Samstag, 24. Februar 1917

       

[...] Kartoffeln. An jeden Bezugsberechtigten werden 3 Pfund Kartoffeln ausgegeben. Schwerarbeiter erhalten auf die Zusatzkartoffelkarte weitere 4 Pfund Kartoffeln. Als Ersatz für Kartoffeln werden in der nächsten Woche auf die Warenkarte Nr. 7, 8, 9 und 10 je drei Pfund Steckrüben, also insgesamt 12 Pfund ausgegeben. Die Abnahme der ganzen Menge Steckrüben ist nicht notwendig, sondern es können die auf die Einzelabschnitte zustehenden Mengen gesondert gekauft werden.
   Da die Ausgabe der Steckrüben nur noch kurze Zeit dauert, wird jeder Hausfrau dringend empfohlen, sich für die kommende gemüsearme Zeit Steckrüben in größerem Maße zu trocknen oder einzusäuern. Die Anweisungen dazu sind in den Verkaufsstellen zu haben.
Kolonialwaren.
[...] Dienstag und Mittwoch wird in der städtischen Verkaufsstelle Maxstraße (Hof der Feuerwehrkaserne) Auslandsspeck verkauft. Es können auf Warenkarte Nr. 11 200 Gramm gesalzenen Speck gekauft werden. Der Preis beträgt 6,50 M. das Pfund. Der Speck wird ohne Fleischmarke abgegeben.
   Voraussichtlich wird auch in der nächsten Woche wieder kondensierte und sterilisierte Milch in Blechdosen und Flaschen verkauft werden können. Es wird darauf aufmerksam gemacht, daß diese Milch keine große Haltbarkeit besitzt. Infolgedessen ist es nicht empfehlenswert, größere Mengen zu längerem Aufbewahren zu kaufen. Ueberhaupt sei an dieser Stelle auf die geringe Haltbarkeit aller konservierten Nahrungsmittel in Blechdosen ausdrücklich hingewiesen. Das Weißblech fehlt und das Schwarzblech, aus dem die Dosen jetzt hergestellt werden, ist für die Aufbewahrung der Nahrungsmittel lange nicht so geeignet.
Kohlen. Nachdem der Stadt Bonn täglich größere Mengen Briketts und Kohlen geliefert werden, ist die dringendste Kohlennot behoben. Es fehlt natürlich noch an einzelnen Kohlensorten wie Anthrazit-Nußkohlen. Die Verbraucher müssen sich daher noch für kurze Zeit den gegebenen Verhältnissen anpassen. Es sei darauf aufmerksam gemacht, daß einzelne Kohlenhändler sich geweigert haben, Kohlen von ihrem Lager abzugeben mit der Begründung, diese seien bereits verkauft, trotzdem dies vielfach nicht der Fall war. Gegen ein derartiges Verfahren wird mit aller Strenge seitens des Lebensmittelamtes vorgegangen werden. Bei Uebertretungen werden die Geschäfte unnachsichtlich geschlossen werden. [...]

(Bonner Zeitung, Rubrik „Nachrichten des Lebensmittelamts der Stadt Bonn“)

In der Stadtverordnetenversammlung gab gestern Oberbürgermeister Spiritus wieder einen zusammenfassenden Bericht über die Lebensmittelversorgung in Bonn. Er erwähnte u. a., daß die Stadt bei ihrem Lebensmittelgeschäft bisher rund 40 Millionen Mark umgesetzt habe, in den letzten vier Wochen allein fünf Millionen. Die Stadtverordneten stimmten der Erhöhung des Kartoffelpreises von 5.50 auf 6.50 Mark zu und erklärten sich auch mit der Anschaffung eines Lastkraftwagens für das Lebensmittelamt einverstanden. Die ungedeckten Kriegsausgaben der Stadt beliefen sich am 1. Januar, wie der Oberbürgermeister mitteilte, auf annähernd drei Millionen Mark, sie sollen später durch eine Anleihe gedeckt werden. die Vorlage über die Einführung eines Gassparpreises wurde vertagt. Außerhalb der Tagesordnung wurde angeregt, der zunehmenden Verwilderung der Schuljugend durch planmäßige Beschäftigung in der Landwirtschaft entgegenzuwirken. Auf eine weitere Anfrage teilte die Verwaltung mit, daß die Ausgabe von Notgeld vorbereitet werde. [...]

(Bonner Zeitung, Rubrik „Aus den Städtischen Nachrichten“)

       

Gegen das Ueberhandnehmen des Rollschuhlaufens inmitten unserer Stadt werden gegenwärtig viel Klagen laut. Gewiß gönnt man der Jugend jedwede gesundheitliche Bewegungsbetätigung von Herzen gerne, solange nicht recht bedenkliche Gefahren für die Ausübenden selbst und für den freien Verkehr damit verbunden sind. Von den Straßenbahnen, Fuhrwerken und Fußgängern wird das geradezu massenhafte und rücksichtslose sportliche Auftreten des Rollschuhlaufens vielfach belästigend empfunden. Alle asphaltierten Straßenstrecken und alle Bürgersteige bilden augenblicklich wieder wahre Tummelplätze für diesen Sport. Wenn schon am Tage selbst dieser Uebelstand vielfach zu Kollisionen führt, umsomehr hat man am Abend bei der dürftigen Beleuchtung eine Anrempelung zu befürchten. Es scheint nicht allgemein bekannt zu sein, daß Rollschuhlaufen in den Straße von der Polizei verboten ist.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Aus Bonn“)

Städtischer Gemüseverkauf. Weiß die Stadt, welche gute Kundschaft sie an der Bürgerschaft von Beuel etc. hat? Wenn nicht, so können ihr die Straßenbahnschaffner, die auch mich darauf aufmerksam gemacht haben, die zuverlässigste Auskunft darüber geben. Es gehen auf diese Weise große Mengen Gemüse ins „Ausland“, während zahlreiche Bonner betrübt ohne Gemüse nach Hause zurückkehren müssen, wie dies heute morgen betr. Krauskohl schon um 11 Uhr der Fall war. Durch die Beschränkung des Verkaufs gegen Vorzeigung des Umschlages der Lebensmittelkarte wäre dem leicht abzuhelfen.
   Jeder ordnet sich zudem gerne der vorgeschriebenen Reihenfolge an. Heute vormittag aber drängten sich einige Personen vor und wurden auch in der Tat sofort bedient, sodaß nicht nur wir andern länger warten mußten, sondern einige von denen, die hinter mir standen, überhaupt kein Gemüse mehr erhielten, während ihren der geordneten Reihenfolge nach wenigstens das Gemüse zugestanden hätte, was sich die vordrängenden Personen mitnahmen. Als ich die Verkäuferinnen darauf aufmerksam machte, wurde ich in recht unhöflicher Weise darauf hingewiesen, „daß diese Frauen in städtischen Diensten ständen und ebensogut was zu essen haben wollten, wie wir“. Ich bin überzeugt, daß das Lebensmittelamt mit dieser Praxis nicht einverstanden sein wird. Civis.

(Bonner General-Anzeiger, Rubrik „Sprechsaal“)

     

Stadtverordnetensitzung vom 23. Februar.
[...] Außerhalb der Tagesordnung fragte Stadtv. Gudden: Welche Maßnahmen gedenkt die Schulverwaltung zu treffen, um der zunehmenden Verwilderung der Schuljugend entgegenzutreten. Redner regt an, die Schuljugend außer der Schulzeit unter Aufsicht zu beschäftigen. Die Lehrerschaft werde über das Maß ihrer Pflicht hinaus bereit sein, um das zu erreichen, was wir wollen. Auch das Zigarettenrauchen der Jugendlichen nehme überhand.
   Schulrat Dr. Baedorf dankte dem Vorredner für seine Anregung der Beschäftigung außerhalb der Schulzeit.
   Stadtv. Direktor Bins schlug eine planmäßige Beschäftigung in der Landwirtschaft vor. Die Lehrerschaft möge die Arbeitsvermittlung übernehmen.
   Schulrat Dr. Baedorf dankte auch für diese weitere Anregung und versprach, ihr seine Aufmerksamkeit zu schenken.
   Stadtv. Butscheidt meint, angebracht sei es, das Züchtigungsrecht auf Erwachsene in gewissem Umfange auszudehnen.
   Die Sache wird weiter verfolgt werden.
   Schulrat Dr. Baedorf bemerkte, es sei das beste, wenn Erwachsene ihm die Kinder, welche frech seien, zur Anzeige brächten.
   Damit ist die Anfrage erledigt.

(Deutsche Reichs-Zeitung, Rubrik „Bonner Nachrichten“)