Sonntag, 16. August 1914

Am Samstag hatte die russische Armee mit dem Einmarsch nach Ostpreußen begonnen.

  

75 Soldaten, die auf dem Marsch zum Kriegsschauplatz leicht erkrankt und marschunfähig geworden sind, kamen am Freitag hier an und wurden in die Beethovenhalle gebracht. Die Meldung, daß Verwundete und Schwerverletzte eingeliefert worden sind, ist falsch.

Beschränkte Wiederaufnahme des Güterverkehrs. Die Norddeutsche Allgemeine Zeitung meldet: Die Beförderung von Vieh, Benzin und Benzol und landwirtschaftlichen Maschinen ist vom 14. August an auf den Eisenbahnlinien rechts des Rheins zugelassen, soweit Lokomotiven und Wagen zur Verfügung stehen und die Durchführung der militärischen Transporte nicht gestört wird. (...)

Mahnung an die Frauen und Jungfrauen. (...) Überall sieht man noch Pariser Kleiderauswüchse als z.B. Schlitzröcke, Florstrümpfe, gewagten Ausschnitt usw. Man braucht kein Nuditätenschnüffler zu sein, um an diesem Treiben Ärgernis zu nehmen. Es wäre vielleicht am Platze, bei dieser Gelegenheit die Verfügung des Andreas Hofer wieder aufleben zu lassen, der „dem Weibervolk befahl, in ernster Kriegszeit ihr Brust-, Arm und Beinfleisch ausreichend zu bedecken.“

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")

Verseuchung des Rheinwassers. Angesichts der möglichen Verseuchung des Rheinwassers während des Krieges wird vor dem Genusse von Rheinwasser wie vor seiner Vewendung zu häuslichen Zwecken auf das dringendste gewarnt.

Ertrunken im Rhein ist am Donnerstag dieser Woche der neunjährige Sohn eines Bonner Schneidermeisters. Er, des Schwimmens nicht kundig, hatte in der Nähe der Gronau gebadet und war plötzlich in einer Tiefe verschwunden. Die Rettungsversuche waren vergeblich.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Das Rote Kreuz. Das Bild des Lebens und Treibens in unserm schönen Bonn ist jetzt ein so ganz anderes geworden, als es in friedlichen Zeiten zu sein pflegt. Im Augenblick wird es beherrscht von den zahlreichen Truppen, die die weiße Binde mit dem roten Kreuz am Arme tragen, die also damit als Angehörige der militärischen Krankenpflege gekennzeichnet und durch internationale Abmachung als neutrale Persönlichkeiten anerkannt werden. Das rote Kreuz im weißen Felde ist eben denen vorbehalten, die in irgend einer Weise in der Krankenpflege, z.B. als Schwester, als Pfleger, als Arzt und Apotheker, Beschäftigung und Beruf finden. Es ist demgemäß auch schon in Friedenszeiten untersagt, daß Apotheken, Drogerien usw. sich des roten Kreuzes zu Reklamezwecken bedienen. Ebenso ist die Führung der Rote Kreuz-Binde jedem untersagt, der dazu nicht die behördliche Berechtigung erworben hat und dessen Binde nicht den Stempel der betr. Behörde trägt.

In Würdigung dessen und in Anbetracht der großen Bedeutung der Militärkrankenpflege gerade in diesen ernsten Zeiten sollte deshalb streng darauf geachtet werden, daß das genannte Abzeichen auch tatsächlich nur von solchen Persönlichkeiten getragen würde, die dazu beruflich und behördlich berechtigt sind.

Es ist hier in Bonn vielfach unliebsam aufgefallen, daß die durch internationale Abmachung geschützte und lediglich der Krankenpflege vorbehaltene Binde z.Z. fast auschließlich von Persönlichkeiten getragen wird (soweit es sich um Nichtsoldaten handelt), die mit der Krankenpflege nicht die geringste Verbindung haben, während man sie z.B. bei den Aerzten, da für sie die gegebene Gelegenheit glücklicherweise noch fehlte, bisher einstweilen noch kaum sieht. Welche Berechtigung hat es z.B., daß die Personen tagaus tagein die Rote Kreuz-Binde tragen, die mit der Verteilung der Liebesgaben oder einem ähnlichen Arbeitsgebiete zu tun haben. Jedes andere Abzeichen würde, wenn ein solches überhaupt nötig, seinen Zweck erfüllen. Es bedarf wohl nur dieses Hinweises, damit die Behörden diesem Uebelstande abhelfen.

 

Notschrei der Kellnerfrauen. An alle wird gedacht, nur nicht an die Kellner-Frauen, deren Ernährer ebenso gut im Felde ist, wie die anderen. Zum Sparen bleibt einer Kellner-Familie auch in Friedenszeiten nicht viel übrig, da die Kellner doch nur auf Trinkgeld angewiesen sind. Was sollen die Kellner-Frauen, wo sie allein stehen ohne Verdienst, jetzt in der Kriegszeit anfangen? Das Gesetz schützt die Beamten usw. und es gibt großmütige Firmen, die für ihre Leute sorgen – wer hilft uns! Eine für Alle.

 

Kleinanzeigen in der Deutschen Reichszeitung vom 16. August 1914Nochmals Zimmervermieterinnen. Ich möchte die Zimmervermieterin, die gestern an dieser Stelle das Wort hatte, um das Rezept bitten, wie sie es fertig bringen will, die einquartierten Soldaten bei diesen teuren Zeiten gut zu ernähren und dabei bei den 2 Mark noch etwas zu erübrigen. Ich habe 7 Tage Einquartierung gehabt. Wenn man die Leute von morgens bis abends ordentlich ernährt, so wie es sich gehört, so legt man Geld zu, was ja auch ein jeder, der in der Lage dazu ist, gern fürs Vaterland tut. Nun aber meine ich, wenn Herrschaften aus Bequemlichkeit und damit ihre Ruhe nicht gestört wird, die Leute ausquartieren, so ist 3 Mk. für den Tag und für den Mann gewiß nicht zu viel. Es ist genug geklagt worden, daß die Soldaten bei dieser Hitze meistenteils nur Hülsenfrüchte und Speck vorgesetzt bekommen, evtl. noch einen Hering mit Kartoffeln als Mittagessen. Das ist natürlich sehr billig. Man soll, wo jetzt so viel frisches Gemüse ist, den Kriegern Gemüse und kräftige Sachen geben, Hülsenfrüchte allein tuns nicht. Auch ein gutes Bett und reichlich Waschgelegenheit soll man ihnen geben. Wenn man das alles befolgt, wird man sicherlich von den 2 Mark nichts erübrigen können. Ueberhaupt ist es nicht angebracht, bei den Soldaten Geschäfte machen zu wollen. Vielleicht wäre es auch gut, wenn man die armen Leute nicht so viel mit Einquartierung belasten würde. In diesen Fällen müssen die Soldaten darunter leiden. Eine Hausfrau, die gern alles für die Krieger gibt.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

 

Dringende Bitte!
Unsere Redaktion hat infolge der Einberufung einiger Herren zum Dienst im Heere nicht mehr die volle Besetzung. Wir bitten darum dringend, Zuschriften nicht an die Adresse einzelner Redaktionsmitglieder, sondern nur „An die Redaktion der Deutschen Reichszeitung“ zu richten. Die Mitteilungen gelangen sonst sehr verspätet, vielleicht überhaupt nicht, zur Veröffentlichung.

In Erwartung. Nach den aufgeregten Tagen der beiden letzten Wochen wird es allmählich ruhiger auf den Straßen und Plätzen unserer Stadt. Die Müßiggänger und Schaulustigen, die die Bahndämme und den Bahnhof belagert hielten, sind größtenteils verschwunden. Soweit es möglich war, hat man die Arbeit wieder aufgenommen. Andere bemühen sich Arbeit zu bekommen. Ein Ausgleich von Zuviel und Zuwenig muß sich jetzt auf dem Arbeitsmarkt vollziehen. Zwar hat das Letztere noch die Oberhand, doch dürfte nach den ersteren größeren Siegesnachrichten schnell eine Aenderung zu Gunsten der Arbeitssuchenden vor sich gehen. Am wenigsten wurden die Lebensmittelhandlungen vor dem Arbeitsmangel bewahrt. Dagegen haben viele Geschäfte und Fabriken notgedrungen ihren Betrieb sehr eingeschränkt, zum Teil sogar ganz geschlossen. Wenn eben möglich werden die Angestellten aber behalten, um sie so zu belohnen für die treuen Dienste in guten Zeiten.
Was werden uns die nächsten Tage bringen? Streng waltet die Zensur ihres Amtes und gibt uns nur die Nachrichten weiter, die in keiner Weise Schaden stiften können. Wenig Positives über den Kriegsschauplatz ist vorläufig noch darunter, doch jeder Einsichtige wird leicht verstehen, daß die Pläne der Heeresleitung nicht jedermann preisgegeben werden können. Der Ruhe, die jetzt herrscht, wird ein Sturm folgen, der alles niederwirft, was sich ihm in den Weg stellt. Wir vertrauen unserem Heer und seinen Führern. Ruhig wollen wir auf die Entscheidung warten, die vielleicht schon bald kommen wird.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)