Sonntag, 2. August 1914

Am 1. August hatte Deutschland mobil gemacht und Russland den Krieg erklärt, nachdem eine Antwort auf das deutsche Ultimatum ausgeblieben war. Die französische Regierung hatte ihrerseits die Mobilmachung angeordnet und erklärt, dass sie gemäß dem eigenen Interesse handeln würde.
Bereits in der Nacht auf den 2. August hatten die Bonner Königshusaren die Stadt in Richtung Luxemburg verlassen. Unter den Klängen des Volkslieds Muss i denn zum Städtele hinaus und mit brennenden Fackeln in den Händen reitet die Kompanie durch ein dichtes Spalier von ihnen zuwinkenden Bonner Bürgern zu ihrem Verladebahnhof.

 

31. Juli 1914

Es grollte von Ost, es grollte von West,
Am Himmel zuckt es von Flammen,
Wir standen, die Faust um die Schwerter gepresst,
Und bissen die Zähne zusammen.

Wir standen und schwiegen – nun ist es vorbei!
Vorbei das Zaudern und Zagen!
Hin über die Lande schwingt sich ein Schrei:
Ihr wollt es, so sollt ihr es tragen!

O Stunde im letzten Juliglanz,
Vernimm's aus unendlichen Reihen:
Wir lassen den Boden des Vaterlands,
Den heiligen, nicht entweihen!

Wir standen besonnen, Gewehr bei Fuß,
Und bissen die Zähne zusammen,
Nun ist es vorbei! Dir Volk mein Gruß!
Es reißt uns hinein in die Flammen!

Die Stirnen empor! Die Fahnen voran!
Zum Walle auf an die Grenzen!
Und reiten wir heim, so sollt ihr dann
Mit deutschem Eichlaub uns kränzen!

Rudolf Geck.

(Bonner General-Anzeiger, Titelseite)

 

Städtische Sparkasse. Man schreibt uns von zuständiger Seite: Da die Abhebungen an der Städtischen Sparkasse in einer Weise fortdauern, welche das notwendige Maß überschreitet, so hat der Verwaltungsrat beschlossen nur bei Beiträgen, die 300 Mk. nicht überschreiten, auf die vereinbarte Kündigung zu verzichten. Die Kölner Sparkasse ist schon gestern mit der gleichen Bestimmung vorangegangen, eine andere hiesige Sparkasse zahlt nur bis zu 100 Mk. ohne Kündigung aus.

Nach erfolgter Mobilmachung müssen alle Kündigungsfristen eingehalten werden, nur Beträge bis 150 Mk. können dann von 8 zu 8 Tagen ohne weiteres abgehoben werden.

Zu dieser Maßnahme gibt keineswegs eine mangelnde Bereitschaft der Sparkassengelder Anlaß, sondern lediglich das Interesse der Allgemeinheit und die gebotene Rücksicht auf die kleinen und kleinsten Sparer. Wie bisher wird in der Folge die Verwaltung bei Handhabung der beschlossenen Bestimmungen Härten möglichst zu vermeiden suchen.

Unberechtigte Preistreibereien. Auf dem Markte wurden am Samstag morgen 12 Mark für den Zentner Kartoffel verlangt, einer der Händler wurde deshalb verprügelt, für Brot wurde ein Aufschlag von 10 Pfg. verlangt, Brötchen wurden nur noch drei für 10 Pfg. gegeben. Viele größere Lebensmittelgeschäfte haben vollständig geschlossen, andere „wegen Militärlieferung“ für halbe Tage. Diejenigen Kolonialwarengeschäfte, die ihre Verkaufsräume offen halten, werden von den Hausfrauen belagert. Salz, Zucker, Mehl usw. sind ebenfalls um 5 Pfg. und mehr im Preise gestiegen. In Poppelsdorf und hier in der Altstadt wurden gestern Geschäfte, die übermäßig hohe Preise verlangten, von der Behörde geschlossen.

Gegenüber diesen unerhörten und, wir möchten es nochmals betonen, absolut unberechtigten Preistreibereien, ist es nunmehr die höchste Zeit, daß die Behörde energisch einschreitet. Es müssen, wie das schon in anderen Städten geschehen ist, Zwangspreise festgesetzt werden. Es ist bedauerlich, daß es so weit gekommen ist. Aber es geht nicht mehr anders. Die Bevölkerung hat das Vertrauen zu der Behörde, daß sie gründlich Abhülfe schafft, aber sie verlangt es auch.

Nochmalige Aufklärung. Das Publikum und die Geschäftsleute weigern sich hier und da immer noch, Banknoten in Zahlung zu nehmen. Es ist das ein Zustand, der, wie ausdrücklich bemerkt werden muß, überall noch in der Kriegspanik Erscheinung fand und der auch bei uns durchaus erwartet wurde. Mit Rücksicht darauf hat die Reichsbank in den letzten Monaten Gold in starkem Maße an sich gehalten und bezogen. Jede Banknote ist eine Forderung an die Reichsbank. Die Reichsbank ist in heutigen Zuständen der sicherste Schuldner, der überhaupt existiert. Jede Banknote ist durch Gold und erstklassige Forderungen an Banken und Industrie gedeckt. Es ist töricht, Banknoten nicht in Zahlung zu nehmen. Nach der Panik tritt überall der ordnungsmäßige Verkehr wieder ein.

Zur Truppenverpflegung in Bonn. Professor Dr. F. A. Schmidt, der auch der schon in früheren ernsten Fällen, wenn wir nicht irren, auch im Jahre 1870/71, sich um die Kranken und Verwundeten bemüht hat, erlässt im Anzeigenteil eine Aufforderung an die Mitglieder des Bonner Turnvereins.

Die Mitglieder des Bonner Turnvereins, die bereit sind, sich im Kriegsfalle an der Erfrischung durchfahrender Truppen zu beteiligen, sowie sich für den Transport Verwundeter vom Bahnhof oder vom Schiff zu den Lazaretten zur Verfügung stellen wollen, vereinigen sich am kommenden Mittwoch (abends 9 Uhr) in der Turnhalle in der Hundsgasse zu einer Besprechung und ersten Uebung. Auch Mitglieder anderer Turnvereine sind herzlich willkommen.

Der Reiseverkehr ist jetzt mit außerordentlichen Schwierigkeiten verknüpft. Gepäck wird kaum befördert. Wie uns ein Bonner Mitbürger, der heute aus Neapel über Basel nach Bonn zurückkehrte, mitteilte, liegen auf dem Bahnhof Basel mindestens 10 000 Gepäckstücke, die nicht befördert werden. (...) Auch von anderen Reisenden wird uns berichtet, daß die Beförderung des Gepäcks und die persönliche Beförderung augenblicklich mit unendlichen Schwierigkeiten verknüpft ist, ja vielerorts überhaupt nicht erfolgt, oder daß man zum mindestens stundenlang die Reise im Abteil stehend zurücklegen muß. Es ist dies natürlich nur ein vorübergehender Zustand. Man darf erwarten, daß in kurzer Zeit auf den Bahnen wieder ein verhältnismäßig geregelter Verkehr stattfinden wird.

Auf dem hiesigen Staatsbahnhof herrscht seit Verhängung des Kriegszustandes ein Andrang, wie er sonst selbst nicht zu Pfingsten vorkommt. Sämtliche Ausländer, namentlich Franzosen und Holländer, reisen seit Freitag nachmittag von hier wieder in ihre Heimat zurück, ebenso viele Studierende und Schülerinnen der hiesigen Pensionate. Die Züge haben meist über eine Stunde Verspätung, auch die Nachtzüge. Der Güterverkehr ist seit Freitag vollständig eingestellt. Ein Berg von Koffern lagerte am Freitag bis spät abends auf dem Bahnhof-Vorflur, sogar auf der Straße vor dem Bahnhofsgebäude waren Gepäckstücke haufenweise aufgestapelt.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Über die Einstellung von Nicht-Gedienten und Freiwilligen. Aufgrund des § 98 der Heer- und Wehr-Ordnung kann sich jede Persönlichkeit, die ihrer Dienstpflicht noch nicht genügt hat, bei Ausbruch der Mobilmachung einen Truppenteil Amtliche Bekanntmachung in der Bonner Zeitung vom 2. August 1914(Ersatzbataillon etc.) nach Belieben melden. Wenn er dies nicht tut, wird bei der bald einsetzenden Aushebung über ihn verfügt. Als Kriegsfreiwillige können sich solche Leute bei einem Ersatztruppenteil melden, die keine gesetzliche Verpflichtung zum Dienst mehr haben, ferner jugendliche Personen zwischen 17 und 20 Jahren, soweit sie sich nicht in solchen Bezirken aufhalten, in denen der Landsturm aufgeboten ist. In Bonn meldeten sich gestern abend gleich nach dem Bekanntwerden des Mobilmachungsbefehls Hunderte von Freiwilligen bei der städtischen Geschäftsstelle für Militärangelegenheiten. Der Andrang war so groß, dass die Menge der Freiwilligen zeitweise den Verkehr in der Rathausgasse sperrte.

Das Heraustreiben von Vieh aus dem Befehlsbereich der Festung Köln ist, seitdem die Mobilmachung befohlen wurde, verboten. Zum Befehlsbereich gehören u.a. Bonn-Stadt, Euskirchen, Siegburg (...)

Bonner Liedertafel e.V.: Das für heute Sonntag, 2. August angesagte Konzert wird verschoben. Schon gelöste Karten behalten ihre Gültigkeit.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten“)

  

Meldung von Freiwilligen in Bonn.

In Bonn haben sich nach Bekanntwerden der Mobilmachungs-Ordre bereits mehrere hundert Freiwillige gemeldet.

(Bonner General-Anzeiger, Extrablatt, Titelseite)

Einer derjenigen, die in den ersten Kriegstagen aus ihrem privaten und beruflichen Umfeld gerissen werden, ist der berühmte Maler August Macke. Er war erst Ende Juni wieder nach Bonn zurückgekehrt. Die letzten Wochen hatte er geradezu in einem Schaffensrausch verbracht und dabei 36 Bilder vollendet, von denen einige heute zu den Hauptwerken des Rheinischen Expressionismus gezählt werden. Der zweifache Familienvater, Jahrgang 1887, ehemaliger Einjährig-Freiwilliger und Vizefeldwebel der Reserve, sollte bereits am zweiten Mobilmachungstag bei dem in der Ermekeil-Kaserne stationierten Rheinischen Infanterie-Regiment Nr. 160 einrücken.

Liebe Mama            
Gestern abend schrieb ich Dir einen Brief, der aber noch nicht wegging, da geschlossene Briefe nicht mehr befördert werden. (...) In der Nacht zogen die Husaren mit Fackeln an uns vorbei. Ich muß morgen, Montag, eintreten, am Freitag rücken wir wahrscheinlich ab. (...) Ja, Ihr Lieben, jetzt erleben wir etwas. Aber wir wollen die Kerle schon vermöbeln. (...) Meine Adresse ist: Vizefeldwebel Macke 5/160, VIII. Armeekorps. (...)

(August Macke an seine Mutter)