Dienstag, 26. September 1916

      

Die städtischen Lager für Kartoffeln, Kolonialwaren, Futtermittel usw. Wie gewaltig die Arbeitslast ist, die der Stadt Bonn durch die Verbrauchsregelung der wichtigsten Lebensmittel und Bedarfsgegenstände sowie durch viele andere kriegswirtschaftliche Aufgaben, nicht zuletzt auch durch die eigene Erzeugung von Lebensmitteln, entstanden ist, geht am besten aus der großen Zahl der während des Krieges entstandenen, der Oeffentlichkeit größtenteils gar nicht bekannten städtischen Lager- und ähnlichen Einrichtungen hervor. Wer zum städtischen Lebensmittelamt kommt, kann schon erstaunt sein über die große Zahl der Räume, die dem Verkehr mit der Bürgerschaft und der Verwaltung der einzelnen Abteilungen dienen; sie nehmen einen ganzen Flügel der Universität ein und sind darin noch nicht einmal vollzählig vereinigt. Viel, viel umfangreicher sind aber die Lager, die von hier aus verwaltet werden. In 20, fast auf das ganze Stadtgebiet verteilten Gebäuden lagern die Vorräte an Mehl, Hülsenfrüchten, Teigwaren, Speck, Fleisch, Futtermittel usw. und neun große Keller sind eingerichtet, von den demnächst eintreffenden großen Kartoffelmengen rund 50.000 Zentner aufzunehmen, für weitere 80.000 Zentner sind die Erdmieten vorbereitet; denn von den rund 300.000 Zentnern Kartoffeln, die unterzubringen sind, werden nach den bisher vorliegenden Bestellungen nur 120.000 von Privathaushaltungen eingekellert, so daß, auch wenn noch weitere Bestellungen einlaufen, die Stadt selbst doch noch über 150.000 Zentner einlagern muß.
   Ein Teil der städtischen Lagereinrichtungen konnte gestern unter der Führung des Herrn Beigeordneten Piehl von den Vertretern der Presse besichtigt werden. Zunächst der größte städtische Kartoffelkeller, die Kellerräume der Universität. So gewaltig dieses Labyrinth von unterirdischen Gewölben auch ist, es können darin doch erst 15.000 Zentner untergebracht werden. Die Kartoffeln werden hier auf Lattengestellen und abgeteilt durch luftdurchlässige Lattenhürden höchstens einen Meter hoch aufgeschüttet. Die Kellerwände und die Lattenböden und –hürden sind frisch gekalkt, drei große Ventilatore sollen die Luft reinhalten und für eine gleichmäßig niedrige Wärme sorgen, zur Beleuchtung der an sich dunklen Räume ist eine elektrische Lichtleitung angelegt worden. So ist alles getan, um die für die Ernährung so wichtigen Kartoffeln möglichst ohne Verluste den Winter über aufzubewahren.
   In einem der größten Hörsäle der Universität lagern in großen Mengen Säcke mit Bohnen, Erbsen, Graupen, kochfertigen Bestandteilen für verschiedene Suppen, auch größere Vorräte an Trocken- und Büchsenmilch, die über eine etwaige noch schlimmere Milchknappheit hinweghelfen sollen.
   In einer Turnhalle und ihren Nebenräumen ist das Mehllager untergebracht, aus dem das Mehl an Bäcker und Händler abgegeben wird. Das Mehl wird in diesem wie auch in den anderen städtischen Mehllagern wöchentlich auf seine Beschaffenheit genau geprüft, etwa stickig oder warm gewordenes Mehl wird sofort zweckmäßig behandelt. Diese Vorsichtsmaßregel hat sich sehr gut bewährt und die Stadt vor Verlusten behütet.
   Im Westen der Altstadt sind zwei, durch eine Fahrstraße getrennte große Felder für Kartoffelmieten eingerichtet. In langen Reihen nebeneinander sind etwas 1½ Meter breite und 90 Zentimeter tiefe Gruben aufgeworfen, sie sollen mit Kartoffeln gefüllt und diese dann mit Stroh bedeckt und mit Erde beworfen werden. Zwischen den fertigen Kartoffelmieten werden dann neue Gräben entstehen, die das Regen- und Schneewasser aufnehmen und ableiten, so daß die Kartoffeln selbst völlig trocken bleiben. Für die Zufuhr und spätere Abfuhr ist ein Bahngleis angelegt worden. So ist auch hier alles zur Aufnahme der erwarteten Kartoffeln bereit. 60.000 Zentner sollen hier eingemietet werden, das ist der Bedarf der Stadt für knapp zwei Monate.
   Die Kartoffeln werden, ehe sie den Bahnwagen entnommen werden, auf ihre Güte untersucht, schlechte Ware wird weder von der Stadt selbst eingekellert oder eingemietet noch den Privathaushaltungen zum Einkellern geliefert. Auch da, wo die Kartoffeln nur vorübergehend lagern, vor dem Anschlußgleis und in den im Frieden als Ställe dienenden Gebäuden, sind überall Holzböden und Hürden aufgestellt. Verbraucher für die trotz aller Vorsicht nicht zu vermeidende Abfallware sind die städtischen Schweine, die ganz in der Nähe zur Beobachtung ihres Gesundheitszustandes vier Wochen lang eingestellt werden, um dann nach dem Dottenhof übergeführt zu werden. Hier kann jetzt auch das Familienleben dieser kostbaren Tiere beobachtet werden: zwei Mutterschweine betreuen fürsorglich ihre Jungen, die zuletzt geborenen sind erst wenige Tage alt.
   In großen Kühlhallen sind die städtischen Vorräte an Speck und anderen Fetten sowie Fleisch untergebracht. Ein früheres Kühlhaus dient noch als Kartoffellager.
   Im westlichen Stadtteile befindet sich in einem gemieteten Lagerhaus ein Ausgabelager für alle Waren, die als „städtische Lebensmittel“ in zahlreichen kleineren Geschäften an die Verbraucher verkauft werden. Die Geschäftsinhaber bekommen hier die Waren von Agenten, deren vermittelnde Tätigkeit sich sehr gut bewährt hat.
   Eins der größten Futtermittellager ist in der Turnhalle und den Kellerräumen einer Schule untergebracht. Hier liegen aufgehäuft und in Säcken Schweinemastfutter aus Kleie, Blut und Strohmehl, Hafer und Rohzucker für die Pferde, verschiedene Oelkuchen, Heidemehl, mit dem in Bonn gute Erfahrungen gemacht worden sind, Trockenschnitzel, Obsttrester usw. Insgesamt enthält dieses Lager 7.000 Zentner Futtermittel, der Bedarf von fünf bis sechs Monaten.
   So ergibt sich aus dem Besuch nur eines kleinen Teils der städtischen Lagereinrichtungen schon ein übersichtliches Bild von der Größe und Vielseitigkeit der wirtschaftlichen Aufgaben, die der Krieg den Städten auferlegt hat. Dabei muß anerkannt werden, daß trotz der zahlreichen und großen Schwierigkeiten, die die Kriegsernährung der städtischen Bevölkerung zu überwinden hatte, ernstliche Mißstände in Bonn doch nirgends hervorgetreten sind und daß die ganze Verbrauchsregelung in Bonn jetzt zur allgemeinen Zufriedenheit arbeitet. Dafür muß man der Verwaltung Dank zollen.

Anzeige in der Bonner Zeitung, im General-Anzeiger und in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 26. September 1916Was kostet die Zeichnung von Kriegsanleihe? Die Kriegsanleihe wird zum Kurse von 98 Prozent aufgelegt. Die Kriegsanleihe ist die sicherste Kapitalanlage, die es gibt. Solange das Deutsche Reich besteht, wird es den Zeichnern für sein Kapital einstehen und ihm bis zur Rückzahlung hohe Zinsen vergüten. Der Zeichner bringt kein Opfer; er hat nur Vorteil, wenn er sein Geld zur Zeichnung verwertet. Opfer sind nur denkbar, wenn er sich Geld leihen muß. Darüber, wie groß diese Opfer sind, bestehen, wie die Aeltesten der Kaufmannschaft von Berlin mitteilen, in weiten Kreisen Unklarheiten. Die wenigsten werden wissen, daß 1.000 Mark Kriegsanleihe „14 Pfg.“ jährlich kosten. Statt 980 M. zahlt der Zeichner 955 M.; denn 25 M. darf er sich an Zinsen abziehen. Der Zeichner, der sich die 955 M. für die Kriegsanleihe anderweit beschafft, muß dafür 5¼ Prozent jährlich zahlen. Viele Bankiers haben sich für Zwecke de Kriegsanleihe bereit erklärt, ihren Kunden Geld zum Satz von 5¼ Prozent zu geben; das sind jährlich 50 M. im Jahr, opfert also 14 Pfg. bis er aus eigenen Mitteln das Darlehn zurückzahlt. 10.000 M. Zeichnung kosten 1 M. 40 Pfg. im Jahr, 100.000 M. 14 M. So billig ist diese wertvolle Waffe gegen den Feind. Jeder Deutsche kann sie gebrauchen und zu seinem Teil kräftig am Sieg mitwirken.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

     

Die Nahrungs- und Futtermittelvorsorge der Stadt Bonn. Die Kartoffelvorräte werden demnächst zum Teil in den Kellern der Universität untergebracht. Die Keller sind in drei Abteilungen eingeteilt, die frisch gekälkt und deren Böden mit Lattenrosten versehen sind. Die Kartoffeln kommen in einer Höhe von annähernd einem Meter aufeinander zu liegen und sind ringsum von gekälkten Latten eingefaßt. Die ganzen Keller haben elektrisches Licht erhalten und sind mit Lüftungseinrichtungen versehen worden, so daß die Temperatur stets niedrig gehalten werden kann.
   Im Ganzen richtete die Stadt bis jetzt 20 Lager für Mehl, Kolonialwaren, Futtermittel usw. ein und wird 9 Kartoffelkeller beschaffen. Ferner sind Einrichtungen vorbereitet, um 60.000 Zentner Kartoffeln einmieten zu können. Die Lager zum Einmieten sind an der Immenburgstraße hinter dem Schlachthof und der Gasfabrik angelegt. Von der Bürgerschaft sind bis jetzt 120.000 Zentner zur Eindeckung gefordert worden. Es ist dringend erwünscht, daß die Anmeldungen mit Rücksicht auf den billigen Preis, der vom 1. Oktober ab in Kraft tritt, sich noch mehren.
   Die ersten Milchkühe, und zwar rund 50 Stück, sind von der Stadt eingekauft und zur Milchversorgung auf Grund von Abmelkverträgen in die Vororte eingestellt.
   Ein großes Lager von Kolonialwaren ist ferner in einem Hörsaal der Universität untergebracht. Riesige Mengen Erbsen, Bohnen und Konserven sind dort aufgestapelt. Namentlich ist eine große Menge von Milchkonserven vorrätig.
   Die Kartoffelmieten hinter dem Schlachthause sind mit besonderem Eisenbahnanschluß versehen und sehr zweckmäßig eingerichtet, so daß Kartoffeln dort gut untergebracht und abgeholt werden können. Es ist alle Vorsorge getroffen, um die Kartoffeln in den Mieten gesund zu erhalten.
   Ein großes Lager mit Weizengries, Gerstengries und ähnlichen Waren ist auf der Endenicherstraße untergebracht.
   In der Karlschule befindet sich ein bedeutendes Lager von Futtermitteln, Heidekrautmehl, Zucker mit Häcksel vermischt, ferner Rapskuchen und Mohnkuchen, Obsttrester usw. sowie Hafer und sonstige Futtermittel liegen für die Tiere dort bereit. Insgesamt ist ein Futtervorrat für fünf Monate vorhanden.
   Im Schlachthof selbst sind die Großviehhallen zur Aufnahme von Kartoffeln bereitgestellt. Verschiedentlich hatte man in den letzten Tagen Kartoffeln angeliefert, die außen ganz gesund aussahen, im Innern aber aufgeplatzt und im Faulen begriffen waren. Ihre Annahme ist verweigert worden.
   Kartoffelschnitzel in getrocknetem Zustande befinden sich noch in einem großen Saale an der Kölnstraße. Sie werden nicht mehr für die Kriegsküche hergegeben.

Der Straßenverkauf der Kriegsbilderbogen, der für Sonntag angesetzt war, konnte nicht abgehalten werden und zwar aus dem einfachen Grunde, weil die für Bonn bestimmten Bilderbogen nicht geliefert wurden. Hierzu werden uns folgende Zeilen mit der Bitte um Aufnahme zugesandt: „Die vereinigten Bonner Frauenvereine bedauern lebhaft, daß sie den angekündigten, bestens vorbereiteten und von den beiden Gymnasien, sowie von den evangelischen und katholischen Jugendbünden freundlichst unterstützten Straßenverkauf der Kriegsbilderbogen am letzten schönen Herbstsonntag nicht haben abhalten können. Die Kanzlei des Prinzessinnenpalais hat die Bilderbogen bis heute noch nicht geliefert, trotzdem schon am letzten Dienstag von dort telegraphisch gemeldet wurde, die Absendung durch Eilpostpaket sei bereits erfolgt. Die vereinigten Bonner Frauenvereine werden die Annahme der Sendung, falls sie noch verspätet eintreffen sollte, verweigern und bedauern die von ihnen nicht verschuldete Irreführung des Publikums.“ (Vielleicht hat das Paket eine Irrfahrt angetreten, wie das im postalischen Verkehr immerhin möglich ist. Red.)

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

     

Die Kartoffelzufuhr für Bonn ist in den letzten Tagen wieder ein gänzlich unzureichende gewesen, trotzdem die städtische Verwaltung sich alle erdenkliche Mühe gegeben hat. Zur Zeit stehen wir daher in Bonn vor einer gewissen Kartoffelnot. Ein Hauptgrund liegt darin, daß die Eisenbahnverwaltung aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage war, die angeforderte Menge Waggons zu schaffen. In der nächsten Woche jedoch wird die Kartoffelnot unter allen Umständen behoben sein. Die Verwaltung erhofft von der Einsicht derjenigen Bürger, die noch mit Kartoffelvorräten versehen sind, daß sie in dieser Woche keine Kartoffeln entnehmen. Es wird angeordnet werden, daß die für diese Woche gültigen Kartoffelkarten auch noch für die nächste Woche Gültigkeit behalten.

Was man nicht tun soll. Die törichten Gerüchte, daß der Krieg durch einen guten Erfolg der Kriegsanleihe verlängert werden würde, werden mit köstlichem Humor folgendermaßen abgetan:
   „Willst du, daß der Krieg aufhöre, so zeichne keine Kriegsanleihe, hast du Zahnweh, so hänge dich am nächsten Baume auf. Schmerzen dich deine Hühneraugen, so schneide dir die Füße ab. Drücken dich deine Schulden, so erschlage deinen Gläubiger. Schreit dein Wicklelkind, so halte es unter Wasser.“
   Das sind fünf Ratschläge. Da ist einer so gescheit wie der andere.

Nur feindliche Agenten können es sein, die in Land und Stadt Gerüchte aussprengen, daß Zeichnungen auf die Kriegsanleihe den Krieg verlängern! Das Gegenteil ist wahr! Macht durch Zeichnungen auf die Kriegsanleihe die beleidigende Spekulation auf die Urteilslosigkeit des deutschen Volkes ebenso wie unser Heer die militärischen Hoffnungen unserer Gegner gründlich zuschanden!

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)