Donnerstag, 7. Januar 1915

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 7. Januar 1915Die Toten des Jahres 1914. Die Stadt hat in diesem Jahre drei ihrer Stadtverordneten verloren: die Herren Emil Baltes, der 58 Jahre alt am 9. Juli starb, Bankdirektor Otto Glauert, im Alter von 54 Jahren und den Fabrikanten Ignaz Parmentier, der nur 42 Jahre alt geworden ist. (...)    Schwere Verluste hat auch unsere Bonner Universität durch den Tod erlitten. (...)
   Weit größere Opfer aber hat der Schlachtentod im letzten halben Jahre gefordert. Viele blühende Leben wurden vernichtet in dem großen Völkerringen. Aber nicht umsonst soll das Herzblut dieser Tapferen auf dem Felde der Ehre dahingeflossen sein. Die gerechte Sache, für die sie ihr Leben dem Vaterlande opferten, wird zum Sieg gelangen. Das deutsche Volk wird das Andenken der Gefallenen in hohen Ehren halten. Es ist uns unmöglich, all der Tapferen, die schon den Heldentod starben, und die sich zusammensetzen aus allen Ständen und Kreisen, aus dem Offizierstand, den Gelehrten- und Beamtenkreisen, dem Kaufmann- und Handwerker- und Arbeiterstande, hier einzeln zu gedenken. Aber dessen wir wollen wir gedenken, daß alle freudig ihr Leben dahingaben für Kaiser und Reich, für die Freiheit und Kultur des Vaterlandes. Ehre ihrem Andenken!

Westerwald-Klub. Die nächste Wanderung findet am Sonntag den 10. Januar statt. Sie geht: Römlinghoven – Paffelsberg – Heisterbacherrott – Aegidienberg – Pleisbachtal – Lohrberg – Rhöndorf. Nach Ankunft in Rhöndorf Einkehr im Gasthof „Wokenburg“ (Besitzer Broel). – Gesamtweg etwas 20 Kilometer. – Führer: Mürdel. – Abfahrt 8.50 Uhr Meckenheimer Straße, 8.55 Uhr Beethovenhalle (Siebengebirgsbahn).

Keine Maskerade zur Kriegszeit. Die preußische Staatsregierung hat für die bevorstehende Karnevalszeit alle öffentlichen Maskeraden, Fastnachts-Vorstellungen und Maskenbälle verboten.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 7. Januar 1915Dr. Hans Schafgans, ein Sohn des verstorbenen Bonner Photographen Theo Schafgans, ist am 14. Dezember auf dem östlichen Kriegsschauplatz bei einem Nachtangriff gefallen. Wenige Tage vorher war er zum Eisernen Kreuz vorgeschlagen worden, nachdem er als Einjährig-Freiwilliger des Weimarer Infanterie-Regiments an zahlreichen Kämpfen teilgenommen und in diesen seine militärische Tüchtigkeit dargetan hatte. Kaum dreiundzwanzig Jahre ist er alt Geworden. In ihm wurde nicht nur ein blühendes junges Leben, sondern auch ein reich begabtes, aufstrebendes Talent vernichtet. Dr. Schafgans sollte ursprünglich Kaufmann werden. Aber Kunst und Wissenschaft wiesen ihn bald auf den seinem regen Geiste entsprechenden Weg. In München, Berlin und Bonn studierte er Philosophie und Kunstgeschichte. Friedrich Nietzsche zog in besonders an. Seine Arbeit „Nietzsche’s Gefühlsleben“ erregte in Fachkreisen berechtigtes Aufsehen und brachte ihn zu Nietzsche’s Schwester, Frau Nietzsche-Förster in so nahe Beziehungen, daß seine Berufung an das Nietzsche Archiv in Weimar in Aussicht genommen war. Daneben unterhielt er mit den hervorragenden Vertretern der modernen Literatur regen Verkehr; u.a. war er ein Jahr lang bei Hans Heinz Ewers Privatsekretär. Auch am Bonner General-Anzeiger war er ein Jahr lang bis zum Beginn seiner militärischen Dienstzeit als Mitarbeiter tätig.
   Als Mensch war Schafgans ein echter Sohn der rheinischen Erde. Liebenswürdig und heiter im Verkehr mit seinen Freunden zeigte er sich stets und überall für alles Schöne im Leben wie in der Kunst begeistert. Alle, die ihn gekannt haben, werden ihn nicht vergessen.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 7. Januar 1915Eßt Roggenbrot, denn der Weizen ist rar! Das ist für uns Bonner der wirtschaftliche Kriegsruf. Da die Aufforderung zu Beschränkung der Weihnachtsbäckereien fast wirkungslos verhallte, hat das Generalkommando die Herstellung und den Verkauf der Neujahrsbäckereien verboten. Und in der Tat kommen wir seit einer Woche ohne die gewohnten leckeren Verschönerungen des Lebens aus. Wie wird’s denn nach dem Feste der hl. drei Könige werden? Werden wir uns dann um so stürmischer auf das Weizengebäck werfen, um uns für die mannhafte Entbehrung zu entschädigen, oder werden wir gelernt haben, im Dienste des Vaterlandes Enthaltung zu üben? Das Vaterland ist in Not. Unsere Soldaten bringen heldenhafte Opfer an Gesundheit und Leben, um uns die Feinde fern zu halten. Wollen wir uns nicht um die Frucht dieser blutigen Opfer bringen, so müssen wir auch wirtschaftlich durchhalten. Zu dem Zwecke werden auch von uns Opfer verlangt: Spart das Weizenmehl und eßt Roggenbrot! Wem am Siege des Vaterlandes gelegen ist – und das sind alle - , der wird das kleine Opfer gerne bringen. Aber mit dem guten Vorsatz und mit schönen Worten allein ist nichts getan. Daß daraus Wirklichkeit werde, ist nicht zunächst Sache der Bäcker, sondern der Käufer. Aus jedem einzelnen von uns muß der alte Adam heraus: Wir entsagen allem Weizengebäck, nicht für einige Tage, sondern für einige Monate, bis zum Ende des Krieges. Das Weißbrot muß aus den Bäckerläden verschwinden. Wir essen nur Roggenbrot und fordern vom Bäcker Brot mit nicht nur 5 Hundertteilen Kartoffelmehl, sondern mit möglichst hohem Kartoffelzusatz (K-Brot), und zwar gerade jetzt, denn jetzt sind die Kartoffeln noch gut und verwendbar; aber sie halten sich nicht. Vielleicht können wir dann im Frühjahr, wenn der Kartoffelvorrat zur Neige geht, reines Roggenbrot essen. Was wären wir für seltsame Helden, könnten wir ein so billiges Opfer nicht bringen! Dr. E. R.

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 7. Januar 1915Bonner Museen. (...) Das städtische Museum (Villa Obernier) ist nach kurzer Pause, die zur Ausbesserung der Räumlichkeiten diente, wieder geöffnet worden und erfreut sich eines regen Besuches. Warum aber ist das Schild an der Ecke des Königshofes entfernt worden, das doch auf das versteckt liegende Museum aufmerksam machte und besonders für die hier weilenden fremden Verwundeten so dienlich sein könnte.
   Das Provinzialmuseum aber hält noch immer seine Tore geschlossen. Aus welchem Grunde, ist mir unerfindlich (...). In der Nummer 8868 dieser Zeitung lese ich die Anordnung des Generalgouverneurs in Brüssel, daß die Museen in Brüssel wieder eröffnet werden sollen, um der belgischen Bevölkerung und den deutschen Soldaten nicht länger diese künstlerischen Genüsse vorzuenthalten. Wie reimt sich das mit dem hiesigen Verhalten, das doch, nach dem vorhin Gesagten, kaum durch Verfügung höheren Ortes gestützt werden kann.
   Darum also werde das Provinzialmuseum wieder geöffnet, damit Bevölkerung und Verwundete sich an den Kunstschätzen erfreuen können und, wie der Kunstwart sagt, „das Kulturleben wachgehalten werde“. B.D.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

  

Anzeige im General-Anzeiger vom 7. Januar 1915Stanniolsammlung für die Kriegerwaisen. Die Fürsorge für unsere Kriegerwaisen ist eine unserer heiligsten Pflichten, für die bereits in Friedenszeiten sich der Kreisverband der Fechtschulen für Kriegerwaisenhäuser betätigt, der aus eifrigem Sammeln von Stanniolabfällen, Silberpapier, Weinkapseln usw. große Mittel aufgebracht hat. Eine besonders große Sammlung aller Gegenstände, dieser Art für die Kriegerwaisen wird jetzt von der hiesigen Pfadfinderwache durchgeführt, die herzlichst bittet, auch die kleinste Menge solcher Sachen an die Wache, Thomasstraße 1, zweiter Stock, abzuliefern, oder dorthin die Adresse aufzugeben, von welcher abgeholt werden kann.

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 7. Januar 1915Der falsche Unteroffizier. Ein Landwehrmann wurde beim Kriegsausbruch beim Bonner Infanterieregiment eingestellt. Obgleich bei seinen vielen Vorstrafen eine Beförderung ausgeschlossen war, zog er eines Tages Unteroffiziersuniform an und machte einen Bummel durch die Stadt. Der Schwindel kam heraus und der Soldat wurde daraufhin dem Ersatzbataillon Nr. 69 in Trier überwiesen. Hier gab er die Erklärung ab, er sei wirklich Unteroffizier und berechtigt, die Vorgesetztenuniform zu tragen. Als er mit einem Transport nach Elsenborn mußte, entfernte er sich von seiner Truppe und begab sich wieder nach Bonn. Hier verübte er eine Reihe Betrügereien ganz gemeiner Art. Er suchte die Frauen von Kameraden seines Truppenteils auf, denen er vorspiegelte, er sei beauftragt, Gelder für ihre Männer mit ins Feld zu nehmen. Die verlangten Geldbeträge in Höhe von 10-20 Mark wurden ihm arglos anvertraut. Seine Schwindelmanöver kamen aber bald an den Tag und er mußte sich vor dem Kriegsgericht der stellvertretenden 30 Infanteriebrigade in Trier stellen. Da der Angeklagte geständig war, wollte der Vertreter der Anklage ihm trotz des Rückfalles noch einmal mildernde Umstände zubilligen. Er beantragte wegen der Betrügereien 8 Monate, wegen Fahnenflucht im Felde 6 Monate Gefängnis und wegen unberechtigten Tragens der Unteroffizieruniform 1 Monat Haft. Das Gericht versagte ihm aber mit Rücksicht auf die den armen Soldatenfrauen gegenüber an den Tag gelegte gemeine Gesinnung mildernde Umstände und verurteilte ihn zu 1 Jahr Zuchthaus, Ausstoßung aus dem Heere und Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)