Mittwoch, 2. Mai 1917

       

Aus dem städtischen Lebensmittelamt
Beim städtischen Lebensmittelamt laufen vielfach Beschwerden darüber ein, daß auch die Wochenmenge der
Krankenbrotes
von vier auf drei Pfund eingeschränkt worden ist. Die Beschwerdeführer mögen berücksichtigen, daß diese Einschränkung von der zuständigen Reichsstelle angeordnet worden ist und daß, wenn auch die Brotmenge für die Kranken herabgesetzt worden wäre, viele Leute sich wahrscheinlich Krankenbrot verschaffen würden, um dadurch eine erhöhte Brotmenge zu erhalten.
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Die Beschwerden mehren sich, daß die
Metzger mehr Fleischmarken abschneiden, als ihre Kunden Fleisch erhalten. Es sei noch einmal auf das Strafbare dieser Uebung hingewiesen. Metzgergeschäfte, bei denen dieses Verfahren einwandfrei nachgewiesen wird, werden sofort geschlossen werden.
Das wärmere Wetter läßt erhoffen, daß der Bonner Markt bald reichlicher mit
Gemüse
versorgt wird. Der Endenicher Gemüsebauverein hat sich bereit erklärt, in erster Linie die Stadt Bonn mit Gemüse zu versorgen. Für die Gemüseversorgung im nächsten Winter und Frühjahr hat die Stadt Bonn schon jetzt große Flächen, bisher 60 Hektar, durch Gemüseanbauverträge gesichert; sie beabsichtigt, sich noch weitere Gemüsefelder, insgesamt 120 bis 150 Hektar, vertraglich zu sichern.
Die Teilnehmerzahl der
Kriegsküchen
ist diese recht deutlich, von 6500 auf 8000, gestiegen. Das ist der höchste Stand, den die Kriegsküchen bislang erreicht haben. Außerdem werden in der Suppenküche in der Engeltaler Straße noch etwa 800 Personen gespeist.
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Knochensammlung
Die gestern veröffentlichte Verordnung des Oberbürgermeisters verpflichtet Haushaltungen, Privatmittagstische, Gast-, Schank- und Speisewirtschaften, Verein- und Erfrischungsräume, Fremdenheime, Volksküchen, Kantinen, Fabrikküchen, Krankenhäuser, Pflegeanstalten, Waisenhäuser und ähnliche Anstalten, die anfallenden Knochen an die Metzger zurückzugegeben, von denen sie entnommen sind. Anstalten und sonstige Betriebe, bei denen Knochen in größeren Mengen anfallen, können beim Lebensmittelamt beantragen, daß die Knochen unmittelbar bei ihnen abgeholt werden. Sie können die Knochen aber auch unmittelbar beim städtischen Schlachthof abgeben. Die abzuliefernden Knochen werden zur Fettgewinnung verwendet. Selbst aus Knochen, die im Haushalt usw. bereits mehrfach ausgekocht und infolgedessen für diesen wertlos geworden sind, läßt sich auf technischem Wege Fett gewinnen. Die entfetteten Knochen finden als Futter und Düngemittel Verwendung. Die herrschende Knappheit an Fetten, Futter- und Düngemitteln zwingt dazu, alle vorhandenen Knochen zur Verarbeitung zu erfassen. Es ist deshalb vaterländische Pflicht eines jeden, Knochen zu sammeln und abzugeben.
    Um alle für die Kriegswirtschaft und die Lebensmittelversorgung notwendigen Güterbewegungen sofort auszuführen, ist der Oberbürgermeister durch eine Verordnung des Gouverneurs ermächtigt worden, sämtlich Zugtiere und Fahrzeuge nebst Führer oder Begleitmannschaft im Stadtkreise Bonn gegen Entgelt in Anspruch zu nehmen. Um diese Maßnahme einheitlich zu regeln, wird unter der Leitung des Baumeisters Bauer ein
städtisches Fuhramt
gebildet worden. Dem neuen Fuhramt gehören an der städtische Fuhramt-Oberaufseher Gerecke, Rentner Lüps, Kohlenhändler Friedrich Schmitz, Wilhelm Tenten, der Spediteur Anton Berg und Fuhrhalter A. Blankenheim.
Das Verteilen der
Saatkartoffeln
ist in der Hauptsache beendet. Mit den in diesen Tagen noch eintreffenden Frühkartoffelsendungen können alle Anmeldungen berücksichtigt werden. Die Kartoffelanbauer des Stadtbezirks Bonn haben von der gebotenen Gelegenheit, die eigenen Saatkartoffeln im städtischen Kartoffellager gegen pommersches und sächsisches Saatgut umzutauschen, nu in sehr wenigen Fällen Gebrauch gemacht. Das ist sehr zu bedauern, weil der Saatgutwechsel den Ertrag außerordentlich fördern würde,

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

     

Ein deutsches Flugzeug landete gestern nachmittag infolge eines Motordefektes auf der Poppelsdorfer Allee.

Selbstmorde. Vorgestern wurde eine auf der Heisterbacherhofstraße wohnende 45 Jahre alte Witwe in ihrer Wohnung erhängt gefunden. Die Gründe sollen in Schwermütigkeit zu suchen sein. – Gestern verübte eine im südlichen Stadtteil wohnende 75jährige Dame ebenfalls Selbstmord durch Erhängen. Aus hinterlassenen Schriftstücken gehr hervor, daß Schlaflosigkeit die Ursache zur Tat war.

Der Bonner Wochenmarkt war gestern ziemlich gut beschickt. An Gemüse war außer Spinat auch etwas Schneidgemüse vorhanden. Auch Schwarzwurzeln, Feldsalat, Hopfensalat, Kressesalat, Kettensalat, Pflücksalat, Radieschen usw. waren reichlich zu haben. Rhabarber kommt dagegen zurzeit nur spärlich auf den Markt. An holländischen Marktprodukten ist gegenwärtig ziemlich große Auswahl. So waren gestern zum Beispiel rote Rettiche zu 25 Pfg., weiß-rote Radieschen zu 15 Pfg., frische Möhren zu 1 und 1,10 Mark das Gebund, Spinat zu 60 Pfg. das Pfund, Gurken, Kopfsalat und Meerrettich zu haben. Die Preise für diejenigen Waren, für die keine Höchstpreise festgesetzt sind, bleiben im allgemeinen unverändert. Der Verkauf war durchweg flott, besonders in Gemüse und Salat.
  
Auch der Großmarkt auf dem Stiftsplatz hatte gestern wieder ziemlich große Zufuhren. Außer einigen Körben mit Schneidgemüse und einem Korn mit Rhabarber war an Grüngemüse vorwiegend Spinat vorhanden. Gemüsepflanzen waren auch wieder reichlich zu haben. Die vielen auswärtigen und hiesigen Händler kauften die Waren hauptsächlich so wie sie kamen, sofort auf, wodurch der Markt schon sehr früh wieder geräumt war.
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(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

      

Kindchen, beß stell!“ Kommt da eines Tages eine junge Frau mit einem in ein Tuch eingeschlagenes Paket auf dem Arm in den von Kunden gefüllten Fleischerladen. Zärtlich und beseligend drückt sie das Paketchen und mütterlich beschwichtigend klopfend wiederholte sie: „Kindchen, beß stell!“ Die Umstehenden waren dadurch „paff“ geworden. Später klärte sich die Geschichte auf. Die unbekannte „gute“ Mutter hatte in einem unbewachten Augenblicke ein großes Stück Fleisch in das Paket verschwinden lassen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)