Montag, 21. Mai 1917

       

Die Bekleidung der Toten. Die Reichsbekleidungsstelle schreibt in ihren Mitteilungen: Es ist eine alte Ueberlieferung, die bis zu den Uranfängen der Menschheit zurückgeführt werden kann, daß bei Leichenbegräbnissen dem Toten als letzte Ehre seine besten Gewänder und Kleidungsstücke ins Grab mitgegeben werden. Durch den auch bei uns üblichen Brauch, die Toten in ihren wertvollsten Gewändern zu bestatten, wird ein großer Teil von gutem Material an Stoffen, das gerade jetzt während des Krieges unersetzlich ist, der Verwendung für die Gesamtheit entzogen. Namentlich ist dieses bei Herrenstoffen der Fall. Bei der dringenden Notwendigkeit, unsere Vorräte an Web-, Wirk- und Strickwaren mit allen Mitteln zu strecken, erscheint es im Interesse des Volksganzen, demgegenüber alle Wünsche der Einzelnen zurücktreten müssen, als unerlässlich, auch mit dieser alten Sitte zu brechen. Es wird zu erwägen sein, die Toten mit einem Totenhemd aus Papierstoff zu bekleiden und mit einer Decke aus gleichem Stoff z bedecken. Ebenso könnte der Kissenbezug aus Papierstoff bestehen. Die Bekleidung der Toten mit Schuhen und Strümpfen erscheint in Anbetracht der Verhältnisse überhaupt nicht angebracht. Es soll nicht verkannt werden, daß es viele schmerzlich berühren wird, sich mit dieser Forderung abzufinden, stichhaltige Bedenken aber können kaum erhoben werden. Es verstößt nicht gegen das Pietätsgefühl, wenn wir unsere Toten in besondere Totengewänder kleiden, die auch in der Ausführung in Papierstoff, dank einer regsamen und schon hoch entwickelten Industrie, durchaus würdig erscheinen. Heute handelt es sich um höhere Pflichten, die man eben eingedenk des Gebotes der Stunde willig auf sich nehmen muß. Ein jeder, der in dieser Zeit ein persönliches Opfer bringt, sei dies nun äußerer oder innerer Natur, trägt dazu bei, unsere wirtschaftlichen Kräfte zu stärken. Wir alle sind heute Kämpfer, ob vor oder hinter der Front, und dies Gefühl muß uns helfen, die Lasten der Zeit mit Freudigkeit zu tragen.

Sprachverein. Der lang beabsichtigte Plan, in unserem Nachbarort Godesberg eine Vortrags- und Werbeveranstaltung des Deutschen Sprachvereins abzuhalten, soll am morgigen Dienstag, abends 8 Uhr, im Rheinischen Hof in Godesberg ausgeführt werden. Die vaterländische Arbeit des Sprachvereins und sein Bestreben, unsere Muttersprache rein zu halten und von fremden Eindringlingen zu befreien sowie eine richtige Sprachweise und gesunde Entwicklung der Sprache zu pflegen, sind allgemein bekannt und anerkannt. Besonders in dem gewaltigen Weltkriege, der das vaterländische Gefühl und die Vaterlandsliebe wieder neu geweckt und gestärkt hat, glaubt der Verein die Pflicht zu haben, in diesem Sinne in immer weiteren Kreisen zu wirken. Er hofft daher auch in Godesberg mit seinen Bestrebungen freundliche Aufnahme und kräftige Teilnahme zu finden. Herr Dr. Günther wird in einem Vortrage über Ohr und Sprache vor die Besucher treten, während das Schlusswort der stellvertretende Vorsitzende des Bonner Vereins, Pfarrer Dr. Richter, sprechen wird. Vereinsblätter und Werbeschriften werden umsonst dargereicht werden.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

    

Adventsgemüse. Vom Vorgebirge schreibt man uns: Ein großer Teil des hier viel angebauten Adventsgemüses geht in diesem Jahr frühzeitig in Samen über. Es ist dies eine auffallende Erscheinung, die wohl mit der Güte des Saatgutes zusammenhängt. Jedoch dürfte auch die starke Kälte und die plötzliche Einsetzung der Hochsommerhitze nicht ohne Einfluß darauf gewesen sein. Wirsing und Rotkohl zeigen dieses „Durchgehen“ nicht so viel, während Spitz- und Weißkohl zum großen Teile spitzt. Die Blätter solcher Pflanzen können jedoch verwertet werden und liefern ein gehaltreiches Grüngemüse.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

    

Pfingstkleider. Erfahrungsgemäß entwickelt sich vor den Festtagen bei dem Bekleidungsamt ein außerordentlich starker Andrang. Eine rasche Abfertigung an diesen Tagen kann das Bekleidungsamt nicht gewährleisten, zumal die Prüfung der Bedarfsfrage in jedem einzelnen Fall viel Zeit beansprucht. Wer daher langes Warten vermeiden und seine Wünsche in aller Ruhe vortragen will, schiebe seine Anträge nicht bis auf die letzten Tage auf, sondern erledige sie zu Anfang der Woche.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)