Mittwoch, 20. Januar 1915

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 20. 1.1915Die Lebensmittelversorgung unserer Bevölkerung fordert: Bepflanzt alle brach oder ungenützt liegenden Grundstücke, oder überlasst sie unentgeltlich zur Bepflanzung an Minderbegüterte, oder stellt sie der Stadt Bonn zu diesem Zwecke zur Verfügung.

Allgemeine Studentenversammlung. Wie der Rektor unserer Universität bekannt gibt, findet am Freitag, den 22. Januar, abends 7 Uhr, im Auditorium XVIII eine Besprechung einer alle wehrfähigen Studierenden angehenden Angelegenheit statt. Das vollständige Erscheinen aller wehrfähigen Studierenden ist wegen der Wichtigkeit des Gegenstandes dringend erwünscht.

Die Literarhistorische Gesellschaft veranstaltet in diesem Winter drei Vortragsabende im Saal der Buchhandlung Friedr. Cohen, an welchen Geheimrat Professor B Litzmann vaterländische Dramen vortragen wird. Die Reihe wird am Montag, den 25. Januar, mit Kleists „Prinz von Homburg“ eröffnet.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Vaterländische Reden und Vorträge. (Zwanzigster Abend) Rabbiner Dr Emil Cahn: „Kriegerische Volkspoesie.“
Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 20. Januar 1915Das freie Landknechtsleben zog mit seiner wilden Buntheit und der frischen Lebensbejahung an den Augen der Zuhörer vorbei und mit ihm das deutsche Landsknechtslied, das noch heute erklingt. Das freie ungezwungene Leben mit Krieg und Sieg, Brand und Beute, Raufen und Saufen, Schlemmen und Prassen zeitigte eine Poesie, die sich durch die Jahrhunderte bis auf den heutigen Tag frisch erhalten hat. Das Große und Gemeine berühren sich in dieser Poesie. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts, als das deutsche Landsknechtswesen zu Ende ging, war es auch mit der kriegerischen Volkspoesie zu Ende. Es folgte eine sangesarme Zeit, die durch den 30jährigen Krieg und noch länger fortdauerte. Erst mit dem Wiederaufblühen des Soldatentums wagte sich die Volkspoesie wieder hervor. Es begann eine neue Epoche des Landsknechtsliedes, das beispielsweise den Soldatenkönig, den alten Dessauer, den alten Fritz und andere gewaltige Führer zum Gegenstand der Verherrlichung nahm. Von nun an wurde die Melodie entscheidend und blieb es bis auf den heutigen Tag. Die Melodie schaffte den Text und änderte den Text. Das Vaterlandsgefühl gewinnt in der kriegerischen Volkspoesie immer größeren Raum, das seit 1870/71 zum Grundton jedes Soldatengesanges geworden ist. „Liebe, Scheiden und Meiden, Freiheit, der gute Kamerad und der Tod auf freiem Felde, das sind die Leitmotive des Soldatenliedes. Wie echt und kraftvoll gesund diese Poesie ist, davon zeugen prächtige Proben, die Redner einstreute und damit eines jeden Zuhörers Herz erfreute. Was die Kriegspoesie unserer heutigen Zeit anlangt, so ist sie nicht – also meinte der Vortragende -, die der Zeitungen und der literarischen Blätter, sondern der Unbekannten, Unbenannten, die draußen im Felde stehen. Diese Kriegspoesie der Schützengräben, der Wachtposten, der Flieger usw. wird aber erst später nach dem Kriege ihre ewige Sprache reden.

Strickt Strümpfe! Es ist bekannt geworden, daß erfreulicherweise unsere Truppen im allgemeinen jetzt mehr als je mit warmen Unterkleidern versehen sind. Nur einzelne haben aus irgend einem Grunde von dem großen Zustrom nichts erhalten und müssen auch jetzt noch mit dem Nötigen versehen werden. Aber die augenblickliche günstige Lage soll uns nicht vergessen lassen, da die Wollsachen, die jetzt in den Händen unserer Krieger sind, halb aufgebraucht sein werden, und daß also nichts verkehrter wäre, als mit dem Stricken aufzuhören. Man halte sich also nach wie vor an die Beibringung von wollenen Socken, Pulswärmern, Handschuhen, Ohrenschützern, Halstüchern und „Sturmhauben“.

Bei den Verwundeten in der Nervenheilanstalt brachte der Gesangverein „Arion“ am vergangenen Sonntag verschiedene Chorlieder und Einzellieder zum Vortrag. Unter W. Poschadels Leitung gelangten die einzelnen Vorträge in vortrefflicher Weise zu Gehör, wofür die Zuhörer mit reichem Beifall dankten. Damen des Vereins verteilten Liebesgaben.

Die Bestimmungen über die Sonntagsruhe soll ein bisheriger Maler und Anstreicher, dessen Frau einen Zigarrenladen betreibt, übertreten haben. Er hatte angeblich um 4½ Uhr nachmittags Zigarren und Zigaretten verkauft. Vor dem Schöffengericht wollte er glauben machen, er habe Zigaretten und Zigarren „verschenkt“, um Soldaten eine Freude Anzeige im General-Anzeiger vom 20. Januar 1915zu machen. Ein Polizeibeamter, der den Vorgang bemerkt hatte, erklärte, daß es sich nicht um Soldaten, sondern um Zivilpersonen gehandelt habe. Vom Schenken könne keine Rede sein, da er gesehen habe, daß ein junger Mann die Börse wieder einsteckte. Das Schöffengericht hielt die Uebertretung für erwiesen und erkannte auf eine Geldstrafe von 10 Mark.
   Ein hiesiger Bäckermeister und eine Verkäuferin , die sich ebenfalls gegen die Bestimmungen der Sonntagsruhe vergangen hatten, weil sie zu verbotener Zeit Backwaren hatten austragen lassen, wurden mit Geldstrafen von 12 und 3 Mk. bedacht.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 20. Januar 1915Katholischer Gesellenverein. Die nächste Vereinsversammlung am Sonntag, den 24. Januar, soll erweitert werden zu einem patriotischen Abend. Herr Professor von Dunin-Borkowski wird dabei die Festrede halten. Außer einigen Vorträgen einer Musikkapelle und einigen gem. Liedern wird sodann ein kurzer Einakter „Flamme empor“ gegeben. Unsere Ehrenmitglieder, Mitglieder und Freund sind nebst ihren Angehörigen freundlichst dazu eingeladen. Kinder unter 14 Jahren sind nicht zugelassen. Die Veranstaltung beginnt um 8 Uhr und muß notwendigerweise um 11 Uhr zu Ende sein.

Das Verfüttern von Brot an Pferde ist im Interesse der Volksernährung verboten.

Fußball. Rhenania I-Bonn spielte am Sonntag gegen Preußen I-Schwarzrheindorf. Ergebnis: 9:0 zugunsten Rhenania. Halbzeit 1:0.

Eine Ausstellung von Aquarellen, Zeichnungen und Radierungen rheinischer Künstler wird am Sonntag von der Gesellschaft für Literatur und Kunst im Obernier-Museum eröffnet.

Ueber das Ausmahlen von Brotgetreide befindet sich in dieser Nummer eine Bekanntmachung des Reichskanzlers, die wir der Beachtung der Bäcker und Müller und der sonst in Frage kommenden Kreise dringend empfehlen.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)