Dienstag, 23. November 1915

    

Anzeige im General-Anzeiger vom 23. November 1915Krieger-Heimstätten. Die Erfahrung, welche unser Vaterland nach dem Kriege 1870/71 machen mußte, daß nämlich in der sogen. „Gründerzeit“ eine wilde Bodenspekulation Platz griff, welchen den Grund und Boden in unseren Städten maßlos verteuerte und ebenso den Preis der Mietwohnungen auf ein Uebermaß hinaufschnellen ließ – Uebelstände, die auch heute noch andauern –, lassen befürchten, daß diesmal nach Abschluß des großen Krieges ähnliche Erscheinungen eintreten. Es darf nicht sein, daß unsere zahllosen heimkehrenden Krieger plötzlich ohne Grund höhere Mieten bezahlen oder gar, weil sie mit einer großen Familie gesegnet sind, keine erschwingliche Wohnung finden. Hat man doch 1871 und in den folgenden Jahren in manchen Großstädten für wohnungslose Krieger Baracken bauen müssen! Es ist daher in Deutschland eine große Bewegung im Gange, welche ein Wohnungs- und Siedelungsgesetz fordert, damit unseren heimkehrenden Kriegern und den Angehörigen unserer gefallenen Helden die Möglichkeit gegeben wird, sich eine gesunde Wohnung und einen festen Sitz in dem neu erkämpften Vaterlande zu erwerben, der nicht durch die geschäftlichen Rücksichten des Bodenhandels bedroht werden kann. Hier liegt eine Lebensfrage für die gesunde Gestaltung der inneren Verhältnisse im neuen Reich vor, deren Wichtigkeit nicht laut genug betont werden kann. Es ist ein Verdienst des Liberalen Bürgervereins, daß er zu einer öffentlichen Besprechung dieser Angelegenheit am Donnerstag, den 25. ds. [Monats], abends 8 ½ Uhr im Gartensaal des „Hähnchen“ Gelegenheit gibt. Herr Pfarrer Strauß hat es in dankenswerter Weise übernommen, die grundlegenden Gesichtspunkte der Bewegung zur Schaffung von Kriegerheimstätten in einem Vortrag darzulegen. Daran wird sich dann eine freie Aussprache knüpfen. Z dieser Versammlung sind die Mitbürger und Bürgerinnen aller Parteien eingeladen.

Durchsucht Kisten und Kasten! Fast in allen deutschen Staaten wird jetzt mit behördlicher Befürwortung und Unterstützung die Reichssammlung Vaterlandsdank durchgeführt. Zahlreiche Vorstände von Frauenvereinen, vom Roten Kreuz und anderen Wohlfahrtseinrichtungen haben sich in den Dienst der guten Sache gestellt, mit großem Erfolg beteiligen sich auch die Schulen an dem Sammeln von entbehrlichem Gold und Silber und Schmuck aller Art, goldenen und silbernen Uhren, silbernem Tischgerät, Ketten, Münzen und Medaillen, goldenem Zahnersatz und ähnlichem. So kommt aus Kisten und Kasten nutzlos Umherliegendes in solcher Menge zusammen, daß die Hauptgeschäftsstelle des Vaterlandsdankes zur dritten Kriegsanleihe für die Witwen und Waisen der im Kriege Gefallenen bereits ½ Million Mark zeichnen konnte. Noch liegen große Mengen solcher dinge ungenützt umher, deshalb sammelt der Vaterlandsdank weiter und gibt jedem Spender zur Erinnerung an unsere große Zeit einen Ring aus dem von der Firma Krupp gestifteten platinähnlichen, nicht rostenden Eisen, zu dem Professor Peter Behrens den Entwurf geliefert hat.

Verbotener Hausanstrich. Nach einer früheren Verordnung des Bundesrats durften die Außenseiten der Häuser, Mauern und Zäune nicht mehr mit Farben angestrichen werden, zu deren Herstellung Bleiweiß und Leinöl verwendet worden ist. Eine neue Verordnung setzt statt der Worte „Bleiweiß und Leinöl“ die Worte „pflanzliche oder tierische Oele“, so daß es also verboten ist, Häuser, Mauern und Zäune mit Farben anzustreichen, zu deren Herstellung pflanzlich oder tierische Oele verwendet worden sind.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

   

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 23. November 1915Das neue Johanniter-Krankenhaus (Friedrich Wilhelm-Stift) wird morgen (Mittwoch) nachmittag feierlich seiner Bestimmung übergeben. Mit ihm hat unsere Stadt ein Krankenhaus erhalten, das nach allen Regeln der Baukunst, die nur für solche Zwecke in Betracht kommen können, errichtet ist, das aber auch in jeder Beziehung den weitesten Ansprüchen, die Krankenpflege und ärztliche Wissenschaft heute an ein Krankenhaus stellen, erfüllen wird. (...)
   Das Johanniter-Krankenhaus ist eng umschlossen von großen noch in der Entwicklung befindlichen Gärten. Weite Rasenflächen umstehen schlanke Bäume und sparsam gesetzte Gesträuche. Die Zeit wird aus dem all einen hübschen Park machen, mit kühlen schattigen Pfaden und sonnigen Wiesen.
   Der Gesamteindruck: Alles wie es einem Krankenhaus unserer heutigen Zeit zukommt.
   Kluger Sinn hat hier trefflich gewaltet.

Ueber Kriegsbeschädigte und Ersatz für verlorene Glieder sprach gestern abend im großen Hörsaale der Fortbildungsschule Prof. Dr. F. A. Schmidt vor einer zahlreichen Zuhörerschaft. „Der entsetzliche Krieg wird einmal zu Ende gehen; dann handelt es sich darum, den heimgekehrten verstümmelten Kriegern die Sorgen abzunehmen und sie mit geeigneten Waffen zu versehen, den Kampf um das Dasein wieder aufzunehmen. Die Zahl der Verstümmelten wird sehr viel größer sein, wie nach den früheren Kriegen, weil die heutige Wundheilkunde viel mehr Leben erhalten konnte, die früher verloren waren. Für diese Kriegsbeschädigten, die Verluste an Beinen, Armen, Händen erlitten, handele es sich Ersatz für die verlorenen Glieder zu schaffen; das sei gelungen. Anzustreben sei, die beschädigten Leute ihrem Berufe zu erhalten; grundsätzlich werde davon abgesehen „Pöstchen“ zu schaffen. (...)
   Dann bat Herr Prof. Schmidt ein lebendes und sehr beredtes Beispiel dieser Art auf die Bühne, Herr Natius aus Godesberg. Unser Landsmann verlor 1878 durch einen Sensenschlag seine linken Unterarm. Er war gelernter Schlosser und verzweifelte fast an seinem Geschick. (...) Da ersann er denn den eisernen Arbeitsarm, wie ihn jetzt unsere Ärzte auch für unsere Kriegsbeschädigten empfehlen.
   Dieser eiserne Arm ließ Herrn Natius dann arbeiten, daß es eine Art hatte. Rasch saß das Geschirr im Haken und dann flog der Spaten, flog die Schüppe durch die Luft, die Axt zischte nur so daher und ein 30pfündiger Zuschlagshammer wirbelte nach allen Richtungen durch die Luft und die schwere Spitzhacke sauste um sein Haupt: „Diese Schule breche ich ab, eine Kleinigkeit; ich fälle meterdicke Eichen, schachte mit dem besten Arbeiter um die Wette; ich schnitze und schmiede, und ich treibe die schönsten Humpen aus dem sprödesten Metall.“ So arbeitete der Kunstarm und so gingen mit urwüchsigem Humor die Reden. (...)
   Allen unsren wackeren kriegsbeschädigten Kriegern aber wünschte Herr Prof. Dr. F. A. Schmidt die Arbeitslust, den eisernen Willen, aber auch den goldnen Humor unseres Natius. Großer Beifall dankte dem Redner für Vortrag und für die Gelegenheit, Herrn Natius arbeiten zu sehen.

Zusammenstoß. Auf der Rheinbrücke stieß heute morgen ein Straßenbahnwagen mit einem Fuhrwerk zusammen, das Schweine geladen hatte. Das Fuhrwerk wurde zertrümmert und die Schweine stoben nach allen Richtungen auseinander. Der Verkehr auf der Rheinbrücke war längere Zeit gestört.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Godesberg, 21. Nov. In der vorigen Nacht drangen Diebe in das Ladenlokal eines Kaffeegeschäfts am Eingang in die Bonnerstraße ein und raubten außer dem im Geschäft zurückgelassenen Kassenbestand noch größere Mengen von Waren an Kaffee, Schokoladen, Feingebäck und dergleichen. Auf der Theke fand man des Morgens ein scharfes Messer vor, das die Diebe zurückgelassen hatten.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und Fern.“)