Montag, 19. Januar 1915

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 19. Januar 1915Vorläufige Beschlagnahme sämtlicher Woll- pp. Decken ordnet für den Befehlsbereich des 8. Armeekorps der Kommandierende General an. Sämtlichen Fabrikanten und Händlern ist die Veräußerung der bei ihnen lagernden eigenen und fremden Bestände sowie der eigenen bei Spediteuren und Lagerhäusern lagernden Bestände an wollenen, wollgemischten, halbwollenen und baumwollenen Decken sowie an Filzdecken bis auf weiteres verboten. Die Fabrikanten und Händler haben dem Generalkommando in Koblenz, Kastorpfaffenstraße, binnen drei Tagen nach Bekanntmachung dieser Verfügung ein Verzeichnis dieser Bestände mit Angabe von Stoffart, Zahl, Größe, Gewicht, bisheriger Preis und Aufbewahrungsort einzureichen, soweit es sich um mindestens 50 Stück insgesamt handelt. Zuwiderhandlungen gegen diese Verfügung werden mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft. Wir verweisen auf die amtliche Bekanntmachung in dieser Nummer.

Im Metropoltheater wird ein Film aus dem Leben der Verbannten in Sibirien gezeigt. „Gehetztes Wild“ heißt das Drama, das in vier Akten die Leiden und Verfolgungen einer polnischen Freiheitskämpferin in packender Weise schildert.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 19. Januar 1915Unsere Feldgrauen als Sprachreiniger. Dieser Tage lief beim Central-Komitee der Deutschen Vereine vom Roten Kreuz eine Gabe mit folgendem Begleitschreiben:
   Aus der äußersten Ecke Belgiens, aus den Kämpfen von Ypern, senden wir mit gleicher Post als Anweisung die aus 2 Unteroffizieren und 15 Mann bestehende Korporalschaft der Feld-Luftschiffer-Abteilung aus Strafgeldern für Benutzung von fremdsprachlichen Ausdrücken die gesammelten 15 Mark mit der Bitte, dieselben für Kinder gefallener Kameraden nützlich verwenden zu wollen.
   Solche Strafgelder lassen sich sehr leicht in der Heimat zugunsten des Roten Kreuzes einziehen!

Die Bonner Liedertafel läßt es sich in dankenswerter Weise angelegen sein, die hier in Lazaretten untergebrachten verwundeten Krieger durch Gesangsverträge usw. zu erfreuen. Auch am Sonntag war ein großer Teil der Sänger im Lazarett St. Joseph an der Höhe. In bunter Folge wechselten schön vorgetragene Lieder und Einzelvorträge ernster oder humoristischer Natur. Besonders gefielen zwei Strauß’sche Walzer, die offensichtlich „Stimmung“ hervorriefen. Im Namen der verwundeten Krieger dankte ein Unteroffizier mit herzlichen Worten. Er sagte, daß das Konzert den 50 verwundeten Soldaten, die am Morgen von Soissons aus den Schützengräben eingetroffen waren, eine besondere Freude gemacht habe.

 (Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Eine Soldatenfrau
Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 19. Januar 1915So sehe ich gestern die Ueberschrift eines Eingesandt in der Reichszeitung. Dieselbe will von jedem, der über 200 Mark monatlich verdient, einen Abzug von 5 Mark haben. Das wäre ganz schön. Aber eine Kriegerfamilie erhält doch Unterstützung. Wie geht es denn mit einem arbeitslosen Familienvater mit einer Anzahl Kinder? Derselbe hat nichts. Es wird immer gesagt, jeder helfe das Vaterland zu verteidigen. Wie wäre es nun, wenn die wohllöbliche Militärverwaltung einmal die reklamierten Leute einzöge und für uns Arbeitslose sorgte? So z.B. an der Geschoßfabrik, Elektrischen Bahn, Staatsbahn, Post und sonstigen für den Staat arbeitenden Werkstätten. Das ist doch eine ganze Menge militärpflichtiges Personal. Unsere Söhne, die im Feld stehen, sagen sich, wir müssen unser Blut opfern fürs Vaterland und die bleiben schön zu Hause und verdienen auch noch ihr schönes Geld. Wir wollen also hoffen, daß unsere wohllöbliche Militärverwaltung diese dringenden Worte hört und uns armen arbeitslosen Familienvätern zu Hülfe kommt. Sie würde dadurch vielen Dank ernten. Ein Familienvater
(Anmerkung der Redaktion: Die Frage, wie in Kriegszeiten den Arbeitslosen geholfen werden kann, gehört noch immer zu den ungelösten Problemen. Der Familienvater irrt sicher aber, wenn er glaubt, daß die Stellen der militärdiensttauglichen Angestellten und Arbeiter staatlicher Institute nun ohne weiteres durch Arbeitslose ausgefüllt werden können. Er vergisst, daß viele dieser Arbeiter eine mehr oder weniger lange Ausbildungszeit hinter sich haben und daß gerade in Kriegszeiten die Bahn- und Anzeige im General-Anzeiger vom 19. Januar 1915Postverwaltungen und alle für den Staat arbeitenden Werkstätten ein tüchtiges, eingearbeitetes, verlässliches Personal haben müssen. Ein Gelegenheitsarbeiter kann nicht von heute auf morgen Weichensteller oder Schrankenwärter werden. Soweit ihre alten Kräfte durch Hilfspersonal ersetzen konnten, ist das bereits geschehen. Leider konnte damit noch nicht alle Arbeitslose Beschäftigung finden.)

Mehr Ruhe!
Legt man sich abends nach angestrengter Arbeit zu Bett und glaubt eben eingeschlafen zu sein, dann hört man, obwohl man annehmen dürfte, daß die harte Kriegszeit auch den Leichtsinnigen ernster gestimmt hätte, von weitem, immer näher kommend einen Trupp singender und spektakelnder Menschen, die betrunken die Nachtruhe des Nächsten stören. Wäre in dieser Richtung nichts zu machen? Unsere Verwaltung macht Gesetze über das, was wir essen, was wir trinken, oder richtiger; wie lange wir trinken. So wäre der Vorschlag wohl berechtigt und würde wohl von vielen Mitbürgerinnen und Mitbürgern geteilt: Man setze die Polizeistunde für alle Wirtschaften auf 10 Uhr fest und achte streng auf deren Einhaltung. Bis 10 Uhr kann ein jeder seinen Durst gestillt haben und mancher Familie wird dann mancher Groschen erspart. Einer, der’s gut meint.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Stimmen aus dem Leserkreis“)