Sonntag, 23. August 1914

Am Vortag siegten die deutschen Truppen in den „Grenzschlachten“ bei Neufchateau (Belgien) und bei Longwy (Lothringen). In Neufchateau kam auch das Rhein. Infanterie-Regiment 160, in dem sehr viele Bonner kämpften, erstmals zum Einsatz.

 

Die Frau Prinzessin zu Schaumburg-Lippe besuchte gestern Vormittag unter Führung von Geheimrat Rumpf die im Krankenhaus der barmherzigen Brüder untergebrachten Verwundeten und Kranken. Sie unterhielt sich mit jedem einzelnen einige Zeit, besonders mit den Angehörigen ihres Regiments, Inf.-Rgt. Nr. 53, das an den Kämpfen in Belgien beteiligt war.

Vaterländische Reden und Vorträge in Bonn. Auf Einladung des Rektors der Universität hat sich ein Ausschuß gebildet, der aus Professoren der Universität und höheren Schulen und aus angesehenen Männern des praktischen Lebens besteht und an dessen Spitze der Rektor Herr Geheimrat Schulte, der Prorektor Herr Professor Sell und der gewählte Rektor Herr Geheimrat Landsberg stehen, um während des Krieges wöchentlich öffentliche und unentgeltliche Reden und Vorträge zu veranstalten, zu denen jedermann Zutritt haben soll. Die Vorträge, die von dazu auserwählten, sachkundigen Rednern gehalten werden, sollen dem geistigen Leben in unserer Stadt während des Krieges einen neuen Mittelpunkt geben und über alles, was mit dem Kriege in politischer, geschichtlicher und weltwirtschaftlicher Weise und in allen Zweigen des Geisteslebens und der Kultur zusammenhängt, in gemeinverständlicher Weise unterrichten. Die Reden sollen zugleich den Geist vaterländischer Ausdauer und Geduld in schweren Tagen stärken helfen. (...)

Vaterländische Volksabende. Die Bonner Soziale Wohlfahrts-Vereinigung beabsichtigt, zur inneren Erhebung und Aufmunterung unserer Mitbürger und Mitbürgerinnen eine Reihe von vaterländischen Volksabenden zu veranstalten. Der erste Abend wird voraussichtlich am Sedantage stattfinden. Näheres wird rechtzeitig bekanntgegeben werden.

Aufruf an deutsche Frauen und Mädchen. Auf Anregung meines Mannes, dem es wieder vergönnt ist, geschmückt mit dem eisernen Kreuz von 1870 und 1871 ins Feld zu ziehen, richte ich an alle deutschen Frauen und Mädchen die Bitte, wenn Gott uns in seiner Gnade den Sieg verleiht und wir wieder Gefangene ins Land bekommen:
Zeigt euch als Deutsche
Wir wollen gewiß die Gefangenen gut und menschlich behandeln, aber unter keinen Umständen dürfen wir uns etwas vergeben. Verpflegung auf Transporten und Sammelplätzen darf den Gefangenen nur von Angestellten, tunlichst von Männern verteilt werden. Wir deutsche Frauen und Mädchen dürfen dergleichen nicht als Vergnügen betrachten, nicht auf den Bahnhöfen bei den Transporten, nicht in den Lagerplätzen erscheinen, nicht zeigen wollen, daß wir Französisch können. Kommen unsere tapferen Krieger mit Gottes Hilfe siegreich zurück, dann wollen wir ihnen einen Empfang bereiten, viel schöner, als den Abmarsch. Ich bitte herzlich um Verbreitung dieser Bitte.
                                                                           Margarethe von Busse, geb. v. Humboldt

 Falschmeldungen. Gestern lief in unserer Stadt das Gerücht um, vier englische Kriegsschiffe seien an der dalmatinischen Küste von den Oesterreichern vernichtet worden. Diese Gerüchte stützen sich auf eine Meldung ähnlichen Inhalts, der von der Köln. Volksztg. verbreitet worden war. All diese Nachrichten sind, wie das Wolff-Büro mitteilt, falsch.

In der Verlustliste Nr. 6 wird auch als vermisst angegeben der Dragoner Landwehrmann vom Dragoner-Rgt. Nr. 9(Metz) Oskar Dahm aus Königswinter.

(Bonner Zeitung, Rubrik „Städtische Nachrichten")

 

Es ist eine Freude, wenn man in die Altstadt Bonn kommt und sieht, wie die Bewohner durchweg durch Beflaggen ihrer Häuser ihre Begeisterung und Dankbarkeit über den letzten großen Sieg unserer braven Truppen gegen unsere Feinde zu erkennen geben. Bedauerlich ist aber, daß nur ganz wenige Bewohner der Neustadt von der Poppelsdorfer Allee ihre Freude über die letzten Siege durch Beflaggen ihrer Häuser zu erkennen gegeben haben. Viele dankbare Bürger

(Bonner Zeitung, Rubrik „Eingesandt ")

 

Zur letzten Ruhe getragen wurde am Samstag nachmittag gegen ½ 4 Uhr der Füsilier Franz Hicking von der 6. Kompagnie des Niederrheinischen Füsilier-Regiments Nr. 39 in Düsseldorf, der in einem Gefecht an der Westgrenze durch einen Kolbenschlag auf den Kopf verletzt und in das hiesige Johannis-Hospital gebracht worden war. Die Verwundung war so ernster Natur, daß der Soldat verstarb. Hinter dem Leichenwagen schritten in tiefem Leid Vater und Mutter des Verstorbenen sowie eine große Anzahl Soldaten verschiedener Truppengattungen; darunter bemerkte man wieder viele verwundete Krieger. Auf dem Nordfriedhofe, wo die Leiche beigesetzt wurde, hielt Oberpfarrer Dechant Böhmer eine kurze ergreifende Ansprache, in der er darauf hinwies, daß der Verstorbene in treuer Pflichterfüllung für Kaiser und Vaterland als Held gestorben sei. Am Grabe wurde von den Soldaten ein großer Lorbeerkranz niedergelegt.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

 

Grand Hotel Royal. Wie die Erfüllung eines lange im Stillen gehegten Lieblingswunsches war es mir, als in den verflossenen unvergeßlichen Tagen unser Volk sich endlich auf auf seine Muttersprache besann und selbst die Gasthöfe begannen, sich deutscher Ausdrücke zu bedienen. Hei, wie lachen den Vorübergehenden der „Nordische Hof“ und der „Gasthof zum Königlichen Hof“ da an, wo bisher französische Namen einen Mißklang in die beiden schönsten Straßen Bonns gebracht hatten!

Aber wie es scheint, war der Traum zu früh geträumt! Was aussah, wie ehrliches Selbstbesinnen, war in manchen Fällen doch wohl nur ein flüchtiger Rausch, der verflogen zu sein scheint, noch bevor unsre Heere draußen in Feindesland die erste große Schlacht geschlagen haben. Seit einigen Tagen sind die großen Schilder mit der deutschen Aufschrift am „Königlichen Hof“ wieder verschwunden, und nach wie vor steht in goldenen Buchstaben zu lesen „Grand Hôtel Royal“. – Ja, ist denn in ganz Bonn kein einziger Anstreicher aufzutreiben, der der vergoldeten französischen Geschmacklosigkeit mit ein paar kräftigen Pinselstrichen den Garaus macht? Warum kann denn der „Nordische Hof“ in der Poppelsdorfer Allee, was das „Hôtel Royal“ anscheinend nicht fertig bringt?? Wahrlich, wir Deutsche haben keinen Grund, den Feinden in unserm eigenen Land durch solche Namen weiterhin Denkmäler zu setzen, den Feinden, die die ganze Welt gegen uns in Harnisch bringen und gegen die wir die beste Blüte unserer Jugend hinausgesandt haben zum Kampf auf Leben und Tod! – Nebenbei bemerkt, ist das Grand Hôtel Royal zu einem Teil städtisches Eigentum.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

 

Der Freiw. Hilfs-Ausschuß hat, wie im Anzeigenteil ersichtlich ist, in der Diskonto-Bank eine Sammelstelle von Lesestoff für Anzeige in der Deutschen Reichs-Zeitung vom 23. August 1914unsere verwundeten und kranken Soldaten eingerichtet. Die gelieferten Bücher und Zeitschriften werden von fachkundiger Stelle geprüft, abgestempelt, dann nach Bedarf an die einzelnen Lazarette abgegeben.

Bücher für unsere Soldaten! In den letzten Tagen sind die Vertreter einer großen Reihe von Vereinigungen in Berlin zusammengetreten, um unter der Leitung des Kaiserlichen Kommissars ein einheitliches Vorgehen in der Versorgung unsrer Soldaten im Felde und der Verwundeten in den Lazaretten mit Büchern herbeizuführen. Die Einigkeit des deutschen Volkes hat sich auch auf diesem Gebiete glänzend bewiesen. Als Sammelstelle ist u.a. der unterzeichnete Borromäusverein, der schon im Kriege 1870/71 tausende von Büchern an deutsche Krieger verteilte, bestimmt worden. Wir wenden und hiermit an alle, denen es am Herzen liegt, unsere Soldaten durch gute Bücher Lebensmut- und -freude zu erhalten, Schmerzen zu lindern und Trost zu bringen, mit der Bitte, uns durch Ueberreichung von Büchern und Geld bei diesem Liebeswerk zu unterstützen. Erwünscht sind namentlich: Lebensbilder, Kriegsgeschichten, Reiseschilderungen, Erdbeschreibungen, Romane, kleine Erzählungen, Kalender, Naturwissenschaftliche Bücher, Illustrierte Blätter, ebenso religiöse Schriften. Die Bücher sollen in guten Einbänden oder broschiert sein. Hunderttausende werden gebraucht. Alle Sendungen sind zu richten an: Borromäus-Verein, Bonn, Wittelsbacherring 9.

Gedichte sind uns in derart großer Zahl zugegangen, daß es uns unmöglich ist, sie einzeln auf ihren Wert zu prüfen. Wir danken für die freundliche Uebermittlung, glauben aber von einer Veröffentlichung weiterer Gedichte Abstand nehmen zu müssen, auch schon aus dem Grunde, weil wir niemand Anlaß zu der Auffassung geben möchten, er sei zurückgesetzt oder sein dichterisches Können sei nicht gebührend eingeschätzt worden. Es ist gewiß ein erfreuliches Zeichen, wenn jeder in dieser Zeit versucht, dem Vaterland in der Weise zu dienen, wie er seiner Veranlagung nach es am besten zu können meint, aber man muß den gegenwärtigen schwierigen Stand der Schriftleitungen von Zeitungen auch in Betracht ziehen. Die meisten Schriftleitungen haben einige ihrer Mitglieder und Mitarbeiter ins Feld geschickt und die übrigen teilen sich in die Arbeit dieser. Man soll ihnen die Arbeit in der gegenwärtigen Zeit nicht so schwer machen. Dies gilt auch von der endlosen Zahl der Stimmen aus dem Leserkreis. Die meisten sind derart lang, daß ihre Aufnahme nicht erfolgen kann, ohne daß man in mühevoller Arbeit sie zurechtstutzt. Daher können nur solche Anspruch auf Veröffentlichung erheben, die keine übermäßige Bearbeitung in Anspruch nehmen. Wir werden nach wie vor gern nutzbringende und verständnisvolle Anregungen, die uns zugehen, veröffentlichen, aber wir erwarten von den Einsendern, daß sie uns unsere Arbeit nicht in unnötiger Weise erschweren. Bei manchen Zusendungen ist eine eingehende Erkundigung notwendig, die erspart bleiben könnte, wenn stets die erforderlichen Belege (gegen Rückgabe) beigefügt würden. Zuschriften ohne genaue Unterschrift und Adresse bleiben unberücksichtigt.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)

 

Diese Nacht haben wir ein schauderhaftes Nachtgefecht in einem Dorf gehabt, haben zwei französische Infanterieregimenter da hinausgeschmissen, viele Tote und Verwundete. Es war schauerlich.
Ich bin wohl und grüße Euch alle herzlich.

(August Macke an seine Frau Elisabeth, Feldpostkarte)