Samstag, 27. Februar 1915 

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 27. Februar 1915Universität. Unsere Studenten als Kriegsteilnehmer. Bis jetzt haben die Ermittlungen ergeben, daß von dem im laufenden Halbjahr eingeschriebenen 3915 Studierenden 2702 oder rund 60 Prozent dem Heer eingereiht sind. Es entfallen auf die kath-theol. Fakultät 59 Proz., die evgl.-theol. 79 Prozent, die juristische 70 Proz., die medizinische 81 Proz. und die philos. 67 Prozent.

Bonner Wehrbund. Die Kessenicher Abteilung des Wehrbundes veranstaltet am Sonntag abend um 8 Uhr im Saal der Frau Schumacher in Kessenich einen Vortragsabend, bei dem Herr Professor Dr. Clemen über den Krieg in den deutschen Kolonien sprechen wird. Es werden auch noch andere Ansprachen gehalten und dem Geiste der Zeit und des Wehrbundes entsprechende Veranstaltungen dargeboten werden. Alle Mitglieder und Freunde des Wehrbunds sind mit ihren Familien zum Besuch dieses Abends eingeladen.

Eine Einschränkung des Automobilverkehrs. Der Bundesrat hat eine Verordnung betr. die Einschränkung des Verkehrs mit Kraftfahrzeugen erlassen. Die Notwendigkeit, mit den vorhandenen Vorräten an Gummi, Treiböl und Schmieröl hauszuhalten, rechtfertigt eine Maßnahme, die diese für unsere Industrien so wichtigen Rohstoffe einer in Kriegszeiten entbehrlichen Verwendung im Dienste des Luxus und der Bequemlichkeit entzieht. Durch die neue Verordnung wird der Verkehr von Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Straßen und Plätzen von dem 15. März d. J. an von einer erneuten Zulassung abhängig gemacht, die nur erteilt werden darf, wenn für den Verkehr des Fahrzeuges ein öffentliches Bedürfnis besteht. Wird so einerseits Vorsorge dahin getroffen, daß von den rund 50.000 Kraftfahrzeugen, die zurzeit noch im Verkehr sein dürften, in Zukunft etwa die Hälfte von den Straßen verschwinden wird, so sind doch andererseits Ausnahmen in genügendem Umfange vorgesehen, um berechtigten Interessen auch fernerhin zu genügen. So soll der Verkehr mit Kraftomnibussen und Kraftdroschken, wenn auch in eingeschränktem Maße, aufrecht erhalten werden. Insbesondere werden bei der Zulassung von Lastkraftzeugen die Bedürfnisse des Gewerbebetriebes angemessene Berücksichtigung finden.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 27. Februar 1915Reichswollwoche. Um hervorgetretenen Zweifeln zu begegnen, wird darauf hingewiesen, daß der letzte Ablieferungstermin für die aus den Ergebnissen der Reichswollwoche hergestellten Decken an die Heeresverwaltung oder die von dieser dafür bestimmten Annahmestellen, soweit dafür Bezahlung geleistet werden soll, der 28. Februar ist. Spätere Decken können nur wie Liebesgaben behandelt werden.

Stadttheater. Man schreibt uns: Der morgige Sonntag bringt eine Wiederholung der Faustaufführung, welche in den beiden ersten Vorstellungen so außerordentlich gefiel. Da wegen der langen Dauer der Vorstellung nicht jedem Goethe-Verehrer am Alltag genug Zeit verbleibt, sich dem Genuß einer guten Faust-Darstellung hinzugeben, so entspricht die morgige Wiederholung vielen Wünschen und einem ausgesprochenen Bedürfnis. Wer eine leichtere Kost liebt und auch in ernsten Zeiten sich erheitern will, was nicht minder einem berechtigten Bedürfnis entspricht, der besuche die Nachmittags-Vorstellung. Er wird bei dem neu einstudierten Moserschen Veilchenfresser auf seine Kosten kommen.

Schmückt mit Blumen die Bilder der gefallenen Helden. In Feindesland hat man Tausenden deutscher Söhne das Grab geschaufelt und fremde Erde deckt die Heldenleiber. Treue Kameradschaft hat die Ehrenhügel geschmückt mit Helmzier und grünem Reis. – Mit Blumen geschmückt zogen die Mutigen jubelnd hinaus in den Kampf und starben den Heldentod für Deutschlands reine, gerechte Sache. – Nicht ist es uns vergönnt, ihnen Blumen zu streuen aufs Grab, aber Blumen vermögen wir ihnen doch darzubringen. Spenden wir Blumen den Hinterbliebenen, auf daß sie das Bild ihrer Toten mit Blumen treuen Gedenkens schmücken können als Ausdruck tiefen Mitgefühls und ihnen zum Trost. – Mancher Schmerz wird gemildert, manche Träne getrocknet. – Schmückt mit Blumen die Bilder der gefallenen Helden.

Umprägung der Goldstücke. Die Reichsbank plant, wie schon früher mitgeteilt, alle eingezogenen Goldstücke umzuprägen und mit einem Lorbeerkranz zu versehen, um sie als „Mitkämpfer am Krieg“ kenntlich zu machen. Alle nach dem Krieg zum Vorschein kommenden Goldstücke, die diesen Lorbeerkranz nicht aufweisen, sollen von den öffentlichen Kassen nur mit erheblichem Kursverlust angenommen werden.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Von der Universität. Das Gerücht, an unserer Universität werde im kommenden Sommerhalbjahr nicht gelesen, ist ganz ohne Begründung. Es ist vielmehr für die Abhaltung aller erforderlichen Vorlesungen Sorge getroffen.

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 27. Februar 1915An dem Giebel des Hauses Rathausgasse Ecke Belderberg, dessen Umbau in der Kriegszeit vorgenommen wurde, ist ein Relief der Schutzpatronin der Artillerie, ein Standbild der heiligen Barbara, abgebracht worden. Darunter ist zu lesen:
Weil mit Mörsern und Haubitzen
In des Weltkriegs schwerer Zeit
Uns Sankt Barbara tat beschützen,
Ward dies Bildnis ihr geweiht.
            Erneuert 1914 – 1915

Abgabe von Schweinezuchtmaterial. Die Schweinezuchtstation der Landwirtschaftskammer für das veredelte deutsche Landschwein zu Haus Selbach bei Ründeroth, Kreis Gummersbach (Inhaber Gutsbesitzer E. Offermann zu Haus Selbach) hat zur Zeit noch eine größere Anzahl von Ebern im Alter von 4 – 11 Monaten und Sauen von 3 – 7 Monaten abzugeben. Interessenten können sich an den Stationsinhaber wenden.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 27. Februar 1915Millionen-Schwindel.
Je mehr Einzelheiten in der Steuerhinterziehungssache E Bötticher – Eitdorf bekannt werden, um so interessanten wird die Angelegenheit, um so mehr muß man sich fragen, „Wie ist es möglich, daß solche Betrügereien jahrelang unentdeckt bleiben, daß jahrelang der Staat um so riesige Summen hintergangen werden konnte?“
   Es handelt sich angeblich um mindestens 15 Millionen Mark, welches während eines Zeitraums von 18 Jahren hinterzogen worden sind. Für Eitdorf allein steht die Ziffer ziemlich genau fest: 2.300.000 Mark in 33 Monaten!
   B. stellte den Sprit ausschließlich aus Mais her. Es läßt sich ziemlich genau berechnen, wie viel Liter Sprit z.B. 1000 Klg. Mais ergeben. Fest steht, daß B. durch 2 Eitdorfer Firmen, aber auch von außerhalb sehr viel Mais erhielt. Ein Vergleich mit der Menge des versteuerten Sprits ergab eine gewaltige Differenz.
   „Wo ist der ganze Sprit geblieben?“ – „Er wurde mit der Bahn versandt.“
   „Wo sind die zur Feststellung erforderlichen Bücher?“ –
   „Sie sind leider beim Brand 1913 mit verbrannt.“
   „Güterabfertigung Eitdorf, über den Bahnversandt müssen Deine Bücher Auskunft geben, leg Deine Bücher vor.“ – und da stellte sich heraus, daß sämtliche Bücher, welche Versandtmenge, Bestimmungsorte, Namen der Empfänger enthielten – gestohlen waren. Und eigentümlicher Weise fehlten nur die Bücher, welche auf B.’s Spritversandt Bezug hatten. Der Dieb der Bücher wurde nicht ermittelt, man konnte aber auf andere Weise durch verschiedene Eisenbahndirektionen das Material ziemlich rekonstruieren.
   Jetzt wurde B. verhaftet, nach 2 Wochen aber gegen eine Kaution in Höhe von einer Millionen Mark – in Papieren – wieder freigelassen. Diese Kaution wurde nun vom Zollfiskus mit Arrest belegt und da stellte sich heraus, daß 2 Hypotheken in Höhe von 200.000 Mark von B. bereits im Jahre 1912 der Deutschen Bank in Cöln verpfändet waren.
   Wie uns berichtet wird, haben B. und seine Umgebung nach seiner Haftentlassung während mehrerer Wochen die feste Zuversicht gehabt, auch diesmal noch durch die Maschen schlüpfen zu können, da direkte Beweise gegen B. nicht vorlagen. Da wurde plötzlich das Versteck der angeblich verbrannten Bücher entdeckt, und damit war das Schicksal B.’s besiegelt und B. wurde erneut verhaftet.
   Bei dem Umfang des Materials, dem Leugnen der Beteiligten dürfte die Untersuchung sich noch einige Monate hinziehen.
   B. ist nun mit einem Male völlig mittellos geworden (!), denn er befindet sich als Untersuchungsgefangener in der Universitätsklinik und zwar in der niedrigsten Klasse.

(Volksmund, Rubrik „Bonner Angelegenheiten“)