Freitag, 24. September 1915

  

Die zum Tode verurteilte Witwe Höfer sei Mittwoch im Hofe des Frauengefängnisses erschossen worden, meldete gestern ein hiesiges Blatt. Die Nachricht ist falsch. Das vom außerordentlichen Kriegsgericht gefällte Todesurteil ist, wie wir nach unseren Erkundigungen feststellen können, noch nicht zur Vollstreckung reif. Witwe Höfer hat bekanntlich ein Gnadengesuch einreichen lassen, dieses Gesuch ist noch nicht entschieden.

Die Ausfuhr von Fässern, neuen und gebrauchten, die zum Abfüllen von Wein benutzt werden können, aus dem Befehlsbereich des 8. Armeekorps in das Ausland ist vom kommandierenden General des 8. Armeekorps und vom Gouverneur der Festung Köln verboten worden.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 24. September 1915Praktische Liebestätigkeit. Was es heißt, praktische Liebestätigkeit auszuüben, zeigten am Mittwoch sechs Waldorfer Schüler, die unter Führung ihres Lehrers dem Lazarett der Barmherzigen Brüder einen Besuch abstatteten und die Verwundeten durch reichliche Obstspenden erfreuten, während der Lehrer Tabak und Zigaretten verteilte. Die ganze Schulklasse hatte das Obst bei den Bürgern der Gemeinde Waldorf in so großer Menge eingesammelt, daß außer dem Tafelobst für die Verwundeten auch die Lazarettküche der Brüder mit mehreren Zentnern Kochobst und frischem Gemüse bedacht wurde. Eigenhändig durften die munteren Jungen ihre Liebesgaben von Bett zu Bett austeilen und die Dankesworte der durch den unerwarteten Besuch hoch erfreuten Soldaten in Empfang nehmen.

Der Verein Bonner Buchdruckereibesitzer schreibt uns: Ueber das Buchdruckgewerbe in der Kriegszeit hat der Vorstand des Deutschen Buchdruckervereins ein Merkblatt her-ausgegeben, dem wir folgendes entnehmen: Das Buchdruckgewerbe ist vom Kriege ganz besonders hart betroffen worden. Es wurden mit Kriegsbeginn fast alle Aufträge aus den Druckereien zurückgezogen, die Ausgabe von Katalogen und anderen Werbemitteln des Handels und der Industrie unterblieb. Für geschäftliche und private Drucksachen war kaum noch Bedarf, und der Verlagshandel stellte seine Tätigkeit so gut wie ganz ein. Das Erscheinen der meisten Fachzeitschriften wurde eingestellt oder unterbrochen, mindestens stark eingeschränkt. Diese mit Kriegsbeginn sich einstellende Geschäftslage besserte sich etwas, als vor Weihnachten eine gewisse Neubelebung des Geschäftsganges eintrat. Es setzten aber fast gleichzeitig auch neue Schwierigkeiten ein dadurch, daß mehr und mehr Personal eingezogen wurde und vor allen Dingen durch die Verteuerung und den manchmal gänzlichen Mangel an wichtigen Materialien. Farben, Maschinenöle, Waschmittel usw. stiegen zu bisher unbekannten Preisen an, Papiere waren schwierig und nur unter bedeutender Mehrzahlung zu beschaffen, und alle im Betriebe benötigten Metalle wurden beschlagnahmt und waren zeitweise selbst zu den höchsten Preisen nicht käuflich. Auch die Löhne sind gestiegen, denn obgleich der von der Tarifgemeinschaft der Deutschen Buchdrucker zuletzt für die Jahre 1912 bis 1916 vereinbarte Lohntarif von beiden vertragschließenden Parteien, den Arbeitgebern und Arbeitnehmern, auch unter den so schwierigen gegenwärtigen Verhältnissen gewissenhaft durchgehalten worden ist, so hat doch einesteils die Lebensmittelverteuerung und andernteils der Mangel an Personal eine sehr empfindliche Steigerung auch der Lohnauslagen mit sich gebracht. Es leuchtet wohl ohne weiteres ein, daß ein solcher Zustand nicht auf die Dauer ertragen werden kann. Alle Gewerbe haben schon längst Preiserhöhungen eintreten lassen. Da kann dem Buchdruckgewerbe ein wenigstens teilweiser Ausgleich nicht verweigert werden. Alle Auftraggeber des Buchdruckgewerbes werden somit gebeten, dem Ersuchen der Buchdruckereien um eine Aufbesserung der Preise zu entsprechen, die je nach den Umständen verschieden zu bemessen ist, mindestens aber 10 Prozent betragen wird. Eine große Anzahl staatlicher und städtischer Behörden, an ihrer Spitze die Kgl. Preußischen Ministerien der Finanzen und des Innern, haben nach Prüfung der einschlägigen Verhältnisse dem Verlagen um Erhöhung der bisherigen Preise bereits Folge gegeben und entsprechende Zuschläge bewilligt.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 24. September 1915Etwas mehr Geduld! In allen Berufen häufen sich die Klagen, daß die Leute so ungeduldig sind, wenn sie einen Auftrag erteilen. Das Publikum kann sich scheinbar nicht daran gewöhnen, daß in Kriegszeiten andere Verhältnisse herrschen, als in Friedenszeiten. Die Mehrzahl der Männer steht im Felde. Manchen Betrieben, die sonst mit 20 Leuten arbeiten, stehen jetzt 2 bis 3 Mann zur Verfügung. Die natürliche Folge davon ist, daß die Arbeiten nicht so schnell erledigt werden können, wie früher. Das sollte sich jeder sagen und infolgedessen etwas geduldiger sein. In Wirklichkeit ist das Publikum aber ungeduldiger, wie selbst in Friedenszeiten. Möglich, daß man innerlich unruhiger ist, wehriger! um nicht das beliebte Wort nervös zu gebrauchen. Alle Berufe leiden darunter. Dabei ist es in der Tat gar nicht so schlimm. Noch können alle Arbeiten erledigt werden.

Seid verschwiegen! Die Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie übergibt ihren Mitgliedern nachfolgenden Mahnruf zur Bekanntgabe in den Fabrikbetrieben: „ An die deutschen Arbeiter! Seid verschwiegen! Keine deutsche Erfindung, kein deutscher Fortschritt darf unseren Feinden zugute kommen. Das Wohl des Vaterlandes gebietet strengste Geheimhaltung! Ihr seid die Hüter dieser Geheimnisse! Wer über das, was er in seiner Arbeitsstätte hört und sieht, nicht zu schweigen weiß, begeht Landesverrat, der mit schweren, entehrenden Strafen gesühnt wird. Er leistet dem Feinde Vorschub, und seine Brüder im Feld müssen sein Verbrechen mit ihrem Blute büßen. Feindliche Spione sind bestrebt, Euch unter der Maske des Vaterlandsfreundes auszuforschen. Jede unbedachte Aeußerung kann unermeßlichen Schaden für Euch und Euer Vaterland zur Folge haben. Laßt Euch nicht ausfragen!“

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)