6.000 gefangenen Franzosen. Wir waren zu 30 Schwestern, wurden aber hier in drei Abteilungen geteilt: die erste bestand aus 5 Schwestern, die zweite aus 10. Ich blieb mit 15 Schwestern zusammen. Im Auto ging’s 30 Kilometer weit nach R., wo wir zwei Tage blieben, um in zwei Lazaretten zu pflegen. Dann aber 90 Kilometer nach St. Q., wo wir heute noch sind. Gegen 5 Uhr abends am 30. August langten wir hier an, um die Pflege zu übernehmen. Den Kanonendonner hören wir rings um uns her, viele Verwundete werden uns zugetragen. Prinz Adalbert und Prinz August, unseres Kaisers Söhne, besuchten dieser Tage unser Lazarett. Wir wurden den hohen Herren als die ersten deutschen Schwestern vorgestellt. Sie waren äußerst liebenswürdig gegen uns und besonders auch gegen die armen Verwundeten Sie halfen uns die Kranken betten, Strohkissen machen, Matratzen tragen usw. Neben den Sterbenden knieten sie nieder, schrieben ihnen Karten und halfen, wo sie nur konnten. Gottes reichsten Segen diesen edlen Kaiser-Söhnen sowie dem ganzen Kaiserlichen Hause.

Anzeige im General-Anzeiger vom 3. Oktober 1914Stadttheater. „Prinz von Homburg“. Schauspiel von Heinrich v. Kleist.
Man hat so ziemlich allerorts gebangt, gefragt und auch ein wenig gestritten darum, ob man in einer solchen Zeit die Theater eröffnen solle oder nicht. Es lag ja auch in der Tat recht nahe, den Brettern ihre frühere Weltbedeutung abzusprechen, wo da draußen ein Schauspiel in Szene steht, so ernst und so blutig, wie kaum zuvor. Aber – wie man in diesen Tagen überall „ernste Reden“ hält „in schwerer Zeit“, so soll und muß auch der Wert ernster Spiele in schwerer Zeit recht bemessen werden: die Tat nämlich, sie ist sinnfälliger, darum noch eindringlicher als das Wort und gerade auf der Bühne gilt die Handlung, wird der Gedanke Tat. Handgreifliche Gleichnisse zu dieser Zeit zu geben, das wird die ideelle, ins Volk rückwirkende Aufgabe der Bühnen sein. Damit das aber möglich werde, müssen in dieser auch wirtschaftlich schweren Zeit die Eintrittspreise ganz bedeutend ermäßigt werden. In anderen Städten geschah dies bis beinahe herunter auf die Hälfte, und der Erfolg waren ausverkaufte Häuser. In Bonn hielt man sich an den sogenannten kleinen Preisen von früher, und der Erfolg war dementsprechend, nämlich mäßig.
Dem deutschesten aller Dichter, Heinrich v. Kleist, gab man zuerst das Wort. Als er lebte, als er in sich die Sehnsucht trug, ein germanisches Kunstwerk sondergleichen zu schaffen – und wahrhaftig, er wäre der Mann dazu gewesen –, da hatte er es nicht. (...) So gemischt sind die Gefühle im Menschen – und sicher im deutschen Menschen. Diese Mischung des Zarten und des Harten, der Entrücktheit und der Tatkräftigkeit in ihm macht es, daß er eine Kultur zwiefacher Art schaffen konnte: sowohl ein Deutschland Goethes und ein Deutschland Bismarcks. (...)

Ein schwarzer Lehm op. Unsere Königshusaren haben von jeher etwas für sich apart gehabt. Vor Jahren waren die Mannschaften der Sterntorkaserne im Besitz eines Schwadronsbocks, der eine solche Anhänglichkeit an die Husaren bekundete, daß der Zottelbart die Soldaten beim Ausrücken nach dem „Sand“ am Tannenbusch immer ein Stück Wegs begleitete. Einmal hatte er sogar der Vereidigung der Rekruten in der Münsterkirche beigewohnt, wurde jedoch bald entdeckt und an die frische Luft befördert. Einzelne Schwadronen waren auch zeitweilig im Besitz von Hunden, die auf dem Nachhauseweg sich den Soldaten angeschlossen hatten und hernach nicht mehr aus den Ställen wegzukriegen waren. Kein Wunder, denn die Lehm ops wussten mit Tieren umzugehen, und Not hat noch keines bei ihnen leiden müssen. Die neueste Eroberung der Husaren ist aber „Joseph“, ein waschechter Neger aus Deutsch-Südwest-Afrika, der im Ersatz-Regiment der Kaiser Wilhelmkaserne seiner Militärpflicht genügt. Kurz nach Ausbruch des Krieges kam Joseph, der mit seinem Familiennamen Seworu heißt, aus Hamburg hier an, da es ihm nicht mehr möglich war, in seine Heimat zurückzukehren. Drei Jahre war er in Hamburg als Kaufmann tätig; er spricht fließend deutsch und versteht heute sogar ausgezeichnet Bonner Platt. Joseph, wie er allgemein genannt wird, ist sehr intelligent und auch ein guter Soldat; er hat schon als junger Bursche in seiner Heimat zwei Jahre lang des Königs Rock getragen. Was werden die Franzosen und Engländer Beine machen, wenn demnächst auf dem Schlachtfeld plötzlich ein pechschwarzer Lehm op vor ihnen auftaucht! Vor unsern weißen Reitern haben sie bekanntlich schon einen ganz gewaltigen Respekt.

Der Ruf unserer Soldaten nach „Rauchbaren Gegenständen“ will immer noch nicht verstummen. „Im Schützengraben, 800 Meter vor dem Feind, bei dem Donner der Geschütze“, schreiben sechs Bonner, daß ihnen nicht der Mut, aber der Tabak ausgegangen sei. Sie appellieren an den erprobten Wohltätigkeitssinn der Bonner Bürgerschaft und bitten um „Ersatz“ an das 8. Res.-Korps, (...). – Auch die Bonner Besatzung der Stube 14 (...) in Bitsch in Lothr. teilt uns ganz ergebenst mit, daß sie nichts mehr zu rauchen haben.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

                

Liebesgaben für die Front!
Die am 24. September abgefahrenen 9 Kraftwagen mit Bonner Liebesgaben für die Front unserer kämpfenden Truppen sind wohlbehalten zurückgekehrt. Die Veranstaltung ist glänzend verlaufen. Die Liebesgaben konnten bis in die Reihen der kämpfenden Truppen gebracht werden und allein 5 Kraftwagen sind an unser Bonner 160. Infanterie-Regiment verteilt worden. Die Behörden haben auf Grund der vom Generalkommando und dem Herrn Oberpräsidenten verabfolgten Pässe die Fahrt überall aufs beste unterstützt und welche Freunde die Gaben bei den braven Truppen selbst hervorgerufen haben, das geht aus dem Dank der 160er hervor, der vor einigen Tagen an dieser Stelle veröffentlicht wurde. Nun heißt es aber nicht nachlassen und bereits in nächster Woche soll eine neue Sendung erfolgen, an der voraussichtlich über 15 Kraftwagen teilnehmen werden. Die Leitung dieser Fahrt liegt auch wieder in den bewährten Händen der Herren Hauptmann v. Stuckrad und Dr. Kranz. Obgleich die Liebesgaben andauernd reichlich der Sammelstelle in der Rheinisch-Westfälischen Diskonto-Gesellschaft, Münsterplatz 1-3, zufließen, so ergeht doch noch einmal die Aufforderung an alle Bürger, die Lieferung von Liebesgaben aufs lebhafteste zu unterstützen. Besonders notwendig sind: Tabak aller Art, auch Kautabak, Zigarrentaschen, Geldtaschen, Schokolade, Lebkuchen, Dauerwurst, auch frische Wurst, wollene Strümpfe, Unterjacken, Hosenträger, Taschentücher, Ohrenschützer, Briefpapier, Postkarten, Kerzen, Zahnpulver, Glyzerin, Luntenfeuerzeug, Handlaternen, Streichhölzer, Sicherheitsnadeln und Rotwein. Auch Fliegenfänger sind namentlich für die Lazarette ein außerordentlich begehrter Artikel. Bei dem Herannahen der kälteren Jahreszeit muß vor allen Dingen die Fürsorge für warme Sachen als eine besonders dringliche Aufgabe betrachtet werden. Wir vertrauen fest auf den Opfersinn der Bonner Bürger, daß jedermann aus seinem eigenen Besitz gern zur Erreichung dieses Zweckes beisteuern wird. Für alle, die im sichern Schutze unserer Wehrmacht daheim am warmen Herd geblieben sind, ist es nichts als Pflicht und Schuldigkeit, durch eine, wenn auch noch so kleine Gabe, die Not derer, die da draußen in Wind und Wetter Gesundheit und Leben opfern, um das Vaterland zu verteidigen, lindern zu helfen. Die diesmalige Fahrt soll eingerichtet werden, daß in erster Linie alle in Bonn garnisonierenden Truppen, auch die Reserve-Formationen berücksichtigt werden. Leider muß von der Ueberbringung persönlich adressierter Sendungen zunächst abgesehen werden, da unter den obwaltenden Umständen ihre Aushändigung auf Schwierigkeiten stößt und die Gefahr besteht, daß bei Unauffindbarkeit des Betreffenden die Liebesgaben an die Truppen verteilt werden. Wenn jemand diese Gefahr tragen will, so steht auch jetzt der Uebersendung persönlicher Pakete nichts im Wege; es muß dann jedoch auf dem Paket ausdrücklich vermerkt werden, daß der Inhalt verteilt werden darf.

Bügel-, Näh- und Servierkurse läßt der Interkonfessionelle Hausfrauenbund auf vielseitigen Wunsch wieder in der Fortbildungsschule geben. Den jetzt so zahlreich unbeschäftigten Frauen und Mädchen werden diese Kurse zur Weiterbildung sehr anzuempfehlen sein.

Katholischer Gesellenverein. Der Krieg ist gewiß eine Gottesgeißel für die Völker. Auf der anderen Seite aber weckt der Krieg die besten Kräfte im Volke und wird dadurch geradezu zu einem Erzieher des Volkes. Inwiefern er das ist, wird ein Vortrag dartun, den Herr Subdiakon Landmesser am nächsten Sonntag, den 4. Oktober, abends 9 Uhr, im Gesellenverein halten wird. Dazu sind alle Ehrenmitglieder, Mitglieder und Freunde des Vereins eingeladen. Es können dabei auch wieder eine Reihe Briefe und Karten verlesen werden, die unsere im Felde stehenden Mitglieder uns geschrieben haben.

Tot – zurück! Daß man sich auf Mitteilungen der Feldpost nicht immer verlassen kann, zeigen klar vier Feldpostbriefumschläge, die der Redaktion einer auswärtigen Zeitung vorliegen. Sie sind vom 31. August, 1., 4. und 9. September in Köln abgestempelt und an einen im Felde stehenden Reservisten eines Kölner Regiments gerichtet. Die drei ersten sind der Reihe nach zurückgekommen mit dem Vermerk „tot, zurück“; nur der letzte, zurückgesandte am 22. September, meldete: „Verwundet, Lazarett unbekannt.“ Ein paar Tage später aber traf der Reservist bei seiner Familie in Nippes ein und wurde natürlich mit unendlichem Jubel empfangen. Er war nur leicht verwundet worden, hatte einen Streifschuß erhalten und war zu dessen Heilung in die Heimat geschickt worden. Nach seiner Verwundung hatte er nicht mehr zur Kompagnie zurückgefunden und war erst nach vierzehn Tagen wieder bei dieser erschienen. Er hofft bald wieder zur Front zurückkehren zu können.
Aus diesem Vorfall, der natürlich bei den Beteiligten großes Aufsehen erregte, können die Familien anderer Feldzugsteilnehmer die Lehre ziehen, sich durch solche Nachrichten, selbst bei Wiederholung, nicht in Schrecken versetzen zu lassen, sondern erst die amtliche Bestätigung abzuwarten. Selbst dann noch ist ein Irrtum nicht ausgeschlossen, da in allen Kriegen es vorgekommen ist, daß Totgesagte, auch wenn sie in den amtlichen Verlustlisten gestanden haben, zurückgekehrt sind. Ein Mißstand aber hat sich bei diesen Vermerken herausgestellt: alle tragen keine Unterschrift! Man weiß also nicht, von wem sie stammen: ob von der Feldkompagnie oder der Post oder von wem. Diese Sache bedürfte schleuniger Ordnung. Die Angehörigen können verlangen, daß solche schwerwiegenden Nachrichten auch äußerlich durch die Autorität der zuständigen Behörde getragen und als solche erkennbar sind. Dann wird es weniger häufig vorkommen, als es auch anderen Berichten zufolge jetzt geschieht, daß durch falsche Nachrichten Familien eine Zeitlang in große Unruhe, ja sogar Trauer gestürzt werden.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)