Freitag, 23. April 1915

  

Stadtverordneten-Ersatzwahl. Am Mittwoch fand die Ersatzwahl für den verstorbenen Stadtverordneten Wessel statt. Es wurde in der 1. Wählerklasse für die Vororte Herr Direktor Roßberg mit 8 Stimmen gewählt. Ein Gegenkandidat war nicht aufgestellt.

Notprüfungen für die oberen Klassen der höheren Schulen sollen auch in diesem Jahre stattfinden, frühestens am 1. Juli. Den Obersekundanern und Unterprimanern wird die Reife für die nächst höhere Klasse zugesprochen, wenn sie nachweisen, daß sie als Kriegsfreiwillige im Heer oder in der Marine eingetreten sind. Dasselbe geschieht bei denen, die sich für das Rote Kreuz und das Etappengebiet verpflichten. Für die Schüler der Obersekunda und Unterprima kann von einer Prüfung abgesehen werden und der Lehrkörper über die Reife entscheiden.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten")

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 23. April 1915Die Gummisammlung, die gestern auf Veranlassung verschiedener Wohlfahrtsvereinigungen auch hier in Bonn abgehalten wurde, hatte ein gutes Ergebnis. Unsere jugendlichen Sammlerinnen, Pfadfinder und Schüler haben ja schon Erfahrung mit „Fechten“ von der großen Wollsammlung her. Mit geschmückten Karren gings denn auch gestern von Haus zu Haus und schon gegen Mittag sah man Handwagen, die hoch mit Fahrradgummireifen, Schläuchen und alten Gummischuhen beladen waren. Gar mancher Familienvater wird im Herbste vergebens nach seinen Gummischuhen suchen, die noch gut zu gebrauchen waren, wenn sie nur ein wenig geflickt worden wären. Auch mancher Radfahrschlauch, der von dem sparsamen Hausvater als Flickmaterial benutzt wurde, ist verschwunden. Man konnte doch nicht gut die Sammlerinnen mit leeren Händen wegschicken. Und Recht hatten die Hausfrauen. Kommt Zeit, kommt Rat. Die Hauptsache ist augenblicklich, daß so viel wie möglich zum Wohle unserer Krieger gesammelt wird.

Eine Flaschenpost wurde gestern nachmittag hier im Rhein aufgefischt. Sie enthielt ein gelbweißes Fähnchen und einen Zettel, auf dem die Verwundeten des Res.-Lazaretts zu Rolandseck „Station Anker“ die besten Grüße übermitteln. Die Flaschenpost hatte die Reise nach Bonn in wenigen Stunden zurückgelegt, denn die Flasche war erst gestern vormittag ½ 11 Uhr dem Rhein übergeben worden.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Godesberg, 22. April. Laut Beschluß des Kur- und Finanzausschusses soll für die Dauer des Krieges von der Erhebung einer Kurtaxe abgesehen werden. Das Lesezimmer im Kurparksaal bleibt geschlossen. Kurkonzerte sollen bei dem Ernst der Zeit nicht veranstaltet werden. Für die Benutzung des Stahlwassers zum Trinken werden Monatskarten für 2 Mark ausgegeben.

Godesberg-Muffendorf, 22. April. Unsere ganze Muffendorfer Gemarkung steht gegenwärtig wiederum in dem weithin bekannten Zauberkleide der karminroten Pfirsichblüte, wie es in einem derart ausgedehnten Maßstabe selten anderswo noch anzutreffen ist. Der Besuch von auswärts war auch im Laufe dieser Woche schon recht beträchtlich und wird zweifellos am nächsten Sonntag seinen Höhepunkt erreichen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Von Nah und fern“)

   

Anzeige im General-Anzeiger vom 23. April 1915Gegen Kurpfuscherei und Reklamesucht. Das stellvertretende Generalkommando des 7. Armeekorps gibt folgendes bekannt: Auf Grund des § 9b des Gesetzes über den Belagerungszustand vom 4. Juni 1851 wird hiermit angeordnet: 1. Anzeigen, in denen die Heilung irgendwelcher Krankheiten von nicht approbierten Aerzten angekündigt wird, werden verboten. 2. Das Heer oder die Kriegslage in Wort oder Bild für private Reklamezwecke auszunutzen, wird verboten.

Schwindler in Krankenpflegerkleidung. Vor einigen Tagen erschien bei einer Dame in der Simrockstraße ein angeblicher freiwilliger Krankenpfleger aus Kreuznach und gab an, ein Neffe der Dame aus Kreuznach, der als Unteroffizier im Felde steht, sei schwer verwundet in einem Lazarett in Frankreich eingeliefert worden und habe ihn gebeten, der Dame in Bonn Mitteilung von seiner Verwundung zu machen. Der Krankenpfleger erklärte sich bereit dafür zu sorgen, daß der Neffe nach Bonn in ein Lazarett komme. Er komme in einigen Tagen wieder zu demselben Lazarett und da er den Leitenden Arzt gut kenne, sei es ihm leicht, für die Ueberführung nach Bonn zu sorgen. Der Krankenpfleger erhielt dann von der Dame Geld und Sachen für den Neffen, sowie Verpflegung und Quartier. Aus Briefen des angeblich verwundeten Unteroffiziers ist nunmehr festgestellt worden, daß die ganze Sache auf Schwindel beruht und es dem „Krankenpfleger“ nur darauf ankam, die Dame um Geld und Sachen zu betrügen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten")