Sonntag, 27. Dezember 1914

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 27. Dezember 1914Die Weihnachtstage sind bei klarem Frostwetter zu Ende gegangen. Morgens glitzerte Rauhreif auf den Feldern und Bäumen. Die Kälte ließ es zu Hause in der warmen Stube noch einmal so behaglich sein. Während der Christbaum strahlte und Weihnachtslieder gesungen wurden, flog dankbar-inniges Gedenken zu unseren braven Kriegern in Feindesland. In dieses Gedenken kam die hoffnungsvolle Zuversicht, daß der Krieg bald zu einem für uns glücklichen Ende geführt werden, damit unsere Feldgrauen, das Siegeslorbeer-Reis am Helm, wieder zu uns zurückkehren können. Den Kindern aber, die unbekümmert um Not und Krieg lachend in den Kerzenschein staunten, denen wünschte man aus tiefster Seele heraus, daß ihnen ihr Leben hindurch keine Kriegsweihnachten beschieden sein möchten, sondern Weihnachtstage unter der nie verlöschenden Sonne des Friedens.
  
Die Weihnachtstage von 1914 werden nicht vergessen Not, Bitternis, Entsagung, zerstörte Hoffnungen, ja die ganzen Phasen des Menschenleidens sind mit diesen Weihnachtstagen unlöslich zusammengeschmiedet. Aber noch eines haben uns die Kriegsweihnachtstage gegeben: die eisenfeste Entschlossenheit, trotz Not und Leid durchzuhalten, auf die Zähne zu beißen, mag noch kommen was will, und nicht eher Ruhe zu geben, als bis uns dieser Krieg für all das Schwere, was er uns aufgebürdet , entschädigt hat, d.h., daß uns der Frieden beschert wird, der nicht mehr von irgend einem feindlichen Nachbar gestört werden kann.
   Die Weihnachtstage von 1914 hatten stahlharten Klang. Es waren Prüfungstage besonderer Art, deren uns der Krieg so viele schon gebracht hat, aber eben deshalb werden sie un vergeßlich sein. Sie haben uns geläutert und darum möchten wir sie trotz ihrer Schwere nicht missen.

Anzeige im General-Anzeiger vom 27. Dezember 1914Der Straßenverkehr war am ersten Feiertage, wie nicht anders zu erwarten, sehr still, da es die Meisten nicht vom Hause fortlockte. Der zweite Feiertag brachte mehr Verkehr, insbesondere sah man viele Bewohner der Umgegend in den Straßen und Lokalen der Stadt. Auch die verwundeten Krieger, die in den hiesigen Lazaretten untergebracht sind, haben ihr Weihnachtsfest gefeiert. Ueberall brannte der Christbaum und freundliche Hände hatten für die Krieger zweckdienliche Gaben bereitgestellt. Hier und da wurden den Verwundeten Unterhaltungen von Gesangsvereinen usw. dargebracht, sodaß die Krieger, wen auch nicht zu Hause, so doch friedliche Weihnachten erleben durften. In der Bonner Bahnhofshalle war ein riesiger Tannenbaum mit vielen Lichtern aufgestellt, der den vorbeifahrenden Truppenzügen freundliche Weihnachtsgrüße zurief. Viele Eisenbahnzüge waren mit Tannengrün geschmückt und hier und da sah man sogar kleine Christbäumchen in den Zügen; Beweise, wie eng deutsches Wesen mit dem Weihnachtsbaum verknüpft ist.

Anzeige im General-Anzeiger vom 27. Dezember 1914Im Vereinslazarett vom Roten Kreuz „Glück auf“ fand am Mittwoch eine schöne Weihnachtsfeier statt. Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe, die Protektorin des Lazaretts, war hierzu erschienen und überreichte den Schwestern, Aerzten, Helferinnen prächtige Gaben. Inzwischen hatten sich die nicht bettlägerischen Verwundeten unter dem strahlenden Weihnachtsbaum versammelt. Es wurden Weihnachtslieder gesungen. Weihnachtsgedichte vorgetragen und Geheimrat Dr. Walb sprach über die Bedeutung des Festes. Die Frau Prinzessin überreichte jedem Verwundeten mit freundlichen Worten sinnig gewählte Geschenke. Auch die bettlägerischen Kranken wurden durch Geschenke erfreut.

Kath. Gesellenverein. An Stelle der sonst zu Weihnachten üblichen Theateraufführung zum Besten des Gesellenhauses fand gestern abend für die Mitglieder und deren Familien eine Weihnachtsfeier statt, die derart zahlreich besucht war, daß im großen Saale des Gesellenhauses kaum noch ein Stehplatz zu finden war. Der Präses, Her Kaplan Rütters, betonte in seiner Begrüßungsansprache, daß infolge des Krieges die Weihnachtsfeier in diesem Jahre bescheidener sein soll, aber das Programm wies dennoch eine große Fülle von schönen Darbietungen in Gesang, Musik, Deklamationen, lebenden Bildern und einem Theaterstück auf. Von besonderem Interesse war der Lichtbildvortrag des Herrn Klutmann, der die Zuhörer in Wort und Bild durch den jetzt so heiß umstrittenen Argonnerwald führte. Die Anwesenden folgten mit großer Aufmerksamkeit den Ausführungen und spendeten lebhaften Beifall. Große Begeisterung erweckte der inzwischen vom General-Anzeiger eingetroffene Tagesbericht des Großen Hauptquartiers, welcher verlesen wurde, worauf die Zuhörer die Nationalhymne und Deutschland über alles sangen. Den Schluß des Abends bildete die Aufführung eines Theaterstücks von Th. Körner: „Deutsche Treue“, bei dem die Spieler des Gesellenvereins ihr bekanntes schauspielerisches Talent zur Geltung bringen konnten.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Neujahrskarten und Rotes Kreuz. Auf die gegebene Anregung, keine Neujahrskarten zu versenden, und das Geld, das für derartige Karten sonst ausgegeben wird, dem Roten Kreuz zu überweisen, muß erwidert werden, daß die Papiergeschäfte dem nicht zustimmen können. Die Lage dieser Geschäfte würde noch verschlechtert, wenn der Anregung Folge gegeben würde. Wenn für die Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen Lebens das Wort geredet wird, dann muß man auch den Papiergeschäften gestatten, daß sie sich durchhalten können. Grade das Neujahrsgeschäft bedeutet aber für viele Geschäfte einen sog. „Raußreißer.“

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)