Samstag, 29. Juni 1918

Wegen des Feiertages Peter und Paul erscheint der General-Anzeiger an diesem Tag nicht.

     

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 29. Juni 1918Eine eigenartige Krankheit. Wie wir von sachverständiger Seite erfahren, ist in letzter Zeit in Bonn ein gehäuftes Auftreten einer eigenartigen, grippeartigen Erkrankung zu beobachten gewesen. Die Krankheit beginnt meist plötzlich mit Fieber, schwerem Krankheitsgefühl, stärkeren Kopfschmerzen und katarrhalischen Erscheinungen. Ernste Krankheitserscheinungen oder gar Todesfälle sind bisher nicht gesehen worden; die Krankheit scheint vielmehr trotz des manchmal schwer gestörten Allgemeinbefindens einen ziemlich harmlosen Charakter zu haben, wenn sie auch eine bis zwei Wochen andauern kann. Anscheinend sind auch andererorts in Deutschland ähnliche gehäufte Krankheitsfälle beobachtet worden. Ob es sich um dieselbe Erkrankung handelt, die vor kurzem in Spanien massenhaft aufgetreten ist, kann man noch nicht sagen. Influenzabazillen sind bisher nicht nachgewiesen worden.

Für einen verstärkten Feldschutz gegen Diebstahl sind wieder Militärstreifwachen kommandiert worden. Das Betreten bestellter oder noch nicht abgeernteter Felder in der Zeit von 9 Uhr abends bis 5 Uhr morgens ist verboten. Wir verweisen auf die Bekanntmachung des Oberbürgermeisters im Anzeigenteil dieser Zeitung.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

    

Kirschenpreise. 16 Angeklagte aus Friesdorf, die durch den Rechtsanwalt Dr. Meyer verteidigt wurden, hatten sich am Donnerstag wegen Ueberschreitung von Höchstpreisen bezw. übermäßiger Preissteigerung vor dem Schöffengericht zu verantworten, weil sie im Juni vor. Jahres für das Pfund sogen. Herzkirschen 80 Pfg. bis 1 Mark genommen hatten. Gegen die Angeklagten waren durch amtsrichterlichen Strafbefehl neben 150 Mark Geldstrafe mehrwöchige Gefängnisstrafen festgesetzt worden. Zu der Sache waren schon in verschiedenen früheren Terminen mehrere zum Teil sich widersprechende Sachverständige zu Wort gekommen. Die jetzige Verhandlung ergab, daß die harten Herzkirschen schon in Friedenszeiten in Bonn ausnehmend hoch im Preise standen und daß auch der Preis von 1 Mark im Juni vorigen Jahres nicht eine derartige Ueberschreitung eines gerechten Kriegspreises darstelle, wie das Gericht beim Erlaß der Strafbefehle angenommen hatte. Die Strafen wurden deshalb erheblich gemildert. Die Freiheitsstrafen kamen ganz in Wegfall, die Geldstrafen wurden auf 30 Mark bemessen. In mehreren Fällen erfolgte Freisprechung, nachdem durch Zeugenvernehmung festgestellt war, daß wegen derselben Tat bereits eine Verurteilung stattgefunden hatte. Vorstehende Entscheidung hat natürlich nichts mit der Frage zu tun, zu welchem Preise in diesem Sommer die Kirschen verkauft werden dürfen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Aus der Rheinprovinz. Bonn“)

   

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 29. Juni 1918Unsere Stadtverordneten haben sich gestern in halbstündiger Sitzung neben einigen Nebensächlichkeiten mit der Bonner Marktfrage, die schon seit einiger Zeit in der Tagespresse eifrig erörtert wird, beschäftigt. […]
   Stadtverordneter Schmitz bringt die Klagen der Bevölkerung über die hiesigen Marktverhältnisse zur Sprache. Die Erzeugnisse, die von der Landbevölkerung nach Bonn gebracht würde, würde zum großen Teil von Händlern ausgekauft und ausgeführt. Beigeordneter Baurat Piehl gab zu, daß die hiesigen Marktverhältnisse nicht den Interessen der Bevölkerung entsprechen. Der Verwaltung aber fehlten die Mittel, den Auswüchsen wirksam entgegentreten zu können. Der Markt ist dank unserer Zwangsbewirtschaftung mit Wirsing, Butterkohl, Rübstiel reichlich versehen. Es fehlt aber an Erbsen und Bohnen. Der um diese Zeit stets große Mangel an diesen Gemüsesorten wird noch dadurch gesteigert, daß jetzt viel mal mehr eingemacht und eingeweckt wird. Die Gemüse werden unmittelbar vom Erzeuger zu ungeheuren Preisen bezogen. Dagegen ist die Verwaltung machtlos. Die neue Verordnung gegen Preistreibereien, die den Verbraucher, der die Höchstpreise überschreitet, straffrei läßt, hat eine unbeschreibliche Mißwirtschaft herbeigeführt. Auf dem Markt werden keine Gemüse für Kunden und Großverkäufer zurückgehalten (wie auch uns vielfach unter Ausrufen berechtigter Empörung mitgeteilt worden ist. Schriftl.); die Verwaltung hat in solchen Fällen das Gemüse noch immer für den städtischen Verkauf angekauft und von hier an die Bevölkerung abgegeben. Das Aufkaufen der Waren durch Händler kann nicht untersagt werden, wenn die Waren in Bonn abgesetzt werden; zur Ausfuhr wird keine Erlaubnisschein erteilt. Erbsen und Bohnen werden nur bei Nacht und Nebel auf Schleichwegen ausgeführt, was nicht verhindert werden kann.
   Die von der Preisprüfungsstelle angestellten zwölf Hausfrauen haben bisher noch kein einziges mal über Mißstände auf dem Markt berichtet. Wenn die Polizei nicht eingreift, geschieht nichts, die Tätigkeit Privater hat bisher nichts erreicht. Die vielfach aufgestellten Behauptungen sind meist wertlos, weil genaue Angaben fehlen. Unser „Lebensmitteldiktator“ schloß seine Ausführungen mit der erfreulichen Versicherung, der Mangel an hochwertigen Gemüsen werden in den nächsten Wochen behoben sein. Es seien sehr viele Bohnen angebaut worden, auch von der Stadt, und es sei zu hoffen, daß jede Hausverwaltung in bescheidenem Maße ihren Bedarf für den Winter eindecken werde. Stadtverordneter Kalt konnte diese Ausführungen nur bestätigen. Es werden mehr Erbsen und Bohnen verlangt, als auf den Markt gebracht werden konnten. Er regte an, die Händler fern zu halten, damit die Bevölkerung sich vorher versorge. (Was wohl nur ein Schlag ins Wasser sein würde. Schriftl.) von den zwölf Damen hat er auch noch nichts gehört. (Jetzt dürfte es aber Zeit sein, daß sich diese Damen auch zu Wort meldeten! Schriftl.) Die Verwaltung sorge stets so viel wie möglich für große Zufuhren, mehr sei unmöglich. Mit diesen Ausführungen und Feststellungen schloß die Sitzung, die in der Bürgerschaft wahrscheinlich wenig befriedigt haben wird.

(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)