Freitag, 15. Januar 1915

 

Bonner Wehrbund. Am Sonntag vereinigen sich die verschiedenen Abteilungen des Wehrbundes, nachmittags um 3 Uhr, auf dem Exerzierplatz zu einem gemeinsamen Exzerzieren, dem sich um 4 Uhr eine Geländeübung anschließt. An dem größeren Appell, der am Sonntag, 31. Jan., stattfinden soll, können nur diejenigen Mitglieder teilnehmen, die am nächsten Sonntag und an dem darauffolgenden am Exerzieren teilgenommen haben.

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 15. Januar 1915In der Generalversammlung der Bäckerinnung hielt Herr Oberbürgermeister Spiritus folgende Ansprache: „Sehr geehrte Herren! Wir sind als Vertreter der Aufsichtsbehörde Ih­rem Wunsche, teilzunehmen an Ihren Beratungen, sehr gern gefolgt. Ist es uns doch schon eine Freude, im Kreise der Bäckermeister weilen und an ihren Standesinteressen teilnehmen zu können. Abgesehen hiervon, ist unsere Anwesenheit dadurch erfolgt, um an den wichtigen Beratungen teilzunehmen. Unser Vaterland steht in einer großen ernsten Zeit. Ein gewaltiges Ringen mit einer Welt von Feinden hat Deutschland und sein Verbün­deter auszuführen. Wir sind getragen von dem felsenfesten Vertrauen auf den Erfolg unse­rer Waffen. Was auch bisher von unseren tapferen Kriegern geleistet worden ist, wir sind noch nicht am Ende. Ernste, große Zeiten stehen uns noch bevor. Mit demselben Vertrau­en, daß wir auf unser Heer zu setzen berechtigt sind, soll unser Vaterland auch auf diejeni­gen blicken, die in der Heimat zurückblieben. Alle haben wir die ernste Pflicht an unserem Teile, dafür zu sorgen, daß unser teures Vaterland aus dieser schweren Zeit erfolgreich und glorreich hervorgehe. Ein wichtiger Punkt ist hier die Volksernährung. In gewöhnlichen Zeiten findet ein Ausgleich unter den verschiedenen Ländern statt. Jetzt ist dieser Aus­gleich aufgehoben. So fehlt uns auch jetzt während der Kriegszeit die Zufuhr von Brotge­treide. Wir brauchen aber auch die Zufuhr nicht. Deutschland ist in seiner eigenen Kraft stark genug, über diese Schwierigkeiten hinwegzukommen, wenn jeder an seinem Platze seine Pflicht tut, wenn das Brot nicht vergeudet wird, wenn jeder Haushalt, jede Hausfrau dafür sorgt, daß unser Brot nicht unnötig verfüttert wird, dann werden wir diese schwere Zeit aus eigener Kraft überstehen. Ich wende mich hier an unsere Bonner Bürgerschaft, alle, ohne jede Ausnahme, können dafür sorgen, daß nichts verschwendet wird, daß mit al­len Nahrungsmitteln hausgehalten wird. Aber nicht mit der Allgemeinheit haben wir uns heute hier zu beschäftigen, sondern es ist der Stand des ehrbaren Bäckergewerbes, der in hervorragendem Maße dazu beitragen kann, daß in dieser Hinsicht gesorgt wird. Ihr Stand ist in dieser Zeit mehr denn je eine Stütze des Vaterlandes, er muß es sein und wird es sein. Es sind ja schwere Aufgaben, die Ihnen auferlegt werden, an die Sie herantreten. Es ist nicht leicht für den Bäckermeister, spielend darüber hinweg zu gehen. Sie müssen sich darüber klar sein, daß Sie Opfer bringen müssen, und ich weiß, daß Sie vor solchen Op­fern nicht Anzeige im General-Anzeiger vom 15. Januar 1915zurückschrecken werden. Gehen Sie an die neue Verordnung nicht mit einer ge­wissen Voreingenommenheit heran. Es läßt sich manches so ausführen, daß Ihrem Ge­werbe ein allzu großer Nachteil nicht erwächst. Und auch die Schädigungen müssen über­wunden werden. Heute hat jeder Mensch, mag er stehen wo er will, Schädigungen zu er­leiden; ein jeder ist von Sorge gedrückt, aber wir wollen uns nicht drücken lassen. Blicken wir freudig und hoffnungsvoll in die Zukunft. Halten wir uns immer das Wohl des Vaterlan­des vor Augen, dann wird auch das wirtschaftliche Leben erfolgreich aus dieser schweren Krisis hervorgehen. In diesem Sinne bitte ich Sie, die Verhandlungen zu führen". Großer Beifall dankte dem Oberbürgermeister für seine Worte.
   Der stellvertr. Obermeister, Herr Virnich, dankte noch besonders im Name der Bäckerin­nung dem Oberbürgermeister für seine begeisternde Ansprache und betonte, daß der Bäckerstand noch nie versagt habe, wenn das Vaterland in Not war. Stets sei er bereit ge­wesen, Opfer zu bringen.
   Herrn Ehrenobermeister Chrysant schloß sich den Worten an und bemerkte, daß das ge­samte deutsche Bäckergewerbe so denke, selbst auf die Gefahr hin, daß das persönli­che Interesse darunter leiden müsse. Und nicht zum wenigsten huldige der rheinische Bäcker­verband dem Grundsatze: Erst das Vaterland, die Allgemeinheit, dann das Sonderinteress­e. Wir werden uns zu den neuen Verordnungen so stellen, wie es zum Besten des Vater­landes ist und werden auch über diese Schwierigkeiten hinwegkommen Alle Behörden sei­en durchaus erfüllt von der Sorge für unseren Stand, für seine ungeschmä­lerte und un­geminderte Erhaltung. - Dann verlas Ehrenobermeister Chrysant die einzelnen Para­graphen der Verordnung und gab dazu, wo es nötig und aus der Versammlung erbe­ten wurde, die Erläuterungen. Die neue Verordnung bestimmt im großen und ganzen, daß Roggenbrot mehr als 30 Prozent Roggenmehl enthalten muß, die anderen Bestandteilen aus anderen Mehlen, aber kein Weizenmehl. Weizenbrot, daß nicht mehr als 100 Gramm beträgt, also die üblichen Brötchen, dürfen gebacken werden, aber aus dem vorgeschrie­benen Weizenmehl, d.h. einer Mischung von 70 Teilen Weizenmehl und 30 Teilen Roggen­mehl. Weizenauszugmehl darf nicht mehr verwandt werden. Die Vorräte an Weizenmehl, die bei den einzelnen Bäckern noch liegen, müssen in den nächsten Tagen angegeben werden. Das Mehl darf aber auch nur in der vorgeschriebenen Mischung verbacken wer­den. Bei der Kuchenbereitung darf nicht mehr als die Hälfte des Gewichtes des verwende­ten Mehles Weizenmehl sein und muß bei 90 Teilen Mehl einen Zuckerzusatz haben von mehr als 10 Teilen. Der Bäcker darf auch nicht den Teig verbacken, den ihm die Kund­schaft zum Backen bringt, wenn er nicht bestimmt weiß, daß der Teig den Bestimmungen entspricht. Die Backzeit ist von morgens 7 Uhr bis abends 7 Uhr, die Nachtarbeit ist also vollständig aufgehoben. In dieser Arbeitszeit müssen auch alle Vorbereitungsarbeiten ge­schehen. Roggenbrot über 50 Gramm darf nur in den Verkehr gebracht werden, wenn es 24 Stunden alt ist. Da nun die Verordnung heute in Kraft tritt, darf der Bäcker heute nur Brot verkaufen, das er gestern (Donnerstag) gebacken hat und das 24 Stunden alt ist.
   1915 01 15 ga 3Zuwiderhandlungen gegen diese Bestimmungen werden mit sehr schweren Strafen be­legt.
   Zur Frage der Sonntagsarbeit bemerkte Herr Beigeordneter Piehl auf eine Anfrage aus der Versammlung, daß die alte Verordnung, nach der bis 12 Uhr gebacken werden dürfte, auf­gehoben sei und vorläufig von 7 Uhr morgens bis 7 Uhr abends gearbeitet werden dürfte.
   In der Versammlung wurde ferner vorgeschlagen, daß statt der bisherigen Brötchen Rög­gelchen, Knüppelchen, Spitzbrötchen gebacken werden sollen. Diese Frage soll aber ebenso wie die Preisfrage in der nächsten Versammlung verhandelt werden.
   Ehrenobermeister Chrysant bemerkte noch, daß er wünsche, daß das Publikum volles Verständnis für die viel schwierigere Lage des Bäckers haben möge, und daß die Kund­schaft es den Bäckern nicht entgelten lasse, sondern auch dem, von dem sie bisher ihre Brötchen bezogen habe, treubleibe, und auch jetzt das Großbrot beziehe, und so dem Bä­cker helfe, über die schwere Zeit hinwegzukommen.
   Zum Schluß wandte sich Oberbürgermeister Spiritus nochmals an die Versammlung, um seiner Freude Ausdruck zu geben über den guten, vaterländischen Geist, den die Ver­sammlung bei der Bearbeitung und Behandlung der Verordnung gezeigt habe. Von keiner Seite seien Klagen oder Beschwerden laut geworden, alle seien mit freudigem Mute an die Bearbeitung herangegangen. Er hoffe aber auch, daß die Bonner Bürgerschaft volles Ver­ständnis habe für die Sorgen und die jetzige schwierige Lage der Bäcker. „Mit dem Wunsche, daß Ihr schönes Gewerbe auch weiterhin blühen und gedeihen werde, schließe ich."
   Der Vorsitzende, Bäckermeister Virnich dankte nochmals dem Oberbürgermeister, dem Beigeordneten Piehl und dem Ehrenobermeister Chrysant für ihr Erscheinen und ihre tätig­e Mitarbeit an der heutigen Besprechung und schloß die Versammlung, nachdem be­schlossen worden war, die anderen Punkte der Tagesordnung in der nächsten Versamm­lung zu erledigen.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 15. Januar 1915Zum Besten des Bonner Lazarettzuges hielt gestern abend in der Aula des Kgl. Gymnasiums Herr Willy Heim (Schriftsteller A. Wolff) einen Vortrag über das Thema: „Warum wir siegen müssen.“ Redner suchte darzulegen, daß der endliche, wenn auch mit furchtbar schweren Opfern erkaufte Sieg sich auf unsere Seite legen muß, und zwar aus dem Grunde, weil Wahrheit und Recht mit uns sind. Dabei bauen wir nicht auf unsere physische Kraft, sondern auch auf die in unserem Volke ruhende sittliche Kraft, der die physische entspringt. Wir müssen siegen, weil in der ganzen Welt jeder Glaube an Wahrheit und Tech zerstört würde, wenn Deutschland in diesem Kampfe unterliege, In uns sei der heilige Zorn wachgeworden, weil frevelnde Hände es gewagt hätten, unser höchstes irdisches Heiligtum, das Vaterland, anzutasten. Wenn wir über tapfere Soldaten, weitragende Gewehre und furchtbare Kanonen verfügen, so sei das allein nicht ausschlaggebend. Die Erziehung jedes einzelnen Soldaten zur strengsten Pflichterfüllung, die moralische, sittliche Kraft unseres Heeres würden erst dazu beitragen, daß wir den Gegner bezwingen. Wenn auch Fehlschläge kommen sollten, so könnten wir trotzdem getrost in die Zukunft blicken im Bewusstsein, für eine gute Sache zu kämpfen, die Gottes Beistand finden werde. Sollte – Redner wies auch mahnend auf die sich hier und da bei uns geltend machenden Anzeichen einer gewissen sittlichen Zersetzung hin – unser Volk als Sieger aus diesem schweren Kampf hervorgehen, so würden wir das erste Volk der Erde sein. Aber auch dann möchten wir uns immer bewußt bleiben, daß wahre Größe, wahrer Reichtum nur im Besitz sittlicher Güter liege und daß wir äußerlich groß und reich geworden sind, weil wir sie besaßen. Der Redner fand für seine gedankenreichen Ausführungen vielen Beifall.

Der Schutz der Hasenjagd ist im Regierungsbezirk Köln auf den 15. Januar festgesetzt worden. Die Schonzeit beginnt als am 16. Januar.

 (Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Der Ausschuß für hauswirtschaftliche Kriegshilfe läßt in diesen Tagen ein Flugblatt verteilen, das für die Hausfrauen bestimmt ist und ihnen über die Ernährung in Kriegszeiten Aufschluß geben soll. Ende des Monats wird ein öffentlicher Vortrag das gleiche Thema behandeln.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)