Donnerstag, 11. Juli 1918

  

Zum Brotverkauf. Den Schwer- und Schwerstarbeitern ist es, wie bekannt, wieder gestattet, gegen die Zulagebrotkarten an Samstagen und Sonntagen Brot einzukaufen für die folgende Woche. Der andern Bevölkerung ist dies nicht gestattet. Diese muß sich mit dem Brot so einrichten, daß sie damit auskommt, bis sie Montags Brot einkaufen kann, auch dann, wenn sie Montags früh zur Arbeit muß. Die Schwerarbeiter erhalten die Zulage doch dafür, daß sie bei der schweren Arbeit für eine Woche ausreichen können, ebenso wie gewöhnliche Arbeiter ohne Zulage. Es ist demnach eine, wenn auch unbeabsichtigte Bevorzugung den übrigen Arbeitern gegenüber, daß die Schwer- und Schwerstarbeiter gegen die Zusatzkarten bereits Samstag oder Sonntag Brot für die folgende Woche einkaufen können. Eine Kontrolle bei gewöhnlichen Arbeitern wäre auch wohl leicht geschaffen, eventl. durch entsprechenden Vermerk auf dem Umschlage der Lebensmittelkarten, welcher nur auf Antrag der Arbeiter anzubringen wäre. Ein Freund aller Arbeiter.

Die Schulkinder und die Brotverteilung. Daß die Schwer- und Schwerstarbeiter sich gemeldet haben, um Montags früh nicht ohne Brot zur Arbeit gehen zu müssen, habe ich sehr richtig gefunden. Aber man vergißt, daß wir Mütter, die wir oft eine große Zahl von Kindern versorgen müssen, durch das Brotverbot sehr in die Klemme gekommen sind. Es wird wohl vielen Müttern so ergangen sein wie mir. Ich mußte schon Donnerstags bei meinem Bäcker betteln, daß er mir Brot aus meinem Anrecht an der kommenden Woche gab. Nun kommt plötzlich die Anordnung, daß vor Montags kein Brot ausgegeben werden darf. Da mein Bäcker nunmehr recht hartherzig geworden ist, weiß ich nicht, wie ich den Vorsprung einholen soll. Außerdem gehen verschiedene meiner Kinder Montags früh vor dem Unterricht schon zur Andacht. Was soll ich ihnen da als Frühstück mitgeben? Vielleicht entschließt sich Herr Beigeordneter Piehl, die Bestimmung allgemein so zu fassen, daß man bereits Sonntags das Brot entnehmen darf. Es hätte dies den Vorteil, daß die Ausnahmebestimmung für Schwer- und Schwerstarbeiter wegfiele und auch alle andern Interessenten einer rechtzeitigen Ueberweisung des Brotes vor Montag früh befriedigt würden. Der Zweck der ergangenen Verfügung würde dann in etwa immer noch erreicht. Eine Mutter.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

   

Ohne Strümpfe. Die Reichsbekleidungsstelle richtet eine Ermahnung an die Bevölkerung, die nicht die erste ihrer Art ist, nämlich ohne Strümpfe zu gehen. Sie schreibt: In verschiedenen Städten hat man in letzter Zeit die erfreuliche Beobachtung machen können, daß Leute beiderlei Geschlechts sich keineswegs scheuen Holzsandalen ohne Strümpfe zu tragen. Zur Streckung unserer Vorräte an Textilwaren wäre es dringend zu wünschen, daß dieser Brauch sich immer mehr und mehr einbürgern würde … Leider gibt es immer noch viele, die davor zurückschrecken, sich mit bloßen Füßen auf der Straße sehen zu lassen, aus Furcht, sich lächerlich zu machen. Es ist nur notwendig, daß einzelne, wie es ja schon hier und da geschehen ist, mit gutem Beispiel vorangehen, und der Bann ist gebrochen. Namentlich die Schuljugend und die Studentenschaft beiderlei Geschlechts kann hier vorbildlich wirken. Daß die Aufgaben der Reichsbekleidungsstelle durch Abschaffung dieser und anderer Bekleidungsstücke sehr erleichtert würden, muß zugegeben werden, aber vielleicht sollte sie sich dann lieber Reichsentkleidungsstelle nennen, schreibt hierzu der „Tag“.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)