Dienstag, 23. Mai 1916

    

Arndt-Eiche in Eisen. Eine große Menschenmenge hatte sich Sonntag nachmittag bei herrlichstem Frühlingswetter an der Arndt-Eiche eingefunden, als um 5 Uhr vom Kaiserplatz her unter den Klängen der Bonner Landsturm-Kapelle der Festzug der Bonner Liedertafel sich nahte, um dem Andenken ihrer gefallenen Sänger ein Schild zu nageln. Abwechselnd mit den prächtigen Weisen der Kapelle unter Leitung ihres Kapellmeisters John sang die Bonner Liedertafel aus ihrem reichen Liederschatz eine Reihe von ausgewählten ernsten und fröhlichen Liedern voll frischer Kampfeslust und glühender Vaterlandsliebe. Stark gelichtet sind zwar die Reihen unserer Liedertäfler; die meisten ihrer Sänger haben die Leier mit dem Schwerte vertauscht und schützen draußen im Feindesland Herd und Heimat, aber es war doch noch ein stattlicher Chor, der unter Meister Werths Leitung sein prächtiges Stimmenmaterial und seine ausgezeichnete Schulung zur Geltung brachte. Namentlich die Tenöre waren stark vertreten und von herzgewinnender Frische. Die Ansprache des Vorsitzenden, Herrn Bankdirektor Weber, baute sich auf dem Wahlspruch der Bonner Liedertafel auf: „Dem Wahren, Guten und Schönen soll unser Lied ertönen!“ Das Wahre wird und muß sich Bahn brechen, das Gute führen wir aus, indem wir den Witwen und Waisen unserer gefallenen Krieger ein Opfer bringen, und das Schöne erhoffen wir von der Zuversicht: einen vollständigen Sieg unserer deutschen Waffen, einen nicht allzu fernen dauernden Frieden und ein starkes, ungeschwächtes, herrliches Deutschland. Diesem galt auch das am Schlusse der Ansprache ausgebrachte Hoch.
Das genagelte Schild enthält die Inschrift:
   „Die Bonner Liedertafel
   Ihren Helden zur Ehr,
   Den Armen zur Hilfe.“
Es trägt den Namen ihrer gefallenen Mitglieder. Um 7 Uhr war die eindrucksvolle Feier beendigt, und im feierlichen Zuge ging es zur Beethovenhalle, wo im schattigen Garten beim kühlen Bier noch so manches Lied verklungen ist.

In der Missionskonferenz der Synode Bonn sprach gestern nachmittag (im evangelischen Gemeindehaus) Herr Pfarrer Simon aus Barmen über „Das grundlegende Problem der Mohammedaner-Mission“. Der Redner betonte, daß die Mohammedanermission nach dem Kriege ein schwieriges Gebiet sein werde. Ein Verzicht auf diese Mission sei ausgeschlossen, alles Unchristliche und Unmissionarische, womit der Islam politisch, kulturell oder kaufmännisch zu drücken versucht werde, sei natürlich auszuschalten. Die Hauptsache aber sei, die Mohammedaner von ihren vielen irrigen Auffassungen über Christus und das Christentum zu befreien, ihnen den christlichen Gottesbegriff in seiner wirklichen Form näher zu bringen und so die geistige Auseinandersetzung zwischen Christentum und Islam vorzubereiten. An der Aussprache beteiligten sich u. a. die Herren Professor Becker, der auf das durch den Krieg geschärfte Selbstbewusstsein vor allem der türkischen Mohammedaner hinwies und die Missionstätigkeit in der Türkei als sehr schwierig bezeichnete, Professor Clemen, der die Veränderungen des Islams und seine Mannigfaltigkeit hervorhob, und Pfarrer Kremers, der vor allem auf die werbende Kraft der christlichen Liebestätigkeit aufmerksam machte. Nach einem Schlusswort des Hauptredners schloß der Vorsitzende, Herr Pfarrer Lorenz, die Konferenz mit guten Wünschen für ihren Erfolg.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

    

Die Einheitsspeisekarte. Ueber die Einheitsspeisekarte, die voraussichtlich am 1. Juni in allen deutschen Gastwirtschaften zur Einführung gelangen wird, scheint in den Kreisen der Gastgeber selbst noch Unklarheit zu herrschen. Es mag deshalb darauf hingewiesen werden, daß nach den bisher getroffenen Abmachungen die Beschränkung der Speisekarte auf zwei Suppen, zwei Fleisch- und zwei Fischgerichte sich nur auf die Hauptspeisen bezieht. Neben diesen kann die Speisekarte kalte Vorspeisen, wie geräucherten Lachs, Oelsardinen und ähnliches, ferner Eierspeisen, Salate und Kompotte in beliebig großer, beliebig reichhaltiger Auswahl enthalten. Ebenso ist der Nachtisch, die Süßspeisen, nicht auf zwei Gerichte beschränkt. Es wird nun Sache der Gastwirte sein, ihre Kochkünste so weit zu entwickeln, daß die Speisekarten neben den Hauptgerichten immer noch eine genügende Auswahl an essbaren und sättigenden Speisen enthält. Denn andernfalls würde die Nachfrage nach den zwei Fisch- und Fleischgerichten, die erlaubt sind, eine so große sein, daß der Wirt angesichts der eingeschränkten Fleischverteilung, den an ihn gestellten Anforderungen nicht genügen könnte. Uebrigens ist auch für belegte Brote und andere kalten Platten eine unbeschränkte Auswahl möglich, das heißt, soweit man bei den heutigen Verhältnissen von „unbeschränkt“ reden kann.

Der Westerwaldklub führte seine Mitglieder am Sonntage in stattlicher Anzahl zu einer genussreichen Wanderung nach Honnef. Durch dichte, lauschige Waldpfade, die im Schmucke ihres jungen Grüns besonders lockten, wanderte man durchs Mucher Wiesental zum Huimerich, wo eine schöne Aussicht die Mühen des Aufstiegs reichlich lohnte. Nun gings zum schön gelegenen Rastplatze inmitten junger Tannen in ein echtes, rechtes Maiblumengebiet. Dem beschaulich Rastenden bot sich hier Gelegenheit, in Ruhe all’ die Schönheit zu genießen, die ein so leuchtender Maientag über unsere rheinischen Berge ausgießt, während ein Teil der Gesellschaft am nahen Waldrande fleißig Maiglöckchen sammelte. Stille Waldpfade führte alle hochbefriedigt und der trefflichen Führung dankbar nach Honnef zurück.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

   

Kinderspeisung. Die Hauswirtschaftliche Kriegshilfe hat eine Kinderspeisung eingerichtet, die wohl eine der erfreulichsten Früchte ihrer Wirksamkeit ist. Im Speisehaus wie im Kloster in der Maargasse werden täglich im ganzen etwa 100 Kinder mit gutem nahrhaften Essen versehen. Die Gaben für dieses schöne Unternehmen sind in geradezu staunenswerter Weise von barmherzigen Stiftern gegeben worden, und eine Reihe von Damen ist tätig, um die Kinder zu beaufsichtigen und ihnen das Essen zu reichen. Mit großer Freude wurde diese Zuwendung von den Volksschulen und den Schulschwestern begrüßt, welche nur zu wohl wissen, wie sehr den kleinen blassen Jungen und Mädchen ein Teller Suppe nottut. Es ist eine Freude, zu sehen, wie es ihnen schmeckt und wie gerne sie kommen. Die Reinlichkeit und Verträglichkeit, welche hier herrschen muß, ist daneben eine gute Erziehung, die freudig zu begrüßen ist. Möchte das warmherzige Wohlwollen an dieser Kinderspeisung wachbleiben und es gelingen, durch die bessere Gesundheit den Kindern und auch den Vätern im Felde eine Freude zu bereiten.

Das Soldatenheim im Gesellenhause war auch am vergangenen Sonntag wieder der Anziehungspunkt für eine sehr große Anzahl von Soldaten, die sich zuerst mit Lesen und Schreiben beschäftigten, sodann den unterhaltenden Darbietungen im großen Saale beiwohnten. Den Hauptteil der Unterhaltungen bestritt diesmal der Kirchenchor von St. Marien in Bonn. Der Präses des Vereins gab zunächst einen Ueberblick über die gegenwärtige Lage, pries die Tapferkeit unseres Heeres und brachte ein Hoch auf unsere Soldaten aus. Sodann wartete der Kirchenchor mit einer Reihe von Chören auf, deren äußerst gefällige und dankbare Aufnahme bewies, daß der Chor unter der trefflichen Leitung seines Dirigenten, den Herrn H. Arentz, das Beste dargeboten hatte. Herr Wilhelm Engels unterhielt die Anwesenden aufs vorteilhafteste durch mehrere Baritonsolis, deren Wiedergabe ihm vorzüglich gelang. Als jugendliche Solisten verrieten die Knaben Rademacher, Schiffers und Witzkirchen eine seltene Begabung und gute Schulung. Das Lustspiel „Die Flitterwochen“, um dessen wohlgelungene Aufführung sich Frl. M. Gierlich und die Herren Jakob Brodesser, Roitzheim, Moß und Joh. Weber jr. Sehr verdient machten, brachte eine angenehme Abwechselung und bildete den Schluß der Darbietungen, die allen wohl gefielen und in dem Vorsatz festigten, treue Besucher des Soldatenheims zu bleiben.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)