Freitag, 31. Dezember 1915

    

Anzeige im General-Anzeiger vom 31. Dezember 1915

Generalfeldmarschall von Hindenburg übersandte dem Direktor unserer Fortbildungsschulen folgendes Schreiben:
Hauptquartier Ost, den 27. Dezember 1915.
Hochverehrter Herr Direktor!
Für die mir als Weihnachtsgabe im Namen des Lehrkörpers, der Schülerinnen und Schüler der städtischen Fortbildungsschulen zu Bonn a. Rhein übersandten 700 Mark bitte ich den gütigen Spendern meinen verbindlichsten Dank übermitteln zu wollen. Der Betrag ist wunschgemäß zum Besten der mir anvertrauten Truppen verwendet worden.
Indem ich Ihre guten Wünsche für das Jahr 1916 auf das beste erwidere, bin ich mit vorzüglicher Hochachtung Euer Wohlgeboren ergebener
Von Hindenburg
Generalfeldmarschall und Oberbefehlshaber Ost

Kleinhandelshöchstpreise für Süßwasserfische sind vom Oberbürgermeister festgesetzt worden. Sie werden im Anzeigenteil dieser Zeitung bekannt gegeben. Der Oberbürgermeister veröffentlicht ferner in dieser Zeitung die vom Bundesrat angeordneten Einschränkungen für die Herstellung von Süßigkeiten und Schokolade.

Die Polizeistunde für Gast- und Schankwirtschaften wird auf Anordnung des Gourverneurs der Festung Köln für die Neujahrsnacht bis 1 Uhr verlängert. Musikalische Darbietungen müssen jedoch um 12 Uhr aufhören.

Eine Weihnachtsfeier für die Witwen und Waisen unserer Bonner Krieger veranstaltete gestern nachmittag im städtischen Lyzeum der freiwillige Hilfsausschuß für Truppen. Etwas 60 Witwen hatten sich mit ihren zusammen rund 150 Kindern in der Turnhalle, die ein großer Weihnachtsbaum schmückte, versammelt. Das gemeinsam gesungene Lied „Stille Nacht“ leitete die Feier ein. Dann nahm der Vorsitzende des Hilfsausschusses, Herr Dr. Krantz, das Wort zu einer Ansprache. Der bei der ersten Kriegsweihnachtsfeier überall ausgesprochene Wunsch, es möchte übers Jahr die Weihnachtsbotschaft vom Frieden auf Erden zur Wahrheit werden, habe sich nicht erfüllt, täglich fordere der schreckliche und gewaltigste aller bisherigen Kriege noch immer unzählige Opfer an Toten und Verwundeten. Und doch sei das Weihnachtsfest wohl niemals tiefinnerlicher gefeiert worden, als heuer, niemals habe die Nächstenliebe sich reger betätigt, als jetzt. Wie für unsere Feldgrauen draußen trotz ihrer Friedenssehnsucht Aushalten und Durchhalten die Losung sein müsse, so müsse auch in der Heimat ausgehalten u. durchgehalten werden. Die deutsche Jugend habe ihr Spiel ganz dem Kriege angepaßt, an ihrem selbstverständlichen Vertrauen auf den Sieg Deutschlands sollten die Erwachsenen ihre etwa gesunkene Zuversicht stärken. Auch um der Jugend willen müsse durchgehalten werden; denn einen schwächlichen Friedensschluß würde die Jugend büßen müssen. Habe die große Zeit dieses Krieges schon in allen Kreisen das Bestreben gefördert, vorhandene Unterschiede zu überbrücken, so sei es ganz besonders in dieser Weihnachtszeit der Fall gewesen. So könne man mit Recht auch von dieser Weihnacht sagen: o du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit. – Frau Gentrup sang darauf mit klarer, heller Stimme und schönem Ausdruck mehrere Weihnachtslieder, wobei Herr Kapellmeister Sauer am Harmonium stimmungsvoll begleitete. Der Einladung an die Kinder, Gedichte vorzutragen, folgte ohne Zaudern eine ganze Schar; mehrere ganz Kleine sagten sogar recht sinnige Verse – ohne Stocken und verständig auf. Dann begann die Bescherung. Jede Mutter erhielt fünf Mark und Bekleidungsstücke, auch für jedes Kind wurden Kleidungsstücke, dazu Spielzeug und Süßigkeiten gegeben. Mit einem gemeinsamen Weihnachtsliede schloß die würdige Feier.
   Der Freiwillige Hilfsausschuß für Truppen hat außer den Kriegerwitwen und –waisen auch rund 1.000 Bonner Kriegerfrauen eine kleine Weihnachtsfreude bereitet: 700 haben gestern je 3 M. erhalten, 800 werden den gleichen Betrag heute bekommen.

Selbstmord? Am Rhein in der Nähe des Schänzchens wurden gestern morgen Jackett, Pelz und Hut einer von auswärts stammenden, seit einiger Zeit in Bonn wohnenden Dame gefunden. Es wird angenommen, daß die Besitzerin der Kleidungsstücke sich ertränkt hat.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

     

Ueber die Herstellung von Süßigkeiten und Schokolade erläßt der Oberbürgermeister eine Bekanntmachung, die in der heutigen Nummer unseres Blattes zum Abdruck gebracht wird.

Gewinnung von Oel aus Unkrautsamen. Das in diesem Jahr gewachsene Sommergetreide enthält beträchtliche Beimischungen von Hederich, Ackersenf, Leindotter und anderen ölhaltigen Unkrautsamen, die beim Dreschen und bei der späteren Reinigung des Getreides ausgesiebt werden. Diese Sämereien sollte, auch wenn es sich um ganz kleine Mengen handelt, den Oelmühlen zur Oelgewinnung zugeführte werden. Der Kriegsausschuß für pflanzliche und tierische Fette und Oele hat in jedem Kommunalverband einen Kommissär ernannt, der ebenso wie alle anderen Oelfrüchte auch diese beim Ausputz gewonnenen Oelsamen abnimmt. Der preußische Landwirtschaftsminister fordert die Landwirte auf, auf die Gewinnung dieser ölhaltigen Samen zu achten und sie zur Ablieferung zu bringen.

Zur Frage der Kaffee-Vorräte. Aus Bonner Fachkreisen wird uns geschrieben:
   Durch die Bundesrats-Verordnung, wonach am 3. Januar eine Bestands-Aufnahme von rohem und gebranntem Kaffee stattfinden soll, hat sich wieder manche Hausfrau durch übereilte, größere Einkäufe einen längeren Vorrat sichern wollen, mit der Voraussicht, es würde eine Beschlagnahme von Kaffee erfolgen. Nach sicherm Vernehmen jedoch soll vorläufig an eine Beschlagnahme durch die Bestands-Aufnahme nicht gedacht sein. Wohl aber werden jedenfalls, wenn das Quantum, das sich im Inlande befindet, gering ist, Höchstpreise eingeführt. Ist jedoch der Vorrat ein großer, so wird dieses nicht geschehen und es beim Alten bleiben. Jedenfalls sei hier noch erwähnt, daß andauernd noch genügend Kaffee vom Auslande hereinkommt. Nur sind natürlich die Einkaufspreise infolge des Krieges, insbesondere durch hohe Frachten, Versicherungs-Spesen, hohe Kurse des ausländischen Geldes bedeutend höher, als in Friedenszeiten, wie dieses auch bei vielen anderen Artikeln der Fall ist. Also ruhig Blut!

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

     

Eine sehr beachtenswerte Erfindung. Das kaiserliche Patentamt hat einem unserer Mitbürger Herrn Wilhelm Heyden, Präparator am anatomischen Institut in Bonn, Meckenheimer Allee 3, die Erfindung einer künstlichen Hand gesetzlich geschützt. Nachdem in letzter Zeit von Amerika aus vielfach Anerbietungen für Handersatz zu sehr hohen Preisen nach Deutschland gekommen sind, verdient die Erfindung dieses unseres Mitbürgers umsomehr Beachtung, als die Hand fabrikmäßig herzustellen ist und daher zu einem sehr bescheidenen Preise auch an Minderbemittelte geliefert werden kann. Der Erfinder hat ihr den Namen: „Künstliche Arbeits- und Gebrauchshand des Menschen“ gegeben. Die Erfindung baut sich auf dem System der natürlichen menschlichen Hand auf. Die Hand kann an jedem bereits getragenen künstlichen Arm angebracht werden; sie ist abnehmbar und kann durch eine Arbeitsprothese ersetzt werden. Diese Hand ermöglicht ihrem Träger, leichte und auch schwere Gegenstände (bis zu 20 Pfund und darüber) zu tragen. Die Bedienung der künstlichen Hand geschieht durch die natürliche Hand des Trägers. Der ganze Mechanismus ist der denkbar einfachste. Reparaturen sind sozusagen ausgeschlossen. Soweit die künstliche Hand Gegenstände und Werkzeuge nicht selbst halten und bedienen kann, ist an ihr ein Universalgriff anzubringen, in den Feilen, Stoß- und Lochsägen usw. eingespannt werden können. Verschiedene Abbildungen der künstlichen Hand sind im Schaufenster unserer Geschäftsstelle in der Sürst ausgehängt.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

Godesberg, 30. Dez. Die erste Sendung Eier aus Oesterreich-Ungarn und zwar über 14.000 Stück sind heute für die Gemeinde eingetroffen. Der Verkauf findet von Freitag vormittag 9 Uhr ab im Geschäft W. Kruse, Coblenzerstraße statt. Der Verkauf geschieht nur gegen Vorzeigung des Brotbuches. Das Stück kostet 16 und 18 Pfg. und werden nur bis 10 Stück verkauft. Gleichfalls ist eine neue Sendung Molkereibutter angekommen. Der Verkauf findet ebenfalls von Freitag vormittag an statt im Volksspeisehaus.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Von Nah und Fern“)