Samstag, 13. Januar 1917

      

Anzeige im General-Anzeiger vom 13. Januar 1917Stadtverordneten-Sitzung. Bonn, 12. Januar 1917.
Oberbürgermeister Spiritus eröffnet die Sitzung um 5.10 Uhr. [...]  
Vaterländischer Hilfsdienst für Frauen. Die Verhandlungen mit der Leitung der Siegburger Werke haben dazu geführt, daß in einem Saale an der Burbacherstraße in Kessenich in kurzer Zeit eine Prüfungswerkstätte eingerichtet werden soll. Der Stadt Bonn entstehen dadurch keine Ausgaben. Die Stadt soll jedoch bei der Abgabe von Gas, Elektrizität und Wasser dem Feuerwerkslaboratorium weitgehend entgegenkommen und auch sonst die Einrichtung fördern.
   Beigeordneter Piehl: In der geplanten Werkstätte sollen 200 Mädchen und Frauen beschäftigt werden. Eine zweite Werkstätte für weitere 200 Frauen und Mädchen wird voraussichtlich bald eingerichtet werden. Die erste Anregung, den Bonner Frauen und Mädchen in Bonn selbst Gelegenheit für den vaterländischen Hilfsdienst zu geben, sei von den vereinigten Bonner Frauenvereinen ausgegangen. Auch den Damen dieser Vereine werde Gelegenheit gegeben, sich in der gewünschten Weise zu betätigen. Es sei beabsichtigt5, ein Werbebureau einzurichten und in ihm diejenigen weiblichen Kräfte, die sich den Frauenvereinen zu Verfügung stellen, zu beraten und zur Arbeit zu überweisen. Die Vorstandsdamen der Vereine hätten sich schon bereit erklärt, in dem Bureau tätig zu sein. Es werde empfohlen, alle Fragen, die sich in dieser Angelegenheit noch ergeben sollten, dem städtischen Lebensmittelausschuß zur Behandlung zu überweisen. Der Lebensmittelausschuß, in dem auch die Gewerkschaften vertreten seien, solle zu diesen Verhandlungen Frau Berghauptmann Krümmer als Vorsitzende des Vaterländischen Frauenvereins und den Stadtv. Bins hinzuziehen.
   Stadtv. Bins: Die Frauenvereine seien nicht so ganz erfreut über die Form, in der die Werkstätte jetzt eingerichtet werde. Es sei daran gedacht worden, Mädchen aller Stände, die noch nicht in Siegburg arbeiten, in Bonn Arbeitsgelegenheit zu geben und mit dem umschlingenden Bande der Arbeit eine ideale Jugendpflege zu verbinden. Der Redner berichtet dann im einzelnen über die Verhandlungen mit Siegburg und über die Wünsche der Frauenvereine.
   Beigeordneter Piehl: Alle Wünsche, die Herr Bins angeführt habe, würden durch die Einrichtung erfüllt werden. Der Errichtung einer weiblichen Jugendwehr, wie sie der Vaterländische Frauenverein plane, stehe gar nichts im Wege. Alle durch die Frauenvereine überwiesenen Kräfte würden auch beschäftigt werden können. Es solle aber acht Stunden gearbeitet werden, eine stundenweise Beschäftigung würde mehr oder weniger auf Spielerei hinauslaufen. Es sei nicht zu befürchten, daß Mädchen, die jetzt schon in Siegburg auf Stücklohn arbeiten, dann in Bonn selbst arbeiten wollen, da hier nur Zeitlohn bezahlt werden solle. Er sehe die Einrichtung als sehr gute Lösung der ganzen Sache an, man könne der Leitung der Siegburger Werke dafür nur dankbar sein. Die Genehmigung der Kriegsamts sei heute eingetroffen.
   Stadtv. Wellmann: In der vereinbarten Form werde dem Vaterlande weit besser gedient, als es geschehen könnte, wenn die Wünsche der Frauenvereine durchgegangen wären.
   Stadtv. Dr. Krantz: Nach den beruhigenden Versicherungen glaube er, daß die Stadtverordneten sich mit den vereinbarten Einrichtungen einverstanden erklären könnten. Ein als Arbeitgeber auftretendes Konsortium würde freilich ebenso gut arbeiten, wie es unter der unmittelbaren Siegburger Leitung zu erwarten ist, aber der Zweck, dem Vaterlande zu dienen und gleichzeitig den Bonner Frauen und Mädchen, vor allem des notleidenden Mittelstandes, Verdienst zu verschaffen, werde auch so erreicht werden. Die Vorstandsdamen der Bonner Frauenvereine hätten schon beschlossen, ihre Kräfte für das Unternehmen zur Verfügung zu stellen.
   Stadtv. Schmitz begrüßt die Vorlage und stellt mit Genugtuung fest, daß der gleiche Lohn wie in Siegburg gezahlt werden soll.
   Oberbürgermeister Spiritus erwähnt noch einmal die Wünsche der Frauenvereine, wonach neben der Arbeit für das Vaterland auf die weibliche Jugend eingewirkt werden solle, und stellt fest, daß diese Wünsche durch die geplanten Werkstätten erfüllt werden könnten. Er selbst sei von dem Ergebnis der Verhandlungen mit Siegburg durchaus befriedigt. Er halte es auch für gut, daß die Stadt Bonn als Kommunalverband sich nicht mit einer so verantwortungsvollen Aufgabe befasse. Eine G. m. b. H. hätte die Sache ja übernehmen können, sie hätte aber erst gebildet werden müssen. Wenn in den Kapitalistenkreisen Interesse für die Sache gewesen wäre, hätten die Herren sich ja zusammentun und die Sache übernehmen können, das sei aber nicht geschehen. Den Frauenvereinen werde so weit wie möglich entgegengekommen, ihre Vorstandsdamen sollten die Aufsicht führen und das sittliche Element fördern. Erwägungen, ob solche Einrichtungen nicht besser von Bonn fernzuhalten sind, müßten jetzt zur Kriegszeit fortfallen. Die Stadt habe die Pflicht, für ihre unbemittelten und bedrückten Mitbürger zu sorgen, und das tue sie, indem sie ihnen Verdienstmöglichkeiten schaffe. Die Werkstätten würden dem Vaterlande und der Stadt Bonn selbst in hervorragendem Maße zugute kommen.
   Die Stadtverordneten heißen die Verhandlungen mit den Siegburger Werken gut. Ueber die gewünschten Preisermäßigungen für Gas, Elektrizität und Wasser soll die Deputation der städtischen Werke, über alle weiteren Fragen in dieser Angelegenheit der städtische Lebensmittelausschuß, der dazu Frau Berghauptmann Krümmer und den Stadtv. Bins hinzuzuziehen hat, beschließen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

   

Unterhaltung der Kriegsbeschädigten in den Bonner Lazaretten. Da Bonn als Lazarettstadt seit Kriegsausbruch unausgesetzt eine große Zahl von Verwundeten und kranken Kriegsteilnehmern in seinen Krankenhäusern und den militärischerseits eingerichteten Lazaretten beherbergt, so ist auch die Frage von besonderer Bedeutung für unsere Stadt, wie die geistige Zerstreuung, wie die anregende Unterhaltung der genesenden Mannschaften, Chargen und Offiziere zu bewerkstelligen ist. Ein großes Verdienst haben sich die Kreise erworben, die das berufliche Talent der einzelnen Kriegsbeschädigten als Ausgangspunkt ihrer Anregungen zur Zerstreuung der Kranken und Genesenden nahmen. Die methodische zielbewußte Tätigkeit auf dem Gebiete der Handfertigkeit des handwerklichen und kunstgewerblichen Könnens hat sehr viel dazu beigetragen, erzieherisch auf die Insassen unserer Lazarette zu wirken, sie moralisch zu kräftigen und ihr Selbstbewußtsein wieder zu heben. Ebenso haben Künstler und geschulte musikalische Kräfte aus der Bonner Gesellschaft, namentlich in den ersten Kriegsjahren, mit Liebe und Freude ihr Können in den Dienst des charitativen Wirkens gestellt, um die Kranken in ihrer Stimmung zu beleben, ihnen durch freudige Stunden, durch gute musikalische Eindrücke über die Einwirkungen des Krieges hinwegzuhelfen und sie möglichst wieder zu lebensfrohen Menschen zu wandeln.
   Wir hatten gestern Gelegenheit, einer solchen Veranstaltung in dem Lazarett St. Josef an der Höhe beizuwohnen. Es wurden Lieder zur Laute von Frl. M. Müller-Wesseling und Vorträge des Kriegsbeschädigten Herrn Lehrer Möhle auf der Geige sowie Lieder zum Klavier von Frl. M. Müller gespendet. Die Stimmung, die hierdurch allgemein bei den Soldaten erzeugt wurde, und wiedererwachende Lebensfreude, die man selbst bei den Schwerleidenden wahrzunehmen vermochte, war derart eindrucksvoll, daß man von dem Wunsche überwältigt wurde, die musikalischen Kreise Bonns möchten in stärkerem Grade als dies in den jüngsten Monaten geschehen ist, sich wieder unseren Lazaretten zuwenden und deren Insassen durch ihr musikalisches Können zu erquicken suchen.
   Für die Leute, die draußen an der Front waren und nun wochen- und monatelang das Krankenbett oder wenigstens die Krankenstube hüten müssen, gibt es nichts Schöneres, nichts, was sie mehr von ganzem Herzen erfüllt, als die tätige Anteilnahme der Bürgerschaft an ihrem Schicksal. Manche von ihnen gehen ja wieder hinaus, um erneut ihr Leben für den heimatlichen Boden in die Schanze zu schlagen. Die Eindrücke, die sie in den Lazaretten gesammelt haben, bleiben für sie unverwischbar. Glücklicherweise ist die leibliche Fürsorge für unsere Kriegsbeschädigten in den Bonner Lazaretten so ausgezeichnet organisiert und findet durch manche wohltätige Hand eine derartige Förderung, daß nach dieser Richtung hin öffentliche Anregungen wohl kaum erforderlich sind. Aber hinsichtlich der geistigen Nahrung und der moralischen Anregung könnte noch mancherlei geschehen.
   Mögen daher alle die Kreise, die namentlich zu Kriegsbeginn fast regelmäßig jede Woche in unseren Lazaretten die Kranken durch instrumentale, gesangliche oder rezitatorische Gaben zu erfreuen strebten, sich erneut in den Dienst unserer Kriegsbeschädigten stellen und durch deren Aufheiterung einer nicht zu unterschätzenden vaterländischen Sache dienen.
   Das dritte Kriegsjahr wird ernst. Es soll uns die Entscheidung bringen. Aber dieser Entscheidungskampf wird härter und bitterer werden, als alle furchtbaren Kämpfe vorher. Es wäre deshalb der Bedanke zu erwägen, ob man nicht schon vor dem Frühjahr zugunsten der regelmäßigen anregenden Unterhaltung der Pflegebefohlenen unserer Lazarette Einrichtungen treffen sollte, und zwar dergestalt, daß etwa ein ehrenamtlicher Ausschuß allwöchentlich die Verteilung der Kräfte aus der Bonner Bürgerschaft anordnet, die unseren verwundeten Vaterlandsverteidigern gerne eine Stunde der Freude und Anregung und angenehmen Zerstreuung verschaffen wollen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

       

Nachrichten des Lebensmittelamtes der Stadt Bonn.
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Anzeige, die am 13. Januar 1917 in allen Bonner Zeitungen erschienKartoffeln. Es werden bis auf weiteres auf die Kartoffelkarte 4 Pfund Kartoffeln und als Zusatz zu den Kartoffeln in der Woche vom 15. bis 21. Januar 1917 auf Wochenkarte Nr. 167 6 Pfund Steckrüben (Kohlrüben, Wruken) ausgegeben.
   Schwerarbeiter erhalten als Zusatz auf die Zusatzkartoffelkarte 3 Pfund Kartoffeln und auf die Zusatzwarenkarte Nr. 5 in der Woche vom 15. bis 21. Januar 1917 weitere 2 Pfund Steckrüben.
   Der Verkaufspreis beträgt für Kartoffeln und Steckrüben 5,5 Pfg. für das Pfund.
   Jedem Abnehmer von Steckrüben wird in der Verkaufsstelle eine Kochanweisung für Steckrüben kostenfrei ausgehändigt.
   Die Nachfrage nach Steckrüben ist nach wie vor sehr schwach. Das ist einfach nicht zu verstehen. Die Steckrübe ist ein Gemüse, das fast den gleichen Nährwert wie die Kartoffel hat und sehr schmackhafte Gerichte gibt. Man versuche doch einmal mit den Kochanweisungen.
   Es wird dringend empfohlen, etwa jetzt nicht benötigte Steckrüben für die gemüsearme Zeit zu trocknen. Eine Anleitung zum Trocknen von Steckrüben befindet sich am Schlusse der vorerwähnten Kochanweisung.
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Eier. Der Stadt wurden in dieser Woche rund 20.000 Eier zugeteilt, eine Menge, die zur Versorgung der Bevölkerung bei weitem nicht ausreicht. Es werden deshalb in dieser Woche nur Eier an die Inhaber der mit Nr. 1 bezeichneten Umschläge zu den Lebensmittelkarten abgegeben und zwar 1 Ei für jede Person des Haushalts.
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Obst und Gemüse. Die Beschaffung von Gemüse wird fortgesetzt schwieriger. Dies trifft besonders bei Rotkohl, Weißkohl und Wirsing zu, da die Bestände hiervon nahezu aufgebraucht sind. Den Hausfrauen wird nochmals empfohlen, Zwiebeln einzuschlagen, da im Frühjahr solche im Handel nicht mehr zu haben sein werden. Neuerdings werden in den städtischen Verkaufsstellen auch Apfelsinen zum Verkauf gebraucht.
Milchversorgung. „Milch ist im Haushalt sofort abzukochen.“ Dieser, schon seit Jahren von den mit der Ueberwachung der Gesundheitspflege betrauten Behörden gegebene Rat wird noch immer übersehen. Seine Befolgung ist aber jetzt um so notwendiger, da die durch den Krieg hervorgerufene Art der Ernährung empfindliche Naturen besonders aufnahmefähig für die durch Milch übertragbaren Keime macht.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)