Freitag, 30. August 1918

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 30. August 1918Brieftauben. Ein hiesiger Brieftaubenzüchter schreibt uns: Ich bin zurzeit beurlaubt und mußte leider die Wahrnehmung machen, daß von meinen Brieftauben, die der Heeresverwaltung zur Verfügung gestellt sind und von denen fortwährend Nachzucht für das Feld geliefert wird, sehr viele im hiesigen Bezirk abgeschossen worden sind. Auch gestern sind wieder zwei wertvolle Tauben, die draußen ihr Futter suchten, nicht zurückgekehrt, also abgeschossen worden. Die Bauern haben die Meinung, die Tauben fräßen die Saat. Dies ist durchaus unrichtig. Die Tauben fressen nur da, was auf dem Felde liegt, also für den Bauern ohne weiteres verloren ist. Aber auch im entgegengesetzte Fall hat der Bauer keine Berechtigung, die Tauben abzuschießen. Er darf sie im höchsten Fall verscheuchen. Wiederholt ist durch das Kriegsministerium und das Gouvernement Köln darauf hingewiesen worden. Außerdem liegt in dem Abschießen von Militärbrieftauben Landesverrat.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

    

Heizversorgung. Von kommenden Montag ab werden an diejenigen Haushaltungen, die eine eigene selbständige Küche führen, die Winterkohlenkarten ausgegeben. Näheres ist aus der Bekanntmachung in der heutigen Nummer ersichtlich.

Anmeldung von Schaumwein-Beständen. Auf Seite 368 ff. des Zentralblattes für das Deutsche Reich sind neue Schaumweinsteuer-Ausführungsbestimmungen und eine Schaumwein-Nachsteuerordnung veröffentlicht. Jeder – auch der geringste – Bestand an Schaumwein, der sich am 1. September außerhalb der Erzeugungsstätte oder einer Zollniederlage, also bei Wirten, Händlern, Vereinen usw. und bei Privaten befindet, ist spätestens am 7. September 1918 der Zollbehörde anzumelden. Nähere Auskunft erteilen die Bezirksämter.

Zwei junge Zigeunerweiber trieben sich in der letzten Woche in den Ortschaften des Landkreises bettelnd, wahrsagend und stehlend umher. Am Mittwoch kamen beide in ein Haus, in welchem nur die Bäuerin anwesend war. Die ältere Zigeunerin ergriff die Frau bei der Hand, um ihr daraus eine glückliche Zukunft zu prophezeien und hielt dieselbe so lange fest, bis die andere mit einem gefüllten Schoße aus dem Garten kam. Sie hatte an zwei Spalierbäumen die halbreifen Frühbirnen abgeerntet. Im Augenblick darauf waren die beiden Diebinnen verschwunden.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Die neue Schreibweise. Von verschiedenen Seiten war vor kurzem mitgeteilt worden, daß der Schreibunterricht in Preußen künftig auf der Grundlage eines neuen Leitfadens des Kunstmalers Ludwig Sütterlin erteilt werden solle. Halbamtlich wird hierzu geschrieben: „Richtig ist, daß seit längerer Zeit in einer Reihe von Schulen Versuche mit einer neuen Schreibweise eingeleitet worden sind. Diese Schreibweise ist aus der Zusammenarbeit Sütterlins mit anderen Fachleuten hervorgegangen und durch einen Ausschuß von Sachverständigen eingehend geprüft und gebilligt worden. Die Versuche müssen aber noch einige Jahre fortgesetzt werden, bevor über die Frage einer allgemeinen Einführung der neuen „Ausgangsschrift“ entschieden werden kann.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)