Montag, 23. November 1914

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 23. November 1914Am gestrigen Totensonntag stand wie am Allerheiligentage eine Gedächtnisfeier für die hier beerdigten Krieger statt. Viele Bonner Bürger und Frauen waren zum Nordfriedhof gepilgert. Im Scheine der Fackeln umstand eine große Menge die Gräber und lauschte der tiefergreifenden Worte des Herrn Pastors Lorenz. – Auch auf dem Beueler Friedhofe wurde der verstorbenen Krieger zu Ehren eine Gedenkfeier abgehalten. Herr Pastor Lahusen sprach zu der zahlreichen Gemeinde zu Herzen gehende und tröstende Worte.

In ein neues Lazarett sollen die Säle der Germaniahalle umgewandelt werden. Es werden 120 Betten aufgestellt.

In japanischer Gefangenschaft. Die Offiziere und Mannschaften, die den heldenhaften Verteidigungskampf gegen den japanischen Raubzug auf unsere blühende Kolonie Kiautschou in der Festung Tsingtau überlebt haben, sind als Gefangene nach Japan befördert worden. Unter den Offizieren befindet sich auch der Schwiegersohn von Kommerzienrat Soennecken, Vizekonsul Dr. Alfred Lüttgens vom Deutschen Konsulat in Schanghai.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

 

Anzeige im General-Anzeiger vom 23. November 1914Das Rote Kreuz und die Juden. In den ersten Kriegswochen wurden verschiedentlich aus jüdischen Kreisen Beschwerden laut, welche über die kränkende Behandlung der Juden in den verschiedenen Organisationen des Roten Kreuzes berichteten. Das Israelische Familienblatt in Hamburg teilt nunmehr einen Erlaß des Generalleutnants von Pfuel, des Vorsitzenden des Zentralkomitees des preußischen Landesvereins vom Roten Kreuz mit. Er ist für die einzelnen Abteilungen des Kontrollkomitees bestimmt. In demselben heißt es: Schon mehrfach sind Beschwerden laut geworden über eine kränkende Behandlung von Angehörigen des israelitischen Glaubens durch Mitglieder des Roten Kreuzes in Berlin. Diese Fälle haben sich nun zu bestimmten ernsten Anklagen verdichtet, die heute von maßgeblichen Vertretern der hiesigen israelitischen Gemeinde bei uns in glaubwürdigster Weise erhoben worden sind. Es handelt sich beispielsweise darum, daß Bittsteller bei Bejahung der Frage, ob sie Israeliten seien, den Bescheid erhielten, sie möchten sich an teils schon im Frieden vorhanden gewesene, teils erst für den Krieg geschaffene israelitische Anstalten und Vereine wenden. Diese Mitteilungen haben uns aufs peinlichste berührt. Das Rote Kreuz ist interkonfessionell, die in die Erscheinung getretenen Zeichen von Unduldsamkeit widersprechen vollkommen seinem Geist und ebenso der Allerhöchsten Willensmeinung unseres erhabenen Protektors, Seiner Majestät des Kaisers und Königs. Jedenfalls tritt an alle unter dem Roten Kreuz tätigen Damen und Herren die dringende Pflicht heran, dafür Sorge zu tragen, daß bei ihrer Arbeit niemand in seinem religiösen Empfinden verletzt wird.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 23. November 1914Dem „Nationalen Vortragsabend“, der gestern abend in der „Lese“ stattfand, hätte man im Interesse des guten Zweckes, dem er dienen sollte, einen vollbesetzten Saal gewünscht. Woran es lag, bleibe dahingestellt – der Saal war gähnend leer. Herr Rezitator Carl Fritz trug lustige und ernste Kriegspoesie, Schnurren und Episoden vor, und das Publikum dankte ihm für jede Gabe durch herzlichen Beifall. Denn es sah seinen guten Willen und seine redliche Mühe um einen trotz und alledem guten, moralischen Erfolg dieses mißglückten Abends.

Ein Sonntagnachmittag im Volksheim. Man schreibt uns: Die Leitung des an der Thomastr. 1b, dicht am Rheinufer- und Staatsbahnhof befindlichen Volksheims hatte jüngst an einem Sonntagnachmittag 4 Uhr etwa vierzig in unserer Stadt weilende Verwundete eingeladen. Neben der leiblichen Erquickung mit dem, was das Heim an Kaffee, Gebäck und Obst im Saale des ersten Stockwerkes bietet, sollten auch Gesang und Dichtung, von anderen Kräften beigesteuert, unsere wackeren Vaterlandsverteidiger erfreuen. Und beides gelang den Veranstaltern in trefflicher Weise. Die behagliche, den kommenden Genüssen froh entgegensehende Stimmung war sofort gegeben, als die pünklichst eintreffenden Krieger inmitten des Vorstandes und andere geladener Gäste sich den von jungen Mädchen und Frauen dargereichten schwarzbraunen Trank mit wohlschmeckender Beigabe so munden ließen, daß erneute Auflagen die Güte dieses Teils der Bewirtung bald bekundeten. Manchmal verstummte die fröhliche Unterhaltung. Das war, wenn der Männergesangsverein Apollo meisterlich seine Lieder erklingen ließ, der in dankenswerter Weise sich in den Dienst dieses vaterländischen Zwecks gestellt hatte. Fräulein Dr. jur. Springer, die Tochter unseren früheren Stadtschulrats, sang Lieder zur Laute, heiteren und ernsteren Inhalts, mit ihrer zu Herzen gehenden vorzüglich geschulten Stimme, während der rheinische Dichter Hans Eichelbach einige Dichtungen vortrug, darunter auch in diesen Tagen erst entstandene. Alle diese Darbietungen fanden den reichlichsten Beifall der dankbaren Zuhörerschaft. Es war nach dem Urteil der Gäste ein prächtiges, zweistündiges Beisammensein, vielleicht umso höher einzuschätzen, weil es in dem kleinen hübschen Raum in einfacher, zur Nachahmung aneifernder Weise einen befriedigenden Verlauf und reichen Genuß zuwege gebracht hatte.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)